Mit dieser Forderung rennt die Linksfraktion.PDS offene Türen ein. Ich will Aufklärung nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit, sondern auch, weil es gilt, unsere Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass unser
(Beifall bei der CDU und des Abg. Gunther Hatzsch, SPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. – Dennoch erkenne ich eine ernsthafte rechtsstaatliche Bewährungsprobe, auch deshalb, weil die erfolgreiche Bewältigung der Situation von der Öffentlichkeit, den Medien und auch von zwei unserer drei Staatsgewalten, nämlich dem Parlament und der Exekutive, zwei Dinge verlangt, an denen es offenkundig teilweise mangelt: erstens Geduld und zweitens Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unseres rechtsstaatlichen gewaltengeteilten Systems.
Zur Geduld: Die Staatsanwaltschaft hat seit vorletztem Freitag vom LfV erste zusammenfassende Berichte erhalten. Dem stehen seitdem Forderungen nach sofortigen und einschneidenden Reaktionen gegenüber, nach dem Motto: Die Öffentlichkeit hat etwas erfahren; die Obrigkeit möge das Erforderliche veranlassen, aber bitte noch gestern.
Für diese Forderungen habe ich Verständnis. Aber „Obrigkeit“ ist kein monolithischer Begriff mehr. Ich muss an Folgendes erinnern: Vor der Wende lagen auf dem Gebiet des jetzigen Freistaates die Aufgaben von Geheimdienst, Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht und Vollstreckungsbehörde in einer allmächtigen Hand. Es dauerte gelegentlich nur Stunden, bis menschliche Existenzen allein auf der Grundlage von Vermutungen und Gerüchten vernichtet waren.
Diejenigen, die heute am lautesten nach sofortigen Suspendierungen rufen, müssten dies noch wissen. Oder sollten sie nichts dazugelernt haben?
Heute haben wir aus sehr guten Gründen eine klare Trennung der Zuständigkeiten wie des Zugangs zu bestimmten Informationen. Dieses System ist zeitaufwendig und wirkt oft umständlich, ist aber alternativlos.
Erstens. Die Generalbundesanwältin wird in eigener Verantwortung entscheiden, ob sie die Ermittlungen an sich zieht. Bis dahin tut die zuständige Staatsanwaltschaft im Freistaat selbstverständlich ihre Arbeit, schon um Verjährungen nicht eintreten zu lassen. Die Auffassung, der Justizminister könne die Generalbundesanwältin in
Zweitens. Wenn die Mitglieder der PKK in Kenntnis der gesamten Vorgänge – noch einmal: Diesen Kenntnisstand haben die Staatsanwälte derzeit noch nicht – es für notwendig erachten, dass auch das BKA eingeschaltet wird, dann habe ich vor dieser Auffassung hohen Respekt, bitte aber um Verständnis dafür, dass sich die Staatsanwaltschaft derzeit mangels Aktenkenntnis dazu noch keine Meinung bilden kann. Ich komme aber auf diesen Punkt noch zurück.
Drittens komme ich zu den Forderungen nach umgehenden Suspendierungen bzw. Beurlaubungen. Gerichte begnügen sich nicht mit Gerüchten oder Informationen aus den Medien; sie verlangen Beweise. Was nützt die schönste Beurlaubung oder Suspendierung, wenn ein Gericht sie nach wenigen Wochen aufhebt?
wenn ich versuche, einen Richter zu suspendieren oder einen Beamten zu entlassen mit der Begründung, über den Betroffenen stehe dieses oder jenes in der Zeitung.
Ich will nachhaltige Ergebnisse. Dies setzt professionelles Arbeiten voraus. Sobald der Sachverhalt auch in diesem Punkt geklärt ist, werde ich entscheiden, ob in dem Fall, den das Ministerium an sich gezogen hat, ein Antrag auf vorläufige Suspendierung an das Richterdienstgericht gestellt wird.
Viertens, zur Informationspolitik. Herr Nolle, Personal- und auch Beförderungsentscheidungen werden, solange ich Justizminister bin, grundsätzlich nicht öffentlich diskutiert oder begründet. Unabhängig davon bin ich selbstverständlich gern bereit, im zuständigen Landtagsausschuss Personalentscheidungen anhand der Akten und der konkreten Besetzungsvorgänge zu erläutern. Behauptungen, es seien sehenden Auges und möglicherweise sogar flächendeckend Spitzbuben oder Verbrecher befördert worden, entbehren allerdings jeglicher Grundlage und sind abwegig.
Fünftens. Die Forderung, die Staatsanwaltschaft hätte sich gefälligst die Akten sofort im LfV besorgen sollen – ich weiß es nicht, vielleicht innerhalb der letzten zwei Wochen –, verkennt die Tragweite der wichtigen Arbeit des LfV und die Bedeutung des Quellenschutzes. Ein Ersuchen um Herausgabe ergänzender Unterlagen wird die Staatsanwaltschaft zu gegebener Zeit im Rahmen anhängiger Ermittlungsverfahren prüfen und gegebenenfalls
stellen. Solche Verfahren setzen einen Tatverdacht voraus und können sich ebenfalls nicht auf reine Spekulationen gründen. Dass die Staatsanwaltschaft in der Situation, die wir hatten, die Tätigkeit der PKK abgewartet hat, halte ich für richtig.
Damit komme ich zum zweiten zentralen Begriff: Vertrauen. Ich erlebe derzeit genau das Gegenteil von Vertrauen.
Die Spitze war das, was Herr Abg. Bartl soeben in Tiradenform, angeblich ohne Aktenkenntnis, ausgebreitet hat. Was Sie glauben, aus Zeitungen und Gerüchten als Tatsachen hier hinstellen zu müssen, ist hanebüchen. An der Urteilsschelte zu einzelnen Verfahren werde ich mich genauso wenig beteiligen wie an irgendwelchen Verschwörungstheorien.
Ich erlebe das Gegenteil von Vertrauen. Ich erlebe Misstrauen in die Organisation der Justiz, in ihre Arbeit und auch in die handelnden Personen. Das geht bis hin zu persönlichen Angriffen, für die Sie, Herr Abg. Kupfer, bereits das einzig richtige Adjektiv gefunden haben: „unverschämt“.
Ich will hier deutlich sagen: Im Freistaat gibt es rund 1 000 Richter und 350 Staatsanwälte, die mein volles Vertrauen haben, jedenfalls grundsätzlich. Die Rechtspflege ist Richtern und Staatsanwälten anvertraut. Solange Menschen dort arbeiten, wird es schwarze Schafe und Fehlverhalten geben. Dies können wir nicht verhindern. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen. Das haben wir vor.
Kritik an der Organisation, an den Entscheidungen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften, an der Aufsicht durch verantwortliche Minister ist nicht nur zulässig, sondern – auch wenn Sie es mir nicht glauben – sogar willkommen. Wie soll sich eine Institution ohne kritische Rückkopplung aus der Gesellschaft denn überhaupt weiterentwickeln?
Die Grenze ist dort erreicht, wo Kritik zur Schmähkritik wird und in Angriffe auf das System insgesamt umschlägt. Namentlich von den Vertretern der anderen Staatsgewalten verlange ich ein Grundvertrauen in das System, eine respektvolle und grundsätzliche Akzeptanz der Rechtsregeln und der Arbeit der Justiz.
Daher sage ich: Wir können und wir werden unsere Probleme hier im Freistaat selbst lösen. Unzuständige oder externe Ermittler brauchen wir nicht.
Aber: Wir werden sorgfältig auf die Ergebnisse blicken, bei Bedarf externen Sachverstand hinzuziehen und das Mehr-Augen-Prinzip beachten. Wir werden uns auch helfen lassen. Ich jedenfalls bin dankbar dafür, dass beispielsweise mit Herrn Eißer kompetente Unterstützung aus Baden-Württemberg zur Verfügung steht.
Was Sie, verehrter Herr Eißer, hier heute schon an vorauseilender Ehrabschneidung erleben durften, wird Ihnen die Dimension der Arbeit, die wir beide verantwortungsbewusst anzugehen haben und angehen werden, vor Augen führen. Herr Eißer wird uns unabhängig beraten, die Aufklärung begleiten und so dafür sorgen, dass jeder Eindruck von Mauschelei oder Bagatellisierung vermieden wird. Allerdings – das sage ich ganz klar – wird die Staatsanwaltschaft jeweils nicht so lange ermitteln, bis der Opposition die Ergebnisse passen.
Noch einmal: Wenn und soweit es neue Erkenntnisse gibt, wie beispielsweise jetzt möglicherweise im Fall Paunsdorf, dann entspricht es rechtsstaatlicher Normalität, dass die Staatsanwaltschaft als zuständiges Organ der Rechtspflege über diese neuen Vorwürfe hinübersieht, schaut, ob es neue Substanz, neue Tatsachen gibt, und abschließend noch einmal neu bewertet. Dies entspricht rechtsstaatlicher Normalität und ist veranlasst, meine Damen und Herren.
(Karl Nolle, SPD: Es sind vier Jahre vergangen! Sie sind vier Jahre im Amt, Herr Minister! – Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Herr Nolle, die Festschrift von Herrn Prof. Paeffgen ist am 2. Juni 2007 ausgeliefert worden, und dafür, finde ich, sind wir relativ flott.
Meine Damen und Herren! Ich verlange kein blindes Vertrauen. Um es klarzustellen: Wechselseitige Kontrolle ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Systems. Aber wenn mir auch heute wieder von Herrn Bartl Fragen gestellt werden: welcher Staatsanwalt, welche Zeugen wann und wo vernommen oder nicht vernommen hat, dann läuft die Sache wirklich in die falsche Richtung, und zwar endgültig. Ich will Aufklärung in doppelter Hinsicht: Ich will die Vorwürfe aufgeklärt sehen, und ich will die Öffentlichkeit aufgeklärt sehen – aber bitte in der richtigen Reihenfolge: zuerst die Sache, danach die Informationen. Dies gilt natürlich erst recht, wenn vorzeitige Informationen den Erfolg der Ermittlungen gefährden würden. Der Nachweis von Strukturen und die Überführung von Verdächtigen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität – ich darf daran erinnern: Wir haben es hier nicht mit Hühnerdieben zu tun – setzen ebenfalls professionelles Arbeiten voraus. Wer auf täglichen Wasserstandsmeldungen über den Stand der Ermittlungen besteht und diese dann auf den öffentlichen Markt trägt, der kann die Verfahren gleich einstellen, weil er mögliche Täter warnt. Die strafrechtlichen Ermittlungen haben also unbedingten Vorrang. Ich bitte nachdrücklich darum, diese nicht zu behindern. Misserfolg wäre vorprogrammiert.
Noch einmal: kein blindes Vertrauen. Das Kontrollbedürfnis ist zu Recht groß, nachdem der Verdacht laut wurde, es gäbe schwarze Schafe in Politik, Justiz und Verwaltungen. Diese möchte ich aufspüren, benennen und
womöglich zur Verantwortung ziehen – strafrechtlich, aber gegebenenfalls auch disziplinarrechtlich. Auf konstruktive Begleitung und Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit sind Justiz und Verwaltung dabei angewiesen. Soweit keine ermittlungstaktischen Überlegungen entgegenstehen, wird die Staatsanwaltschaft selbstverständlich informieren, werden Fragen auch von mir beantwortet.
Als weitere – sozusagen vertrauensbildende – Maßnahme biete ich an, den Mitgliedern der PKK in regelmäßigen Abständen über den Stand der Dinge zu berichten, und es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, hierzu auch den Ermittlungsführer der Staatsanwaltschaft hinzuzuziehen. Dann jedenfalls würden zwei Seiten miteinander reden, die den Kern der Vorwürfe wirklich kennen. Ich will mich zudem darum bemühen, möglichst zügig die offenbar nicht wenigen Komplexe herauszufinden, in denen die Staatsanwaltschaft bereits früher tätig war und Gerichte entschieden haben, um zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sachfremde Erwägungen bei den Entscheidungen eine Rolle gespielt haben. Die Staatsanwaltschaft, die Justiz im Rechtsstaat, hat dauerhaft nichts, aber auch gar nichts zu verbergen.
Meine Forderungen nach Geduld und Vertrauen, meine Damen und Herren, bedeuten nicht, dass die Staatsanwaltschaft, die Justiz und die für disziplinarische Ahndungen zuständigen Dienstherren jetzt die Hände in den Schoß legen und abwarten. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind bereits an die Arbeit gegangen:
Erstens. Die Staatsanwaltschaft hat ein in jedem Fall schlagkräftiges Ermittlungsteam zusammengestellt.
Sobald die Dimension der anstehenden Ermittlungen erkennbar wird, ist der Personaleinsatz gegebenenfalls anzupassen. Ich werde der Staatsanwaltschaft ohne Wenn und Aber das zur Aufarbeitung notwendige Personal zur Verfügung stellen. Die Staatsanwaltschaft wird in eigener Verantwortung entscheiden, ob und gegebenenfalls wann sie das Bundeskriminalamt im Wege der Amtshilfe um Unterstützung bitten wird. Ausschließen kann und will ich eine derartige Bitte nach wie vor derzeit nicht. Wenn und soweit der Generalstaatsanwalt hierzu eine andere Auffassung vertritt, sage ich ganz deutlich: Diese Auffassung teile ich nicht. Ob das BKA mitzumachen hat, wird unter anderem von der Dimension der Arbeit abhängen.
Zweitens. Ich muss daran erinnern: Nach dem Gesetz ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, nicht nur Belastendes, sondern auch Entlastendes zu ermitteln, was die Verdächtigen anbelangt. Auch dies wird die sächsische Staatsanwaltschaft tun.