Protocol of the Session on June 6, 2007

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das schmälert das Ganztagsangebot!)

Mit der neuen Förderrichtlinie sollen Schulen von Bürokratie befreit werden und endlich wieder Raum für ihre Arbeit erhalten. Die Praxis wird zeigen, ob dies auch gelungen ist. Ich glaube dennoch, die neue Förderrichtlinie ist ein Fortschritt. Das ist schon einmal viel, das kann ich nicht immer zu den bildungspolitischen Aktivitäten der Koalition sagen.

Dennoch: Das, was wünschenswert wäre, erreicht sie bei Weitem nicht. In der Anhörung am 25. Mai sind dazu einige Hinweise gegeben worden, und ich möchte den einen oder anderen Punkt noch einmal aufgreifen.

Ich glaube, mit der Öffnung der Schule sind wir in Sachsen erst ganz am Anfang. Nach wie vor ist es für Externe extrem schwer, in das System Schule einzudringen. Ebenso schwer ist es für an Schule Beteiligte, in die Welt nach draußen zu gehen, auf die sie die Kinder und Jugendlichen ja vorbereiten sollen. Ganztagsangebote bieten einen Ansatzpunkt, die schulische Bildung insgesamt zu reformieren. Ob das mit der neuen Förderrichtlinie einfacher wird, wird sich zeigen. Das Problem scheint mir insbesondere zu sein, dass es in Sachsen – Herr Colditz hat es eben noch einmal betont – nur Ganztagsangebote gibt und keine wirklichen Ganztagsschulen.

(Rita Henke, CDU: Richtig!)

Ich bin der Auffassung, dass Ganztagsschulen natürlich das Ziel sein müssen. Die gebundene Form muss zum Standard in Sachsen erhoben werden. Ein rhythmisierter Unterricht ist ansonsten nicht möglich. Sie haben dann wirklich vormittags traditionelle Schule und nachmittags Spiel mit irgendeinem Verein. Das Wort „rhythmisierter Unterricht“ kommt konsequenterweise auch nicht in Ihrer Förderrichtlinie vor. Sie wissen von den Eltern, dass diese keine wesentlichen Ansprüche an Ganztagsangebote haben. Sie haben es vorhin bereits zitiert. Die Eltern wollen – und dann sind sie zufrieden –, dass die Kinder nicht auf der Straße herumlungern und dass, wenn sie nach Hause kommen, die Hausaufgaben gemacht sind.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Pädagogische Konzepte sind hier überhaupt nicht verbreitet worden.

Was bei der neuen Förderrichtlinie aus meiner Sicht leider nicht genügend beachtet wurde, ist die Frage, wie man sozialpädagogisch mit den Kindern und Jugendlichen umgehen will. Gerade diejenigen, die im sächsischen Schulwesen benachteiligt sind, könnte man hier ganz besonders fördern. Das scheint nicht das Ziel Ihrer Aktivitäten gewesen zu sein. Wenn sich die Schule für das Gemeinwesen und die Lebenswelt öffnet – und das tut sie mit der Förderung von Ganztagsangeboten –, dann muss man im Blick behalten, dass sie sich damit auch einer Gesellschaft gegenüber öffnet, die schwer an den sozialen Kosten der Globalisierung und der sozialen Probleme zu tragen hat.

Das heißt, wir müssen Kompetenzen in die Schulen hineinholen, um sozialpädagogisch damit umgehen zu können. – Auf einzelne Aspekte komme ich in meinem zweiten Teil zu sprechen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Heike Werner, Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Colditz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Martin Dulig, lass es dir noch einmal deutlich gesagt sein, auch von dieser Stelle aus: Die Entwicklung von Ganztagsangeboten reicht weiter zurück, reicht weit zurück in eine Zeit vor der Koalition.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist schön!)

Das Zweite, was ich noch sagen möchte, ist die Frage des Mittelabflusses – vor allem auch an Kollegin Bonk gerichtet, die den Mittelabfluss beklagt hat. Liebe Frau Kollegin Bonk, Sie sollten sich einmal vergegenwärtigen: Ich habe hier eine Vorlage; zum Stichtag 30.04 dieses

Jahres lagen 652 Anträge vor, von denen 615 bereits bis zu diesem Zeitpunkt beschieden worden waren.

Ich meine, es ist doch eine falsche Interpretation, immer davon auszugehen, dass möglichst viel Geld abfließt, anstatt sich einmal zu vergegenwärtigen, dass es eine Vielzahl von Aktivitäten und Anträgen gibt, die bereits realisiert werden, die bereits umgesetzt werden. Dem einmal nachzugehen ist der richtige Ansatz, liebe Frau Kollegin Bonk.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Frau Kollegin Bonk, wenn Sie davon ausgehen, dass die wissenschaftliche Begleitung nicht Ihren Vorstellungen entspricht, dann ist das ja nachzuvollziehen. Das können Sie für sich so registrieren. Aber es ist nun einmal eine objektive Bewertung, eine wissenschaftliche Begleitung hat stattgefunden, und die gibt uns bezeichnenderweise mit Blick auf das, was wir realisieren, recht.

(Zuruf der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion.PDS)

Dass Ihnen das nicht ins Konzept passt, ist Ihr Problem. Aber Sie können es nicht so verallgemeinern, dass es im Prinzip falsch bewertet worden sei.

Meine Damen und Herren! Ich will noch einiges zur neuen Förderrichtlinie sagen. Aufbauend auf den guten Erfahrungen der Vergangenheit in den letzten Jahren und auf gesammelten neuen Einsichten trägt diese jüngst verabschiedete Förderrichtlinie der weiteren Profilierung von Ganztagsangeboten Rechnung.

Die Verdopplung der maximalen Fördersumme von bislang 32 000 auf 75 000 Euro sichert eine noch bessere qualitative und vielschichtige Ausgestaltung dieser Angebote.

Ein Fördersatz, meine Damen und Herren, von 90 % ermöglicht einen landesweit problemlosen Zugang der Schulträger zu dieser Förderung. Nicht nur das Förderverfahren wurde vereinfacht und entbürokratisiert, sondern auch die Maßnahmenpalette, die letztendlich förderfähig ist, wurde inhaltlich erweitert.

Ich will hier insbesondere auf die Möglichkeit der Finanzierung von Ganztagskoordinatoren eingehen. Damit wird der Kontinuität und Verlässlichkeit von Ganztagsangeboten an den Schulen noch besser entsprochen als bisher.

Auch die Integration eines Moduls zur leistungsdifferenzierten Forderung und Förderung soll besonders hervorgehoben werden, zumal damit einer ganzheitlichen Entwicklung der Lern- und Leistungsfähigkeit von Schülern besser entsprochen werden kann.

Generell mag es zur Modularisierung der Förderangebote unterschiedliche Auffassungen geben. Ich denke, wir hatten auch die Diskussion zu einer Pauschalierung. Ich meine aber, dass trotzdem diese Modularisierung eine bessere Alternative als die Förderpauschale ist. Wir halten die vier Module der Förderrichtlinie insgesamt – wie

gesagt – für die bessere Lösung und ich will die vier aktuellen Module zumindest einmal kurz benennen.

Es geht um: die Angebote zur leistungsdifferenzierten Forderung und Förderung; zu unterrichtsergänzenden Projekten und Angeboten; zu freizeitpädagogischen Angeboten und zu Angeboten im Schulklub.

Allein schon aus den Modulen heraus wird deutlich, dass eine Verquickung, eine Vernetzung, des Unterrichts am Vormittag mit Angeboten am Nachmittag konzeptionell möglich und auch realisierbar ist. Gerade das Modul 1 ermöglicht es künftig, zielgruppengenaue Ganztagsangebote zu realisieren. Lernangebote im Ganztagskonzept müssen sich also nicht an alle Schüler einer Schule richten, sondern können zur individuellen Förderung von Schülern zielgerichtet beitragen. Der Bedarf und die besondere Akzeptanz solcher Angebote lassen sich aus bisherigen Analysen herleiten. Erwähnenswert ist auch das Modul 4, mit dem die Förderung von Schulklubs neu ermöglicht werden soll. Positive Erfahrungen gab es hierzu bereits im Zusammenhang mit der Förderrichtlinie Schuljugendarbeit. Diese werden jetzt aufgegriffen und inhaltlich fortgeführt.

Die Module schränken vorhandenes einzelschulisches Engagement nicht ein, sondern steuern dieses Engagement im Sinne einer Gesamtkonzeption in einer stärkeren Verbindlichkeit. Die in diesem Zusammenhang stattfindende wissenschaftliche Evaluation führt dabei zu einer wünschenswerten Effizienzsteigerung. Im Ergebnis der wissenschaftlichen Begleitung von Ganztagsangeboten wurde eine Streuung der Beteiligung von Schülern an Ganztagsangeboten deutlich gemacht. Sie bewegt sich nach Aussage von Herrn Prof. Gängler von der TU Dresden zwischen 82,9 % in der Klassenstufe 3 und 23,6 % in der Klassenstufe 9 und beträgt durchschnittlich 47 %.

Ich denke, dass diese Zahlen weiteren Handlungsbedarf beim weiteren Ausbau von Ganztagsangeboten, insbesondere in der Sekundarstufe II, aufzeigen. Zugleich möchte ich deutlich machen, dass Ganztagsangebote zum festen Bestandteil unserer Schullandschaft gehören. Die angestrebte Ausweitung der Förderung auf den Sekundarbereich II sollte man dabei besonders im Blickfeld behalten.

Die Entwicklung der Angebote, wie sie sich seit Beginn 1997 darstellt, kann durchaus erfolgreich bzw. positiv bewertet werden. Wir werden diese Entwicklung weiterhin parlamentarisch begleiten und unterstützen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Dulig, bitte.

Lieber Thomas Colditz! Ich denke, wir brauchen nicht in den Wettkampf eintreten, wer als Erster irgendetwas gemacht hat. Es reicht doch, wenn wir feststellen, dass es die rot-grüne Bundesregierung war, die den entscheidenden Impuls für die Ganztagsschulen gegeben hat.

(Beifall bei den GRÜNEN – Rita Henke, CDU: Nein!)

Ich sage trotzdem ohne Häme, dass ich mir nicht so sicher bin, ob die gleiche Rede, die wir von der CDU gehört haben, vor drei Jahren gehalten worden wäre.

(Widerspruch bei der CDU)

Ich erkenne wirklich an, dass es inzwischen eine große Übereinstimmung in der Frage gibt, welche pädagogische Notwendigkeit Ganztagsschulen in Sachsen haben. Dass wir uns in dem Ziel unterscheiden, ob es besser ist, Ganztagsangebote oder gebundene Ganztagsschulen zu machen, sollte aber nicht dazu führen, liebe PDS, dass man deshalb die Ganztagsangebote in Misskredit bringt.

Ich halte es nach wie vor für einen entscheidenden, wichtigen Schritt, weil auch die Kultusministerkonferenz feststellte, dass das Nachmittagsangebot etwas mit dem Vormittagsangebot zu tun haben muss. Das heißt, es liegt durchaus im Rahmen des Konzeptes, einen pädagogischen Mehrwert durch Ganztagsangebote herzustellen – auch wenn die notwendige Rhythmisierung oder die Veränderung der Rhythmisierung den eigentlichen Effekt bringt und ich deshalb auch verstehe, dass das Ganztagsangebot genau nicht die Antwort ist. Das heißt noch lange nicht, dass wir deshalb mit den Schritten, die wir nunmehr gegangen sind, auf dem falschen Weg sind. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass das, was wir jetzt mit der neuen Förderrichtlinie haben, dazu beitragen wird, die Debatte um eine Fortentwicklung von Ganztagsangeboten hin zu Ganztagsschulen in Sachsen zu führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Bonk, bitte.

Kollege Colditz, Kollege Dulig oder SPD-Fraktion! Definitiv wollen wir nicht die Arbeit oder die Qualität der Schulen in Misskredit bringen. Dort wird Lobenswertes, Positives geleistet. Wenn, dann geht es um die politische Linie, die die Koalition und die Staatsregierung eingeschlagen haben und die wir kritisch-konstruktiv begleiten.

Dazu muss ich sagen, Herr Colditz: Wissenschaftlich ist, dass Wissenschaft nicht objektiv sein kann. Zu sagen, das seien objektive Fakten, ist ein wenig schwierig. Aber Sie haben recht, dass es sich allein um eine quantitative Erhebung handelt, die Sie dort gemacht haben. Wie viele Schüler nehmen teil? Wie finden die Schüler das? Wie finden die Eltern das? Wir fordern, dass es eine qualitative, wissenschaftliche Begleitung geben und diese veröffentlicht werden muss; denn bislang ist die wissenschaftliche Evaluation der Öffentlichkeit, auch der entsprechenden Fachöffentlichkeit, nicht vollumfänglich vorgestellt worden.

Ähnlich ist es bei den Zahlen vom April zum Mittelabfluss, zum Projektantragstand, die Sie genannt haben und

die uns nicht vorliegen. Ich frage mich, warum eine Ungleichheit zwischen den Fraktionen des Parlamentes besteht, und fordere, dass wir die Zahlen zur Verfügung gestellt bekommen. Auf diese Zahlen möchte ich noch einmal näher eingehen, denn es gibt nicht nur eine Lücke zwischen den bewilligten und den im Haushalt eingestellten Mitteln. 20 % sind einfach keine Erfolgsquote. Sie sind es vor allem dann nicht, wenn man vollmundig 30 Millionen verkündet. Vor allen Dingen besteht eine große Differenz zwischen den beantragten Mitteln – 2006: 11 Millionen Euro – und den bewilligten Mitteln – 2006: 6 Millionen Euro.

Fast die Hälfte aller Anträge wird abschlägig beschieden. Wenn wir ordentlich in die Tiefe gehen, wird sich zeigen, dass dort eine Lücke besteht. Das ist offensichtlich eine Beratungslücke. Darum fordern wir, dass die entsprechende Beratung auf regionaler Ebene eingeführt wird und die Arbeit der Servicestelle auf Landesebene unterstützt und erweitert werden kann.