Protocol of the Session on June 6, 2007

Ganztagsschulen sind nach der Konzeption in drei Stufen möglich:

Erstens gebunden mit einem verbindlichen Nachmittagsprogramm für alle Schülerinnen und Schüler und damit mit der Möglichkeit, den Schultag tatsächlich zu rhythmisieren und zu einer anderen Lern- und Schulkultur zu kommen. Wie soll zum Beispiel im Biologieunterricht ein Projekt, eine Projektform angeschlossen werden, die den Unterricht ergänzt, wenn diese nicht alle Schülerinnen und Schüler besuchen? Zweitens teilgebunden mit bis zu drei Tagen pro Woche und ganztägigem Lernen und drittens die offene Form. Wie Herr Colditz eben noch einmal betont hat, ist diese Form, in der die Nachmittagsveranstaltungen ausschließlich freiwillig stattfinden, diejenige, die in Sachsen allein stattfindet, und da setzt meine Kritik an.

Sie nennen die Debatte „Situation von Ganztagsangeboten“, Sie sprechen von Ganztagsangeboten, wo es um Ganztagsschule gehen müsste.

(Thomas Colditz, CDU: Nein!)

Ihre ausweichende Wortwahl zeigt den Geist der Politik, denn gerade das gibt es in Sachsen nicht: Ganztagsschulen.

(Thomas Colditz, CDU: Wollen wir auch nicht!)

In Sachsen ist auch laut Förderrichtlinie – da kann man von Selbstbestimmung der Schulen so viel sprechen, wie man will – nur die offene Form möglich. Aber Ganztagsschule funktioniert nicht als Vormittagsunterricht plus Arbeitsgemeinschaften. Der Schulleiter der HunsrückGrundschule und Vorsitzende des Ganztagsschulverbandes Berlin, Herr Dobe, hat in der Anhörung gesagt, dass nach seiner Erfahrung Rhythmisierung, also eine andere Schul- und Lernkultur, in der offenen Form nicht möglich sei, dass sie in fast allen Fällen gescheitert sei. Herr Haubitz vom Philologenverband, den Sie eingeladen haben, hat auf Nachfrage erklärt, dass in Sachsen leider mit der aktuellen Förderrichtlinie nichts anderes möglich sei.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Denn genau das ist das Resultat Ihrer Politik: Man hat sich in Sachsen politisch gegen die Ganztagsschule entschieden und versucht, das mit dem blumigen Wort des Angebots zu bemänteln. Wir aber fordern wirkliche konzeptionelle Freiheit für die Schulen

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

in der Förderrichtlinie durch die entsprechende Unterstützung und die politische Ausgestaltung dessen. Das, was Sie hier machen, ist bildungspolitisch keine Ganztagsschule und kein Einstieg in eine neue Schul- und Lernkultur. Es ist Vormittagsschule plus Arbeitsgemeinschaften. Ich würde noch drastischer sagen: Es ist die Wiedereinführung eines qualitativ höherwertigen Ergänzungsbereichs, den Sie zuvor in allerlei Maßnahmen weggekürzt haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Der SPD zuliebe läuft das Ganze unter dem Label „Ganztag“. Aber Schmu bleibt Schmu, auch wenn er geschickt gemacht wird.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die 79 % Elternzufriedenheit, die Sie hier zitieren, das ist eine Zahl, und zwar leider aus der Evaluation, die Sie gemacht haben, die sich lediglich auf die quantitativen Zufriedenheitsbefragungen bezieht, in keiner Weise wissenschaftlich, bildungspolitisch die Entwicklung evaluierend. Im Grunde ist es eher eine Peinlichkeit, mit rein solchen Zahlen zu hantieren und keine wissenschaftliche Aufarbeitung zu haben.

(Einzelbeifall bei der Linksfraktion.PDS)

Da Sie und auch der Kultusminister dieser Tage Bilanz ziehen, sei auch mir eine kurze Rückschau gestattet:

Zögerlich hat die damals noch allein CDU-geführte Staatsregierung Ganztagsschule eingeführt, nachdem das Investitionsprogramm der Bundesregierung aufgelegt wurde. Zuerst wurden die Investitionsmittel verbaut und man wunderte sich, plötzlich 1 000 Ganztagsschulen in

Sachsen zu haben. Dazu wurden die Grundschulen mit Hort gezählt und es zeigten sich so die konzeptionellen Vorstellungen der Bundesregierung. Das war im Jahr 2002. Im Jahr 2004 kamen die Personal- und Sachkosten und erst im Jahr 2006 wurde die Servicestelle Ganztagsangebote eingerichtet, die die Schulen konzeptionell beraten sollte. Die Projektanträge waren gestellt, das Geld war verbaut und erst dann kam die konzeptionelle Beratung. Ich finde, da kann man sehr wohl von kopfloser Einführung sprechen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Neueste Pleite: Ihre neue Förderrichtlinie kommt so spät, dass die Schulen ein Jahr der Planungsunsicherheit hatten, sie wurde intransparent bearbeitet

Bitte zum Schluss kommen!

– ich komme zum Schluss –, ein Dreivierteljahr in der Verwaltung. Nur auf Druck der Anhörung hier im Parlament konnten wir dafür sorgen, dass diese Förderrichtlinie nun veröffentlicht wird. Ich werde auf die Förderrichtlinie in meinem zweiten Redebeitrag genauer eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. – Nicht gewünscht. Dann die Fraktion der FDP. Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vor Kurzem erfolgte Veröffentlichung der neuen Förderrichtlinie für Ganztagsangebote war eine gute Nachricht für Sachsens Schulen. Für die FDP kann ich sagen: Wir unterstützen ausdrücklich Ganztagsangebote, für uns sind sie ein wichtiger Schlüssel für eine bessere individuelle Förderung der Schüler, und zwar sowohl der leistungsschwächeren als auch der leistungsstärkeren.

Dennoch fragen wir uns, warum es fast zwei Jahre dauern musste, ehe das Kultusministerium erkannte, dass eine Förderrichtlinie, die damals aufgelegt wurde, nicht funktioniert. Offensichtlich sehen wir das nicht allein so; Martin Dulig sprach von einem steinigen Weg. Wir erinnern uns vielleicht alle noch an das letzte Jahr. Da tauchten zahlreiche Meldungen auf, dass die Mittel nicht abfließen. Daran hatten sicherlich auch wir einen Anteil, weil wir kritisch nachgefragt haben, wie der aktuelle Stand ist. Es war leider der Zustand eingetreten, vor dem wir gewarnt hatten: Das Programm stützte sich einerseits auf falsche Zielangaben und war, was die Umsetzung betrifft, für die meisten Schulen viel zu bürokratisch. Ich nenne nur die Stichwörter „niedrige Höchstbeträge pro Schule“, „bürokratisches Antragsverfahren“ und „keine Förderung von Personal zur Koordinierung der Ganztagsangebote“. Das Antragsverfahren war für viele Schulen neu und es gab kein Konzept, das aus der Schublade

gezogen werden konnte, sondern diese Dinge mussten neu entwickelt werden.

Nun wäre es sicherlich zu einfach, dem Ministerium dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben und nur auf handwerklich-technische Fehler hinzuweisen. Ich glaube, die Zielvorgaben, die sich die beiden Koalitionspartner gesetzt haben, stimmten nicht.

(Beifall bei der FDP)

Der Wirbel war groß, als CDU und SPD die Förderung mit den 30 Millionen Euro sowohl in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben hatten als auch im Haushalt dann verankerten.

Doch Mitte 2005 lag dann erst die Förderrichtlinie vor. Das war einen Monat vor Beginn des Schuljahres 2005/2006. Man musste kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass es für die Schulen sehr schwierig wurde, die Mittel überhaupt zu beantragen. Das Ergebnis war klar: nur 7,7 der 30 Millionen Euro wurden ausgegeben. Für diesen geringen Mittelabfluss tragen CDU und SPD die Verantwortung.

Erst jetzt, nachdem die Zahlen, glaube ich, bei allen Beteiligten offensichtlich wurden, wurde die Förderrichtlinie novelliert. Sie beseitigt in der Tat eine ganze Reihe von Kritikpunkten. Der Höchstbetrag wurde verdoppelt. Die Schulklubs und auch die Ganztagskoordinatoren sind jetzt förderfähig und die Beantragung findet schuljahresbezogen statt.

Wir begrüßen diese Fortschritte. Es sind genau die Forderungen, die wir schon vor einem Jahr aufgestellt hatten. Für uns ist die neue Richtlinie ein kleiner Schritt in Richtung auf eine größere Selbstständigkeit unserer Schulen.

Die Frage ist nur: Warum war es nicht schon eher möglich? Die Erkenntnisse hatten wir. Offensichtlich fehlte der Wille zu handeln. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir hätten es den sächsischen Schulen einfacher machen können.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort. Frau Günther-Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sachsen will seine Ganztagsangebote an den Schulen stärker fördern. Das wird zum Thema einer Aktuellen Debatte gemacht, nachdem der Kultusminister die entsprechende Förderrichtlinie verkündet hat, nachdem eine Anhörung im Schulausschuss stattgefunden hat. Ich frage mich: Warum müssen wir heute darüber debattieren?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Und schönes Wetter ist!)

Die Sonne scheint länger in Ganztagsschulen; in der Tat.

Die Messen sind also gelesen, es sei denn, Herr Hähle, die Koalition möchte sich hier ein paar Anregungen aus der Debatte holen, um für die nächste Förderrichtlinie entsprechende Verbesserungen einarbeiten zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP – Rita Henke, CDU: Davon träumen Sie aber nur!)

Mir scheint, das Ganze ist hier heute auf eine ultimative Lobhudelei angelegt.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Die Neufassung der Richtlinie zur Förderung von Ganztagsangeboten – – Herr Hähle, ich habe Ihnen das letzte Mal schon gesagt: Ich beantworte auch Ihre Zwischenfragen.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Ich habe gar keine, das war nur eine Anmerkung!)

Dann eben nicht.

Die Neufassung der Richtlinie zur Förderung von Ganztagsangeboten war – die Kollegen vorher haben es bereits erwähnt – längst überfällig. Dass die alte Richtlinie nicht funktionierte, beweist der Fördermittelabfluss. 2006 wurden gerade einmal 7,7 von 30 Millionen Euro ausgezahlt. Man fragt sich: Wo sind denn eigentlich die übrigen Gelder geblieben? Ich fürchte, an den Schulen sind sie nicht angekommen, beispielsweise zur Verbesserung der pädagogischen Arbeit. Vielleicht haben sie damit Straßen für die Schulbusse gebaut, damit sie auf den weiten Schulwegen schneller vorankommen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das schmälert das Ganztagsangebot!)