Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im November 2006 haben Sie, Herr Mackenroth, das Ausführungsgesetz zum Zuwanderungsgesetz mit den Worten eingebracht: „Das Gesetz ist wichtig für eine reibungslose und rechtssichere Umsetzung des neuen Zuwanderungsgesetzes im Freistaat Sachsen.“
Damit, Herr Mackenroth, haben Sie die Dimension, aber auch die Möglichkeiten, die dieses Gesetz bieten könnte, verkannt. Es geht nicht nur um Umsetzung, sondern es geht um Gestaltung. Und wenn Sachsen mit dem Slogan der Weltoffenheit wirbt, dann sollte sich diese Idee auch in der Gestaltung der Umsetzung des Bundesgesetzes wiederfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem wir die Überweisung auch an den Sozialausschuss beantragt und zur 1. Lesung gemeinsam mit der Linksfraktion eine Anhörung initiiert hatten, hat diese Anhörung sehr deutlich gemacht, wo unsere Gestaltungsmöglichkeiten bei diesem Gesetz liegen. Leider stellen wir wieder fest, dass sich die Koalition nur millimeterweise bewegt, und das ist einfach nicht ausreichend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns doch die Handlungsspielräume nutzen, die
in diesem Gesetz liegen. Wir haben damit die Chance, Sachsen integrationsfit zu machen, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zukunftsfähig.
Lassen Sie mich kurz auf die Anhörung eingehen. Von den Sachverständigen wurden in der Hauptsache drei Kritikpunkte genannt, die schon bei meinen Vorrednern eine Rolle gespielt haben.
Das Erste ist die Verteilung der Kosten. Der Gesetzentwurf sieht zum einen vor, dass bei Flüchtlingen, die seit 18 Monaten unverschuldet nicht abgeschoben werden können und eine Aufenthaltserlaubnis haben, die Kommunen die Kosten zu tragen haben.
Das andere sind die Kosten bei Krankheit; auch darauf wurde bereits eingegangen. Die Erstattung der Krankheitskosten ist für die Kommunen unzureichend. Sie werden nur übernommen, wenn der Betrag von 7 669 Euro und einigen Cent überschritten wird.
Zweiter Kritikpunkt ist die Ermächtigung der Staatsregierung, Ausreisezentren zu errichten, die – so die Aussage der Staatsregierung – der Freistaat eigentlich gar nicht brauche.
Der dritte Kritikpunkt ist die überfällige Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen statt in Heimen, die sogenannte dezentrale Unterbringung. Auf diesen Punkt möchte ich zuerst eingehen, da er mir am wesentlichsten erscheint. Schließlich betrifft die dezentrale Unterbringung oder eben die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften das alltägliche Leben von ungefähr 4 500 Menschen im Freistaat, die häufig seit sehr vielen Jahren hier leben. Es sind auch Familien mit Kleinkindern oder mit schulpflichtigen Kindern sowie ältere Menschen betroffen.
Aus den Kleinen Anfragen, die ich zu diesem Thema gestellt habe, ging hervor, dass die Anzahl der Flüchtlinge, die dezentral untergebracht sind, steigt. Darüber war ich sehr erfreut. Waren es 2004 40 %, so waren es 2006 bereits 56 %. Zudem hat die Staatsregierung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss deutlich gemacht, dass auch mit dem jetzigen Gesetzentwurf eine dezentrale Unterbringung weiterhin möglich ist; denn die Staatsregierung fasst unter § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes unter dem Punkt „Sonstige Unterkünfte“ auch Wohnungen. Das ist im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gesagt worden. Insofern sehe ich darin einen Widerspruch zu dem, was Herr Bandmann hier ausgeführt hat.
Im Gegenteil, diese Möglichkeit der dezentralen Unterbringung, wie es im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss erwähnt worden ist, ist ein eindeutiges Signal an die Kommunen. Sie haben es allerdings versäumt, dieses eindeutige Signal auch im Gesetz in eindeutiger Form seinen Niederschlag finden zu lassen. Ich vermisse hierbei Rechtsklarheit und -sicherheit sowie Transparenz für die Kommunen. Wir finden diese Möglichkeit der dezentralen Unterbringung eben nur in verklausulierter
In welcher Rechtssicherheit sich die Kommunen befinden, lässt sich auch daran ermessen, dass die dezentrale Unterbringung in Sachsen sehr unterschiedlich gehandhabt wird. So werden in Leipzig über 60 % der Betroffenen dezentral untergebracht, während dies im Landkreis Sächsische Schweiz oder in der Stadt Görlitz für überhaupt keinen Flüchtling gilt, obwohl das für die Kommunen oft wesentlich günstiger ist, wie es die Anhörung sehr deutlich gemacht hat.
Zur Kostenaufteilung zwischen Land und Kommunen: Sie von der Koalition streben eine Evaluation der Krankheitskosten an. Dies haben Sie in der Begründung zu Ihrem Änderungsantrag angekündigt. Sie möchten, dass diese Evaluierung bis 2008 stattfinden soll. Darüber bin ich schon etwas irritiert. In der Anhörung wurde nämlich von dem Vertreter des Landkreistages, Herrn Groneberg, erläutert, dass bereits eine Evaluierung der Krankheitskosten laufe, die Ende 2007 abgeschlossen sein werde. Warum brauchen Sie eine zweite Evaluierung? Vielleicht können Sie hier noch einmal darauf eingehen; die Antwort würde mich interessieren.
Das Zweite ist die Übernahme der Kosten für Flüchtlinge nach § 25 Abs. 5. Hierfür brauchen wir keine Evaluierung, wie Sie sie vorschlagen. Dies sind Kosten, die das Land unzulässigerweise an die Kommunen abschiebt, und wir wissen doch alle ganz genau, wozu das führt. Die sächsischen Kommunen erteilen nur äußerst ungern Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz. Das ist auch kein Wunder, wenn sie dafür die Kosten übernehmen müssen. Deshalb fordert meine Fraktion eine klare Kostenerstattung. Dies ist auch nach Sinn und Zweck des Zuwanderungsgesetzes geboten.
Ich gehe noch auf die Ermächtigung an die Staatsregierung ein, Ausreisezentren einzurichten. Wir lehnen diese Ermächtigung ab. Das ist ganz klar. Ich möchte Ihnen sagen: Überlegen Sie, was für ein Signal das ist! Würden Sie, wenn Sie hoch qualifiziert sind und einige Jahre in einem bestimmten Land arbeiten möchten, in dieses Land gehen, wenn es Ausreisezentren vorhält? Doch wohl kaum. Wenn wir Sachsen integrationsfreundlich gestalten wollen, dürfen wir keine Politik der Abschreckung und der Intransparenz verfolgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, nutzen Sie Ihre Chance, nutzen Sie sie vor allem zum Wohle Sachsens! Sie können sich dabei auf die Worte des Ministerpräsidenten Milbradt berufen. Er hat in der „Sächsischen Zeitung“ davon gesprochen, dass wir Zuwanderung von Fachkräften brauchen. Und er hat gesagt: „Offenheit eröffnet neue Chancen.“
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen komplettiert mit dem Sächsischen Gesetz zur Ausführung des Zuwanderungsgesetzes den umfassenden Regelungsbereich, der sich für Deutschland mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vor über zwei Jahren eröffnete.
Meine Damen und Herren, das Zuwanderungsgesetz stellt eine Zäsur für Deutschland dar. Nicht allein die neuen, die erleichterten Möglichkeiten für Ausländerinnen und Ausländer, unser Land durch ihr Kommen zu bereichern, sondern auch die erstmalige gesetzliche Festlegung von Integration als gesellschaftlicher Aufgabe zeugen von dem großen Schritt, der damit gegangen wurde. Sie wissen, dass dies in der Vergangenheit nicht so war.
Die eben gehörten, in meinen Augen menschenverachtenden Äußerungen von Herrn Apfel sind dieses Hauses unwürdig, und ich denke, sie hätten einen Ordnungsruf verdient.
Sie sind eine Missachtung von Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Jedes Menschen!
Ich denke, Sie sind demokratisch gewählt. Sie sollten sich auch an Artikel 1 des Grundgesetzes halten. Genauso wie Sie ihn für sich in Anspruch nehmen, sollten Sie dies auch für alle anderen Menschen tun.
Die mit dem Zuwanderungsgesetz angestoßene und nun über den Nationalen Integrationsplan, das bundesweite Integrationsprogramm und auch die Deutsche Islamkonferenz beschleunigte Entwicklung ist richtig für unser Land, sie ist richtig für Deutschland.
Meine Damen und Herren, Zuwanderung ist Bereicherung. Menschen, die zu uns kommen, die hier mit uns leben, arbeiten, zur Schule gehen wollen, die sich in der Freizeit und ehrenamtlich engagieren, die vielfältige Potenziale, Erfahrungen, Sprachen mit sich bringen, diese Menschen tun unserem Land gut.
Ich verkenne nicht, dass es Probleme gibt. Deutschlandweit sind Sprachdefizite, Bildungsdefizite und damit auch Ausbildungs- und Berufsdefizite sowie die daraus resul
tierenden Folgen festgestellt. Anderswo treten sie sicher schärfer zutage als in Sachsen. Dennoch: Integration ist wichtig und Integration gelingt vor Ort oder sie misslingt vor Ort. Und Integration ist keine Einbahnstraße. Wir alle sind gefordert.
In Sachsen leben derzeit 85 000 Ausländer. Das sind etwa 2 % der sächsischen Bevölkerung. In den Großstädten sind es mit bis zu 7 % schon deutlich mehr. Mit dem Sächsischen Ausländerrechtszuständigkeitsgesetz und dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz treten Vorschriften in Kraft, die zum Teil frühere Gesetze ablösen bzw. Verordnungen ersetzen.
Im Ausländerrechtszuständigkeitsgesetz wird ausdrücklich ein unbeschränktes Weisungsrecht statuiert. Die damit nun auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellte Möglichkeit einer einheitlichen Verwaltungspraxis im Ausländerrecht ist so richtig wie wichtig.
Ich habe als Ausländerbeauftragte die mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wahrgenommen und mich in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Es gab in Einzelfragen durchaus unterschiedliche Sichtweisen. Da ist die Frage der unterschiedlichen Kostenerstattungsmöglichkeiten der Kommunen für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die jeweiligen Personengruppen, zum Beispiel für Asylbewerber und Geduldete auf der einen Seite und für Personen mit einem humanitären Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz auf der anderen Seite; Herr Bandmann ist schon darauf eingegangen. Eine solche Regelung ist möglich, aber ihr Vollzug verdient Beachtung.
In diesem Zusammenhang halte ich fest, dass Kommunen entsprechende Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz nicht allein deshalb ablehnen dürfen, weil sie dann keine Kostenerstattungspauschale bekämen. Das wäre schlicht rechtswidrig.
Auch dass die tatsächlichen Ausgaben der Kommunen zur Kostenerstattung bei Krankheit evaluiert werden, ist positiv zu betrachten. Sie wissen, dass der Freistaat die Summe, die den Sockelbetrag von 7 669,38 Euro pro Patient und Jahr übersteigt, den Kommunen erstattet. Die Evaluation ist erforderlich, um eine Regelung treffen zu können, die die finanzielle Verantwortung beim Freistaat belässt, aber auch die Kommunen zu einem verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen anhält.
Schließlich das Flüchtlingsaufnahmegesetz. Es nimmt Bezug auf die Unterbringungssituation in Sachsen. Dazu eine kurze Anmerkung: Nach dem Asylverfahrensgesetz sind Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie ihre Familien im Regelfall in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Pauschale Abqualifizierungen sind wenig hilfreich. Es ist erforderlich, eine differenzierte Betrach
tung dieser Gemeinschaftsunterkünfte vorzunehmen. Deshalb weise ich die pauschale Äußerung von Frau Ernst in diesem Zusammenhang zurück,
obwohl ich sehr wohl weiß, dass es unterschiedliche Gemeinschaftsunterkünfte gibt. Das habe ich selbst kritisiert. Aber nur schwarz gibt es nicht, es gibt auch nicht nur weiß. Wir müssen bitte auch in diesem Bereich die Dinge sehr differenziert betrachten, um sie einem positiven Ergebnis zuführen zu können.
Wir müssen uns die Frage stellen, ob der Regelfall tatsächlich auch immer dann Geltung beanspruchen kann, wenn Familien mit schulpflichtigen Kindern oder Menschen, deren Gesundheit beeinträchtigt ist, betroffen sind. Hier plädiere ich für die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur dezentralen Unterbringung in Wohnungen oder zu einer wohnungsähnlichen Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften.
Die Asylbewerberzahlen gehen deutlich zurück. Kamen 1992 noch 26 000 nach Sachsen, waren es 2006 nur noch etwa 1 100. Dies und die anstehende Verwaltungs- und Gebietsreform geben den Kommunen Chancen, alte und abgewohnte Gemeinschaftsunterkünfte zu schließen und nach anderen Möglichkeiten zu suchen.
Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs ausgeführt: Das Zuwanderungsgesetz stellt einen Paradigmenwechsel für unser Land dar, einen Wechsel, der nicht nur zum Nutzen der in unserem Land lebenden Ausländerinnen und Ausländer geht, sondern einen Wechsel zum Nutzen aller und einen Wechsel, den wir auch in gemeinsamer Verantwortung nicht allein mit diesem Gesetz gestalten wollen und müssen.