An diese Verpflichtung fühle ich mich gebunden, und ich hoffe immer noch inständig, dass sich die meisten Abgeordneten des Sächsischen Landtages auch daran gebunden fühlen.
Artikel 3 der Sächsischen Verfassung lautet: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
Das heißt, diese Bindung kann man nicht einfach aus politischen Gründen oder weil es zum Beispiel der Öffentlichkeit besser zu vermitteln ist oder aus anderen Gründen aufheben.
Ich halte deshalb die voreiligen Äußerungen einiger Abgeordneter, sie würden dem Einsetzungsantrag auf jeden Fall zustimmen oder sie würden ihn passieren lassen durch Stimmenthaltung – egal, ob sein Inhalt verfassungsgemäß ist oder nicht –, zumindest für fahrlässig.
Worum geht es, meine Damen und Herren? Die Opposition hat nach der Verfassung weitgehende Rechte. Das ist gut und richtig so. Dazu gehört das Minderheitenrecht, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zu verlangen. Aber auch unterhalb dessen gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie zum Beispiel in Artikel 51 der Sächsischen Verfassung niedergeschrieben ist: Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen haben die Staatsregierung oder ihre Mitglieder im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten.“ Es gilt aber auch Abs. 2 des Artikels 51: „Die Staatsregierung kann die Beantwortung von Fragen ablehnen, wenn diese den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berühren oder einer Beantwortung gesetzliche Regelungen, Rechte Dritter oder überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen.“
Meine Damen und Herren! Ich meine, dass diese Einschränkung auch dann gilt, wenn das schärfste Mittel der Opposition, ein Untersuchungsausschuss, eingesetzt wird. Ein Untersuchungsausschuss hat gerichtsähnliche Befugnisse. Das wissen Sie ganz genau. Er kann die Herausgabe von Akten erzwingen, Zeugen bestellen und unter Eid vernehmen,
gegebenenfalls sogar im Zusammenwirken mit einem Gericht Zwangsmaßnahmen bis hin zur Beugehaft einleiten. Das alles ist aber nur dann anwendbar, wenn es dazu einen sauberen, zuverlässigen Einsetzungsbeschluss gibt.
Wäre ich nicht Ingenieur, sondern Jurist, dann würde ich genauestens darauf achten, dass dieser Einsetzungsbeschluss sauberst formuliert ist, damit ich nämlich alle Mittel, die mir im Untersuchungsausschuss zur Verfügung stehen, auch anwenden kann. Nur so hätte er überhaupt die Chance, aufklärend zu wirken. Von seinem Grundansatz her halte ich sowieso nicht viel davon. Darauf werde ich noch kommen.
Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung kann der Landtag – und damit auch der Untersuchungsausschuss – lediglich nach Maßgabe der Verfassung die vollziehende Gewalt kontrollieren – siehe Artikel 39 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung.
Deutlicher ausgedrückt: Die Opposition kann sich nicht mit einem Untersuchungsausschuss – mit einem weit gefassten und höchst unbestimmten Untersuchungsauftrag – an die Stelle der Regierung setzen.
In Klammern sage ich dazu: Wir sind ja zu DDR-Zeiten gut in Marxismus-Leninismus gebildet worden. Das alte kommunistische Prinzip der sogenannten Bolschewiki – die Minderheit erklärt sich einfach zur Mehrheit –
funktioniert heute nicht mehr. Das hat einmal in der Sowjetunion funktioniert, bevor sie überhaupt bestanden hat.
Noch etwas: Die Opposition kann auch nicht mit den Mitteln eines Untersuchungsausschusses Vorgänge untersuchen, für die die Exekutive weder eine rechtliche noch eine politische Verantwortung trägt,
Der Untersuchungsausschuss kann sich nicht an die Stelle eines Gerichtes setzen. Ich hoffe, darüber sind wir uns alle im Klaren.
Der Artikel 78 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung lautet: „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte sind unzulässig.“ Sogar Herr Kollege Bartl hat heute bestätigt, dass es nur über die zuständigen Strafverfolgungsbehörden und über die Gerichte geht.
Nicht bestritten werden soll natürlich Artikel 54 Abs. 1 – das sage ich noch einmal –: „Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.“
Nicht davon zu trennen, meine Damen und Herren, sind die nächsten beiden Sätze: Der Gegenstand der Untersuchung ist im Beschluss festzulegen.
Der in einem Minderheitenantrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand – und hier handelt es sich um einen Minderheitenantrag – darf nicht gegen den Willen der Antragsteller verändert werden. Deshalb verbietet es sich, dass der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss dem Landtag eine Beschlussempfehlung, zum Beispiel einen geänderten Einsetzungsantrag, vorlegt. Das können nur die Antragsteller selbst tun – mit den notwendigen Unterschriften.
Diese lagen, als Sie dieses Papier im Entwurf in den Verfassungsausschuss einspeisen wollten, nicht vor. Dieser Änderungsantrag ist erst jetzt dem Landtag vorgelegt worden; er ist gestern mit den notwendigen Unterschriften eingegangen. Seitdem liegt er dem Landtag, welcher der Adressat dieses Änderungsantrages ist, erst vor.
– Herr Bartl, Sie können später noch einmal sprechen. Ach nein, Sie haben keine Redezeit mehr. Ich möchte erst einmal meine Rede vortragen.
Der Untersuchungsauftrag muss dem Grundsatz der Gewaltenteilung Rechnung tragen; dies ist bereits erwähnt worden. Er darf den Kernbereich, Eigenverantwortung der Exekutive, nicht antasten usw. All das haben wir schon ausgeführt. Gemessen an diesen Voraussetzungen halten wir auch den neuen, durch einen Änderungsantrag leicht verbesserten Einsetzungsantrag zumindest für überprüfungswürdig. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Darf ich daran erinnern: Als der Juristische Dienst des Landtages sein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss überwiesenen ursprünglichen Einsetzungsantrages erstellt hatte, musste der Leiter des Juristischen Dienstes die übelsten Beschimpfungen des jetzigen Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion über sich ergehen lassen.
Ein solches Verhalten, meine Damen und Herren, ist nicht nur höchst unverschämt – es zeigt auch den wahren Charakter dieser Fraktion.
Nun sage ich noch etwas, das Ihnen wieder nicht gefallen wird; aber es kommt ja aus mir heraus; wenn das Herz voll ist, läuft der Mund über: Ich halte es für einen Treppenwitz der Geschichte, dass sich ehemalige SED-Kader und Stasileute 17 Jahre nach der friedlichen Revolution aufschwingen, eine demokratisch gewählte Regierung mit den übelsten Verdächtigungen zu überziehen mit dem offensichtlichen Ziel, den demokratischen Rechtsstaat insgesamt zu diffamieren.