Protocol of the Session on July 4, 2007

Die SPD-Fraktion wird vertreten durch die Abg. Frau Weihnert.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns sicher darin einig: Demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger ist kein Almosen der Politik, sondern Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Unsere Demokratie ist, wie keine andere Staatsform, auf das Engagement und die aktive Unterstützung ihrer Bürgerinnen und Bürger geradezu angewiesen. Das gilt vor allem für die kommunale Ebene.

Unsere Kommunen – und auch unsere Demokratie – sind dann stark, wenn sie möglichst viele Angelegenheiten eigenverantwortlich im Konsens mit ihren Bürgerinnen und Bürgern regeln können. Kommunale Selbstverwaltung und aktive Bürgerbeteiligung gehören für uns als SPD-Fraktion unmittelbar zusammen. Das Recht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung, auch durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, so umfassend regeln zu können, ist ein Recht, um das uns viele europäische Länder beneiden. Als Freistaat tragen wir die Verantwortung dafür, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen eine faire kommunale

Selbstverwaltung und eine umfassende Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger zulassen.

Aus vielen Gesprächen mit Bürgerinitiativen und couragierten Bürgerinnen und Bürgern weiß ich und wissen die Mitglieder meiner Fraktion, welches Engagement viele Menschen bereit sind, den kleinen und großen Problemen in ihren Kommunen entgegenzubringen. Ohne bürgerschaftliches Engagement wäre vielerorts eine lebendige Kommunalpolitik kaum denkbar. Allerdings geht es uns nicht, liebe Kollegin Roth, um Vertreibung von Bürgermeistern. Dazu ist dieser Sachverhalt viel zu ernst und kompliziert. Eine solche Wortwahl ist der Sache leider nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Gegen eine Ausweitung demokratischer Teilhaberechte wird häufig eingewandt, das sei ein Problem für die repräsentative Demokratie. Auch sei die Gefahr groß, dass kommunale Entscheidungen durch eine stärkere Bürgerbeteiligung zu sehr von kurzweiligen Meinungsstimmungen und populistischen Strömungen beeinflusst würden. Ich glaube, so manches davon drang auch bei Ihnen, Herr Bandmann, durch. Ich denke aber, die Menschen in unserem Land sollten spüren, dass ihre Mitwirkung gefragt ist. Das wird zu einer Stärkung und nicht zu einer Schwächung unserer Demokratie beitragen. Die Politik ist gut beraten, den Menschen in unserem Land mehr zuzutrauen.

Im Übrigen zeigt ein Bundesvergleich, dass die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Sachsen zu hoch liegen

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

und die Elemente direkter Demokratie in unseren Kommunalverfassungen ohne sachlichen Grund erheblich schwächen.

Im Koalitionsvertrag hat die SPD durchgesetzt – hierzu darf ich die Seite 68 des Koalitionsvertrages zitieren –: „Die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger sollen gestärkt werden. Die Koalitionspartner prüfen, wie bei Bürgerbegehren Chancengleichheit zwischen Antragstellern und Verwaltung hergestellt werden kann.“

Frau Weihnert, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lichdi?

– Ich würde das erst noch gern zu Ende führen und komme darauf zurück.

Bisher sträubt sich unser Koalitionspartner, die Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Herr Bandmann deutete so etwas an. Aber ich glaube, Herr Bandmann, linkes Revoluzzertum können wir wohl gerade unserem Landtagspräsidenten nicht andichten. Er war es, der uns dankenswerterweise diese Aufgabe aus dem Koalitionsvertrag wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat, um dort

diesen Punkt weiter zu bearbeiten und zu beraten. Ich bin mir sicher, Herr Bandmann,

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

dass wir gemeinsam noch in dieser Legislatur zu einer geänderten gesetzlichen Regelung kommen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es hat sich erledigt, okay.

Auch wenn momentan zum Grundanliegen des Gesetzentwurfes eine Übereinkunft in der Koalition noch nicht zu erreichen war, bleibt das Thema auf unserer gemeinsamen Agenda. Da hält es meine Fraktion mit Willy Brandt: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“

Recht vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Danke. – Herr Petzold, Sie sprechen für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD hat sich stets für mehr direkte Demokratie eingesetzt. Der vorliegende Gesetzentwurf der GRÜNEN zur Erleichterung kommunaler Bürgerentscheide geht zwar in diese Richtung, senkt aber nach unserer Auffassung die Quoren so stark ab, dass das Demokratieprinzip verletzt wird. Obwohl uns die Instrumente des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheides als solche sehr wichtig sind, sind wir der Meinung, dass für einen Erfolg derartiger Initiativen deutliche Hürden entstehen müssen, die verhindern, dass bei Desinteresse der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung kleine Gruppen folgenschwere Entscheidungen durchsetzen können. Diese Sicherung würde durch die vorgeschlagenen neuen Quoren aus dem System herausgenommen werden.

Die Antragstellerin will zum Beispiel das Quorum für Bürgerbegehren von 15 auf 5 %, das Erfolgsquorum für Bürgerentscheide von 25 auf 10 % und das Absetzquorum für Bürgermeister von 50 auf 25 % absenken. Das heißt, dass 5 % der Stimmberechtigten einen Bürgerentscheid durchsetzen könnten. Anschließend könnten bei einer Abstimmungsbeteiligung von 20 % 10 % der Stimmberechtigten plus eine Stimme die Abstimmung für sich entscheiden. Das halten wir für eine viel zu schmale Basis für eine Entscheidung, die unter Umständen erhebliche Kostenfolgen für die Gemeinde hätte.

Für die Absetzung eines Bürgermeisters sollen nach dem Gesetzentwurf im Extremfall 25 % der Stimmberechtigten plus eine Stimme ausreichen, nämlich dann, wenn die Abstimmungsbeteiligung 50 % beträgt. Auch dieses Quorum ist für unseren Geschmack eindeutig zu niedrig.

Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion begrüßt grundsätzlich jede Stärkung direktdemokratischer Elemente. Den GRÜNEN-Antrag mit seinen Niedrigstquoren halten wir aber für nicht ganz praktikabel und müssen uns deshalb enthalten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Dr. Martens, Sie beschließen die Runde für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP unterstützt grundsätzlich das Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfes. Die Erleichterung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden ist auch für uns ein Mittel zur Stärkung der unmittelbaren bzw. direkten Demokratie auf der kommunalen Ebene. Das ist wichtig. Es hat sich auch gezeigt, dass das sinnvoll ist – auch in anderen Bundesländern, in denen die Quoren abgesenkt worden sind.

In Sachsen hat es seit 1993 nur 200 Bürgerbegehren und rund 100 Bürgerentscheide gegeben, in Bayern dagegen seit der Einführung der Regelungen 1 500 Bürgerbegehren und 900 Bürgerentscheide, und niemand wollte behaupten, dass in Bayern die Kommunalpolitik im Chaos versinkt. Auch wird sich die CSU mit Sicherheit dagegen verwahren, dass man derartige Vorstellungen als die Hirngespinste linken Revoluzzertums abtun könnte. Das, Herr Bandmann, sollten Sie der Bayerischen Staatsregierung einmal zukommen lassen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Dann warten Sie einmal ab, welche Reaktion Sie von Ihrer Schwesterpartei, der CSU, bekommen. Ich glaube, das wird eine sehr rabiate Schwester.

(Heiterkeit bei der FDP)

Aber gut. Wir befürworten die vorgesehenen Regelungen zum Auslegen von Unterschriftenlisten in öffentlichen Verwaltungsgebäuden und zur Nutzung des Straßenraumes in Wahlkampfzeiten. Das ist alles sinnvoll. Auch dass in Zukunft Abgabentarife und Entgelte Gegenstand von Bürgerentscheiden sein sollen, ist richtig, denn warum sollten diese ausgenommen bleiben?

Allerdings können wir dem Gesetzentwurf in dieser Form so nicht zustimmen – das haben wir auch schon im Ausschuss klargemacht –, weil wir einige Punkte als überzogen ansehen, wie zum Beispiel das obligatorische Abstimmungsheft. Es gibt Fragen, die einem Bürgerbegehren zugängig sind, ohne dass hierfür ein obligatorisches Heft mit einfachen Fragestellungen ausgeteilt werden muss. Wir sollten nicht so tun, als sei der Bürger möglicherweise grundsätzlich mit Fragestellungen eines Bürgerbegehrens intellektuell überfordert. Das ist nicht der Fall. Wir sind der Ansicht, dass die Kommunen selbst darüber entscheiden sollten, ob solche Abstimmungshefte notwendig sind.

Zudem haben wir Probleme damit, das Quorum bei der Abwahl von Bürgermeistern und Landräten von 50 auf 25 % der Stimmen abzusenken. Hier halten wir es mit dem Grundsatz der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Ein Hinweis sei mir noch gestattet, den ich mir als Liberaler in Sachsen nicht verkneifen kann: Wenn es Bürgerentscheide gibt, Herr Lichdi, dann müssen sie akzeptiert werden, und zwar von allen.

(Beifall bei der FDP)

Das fällt natürlich von Zeit zu Zeit schwer. Man sollte dann aber auch die Fairness besitzen und sich als Demokrat der Entscheidung fügen. Ich gehe davon aus, dass das in der Mehrheit der Bürgerentscheide und Bürgerbegehren der Fall sein wird. Wir werden uns jedenfalls bei diesem Gesetzentwurf heute hier enthalten.

(Beifall bei der FDP – Volker Bandmann, CDU: Also doch linkes Revoluzzertum!)

Danke schön. – Es gibt weiteren Bedarf zur allgemeinen Aussprache durch Herrn Lichdi.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich gehe jetzt nicht auf die Frage der Waldschlösschenbrücke ein.

Herr Kollege Martens, genau das ist es, was ich vorhin vorgeworfen habe. Sie haben sich nicht mit unserem Gesetzentwurf befasst. Sie haben gerade vorgetragen, dass wir das Abstimmungsbüchlein obligatorisch machen würden. Ich darf Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auf § 25 Abs. 4 Satz 3 lenken. Das ist unser Gesetzentwurf Seite 4 in der Mitte. Dort heißt es wörtlich: „Sie können auf das Abstimmungsheft einvernehmlich durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Abstimmungsleiter verzichten.“ Das heißt, das, was Sie gerade vorgetragen haben – wir würden mit Bürgerinnen und Bürgern den Kommunen zwanghaft ein Abstimmungsheft aufdrücken –, entspricht nicht der Wahrheit. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, wenn Sie es zum Anlass nehmen wollen, unseren Gesetzentwurf abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Staatsregierung hat keinen Redebedarf. Ich frage noch einmal allgemein in die Runde. – Nein.

Dann, meine Damen und Herren, kommen wir zur Abstimmung. Erhebt sich Widerspruch gegen eine artikelweise Abstimmung? – Das ist auch nicht der Fall.

Aufgerufen, meine Damen und Herren, ist das Gesetz zur Erleichterung kommunaler Bürgerentscheide, Drucksache 4/6608, Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE. Wir haben fünf Abstimmungen.