Protocol of the Session on November 7, 2007

Das ist zum einen ein sehr großer Erfolg und zeigt zum anderen, dass es eben sehr wohl möglich ist, sich in ethisch weitgehend unproblematischen Gefilden zu profilieren. So werden jedoch die embryonalen Stammzellen oft als therapeutische Wundermacher dargestellt. Verschiedene Wissenschaftler raten zu Mäßigung und verweisen auf die tatsächlichen bisherigen oder zu erwartenden Ergebnisse der embryonalen Stammzellforschung.

Dies zusammenfassend, kommt beispielsweise der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in seiner Ausarbeitung aus diesem Jahr zu dem Schluss, dass zum einen eine abschließende Aussage – ich zitiere –, „… ob die embryonale Stammzellentherapie zur Anwendung gelangen kann oder nicht“, nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung nicht getroffen werden kann, da diese Zelltypen zum Teil Eigenschaften zeigen, die als sehr riskant bezeichnet werden; und zum anderen, dass nach derzeitigem Stand auch international nicht mit zugelassenen Anwendungen dieser Stammzellen in der Behandlung von Patienten gerechnet werden kann. Wenn überhaupt, dann vermutlich in einem Zeithorizont von 20 Jahren.

Anders sieht es bei den adulten Stammzellen aus: Deren Bedeutung für Therapien hat sich rasch herausgestellt. Selbst die Deutsche Forschungsgemeinschaft räumt ein,

dass auf der ganzen Welt neue regenerative Zelltherapien bislang nur mit den adulten Stammzellen in der klinischen Phase laufen und aussichtsreich sind. Adulte Stammzellen können seit vier Jahrzehnten klinisch angewandt werden. Es werden bei verschiedenen Indikationen gute Effekte erzielt. Insbesondere ist in einigen Fällen noch gar nicht klar, warum die gesundheitsfördernden Wirkungen eintreten. Hier sollte noch viel intensiver geforscht und mehr Geld aufgewendet werden, wenn man an Heilung und eben nicht nur an schnellen Patenten interessiert ist.

Nun, verehrte Damen und Herren der FDP, noch ein wenig Nachhilfe in Fragen der von Ihnen verschwiegenen ethischen und rechtlichen Aspekte, die notwendig zu diskutieren sind, wenn man die Aufhebung des Kompromisses zum Embryonenschutzgesetz und damit das Gesetz selbst zur Disposition stellen will. Aufzuzählen wären dabei der Schutz der Menschenwürde von Embryonen, die Rechte von Frauen, die Dynamik von Technologieentwicklung und damit verbundene Technologiefolgenabschätzungen, rechtliche Fragen nach Eigentum, Verfügbarkeit von Technologien und Fragen von Freiheit – also die Freiheit von verschiedenen Seinsweisen und Lebensformen im Gegensatz zu enger werdenden Normalitätsvorstellungen – bzw. Einschnitte in persönliche Selbstbestimmungsrechte. Ich denke, mit einer deutschen Vergangenheit, in der zwischen wertem und unwertem Leben unterschieden wurde, haben wir hier eine besondere Verantwortung.

Ein Beispiel. Meine Dame und meine Herren von der FDP: Haben Sie sich in Vorbereitung auf die Diskussion mit der Frage auseinandergesetzt, woher denn diese Embryonen kommen, wie diese gewonnen werden? Im Fachjargon heißt es, dass diese „abgeerntet“ werden.

Ich fand folgende Rechnung: Würde man für nur 10 % aller Alzheimerkranken in Deutschland Stammzelllinien entwickeln, benötigte man 25 000 geklonte embryonale Stammzellen. Um eine einzige dieser Linien zu gewinnen, sind ungefähr 280 Eizellen notwendig. Das ergäbe einen Bedarf von sieben Millionen Eizellen. Nun glaube ich nicht, dass sich Frauen freiwillig der notwendigen gefährlichen und schmerzhaften Hormonbehandlung und der Punktion unterziehen, nur um Eizellen für die Forschung zu produzieren – aber aus Not natürlich schon, dann gegen Geld. Schon heute existiert ein wachsender illegaler Handel mit Organen von lebenden Menschen – vorzugsweise Nieren. Wie wollen Sie dem begegnen, wie das Selbstbestimmungsrecht und die Würde der Frauen schützen, gerade auch in ärmeren Ländern?

Meine Damen und Herren der FDP, Ihre bisherige Respektlosigkeit gegenüber diesen ethischen und juristischen Aspekten ist enttäuschend. Aber vielleicht waren Sie sich nicht der Tragweite bewusst, als Sie den Antrag der FDPBundestagsfraktion mehr oder weniger abgeschrieben haben. Sie haben aber heute die Möglichkeit der Rückverweisung des Antrages an die zuständigen Ausschüsse. Beginnen wir einen offenen und öffentlichen Dialog um die Forschungsfreiheit und deren gesellschaftliche Folgen,

über einen Fortschritt nach menschlichem Maß und die Verantwortung für Humanität.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und ganz vereinzelt bei der CDU und der SPD)

Die SPD, bitte; Frau Dr. Raatz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will gleich da ansetzen, wo Frau Werner aufgehört hat, denn sie hat es deutlich gemacht: Der Antrag der FDP-Landtagsfraktion ist eigentlich ein FDP-Bundestagsantrag vom Oktober dieses Jahres, der etwas überarbeitet wurde. Natürlich bezeichnen Sie sich – das haben Sie heute auch deutlich gemacht – als Halbzeitparlamentarier; trotz alledem fände ich es schon gut, wenn Sie sich eigene Gedanken machen und vielleicht einen eigenen Antrag auf die Beine stellen würden.

Denn da es ein Bundestagsantrag ist, gehört er mit der Debatte und mit der entsprechenden Entscheidung eben dahin: in den Bundestag. Natürlich können wir uns auch im Landtag mit dieser Problematik befassen; aber genauso, wie es Frau Werner gerade deutlich gemacht hat, gehört dazu ein etwas anderes Herangehen, ein anderes Umfeld, und gerade zu dieser abendlichen Stunde ist ein solch sensibles Thema schlecht zu behandeln.

(Torsten Herbst, FDP: Dann geben Sie uns doch einen besseren Platz in der Tagesordnung!)

Während also die FDP-Bundestagsfraktion mit ihrem Antrag die Verbesserung – –

(Zuruf von der FDP)

Gehen Sie doch einmal ans Mikrofon, ich kann das akustisch ganz schlecht verstehen.

Herr Dr. Martens, bitte.

Frau Kollegin Raatz, halten Sie es für redlich, wenn Sie auf der einen Seite den Antragstellern die späte Diskussion des Antrages vorwerfen, auf der anderen Seite aber die Koalitionsparteien im Präsidium dafür sorgen, dass diese Anträge grundsätzlich nach hinten gereicht werden?

(Beifall bei der FDP)

Das Problem müssen Sie meiner Ansicht nach noch einmal im Präsidium besprechen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Daran bin ich persönlich nicht beteiligt. Unabhängig davon wurde hier eine Verfahrensweise von Frau Werner vorgestellt. Eine Anhörung wäre das Mindeste, was man mit diesem Thema machen sollte.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Nichtsdestotrotz können wir Abgeordnete uns auch hier im Sächsischen Landtag eine Meinung bilden, aber zu dieser Stunde und mit diesem Antrag als Grundlage ist das sehr schwierig.

Ich habe mir einmal den FDP-Bundestagsantrag angeschaut. Darin geht es um die Verbesserung der Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Nutzung von Stammzellen für die medizinische Forschung. Das steht im Vordergrund.

Wenn man sich dann aber den Antrag der FDPLandtagsfraktion durchliest, findet man diesen Schwerpunktbereich nicht. Gerade diese sensible Thematik wird außen vor gelassen. Hier geht es inhaltlich eher um Folgendes: Man will über den Antrag der Bundestagsfraktion hinausgehen und durch Schaffung eines flexiblen Dienstrechts innovative Behandlungsmethoden in der regenerativen Medizin in Sachsen einführen. Ich muss sagen: Dieser – für mich unerklärliche – Zusammenhang ist schon bemerkenswert.

Unabhängig davon wissen wir alle, dass es im gesellschaftlichen Diskurs und in der politischen Debatte verschiedene Positionen zum deutschen Stammzellgesetz gibt. Gegen die Öffnung des Gesetzes sprechen verschiedene Gründe. Ich will den schon genannten einige hinzusetzen.

Es spricht das Misstrauen gegenüber dem verantwortlichen Handeln der Wissenschaft dagegen. Wie verantwortlich sind die Wissenschaftler wirklich? Ich glaube, dass sich Wissenschaft und Verantwortlichkeit zum Teil ausschließen. So schlimm, wie es klingt – es ist so. Auf jeden Fall muss man hier genau kontrollieren.

Das andere sind Ängste vor einer Selbstmanipulation der Menschheit. Ich nenne nur das Stichwort „Designbaby“. Es gibt heutzutage schon Beispiele, dass Zwillinge mit siebenjährigem Altersunterschied geboren werden. Ist es das, was wir wollen? Ich glaube, eher nicht.

Ein besonderer Grund dafür, dass man der Öffnung des Gesetzes kritisch gegenüberstehen muss, ist die Verantwortung Deutschlands angesichts der Erfahrungen aus der Geschichte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Solche Gründe können nicht einfach vom Tisch gefegt werden. Der Antrag der FDP-Bundestagsfraktion berücksichtigt das bis zu einem gewissen Grade. Ich will aus diesem Antrag zitieren: „Dabei werden die Rahmenbedingungen für die Forschung in jedem Land anders geregelt und sind durch unterschiedliche soziokulturelle, religiöse und ethisch-moralische Traditionen bestimmt. Überall geht es um die schwierige Abwägung zwischen der Freiheit der Forschung und dem Embryonenschutz.“

Ja, genau darum geht es.

Die politische Regelung der Stammzellforschung ist und bleibt eine ethische Grundsatzfrage – Frau Werner und

Herr Hermsdorfer sind darauf schon eingegangen –, bei der jede und jeder Abgeordnete allein nach seinem Gewissen entscheiden muss.

Einige Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion haben im Juli angekündigt, ebenfalls einen Änderungsantrag zum Stammzellgesetz vorzulegen. Dabei soll der nach langer, breiter gesellschaftlicher und politischer Debatte gefundene Grundkonsens des Stammzellgesetzes beibehalten und die Stichtagsregelung einmalig auf den 1. Mai 2007 verschoben werden.

Diese Stichtagsregelung wird von der FDP-Fraktion sehr kritisch gesehen.

Es werde mit diesem Vorschlag, so die SPDAbgeordneten, den Anforderungen der Forscher, mit ausreichend Material zu arbeiten, Rechnung getragen. Ebenso sollen die strafrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes auf das Inland begrenzt werden.

Die Europäische Gruppe für Ethik fordert, überhaupt nur so lange mit embryonalen Stammzellen zu forschen, bis vergleichbare Alternativen zur Verfügung stehen. Es wurde heute schon gesagt: Es ist fragwürdig und noch nicht genau geklärt, welche Erfolge man überhaupt mit embryonalen Stammzellen zukünftig verzeichnen wird. Also sollte man aus diesem Grund nicht nur in diese Richtung blicken, sondern auch nach Alternativen Ausschau halten.

Genau diese Strategie verfolgt auch die Bundesregierung. So heißt es in einer Bekanntmachung des BMWF zum Forschungsschwerpunkt Stammzellen vom September 2007: „Es werden in dem künftigen Förderschwerpunkt zur Gewinnung pluri- und multipotenter Stammzellen Verfahren zum Erhalt dieser Zelllinien gefördert, die mit den gesetzlichen Regelungen, insbesondere dem Embryonenschutzgesetz, in Einklang stehen. Dabei sind Ansätze zur Dedifferenzierung bzw. Reprogrammierung von adulten menschlichen Zellen bzw. Säugetierzellen, aber auch die Nutzung von – beim Menschen natürlich vorkommenden – multi- oder pluripotenten Zellen denkbar.“

Also, liebe FDP-Fraktion, die sächsische Forschungslandschaft bricht nicht zusammen, wenn die Verwendung embryonaler Stammzellen für Forschungszwecke auch zukünftig mit Auflagen versehen ist. Im Gegenteil, der Neubau zum Beispiel des Zentrums für regenerative Therapien an der TU Dresden ist ein wichtiger Schub für die Regenerationsforschung.

Wie Herr Prof. Inninger, Direktor am Dresdner Universitätsklinikum, zur gläsernen Werkstatt des Wissenschaftsministeriums kürzlich mitteilte: „Die Welt wird nicht untergehen an der deutschen Verweigerung. Die Forschung hierzulande wird in jedem Fall von internationalen Ergebnissen profitieren und nicht zurückfallen.“

Sehr geehrte Abgeordnete der FDP-Fraktion! Das Thema Stammzellforschung eignet sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen und die Entscheidung sollten wir

dort belassen, wo sie hingehört: nämlich in den Bundestag.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die NPDFraktion Herr Petzold.

Frau Präsidentin! Wegen der fortgeschrittenen Zeit gebe ich meine Rede zu Protokoll.

(Beifall bei der NPD)