Protocol of the Session on September 27, 2007

(Widerspruch bei der CDU, der Linksfraktion und der SPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Der Antrag ist erledigt!)

Ach so, Entschuldigung, alles zurück! Ich habe nicht so gut reagiert. Dann kann natürlich auch über den Ände

rungsantrag nicht mehr abgestimmt werden. Somit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Bundeswehr raus aus Afghanistan! Für eine Initiative des Freistaates Sachsen zur Beendigung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan

Drucksache 4/9839, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge der ersten Runde: NPD, CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.

Es beginnt die NPD-Fraktion. Herr Abg. Apfel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion legt Ihnen heute einen Antrag zur Abstimmung vor, mit dem die Staatsregierung ersucht wird, sich auf Bundesebene dafür starkzumachen, dass erstens der Einsatz von Kontingenten der Bundeswehr in Afghanistan im Rahmen der UNmandatierten Einsatzmission nicht verlängert wird und dass zweitens die im Einsatz befindlichen Kontingente der Bundeswehr einschließlich der Tornado- und Kampfflugzeuge und der unter amerikanischem Kommando operierenden KSK-Einheiten schnellstmöglich aus Afghanistan abgezogen werden.

In Anbetracht der Absicht der Bundesregierung, Bundeswehrkontingente noch einmal auszuweiten, und angesichts jüngster Forderungen der amerikanischen Regierung und der NATO nach einem weiteren Bundeswehreinsatz in dieser Region hält es die NPD-Fraktion für dringend geboten, dass sich die Staatsregierung für ein rasches Ende der interventionistischen, grundgesetzwidrigen und sicherheitspolitisch desaströsen Afghanistanpolitik einsetzt.

(Beifall bei der NPD sowie des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Selbst sechs Jahre nach Beginn des amerikageführten Angriffskrieges wurden die Ziele der Militäreinsätze – die vorgebliche Bekämpfung des internationalen Terrorismus, eine angebliche Demokratisierung und der Wiederaufbau Afghanistans – nicht einmal ansatzweise erreicht. Ganz im Gegenteil, das von Krieg und Bürgerkrieg zerrüttete Land ist durch die andauernden und mit erheblichen Verlusten unter der Zivilbevölkerung verbundenen Militäreinsätze der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft von Frieden, Wiederaufbau und Stabilität heute weiter entfernt denn je. Schlimmer noch: Das früher vorhandene Vertrauen, das Deutschland in der islamischarabischen Welt genoss, wurde durch den Militäreinsatz der Bundeswehr an der Seite der Amerikaner am Hindukusch weitgehend verspielt.

Die Bundesregierung betreibt auf ihren Pressekonferenzen eine Schönfärberei der wirklichen Verhältnisse in Afghanistan.

Das betrifft nicht nur die Gebiete, in denen Amerikaner und Nato-Truppen in heftige Kämpfe mit der einheimischen Bevölkerung verwickelt sind. Auch die Lage der deutschen Aufbauhelfer ist in Wirklichkeit weit gefährlicher und bedrohlicher, als zugegeben wird. Ein Grund für diese selbstverschuldete gefährliche Lage ist sicherlich auch der Einsatz deutscher Spionage-Tornados, die nicht nur bei den Afghanen im Verdacht stehen, durch die Weitergabe ihrer Aufklärungsergebnisse an die amerikanischen Kampfeinheiten an zahlreichen Kriegsverbrechen durch Beihilfe beteiligt zu sein. Nicht ohne Grund, meine Damen und Herren, erklärte der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär Willy Wimmer bereits zum Jahresbeginn – ich zitierte –: „Die deutschen Piloten, die mit diesen Flugzeugen die Dörfer ausfindig machen, die anschließend von den Amerikanern zerstört werden, sind damit auf dem direkten Flug nach Den Haag.“

Die Bundesregierung wäre nach unserer Auffassung gut beraten, einmal den eigenen Soldaten, die von einem Einsatz aus Afghanistan zurückkehren, wirklich zuzuhören, um ein ungeschöntes Bild der dortigen Lage zu erhalten. Neben einer ungeschönten Gefahrendarstellung erführe man dann nämlich auch etwas über die Absurdität, auf vormoderne Stammesgesellschaften theoretische Prinzipien parlamentarischer Demokratie übertragen zu wollen.

Die Bundesregierung hat durch die zielstrebig vorangetriebene Verstrickung Deutschlands in den AfghanistanKonflikt wissentlich, wenn nicht gar vorsätzlich, das eigene Volk einer wachsenden Bedrohung durch einen potenziell zurückschlagenden islamistischen Terror ausgesetzt. In der letzten Woche wurde eine repräsentative Umfrage durchgeführt, in der die Deutschen nach ihren größten Ängsten befragt wurden. Die Angst vor Terroranschlägen war danach überproportional hoch. Dies deutet unmissverständlich auf ein geschärftes Bewusstsein für die Gefahrenlage hin. Noch größer aber war die Befürchtung der Befragten davor, dass die etablierten Politiker mit den aktuellen Problemen schlichtweg überfordert seien.

Die NPD-Fraktion hält es vor diesem Hintergrund und um weiteren Schaden vom Volk abzuwenden für dringend geboten, der weltweiten Interventionspolitik der Bundesregierung endlich wirksam entgegenzutreten.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Als unmissverständliche Geste des Kurswechsels sollten zunächst die deutschen Truppen aus Afghanistan abgezogen und nach Deutschland zurückverlegt werden, wo ihr Einsatz im Rahmen des Heimatschutzes auch endlich wieder im Einklang mit Wort und Geist des Grundgesetzes stehen würde.

(Vereinzelt Beifall bei der NPD)

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, ist der NPDFraktion an einem außenpolitischen Signal an die Adresse des Hauptaggressors in Afghanistan, der Vereinigten Staaten von Amerika, gelegen. In einem maßgeblich von den USA selbst provozierten Krieg gegen den Terror ist eine logistische, militärische und politische Unterstützung der USA durch die Bundeswehr nach Auffassung der NPD-Fraktion außerordentlich verhängnisvoll.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die NPD befindet sich mit dieser Bewertung im Einklang mit der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes. Mit der parlamentarischen Initiative der NPD soll der Bundesregierung Gelegenheit gegeben werden, endlich dem Mehrheitswunsch der Wähler im Sinne einer echten Volksherrschaft zu entsprechen. Es darf nicht länger sein, dass sich die Vertreter der repräsentativen Demokratie permanent über den Mehrheitswillen in solch existenziellen Fragen unseres Volkes hinwegsetzen.

Wir fordern die hier anwesenden Parlamentarier daher auf: Stimmen Sie für den Antrag der NPD-Fraktion für eine Initiative des Freistaates Sachsen zur Beendigung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, dafür, dass endlich kein deutsches Soldatenblut mehr zu Amerikas Interessen fließen muss, dafür, meine Damen und Herren, dass die deutsche Bundeswehr endlich aus Afghanistan verschwindet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Hans-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Die CDUFraktion. Frau Abg. Henke, bitte; für die Koalitionsfraktionen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die NPD versucht, mit einem durchsichtigen Manöver in einem Bereich zu punkten, für den nun wahrhaftig der Sächsische Landtag keinerlei Zuständigkeit hat. Die Fragen der äußeren Sicherheit und der Verteidigungspolitik sind ausschließlich dem Bund zugewiesen. Dort besteht die Zuständigkeit und dort wird sie auch geführt.

Ein Grund für dieses untaugliche Manöver der NPD mag auch in der Erkenntnis der Extremisten von Rechts liegen, dass die Bürger ihre völlige Ideenlosigkeit erkannt haben und diese Partei keinesfalls in den Deutschen Bundestag wählen werden,

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Gelächter bei der NPD – Holger Apfel, NPD: Warten wir ab!)

wo sie eventuell diese Frage behandeln könnten. Aber nein, sie suchen einen Schauplatz, um ihre abenteuerlichen Vorstellungen irgendwo vorzustellen. Die NPD macht es sich hier sehr leicht, folgenlos zu schwadronieren, sie muss ja für ein wie auch immer geartetes Abstimmungsverhalten keinerlei Verantwortung übernehmen.

Verantwortung müssen seit Jahren unsere Kollegen im Bund übernehmen. Sie stellen sich dieser Verantwortung, sie treffen sie in sachlicher, ernster und ruhiger Abwägung: Entscheidungen über die Einsätze der Bundeswehr, über Einsätze unserer Soldaten. Ich weiß, dass sich unsere Kollegen im Bundestag diese Entscheidungen weiß Gott nicht leicht machen. Sie verdienen dafür unseren Respekt.

Vor allem aber verdienen unseren Respekt und unseren Dank die Soldaten der deutschen Bundeswehr,

(Jürgen Gansel, NPD: … die Sie dort verheizen!)

die seit vielen Jahren die Gefährdung und Entbehrung der Auslandseinsätze gemeinsam mit ihren Familien tragen. Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und ihren Angehörigen, ihren Familien, ihren Freunden und Partnern sollten wir an dieser Stelle ganz herzlich Dank sagen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Sie haben es jedoch keinesfalls verdient, dass sich die Extremisten von Rechts mit billigen Ablenkungsmanövern auf ihrem Rücken ihr politisches Süppchen kochen.

Doch nun zur Sache selbst. Nach dem Sturz des TalibanRegimes einigten sich die größten ethnischen Gruppen Afghanistans im November und Dezember 2001 anlässlich der Petersberg-Konferenz auf eine Vereinbarung über provisorische Regelungen in Afghanistan bis zum Wiederaufbau dauerhafter Regierungsinstitutionen, die sogenannte Bonner Vereinbarung. Damit schufen sie die Grundlage für die internationale Truppe ISAF, deren Aufstellung der Weltsicherheitsrat der UN am 20. Dezember 2001 beschloss. Sie soll im Auftrag der Vereinten Nationen die afghanische Regierung bei der Wahrung der Menschenrechte sowie bei der Herstellung und Wahrung der inneren Sicherheit unterstützen. Darüber hinaus unterstützt ISAF die afghanische Regierung bei der Auslieferung humanitärer Hilfsgüter und der Regelung der Rückkehr von Flüchtlingen.

Der Kampf gegen das Terrornetz Al-Qaida und gegen die Taliban ist Aufgabe von Enduring Freedom. Mandat und Organisation der Friedenstruppe ISAF sind davon strikt getrennt, Herr Apfel, und das wissen Sie sicherlich selbst. Der Deutsche Bundestag hat am 22. Dezember 2001 erstmals das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr am ISAF-Einsatz erteilt. Neben dem Einsatz ISAF und dem Einsatz OEF sind nunmehr auch im Süden Afghanistans unterstützend Tornadokampfflugzeuge zur Luftabwehr eingesetzt.

Verteidigungsminister Jung betonte in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 20. September die Notwendigkeit der Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Mit einem Appell an die Abgeordneten des Bundestages, der Verlängerung des Mandats zum Einsatz der Bundeswehr zuzustimmen, schloss der Verteidigungsminister seine Rede im Bundestag: „Wir dürfen uns nicht zurückziehen aus Afghanistan und Afghanistan den Taliban überlassen. Das Land darf nicht wieder ein Ausbildungszentrum für Terrorismus werden“, so Jung.

Dies sei nicht nur für Afghanistan, sondern auch für unsere eigene Sicherheit wichtig. Jung verwies dabei auf die Bedeutung des Konzepts der Vernetzung „Keine Sicherheit ohne Wiederaufbau und kein Wiederaufbau ohne Sicherheit“, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Ferner erinnerte Jung an bereits zu verzeichnende Erfolge, wie den Aufbau einer medizinischen Grundversorgung, die Einrichtung von Schulen sowie die Etablierung von Parlament und Verfassung.

Es ist keinesfalls so, Herr Apfel, wie Sie ausgeführt haben, dass in den fünf Jahren bisher nichts passiert sei. Es gab vorher kein Gesundheitssystem.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Vor allen Dingen – das in Anbetracht der Diskussion, die wir gestern zum Antiterroreinsatz hatten oder meinetwegen auch zu Ihrem unsäglichen Ansatz heute Morgen, was das Eva-Prinzip betraf – haben die Frauen in Afghanistan so gut wie keine Rechte gehabt. Sie werden feststellen können, dass Frauen jetzt auch im Parlament von Afghanistan sitzen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Man dürfe seine Freunde nicht im Stich lassen, fuhr Jung fort. Deshalb werde die Bundeswehr in Notsituationen auch weiterhin für Unterstützungsleistungen im Süden des Landes zur Verfügung stehen. Dies sei bereits in der Vergangenheit mit dem Einsatz von Fernmeldespezialisten im südafghanischen Kandahar geschehen.

In fünf Jahren wurde viel erreicht. Um die Lage dauerhaft zu stabilisieren, sind weitere Anstrengungen erforderlich. Aber schon jetzt hat sich das Leben vieler deutlich verbessert. Bis zum Jahr 2001 war Afghanistan die wichtigste Operations- und Trainingsbasis des internationalen Terrorismus.

(Jürgen Gansel, NPD: Heute wieder des Drogenhandels!)

Das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft hat die Herrschaft der Taliban beendet und dem Terrorismus den Boden entzogen. Das, meine Damen und Herren von Rechts, sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen und nicht in Ihrer Begründung den Leuten erzählen, wir müssten Angst haben, dass die Bundesrepublik vom Terrorismus bedroht ist, weil die Bundeswehr in Afghanistan ist. Deutschland ist nicht deswegen vom Terrorismus bedroht. Wir sorgen auch durch den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan dafür, dass der Terrorismus nicht erstarkt. Ich glaube, genau das wollen Sie den Leuten nicht rüberbringen. Aber ich denke mir, die Menschen, vor allem die Sachsen, werden das begreifen. Ich hoffe, dass Sie im nächsten Parlament nicht wieder hier sitzen werden.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Lachen bei der NPD – Holger Apfel, NPD: Träumen Sie weiter!)