Erteilung von Astronomieunterricht als eigenständiges Unterrichtsfach an Mittelschulen und Gymnasien
Die Reihenfolge der Stellungnahmen in der ersten Runde: die GRÜNEN, Linksfraktion.PDS, FDP, CDU, SPD, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine gute Botschaft möchte ich gleich voranstellen. Wenn Sie heute dem vorliegenden Antrag zustimmen, was ich immer noch hoffe – ich finde, Sie können auch einmal zuhören, bevor Sie zustimmen –, kostet das den Freistaat keinen Cent zusätzlich. Jedenfalls haben wir und Tausende Einreicher von Petitionen für den Erhalt des Astronomieunterrichts als eigenständiges Unterrichtsfach vom Kultusministerium gehört, dass, wie vermutet, Sparmöglichkeiten nicht zur Streichung des Faches führen würden.
Ich stimme den Kritikern unseres Antrages durchaus zu. Die Argumente sind alle ausgetauscht und, Herr Colditz, ich kann auch gut verstehen, dass Sie den Streit langsam nicht mehr hören können. Das Problem ist doch aber, dass gewichtige Argumente für den Erhalt des Astronomieunterrichtes sprechen.
Danke. – Bereits vor dem Beschluss über die Abschaffung des eigenständigen Unterrichtsfaches Astronomie, nämlich im Jahr 2001, hat ein Gutachten des ComeniusInstitutes die Beibehaltung des Faches empfohlen. Es war im Auftrag des Kultusministeriums erstellt worden und ergriff Partei für den Fortbestand des Schulfaches Astronomie in der Klassenstufe 10 der Mittelschule und des Gymnasiums, weil dieses Fach ein hohes Maß an Eigenständigkeit besitzt und nicht unbeschadet in die Systematik anderer Fächer integriert werden kann. Dennoch setzten sich die Verantwortlichen im Mai 2002 über die Empfehlungen hinweg und strichen das Fach in den neuen Lehrplänen. Als Ende 2002 diese Pläne bekannt wurden, liefen die Experten Sturm und werden seitdem durch ein breites Bündnis von Eltern, Schülern, Landtagsabgeordneten aus allen Parteien, vielen naturwissenschaftlichen Gremien und Organisationen, Physik- und Astronomielehrern unterstützt. Nur das Kultusministerium stellt sich stur.
Im Rahmen der Beratung zu unserem Astronomie-Antrag im vergangenen Jahr hat es eine Sachverständigenanhörung gegeben. Die Mehrheit sprach sich damals für die Beibehaltung des eigenständigen Unterrichtsfaches
Astronomie aus. Diese Sachverständigen machten außerdem deutlich, welche fächerübergreifenden und fachverbindenden Potenziale in diesem Fach stecken. Darüber hinaus wurde in der Anhörung deutlich, was die Fachleute vor Ort immer wieder erleben: Das Interesse der Schüler für Astronomie ist groß. Da im Astronomieunterricht die Fragen nach dem Ursprung und der Entwicklung des Universums eine zentrale Rolle spielen, kann man einem gewissen Desinteresse von jungen Menschen an der naturwissenschaftlichen Bildung hiermit entgegenwirken. Die hohe Lernmotivation bei der Astronomie befördert damit die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften schlechthin. Hier wird die herrschende Schulpolitik widersprüchlich.
Das Kultusministerium hat sich doch gerade die verstärkte Förderung der Naturwissenschaften auf die Fahnen geschrieben, wie wir zuletzt auch bei den Beschlüssen zur Oberstufenreform gesehen haben. Genau in dem Moment, in dem Sie eine verstärkte Hinwendung zu Naturwissenschaften verkünden, schaffen Sie das einzige Fach ab, das die Motivation für die Naturwissenschaften und das Interesse an technischen Berufen völlig unzweifelhaft befördert.
Zuletzt haben sich im Dezember mehr als 100 Professoren zu Wort gemeldet, die noch einmal festgehalten haben: Astronomie ist Bestandteil der All-Gemeinbildung und entfaltet ihr pädagogisches Potenzial besonders dann, wenn sie gegen Ende der Sekundarstufe I als reguläres Unterrichtsfach in Erscheinung tritt.
Nicht umsonst – so die Professoren weiter – sei international eine Aufwertung astronomischer Bildung zu beobachten. So verweist die Studie „Science on stage“ aus dem Jahre 2005 auf die Attraktivität dieses Faches und seine enormen Möglichkeiten für den Schulunterricht.
In vielen europäischen Ländern von Finnland bis Frankreich soll Astronomie in den Schulen eine bedeutendere Rolle zukommen. Im Gegensatz zu diesem europäischen Trend gibt es in Sachsen eine Tendenz, den Fortschritt, den sich das Land bei der Etablierung des Faches an den höheren Schulen gegenüber anderen Bundesländern und anderen europäischen Ländern erworben hat, teilweise aufzugeben.
Nebenbei bemerkt: Einem Vorschlag der Internationalen Astronomischen Union folgend, soll das Jahr 2009 zum
Internationalen Jahr der Astronomie erklärt werden. Genau 400 Jahre zuvor, im Jahr 1609, hat Galileo Galilei erstmals ein Teleskop für astronomische Beobachtungen eingesetzt.
Die Professoren schließen mit der Forderung, statt rückwärts zu gehen sollte Sachsen das Pflichtfach Astronomie bewahren und weiter qualifizieren, die Ausbildung von Astronomielehrern wieder aufnehmen und seine hervorragenden Erfahrungen anderen Ländern zur Verfügung stellen. Das wäre ein bedeutender Beitrag zur Förderung zukunftsorientierter Bildung in Deutschland und darüber hinaus.
Meine Damen und Herren! Welche Argumente sprechen nun für eine Abschaffung des eigenständigen Astronomieunterrichts? Im Wesentlichen habe ich in der Anhörung der Experten und in der inhaltlichen Auseinandersetzung folgende Bedenken gehört:
1. Bei der jetzigen Regelung bleiben die Hauptschüler, denen sich die CDU besonders verpflichtet fühlt, außen vor. Diesem Argument haben wir Rechnung getragen, indem wir in Punkt 3 unseres Antrages die Einberufung einer Lehrplankommission fordern, die die Integration astronomischer Inhalte in den Hauptschulgang vorbereitet. Ich glaube, dass wir Ihnen damit einen gangbaren Weg aufzeigen, wie man den Status quo noch verbessern und wie Sachsen damit seinen Ruf als innovationsfreudiges Bildungsland festigen kann.
2. Wir hören immer wieder das Argument, dass eine Stunde Astronomieunterricht sowieso zu wenig sei. Herr Colditz nickt und irrt im gleichen Moment. Wenn wir dieser Argumentation folgen, heißt das, Herr Colditz, Sie erkennen an, wie wichtig das Fach Astronomie ist. Anstatt zu sagen, wir behalten es, gehen Sie los und streichen auch noch diese eine Stunde. Das ist widersprüchlich.
3. Es war zu hören, dass es außer der Astronomie noch andere wissenschaftliche Fächer gibt. Die Begehrlichkeiten sind groß. Aber wir wollen die Kirche im Dorf lassen; es geht nicht darum, neue Fächer einzuführen, sondern ein bewährtes Unterrichtsfach zu erhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen heute nicht über eine Revolution im sächsischen Bildungswesen. Wir wollen ausnahmsweise nicht das gesamte System verändern, sondern nur ein bewährtes Unterrichtsfach retten und weiterentwickeln. Wenn Sie unserem Antrag folgen, stärken Sie nicht nur die Astronomie als eigenständiges Fach, sondern vermeiden auch, dass es im Physikunterricht untergeht. Wir werden eine namentliche Abstimmung zu unserem Antrag beantragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU- und der SPDFraktion, es ist keine Schande, sich zu irren und diesen Irrtum zu erkennen und heute zuzustimmen. Denken Sie noch einmal darüber nach!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Staatsminister Flath sprach am 20. Juli 2006 in diesem Hohen Hause die Hoffnung aus, das letzte Mal eine Diskussion zum Thema Astronomie führen zu müssen. Ich habe extra noch einmal nachgeschaut, Herr Flath.
Wir wussten damals schon, dass Sie irren werden, denn die Diskussion über Astronomie wird hoffentlich in diesem Land nie versiegen und weiter eine wesentliche Rolle spielen. Die Diskussion im Plenum könnten wir allerdings beenden, wenn Sie, Herr Staatsminister Flath, Ihrer Fraktion gestatten, dem Antrag zuzustimmen und den Fraktionszwang in diesem Punkt einfach einmal aufzuheben.
(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das steht noch in den Sternen! – Dr. Fritz Hähle, CDU: Was reden Sie für einen Unfug?!)
Nun aber noch einmal zum Sachverhalt. Meine Kollegin Frau Günther-Schmidt hat schon einige inhaltliche Punkte benannt. Ich möchte die Punkte trotzdem noch einmal wiederholen, falls wir Bürgerinnen und Bürger am Radio haben, die zuhören. Ab dem Schuljahr 2007/2008 soll nach dem Willen des Kultusministeriums der Astronomieunterricht als eigenständiges Unterrichtsfach in den 10. Klassen an Mittelschulen und Gymnasien nicht mehr existieren. Die naturwissenschaftliche Bildung hat einen sehr hohen Stellenwert im Freistaat Sachsen. Wir haben das in verschiedenen Diskussionen bereits im Landtag einhellig über alle Fraktionen hinweg festgestellt. Ein Unterrichtsfach, das nicht neu zu bilden ist, sondern fächerverbindend und fächerübergreifend die naturwissenschaftliche Bildung in großem Maße fördern kann,
soll im Freistaat Sachsen abgeschafft werden. Der Staatsminister wird uns heute sicherlich wieder zahlreiche Themen benennen, die von der Astronomie in den neuen Lehrplänen in anderen Unterrichtsfächern ihren Niederschlag finden.
Wir begrüßen es sehr, dass auch in anderen Unterrichtsfächern Astronomie einen größeren Stellenwert erhält, selbst in der Grundschule. Doch nach unserer Auffassung und nicht nur danach reicht dies nicht aus. Lassen Sie mich einige Argumente nennen, die aus verschiedenen Bereichen klar für die Astronomie sprechen. Bereits am 22.10.2001 gab es ein Gutachten aus dem ComeniusInstitut. Übrigens, haben Sie es inzwischen wiedergefunden? Sie hatten uns doch einmal erklärt, das gäbe es nicht mehr.
Gut. Zum damaligen Zeitpunkt war es das ComeniusInstitut. Eine andere Formulierung hätten Sie mir jetzt auch angekreidet. Im Gutachten dieses Institutes ist festgelegt worden, dass die Beibehaltung des Astronomieunterrichts einstündig in der 10. Klasse notwendig ist und qualifiziert werden sollte. Oha! Im Mai 2002 gab es bereits von sechs Sachverständigen Fachurteile für den Erhalt des Astronomieunterrichts. Wenn Sie das immer noch nicht berührt, dann müsste Sie eigentlich die Petitionsflut, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Sächsischen Landtag sehr berühren. Inzwischen sind es 34 580 Unterschriften, die sich für den Erhalt des Astronomieunterrichts als Fach in Petitionen bekennen.
In der Anhörung im Schulausschuss gab es ein klares Bekenntnis für den Erhalt des Astronomieunterrichts. Ich hoffte und hoffe es immer noch, dass auch der Professorenbrief, den Sie im Dezember erhalten haben, eine sehr intensive Aussagekraft hatte. Ich will nicht alle Schreiben, die wir in der letzten Zeit erhalten haben, nennen, aber für mich ist noch wichtig zu erwähnen, dass auch die Fachberater der Auffassung sind, dass der Astronomieunterricht erhalten bleiben soll.
Das wäre doch zumindest nachdenkenswert. Ich bin immer davon ausgegangen, dass auch die Vertreter der CDU-Fraktion den sächsischen Wählerinnen und Wählern verpflichtet sind und ihre Interessen im Sächsischen Landtag vertreten. Bei den gerade benannten zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern aus Sachsen ist klar und deutlich zu erkennen, dass das Interesse nicht darin liegt, den Astronomieunterricht abzuschaffen, sondern das Gegenteil ist der Fall.
Wir fordern Sie auf, die falsche Entscheidung von 2002 rückgängig zu machen. Herr Flath, Sie haben im Kultusministerium in letzter Zeit häufig Entscheidungen korrigiert und den Bildungsbereich verändert. Ich möchte nur an die Reform der gymnasialen Oberstufe erinnern. Sie wissen, dass wir dazu zum Teil andere Auffassungen haben. Warum, Herr Staatsminister, wenn es so viele Stimmen für den Astronomieunterricht gibt, können Sie nicht auch hier eine Korrektur in Ihren Entscheidungen, die bereits von 2002 sind, treffen? Lassen Sie bitte Ihr parteipolitisches Geplänkel weg und entscheiden Sie heute einmal über diesen Antrag mit Ihrem ganz normalen Menschenverstand.
Ich weiß, dass sich auch Kollegen der CDU-Fraktion in ihren Wahlkreisen, in Besuchergruppen und anderen Veranstaltungen dazu bekannt haben, dass sie eigentlich
auch eher dafür sind, dass der Astronomieunterricht beibehalten wird. Heute haben Sie die Möglichkeit, mit einer namentlichen Abstimmung – damit möchte ich die Forderung meiner Kollegin Günther-Schmidt bekräftigen – das für sich ganz individuell zu entscheiden.