Protocol of the Session on March 14, 2007

Erklärung zu Protokoll

Mit dem heute in 2. und 3. Lesung zu verabschiedenden „Gesetz zur Neuordnung des Disziplinarrechts sowie zur Änderung anderer beamtenrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen“ wollen wir keine Veränderungen lediglich einzelner Bestandteile, sondern wir streben eine umfassende Gesetzesreform an. Grundlegende verfahrensrechtliche und institutionelle Veränderungen sollen das Disziplinarrecht effektiver und kostengünstiger machen und gleichzeitig den rechtsstaatlich gebotenen Status der betroffenen Beamten sichern und verbessern.

Die Neuordnung des sächsischen Disziplinarrechts ist im Kontext eines Reformprozesses des Disziplinarrechts in Bund und Ländern zu sehen, der seit dem Jahre 1998 im Gang ist. Der Gesetzentwurf beruht auf einem gemeinsamen Konzept von Bund und Ländern und lehnt sich inhaltlich an das zum 1. Januar 2001 in Kraft getretene Bundesdisziplinargesetz an. Damit gibt es weiterhin eine Übereinstimmung nicht nur bei den Pflichten von Beamten, sondern auch bei der disziplinarrechtlichen Ahndung von Dienstvergehen.

Es ist mir sehr wichtig, dass auf der Grundlage gemeinsamer Beamtenpflichten in Bund und Ländern ein vereinheitlichtes Disziplinarrecht besteht. In diesen Prozess wird sich der Freistaat Sachsen mit dem neuen Sächsischen Disziplinargesetz sehr gut einfinden.

Der Aufbau des Gesetzes wird klarer gegliedert. Dies erleichtert die Anwendung des Gesetzes. Wir trennen unter anderem das behördliche vom gerichtlichen Disziplinarverfahren. Ferner verzichten wir beim behördlichen Verfahren auf die bisherige Unterscheidung zwischen „nicht förmlichen“ und „förmlichen“ Verfahren. Stattdessen wird es ein einheitliches und damit schnelleres Verfahren geben, bei dem die Erforschung des Sachverhaltes im Vordergrund steht. Das Ermittlungsergebnis ist dann Grundlage sowohl für den Erlass einer Disziplinarverfügung als auch für die Eröffnung einer Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht. Darüber hinaus soll das Verfahren durch Fristverkürzung und Straffung der Verfahrensabläufe beschleunigt werden.

Das Sächsische Disziplinargesetz löst das Disziplinarrecht von der verfahrensrechtlichen Bindung an das Strafprozessrecht. Grundlegende Verfahrensordnung ist jetzt das Verwaltungsverfahrensrecht. Damit ermöglichen wir der Verwaltung und den Gerichten eine Abwicklung der Disziplinarverfahren im Rahmen der für sie bewährten

Verfahrensordnungen; dies steigert erheblich die Effizienz.

Hervorheben möchte ich auch die Stärkung der Kompetenz des Dienstvorgesetzten. Derjenige, der in größerer Nähe zu den Beamten bzw. zum ihm zur Last gelegten Dienstvergehen ist, kann schneller reagieren und ist nicht in umständlicher Weise auf höhere Instanzen angewiesen. In erster Linie ist damit der Dienstvorgesetzte verpflichtet, disziplinarrechtlich zu reagieren.

Das Sächsische Disziplinargesetz berücksichtigt schließlich den sich inzwischen beim Bund und in anderen Ländern ergebenden Novellierungsbedarf bei dem neuen Disziplinarrecht. Die Bundesregierung hat inzwischen einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der dort noch beraten wird.

Im Verlauf der parlamentarischen Beratungen sind noch Änderungen an dem Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgenommen worden. Insbesondere ist – nach Anregungen der gerichtlichen Praxis – die Besetzung der Spruchkörper neu geregelt und an das normale Verwaltungsprozessverfahren angeglichen worden. Nunmehr ist auch für das Disziplinarverfahren entsprechend den übrigen Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung eine Besetzung der Disziplinarkammer mit drei Berufsrichtern und zwei Beamtenbeisitzern vorgesehen. Die Disziplinarkammer kann ihre Verfahren im Einzelfall auch auf einen Einzelrichter übertragen.

Die im Zusammenhang mit der Neuordnung des Disziplinarrechts beabsichtigte Änderung des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes ist während der parlamentarischen Beratungen aus dem Gesetzentwurf der Staatsregierung herausgenommen worden. Eine Novellierung des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes soll in Kürze in einem eigenen Gesetzentwurf erfolgen. Ebenso reformieren wir die Polizeiorganisation zu einem späteren Zeitpunkt. Hierzu besteht noch Beratungsbedarf.

Das vorliegende Gesetz sieht eine wirksame und den Erfordernissen einer modernen Verwaltung und Rechtspflege gerecht werdende Gestaltung des Disziplinarrechts vor. Das ist ein wichtiger Baustein in der Modernisierung der Verwaltung des Freistaates Sachsen. Ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst ist das Rückgrat staatlichen Handelns und zugleich entwickelt sich der moderne öffentliche Dienst auch zu einem nicht zu unterschätzenden Standortfaktor für die Wirtschaft. Er ist für die Entwicklung des Staates und der Gesellschaft insgesamt von großer Bedeutung. Für einen leistungsfähigen öffentlichen

Dienst ist es wichtig, auf Verstöße gegen Dienstpflichten rasch und wirksam reagieren zu können. Dazu wird das Gesetz beitragen.

Das umfangreiche Artikelgesetz ist im Mai 2006 in den Sächsischen Landtag eingebracht und zügig beraten worden. Dass heute die 2. Lesung des Gesetzes – nicht

einmal ein Jahr nach seiner Einbringung – erfolgt, zeigt, dass die Notwendigkeit einer raschen Reform auch hier im Sächsischen Landtag gesehen worden ist.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 16

2. und 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen

Drucksache 4/7600, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 4/8112, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien

Wir beginnen in der gewohnten Reihenfolge. Die CDU beginnt; Herr Prof. Wöller, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen ist aufgrund der Neuregelung des Auswahlverfahrens bei der Vergabe von Studienplätzen nach dem Hochschulrahmengesetz erforderlich. Mit dem Staatsvertrag wird das Auswahlverfahren in bundesweit zulassungsbeschränkten ZVS-Studiengängen neu geregelt. Danach erhalten Studierende nach folgenden Kriterien einen Studienplatz: 20 %, so wie es üblich war, nach Leistung, also die Abiturbesten ihres jeweiligen Jahrgangs, 20 % werden nach der Wartezeit vergeben, wobei die Ortsverteilung wie bislang nach sozialen Gründen vorgenommen wird. 60 % – bei weitem Abstand die Mehrheit – werden in einem Auswahlverfahren der jeweiligen Hochschule zugeteilt. Die Auswahlkriterien werden nach Landesrecht konkretisiert, wobei der Grad der Qualifikation, also in erster Linie die Abiturnote, maßgeblich ist.

Aber es kommen andere Kriterien hinzu. So können auch gewichtete Einzelnoten hinzugezogen werden, die über die fachspezifische Eignung Auskunft geben. Darüber hinaus können Studierfähigkeitstests über die Eignung Auskunft geben und die Berufsausbildung oder die Berufstätigkeit mit in Ansatz gebracht werden. Die Hochschulen haben damit nicht nur ein sehr weitgehendes Auswahlrecht, sondern legen auch die Auswahlkriterien in weiten Bandbreiten selbst fest. Der Staatsvertrag regelt darüber hinaus Folgendes:

„Die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze kann auf Antrag für einzelne Hochschulen Serviceleistungen gegen Kostenerstattung erbringen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der obligatorischen elektronischen Antragstellung. Ziel ist hierbei ein Zeitgewinn für das Antragsverfahren bei den Hochschulen.“

Mit diesem Staatsvertrag stärken wir die Eigenverantwortung und das Auswahlrecht der Hochschulen. Die neuen Hochschulzulassungsregelungen sind bereits im Sächsischen Hochschulzulassungsgesetz von 2005 umgesetzt.

Ein wichtiges Ziel ist dabei die Senkung der Studienabbrecherquoten. In Eignungstests kann die Motivation der Studierenden geprüft werden, Stärken und Schwächen des jeweiligen Kandidaten werden erkennbar. So werden Ressourcen geschont und zielgerichteter eingesetzt.

Aber, meine Damen und Herren, es geht noch um etwas Wichtigeres: Es geht um die wertvollste Ressource, nämlich die Lebenszeit von jungen Menschen. Sie kann besser eingesetzt werden und es kommt bei einer geringeren Studienabbrecherquote zu weniger Enttäuschungen und mehr Erfolgserlebnissen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen die Hochschulen ermutigen, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Die bislang gewonnenen Erfahrungen sind positiv und wir sind der Überzeugung, dass die Hochschulen mit den eingeräumten Freiheitsrechten verantwortungsbewusst umgehen.

Der Staatsvertrag enthält eine weitere wichtige Änderung: Das geltende Kapazitätsrecht für die örtlichen Zulassungsverfahren entfällt. Damit besteht die Möglichkeit der grundlegenden Weiterentwicklung des Kapazitätsrechtes in den Ländern. Wir wollen in einer Novelle des Sächsischen Hochschulzulassungsgesetzes die Chance nutzen. Das Auswahlrecht für die Hochschulen soll auf die örtlich zulassungsbeschränkten Studiengänge ausgeweitet werden. Drei Aspekte sind hierbei abschließend für uns wichtig:

Erstens. Wir streben eine hohe Auswahlquote an, denn dies stärkt die Eigenverantwortung in den Hochschulen.

Zweitens. Die Festlegung des Lehrbedarfes bei der Kapazitätsermittlung soll in Bandbreiten durch die Hochschulen selbst und möglichst nicht mehr durch Rechtsverordnungen erfolgen. Dies erleichtert die Schwerpunktsetzung und trägt entscheidend zur Profilbildung in den Hochschulen bei.

Drittens. Die Hochschulen sollen – wie bei den bundesweit zulassungsbeschränkten Auswahlverfahren – auch hier eine größtmögliche Flexibilität bei den Auswahlkriterien haben. Das heißt, bei der Abiturnote sollen weitere

Kriterien, die im Benehmen der Hochschule liegen, zur Anwendung kommen.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Staatsvertrag stärkt die Eigenverantwortung und Flexibilität der Hochschulen. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Werner spricht für die Linksfraktion.PDS.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie hätten heute gern den Staatsvertrag ohne Aussprache durchgewinkt. Wir können Ihnen diesen Gefallen leider nicht tun, und zwar aus zwei Gründen: aus formalen und inhaltlichen.

Lassen Sie mich zuerst zu den formalen Gründen kommen. Wie immer, wenn wir Staatsverträge diskutieren, sind folgende Probleme festzustellen: Wir, der Gesetzgeber, können an diesem Staatsvertrag nichts mehr ändern. Wir wurden vorher nicht in die Debatte über den Staatsvertrag einbezogen, sondern nachträglich informiert.

Ein anderer Weg wäre möglich gewesen: Wir hätten vorher im Landtag oder im Ausschuss diskutieren können, welche Fragen unbedingt geklärt und welche Probleme beseitigt werden müssten. Die Staatsregierung hätte sich mit dieser Verhandlungsposition vom Landtag legitimieren lassen und in die Verhandlungen gehen können. Uns verbleibt also nur, das Gesetz zum Staatsvertrag anzunehmen oder abzulehnen. Dass es so gekommen ist, ist kein guter politischer Stil. Es ist kein Einzelfall und wird leider immer öfter praktiziert.

Doch für die Linksfraktion ist der Landtag eben nicht nur der blinde Erfüllungsgehilfe der Staatsregierung. Der Landtag ist nicht nur Stätte der Kontrolle der Regierung, sondern auch Stätte der Meinungs- und Willensbildung. Aus dieser Meinungs- und Willensbildung heraus sollte die Gesetzgebung erfolgen. Erst nachdem sich der Landtag die Meinung gebildet hat, sollte die Staatsregierung in die Verhandlungen gehen und uns diese danach zur Beschlussfassung vorlegen.

Sicher können Sie nun darauf verweisen, dass der vorliegende Staatsvertrag eine rein technische Anpassung sei, doch ich möchte Sie daran erinnern, dass er auch einen Vorgänger hat, nämlich unser Sächsisches Hochschulzulassungsgesetz, worauf bereits eingegangen wurde. Die Linksfraktion hat dieses damals begründet abgelehnt. Wir haben diese Debatte also vor zwei Jahren schon einmal geführt und zu verschiedenen Problemen gesprochen. Diese Probleme sind auch im vorliegenden Staatsvertrag wiederzufinden, deshalb muss meine Fraktion das Gesetz ablehnen.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Stange, wir hoffen, dass Sie in Zukunft einen anderen Stil praktizieren als Ihre Vorgängerin oder manch andere Ihrer Kabinettskollegen. Wir sind der Meinung, dass wir rechtzeitig über neue

Verhandlungen wie auch die Position der Staatsregierung informiert werden sollten, wenn Staatsverträge zur Debatte stehen. So könnte ich mir zumindest diese Kritik künftig sparen.

Nun zu unseren inhaltlichen Kritiken. Man muss, wie gesagt, den Staatsvertrag im Zusammenhang mit dem Hochschulzulassungsgesetz vor zwei Jahren sehen. Wir haben verschiedene Probleme benannt. Zuerst zu einem grundsätzlichen Problem, zum Auswahlverfahren durch die Hochschulen: Sie versprachen sich dadurch weniger Studienabbrüche, da es die sogenannten passfähigen Studierenden gäbe, bessere Studienbedingungen, die Profilbildung der Hochschulen zu verbessern – und alles nur dadurch, dass die Hochschulen bei der Auswahl der Studierenden mehr Mitspracherecht haben.

In der damaligen Anhörung wurde darauf hingewiesen, dass bei der Auswahl der Studierenden durch Auswahlgespräche soziale Selektion vorprogrammiert ist – und das in einer Zeit, in der es eigentlich darum gehen muss, mehr Menschen aus sogenannten bildungsferneren oder sozial schwächeren Familien zur Aufnahme eines Studiums zu motivieren. Selbst der Wissenschaftsrat hat sich kritisch zu diesen Selektionswirkungen von Auswahltests und -verfahren geäußert, und es gibt Untersuchungen, die nachweisen, dass in diesen Gesprächen oder Auswahlverfahren oft sachfremde Kriterien ausschlaggebend sind, zum Beispiel Fragen nach sozialen Aktivitäten, Sprachfähigkeit, Habitus – also die soziale Ähnlichkeit mit denen, die auswählen; und wer nicht passt, wird eben aussortiert. Auch die Bundesregierung stimmte dem zu. Sie sagte, es könne nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass ein schichtspezifischer Habitus die Auswahl mit beeinflusse.

Aus unserer Sicht sind Auswahlgespräche die falschen Instrumente, um Studierende besser auf das Studium vorzubereiten, sie in ihrer Studienwahl zu unterstützen und den Abbruch zu senken, und Herr Wöller, ich empfinde es wirklich als blauäugig zu glauben, dass man durch ein Auswahlverfahren und durch ein halbstündiges Auswahlgespräch die Motivation der Studierenden erkennen könne. Die Linksfraktion schlägt andere Instrumente vor: Orientierungsphasen zu Beginn des Studiums einzuführen, die Beratung an den Schulen auszubauen sowie die Verbesserung der Betreuungs- und Beratungssituation an den Hochschulen. Dies wären wirklich Instrumente, um den Studienabbruch zu senken.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Zum Zweiten – das Problem der Beteiligung der Studierenden. Dazu hatten wir damals gemeinsam mit der Fraktion der GRÜNEN Vorschläge zur Novellierung des Sächsischen Hochschulzugangsgesetzes unterbreitet. Es gibt die Möglichkeit, andere Kriterien in die Auswahl aufzunehmen, zum Beispiel das ehrenamtliche Engagement. Damit jedoch diese Ansätze auch wirklich wirksam werden, bedarf es eines Gremiums, das dies in die jeweiligen Satzungen einfügt. Sie hatten damals die Hochschulen beauftragt und die Senate sollten über diese Satzungen abstimmen. Aus unserer Sicht ist die Gefahr jedoch zu

groß, dass hier die Professorenmehrheit ihre Kriterien durchsetzt. Deshalb wollten wir, dass die paritätisch besetzte Studienkommission an der Erarbeitung der Satzung beteiligt würde. Mit dieser Klarstellung im Gesetz würde man diesen Bereich der Hochschulzulassung dem Bereich der Lehre und Forschung zuordnen.

Sie haben das leider abgelehnt.