Ich habe mich vorhin schon mit Frau Hermenau unterhalten: Wir haben beide vor, den Schrumpfungsprozess, den die PDS durchmacht, zu unterstützen.
Es nützt ja auch nichts. Da freut sich sogar Herr Milbradt, denn dann hätte er mehr Auswahlmöglichkeiten. Wir sind uns darüber fast alle einig.
Ein großes Ärgernis ist die Bürokratie. Die Bürokratie ist ein entscheidender Kostenfaktor für jeden Einzelnen, aber natürlich vor allem für unsere Wirtschaft. Man schätzt beispielsweise – vielleicht mal eine Zahl, damit Sie es nachvollziehen können –, dass die durchschnittliche Kostenbelastung durch staatliche Bürokratie für Unter
nehmen mit bis zu neun Arbeitsplätzen – jetzt sprechen wir von den kleineren Unternehmen – bei rund 4 400 Euro im Jahr liegt. Das ist eine gewaltige Summe – was man damit alles machen könnte –; als Kleinunternehmer diese Summe zu erwirtschaften ist nicht so leicht. Wenn ich in größere Unternehmen hineinschaue, wächst das natürlich. Das lässt sich nicht völlig reduzieren, aber trotzdem können wir etwas machen.
Ich hätte schon erwartet, dass nach den vielen Ankündigungen – es gab ja mal einen, der nach Berlin gewechselt ist: Herrn de Maizière, der das Thema wie eine Monstranz vor sich hergetragen hat; Bürokratie war sein Thema auch im Wahlkampf – die Ergebnisse, die wir nun nach zwei Jahren haben, etwas anders aussehen. Wir haben zum Beispiel einmal geschaut, was in den letzten zwei Jahren passiert ist. Dazu gibt es von meinem Kollegen Dr. Martens eine interessante Kleine Anfrage. Man kann sehen, dass die Sächsische Staatsregierung seit dem ersten Tag der neuen Legislaturperiode bis Anfang September dieses Jahres insgesamt 408 neue Vorschriften erlassen hat. Das bedeutet, dass wir in Sachsen pro Woche vier neue Vorschriften erlassen.
Wenn ich das sehe, dann sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wir bauen keine Bürokratie ab, sondern wir bürokratisieren Sachsen immer mehr. Das, was wir machen, ist eine Bürokratisierungsoffensive. Das ist die Realität, und das ist wieder einmal – was ich an der Staatsregierung oft bemängle – der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Ein weiteres Beispiel, das wir wahrscheinlich demnächst wieder einmal im Plenum haben werden, ist der Paragrafenpranger. 1 800 Vorschläge aus allen Teilen der Gesellschaft – aus der Verwaltung selbst, vom Bürger, aus Unternehmen, Vereinen – wurden eingereicht. 400 dieser Vorschläge wurden von der Expertenkommission für gut befunden; gerade einmal 10 % will die Staatsregierung jetzt umsetzen.
Das ist, meine Damen und Herren, der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit, und so kann es in Sachsen beim besten Willen nicht weitergehen.
Einen ähnlichen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit sehe ich in der Kulturpolitik im Freistaat Sachsen. Sie haben es vorhin selbst gesagt, Herr Prof. Milbradt: Wir freuen uns alle über die Wiedereröffnung des Historischen Grünen Gewölbes; das ist gerade für mich als Dresdner ein wirklich historisches Ereignis
gewesen – schon das zweite nach der Frauenkirche hier in meiner Heimatstadt. Die Dankbarkeit, die man als Bürger dieser Stadt hat – gegenüber allen, die daran mitgewirkt haben, auch gegenüber der Politik –, kann größer überhaupt nicht sein. Trotz alledem gehört sich auch in diesem Fall: Wer A sagt, muss auch B sagen. Es passt einfach nicht zusammen, wenn Sie, Herr Prof. Milbradt, das Grüne Gewölbe auf eine Stufe mit dem Louvre, dem Prado oder dem Metropolitan stellen, dann aber unsere Sächsischen Kunstsammlungen – ich spitze es etwas zu – so ausstatten wie ein niederschlesisches Heimatmuseum.
Man kann nicht öffentlich mit dem brillieren, was man hat, und zu Hause im stillen Kämmerlein den misslaunischen Kassenwart spielen. Sehr geehrte Damen und Herren von der Staatsregierung, da möchte ich doch mehr sehen. Wir haben einen gewaltigen Schatz, aus dem wir richtig viel machen können. Wir haben dort auch ein Team von Leuten, die vernünftig mit den Schätzen arbeiten und noch viel mehr Besucher nach Sachsen holen können. Da wünschte ich mir etwas mehr Großzügigkeit, ein bisschen mehr den Blick für das Große und Ganze und für das, was man „Welt“ nennt.
Unser Ministerpräsident hat vorhin gesagt, dass man angesichts knapper Mittel die Prioritäten richtig setzen muss. Ich bin im Zweifel, ob genau da die Prioritäten hier in Sachsen wirklich in jedem Fall richtig gesetzt werden. Der Freistaat freut sich über 620 Millionen Euro Steuermehreinnahmen in diesem Jahr und gibt einen Teil davon – 60 Millionen Euro – an die SAB, 23,1 Millionen Euro an das Staatsweingut Wackerbarth, 112 Millionen Euro an die Flughäfen und die Messe. Die Frage, die sich uns stellt, ist, ob das wirklich der richtige Weg ist und ob man das wirklich – unter dem Aspekt, den Sie vorhin so schön genannt haben – unter Vorsorge verstehen kann.
Sie haben vorhin viel über Kinder- und Familienfreundlichkeit gesprochen. Ich frage Sie, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, diesem Anspruch weitere Taten folgen zu lassen und einen Teil der Mehreinnahmen, die wir in diesem Jahr haben, in die Bildung und in unsere Familien zu investieren.
Ich will es an zwei Sachen festmachen – auch wenn sie umstritten sind: Ein auch von uns befürwortetes kostenloses Kita-Jahr kostet rund 38 Millionen Euro im Jahr und der von uns vor Kurzem geforderte Fremdsprachenunterricht ab Klasse 1 ungefähr 10 Millionen Euro pro Jahr. Sie sprachen vorhin selbst davon, dass es einen bruchlosen Übergang von den Kindergärten in die Grundschule geben
muss. Wir haben dazu kürzlich einen Vorstoß gemacht und darum gebeten, dass man doch in Sachsen 200 neue Grundschullehrer einstellt, weil es die Aussage von Herrn Flath gewesen ist, dass es an den nicht vorhandenen Personalkapazitäten liegt, dass man diesen an und für sich sinnvollen Wunsch, Fremdsprachenunterricht ab der 1. Klasse zu gewährleisten, nicht erfüllen könne. Dieser Antrag – die Diskussion hatten wir im Plenum; auch in der Haushaltsdiskussion – wurde von der Regierungskoalition wieder einmal abgelehnt. Es geht um 10 Millionen Euro für ein Jahr. Es wäre ein guter Einstieg zu mehr Familienfreundlichkeit und zu mehr Kinderfreundlichkeit in unserem Land gewesen. Ich denke, dass sich die Einstellung von 200 Grundschullehrern ausgezahlt hätte und dass das echte Vorsorge für unsere Jugend, für unsere Kinder gewesen wäre. Es wäre besser gewesen, als das Geld in einigen Staatsunternehmen zu versenken – um es salopp auszudrücken –, deren Konzept ich bis heute nicht erkennen kann.
Da Herr Jurk nicht anwesend ist, muss ich mich an die SPD wenden; ich will es trotzdem gern loswerden, weil der kleine Koalitionspartner Landesparteitag hatte. Wie ich erfahren habe, hat der Wirtschaftsminister Herr Jurk sich ganz kurz mit der Opposition im Sächsischen Landtag beschäftigt. Er hat nämlich gesagt, dass man die Kritik der FDP und der Linkspartei nicht so wichtig nehmen müsse.
Wenn ich selbst überlege: Die Schulschließungspolitik, die Sie im Wahlprogramm noch nicht wollten, machen Sie mit – widerstandslos. Darauf, dass Sie die Leistungsorientierung aus unserem Bildungswesen herausgenommen haben, muss ich Ihnen ehrlich sagen, bin ich nicht neidisch, das halte ich für ein Problem. Darauf, dass Sie im Wirtschaftsministerium nicht einmal in der Lage sind, die vorhandenen ESF-Mittel komplett und richtig auszugeben, soll ich neidisch sein? Das halte ich eher für einen Skandal.
Darauf, dass Sie ein kostenloses Kita-Jahr, das ein großes Thema im Wahlkampf war, bis heute nicht hinbekommen haben, soll ich neidisch sein? Das bin ich auch nicht unbedingt. Um ein weiteres Beispiel zu nennen: darauf,
Am Ende ist vielleicht der einzige Erfolg, den Sie sich zuordnen können, der Erhalt des Kreissitzes in Borna, in dem Sie die einzige SPD-Landrätin haben. Dass das am Ende wirklich der einzige Erfolg sein soll, meine Damen und Herren – meinen Sie wirklich, dass auf eine solche Bilanz irgendeiner in diesem Raum neidisch ist? Ich glaube es nicht.
Meine Damen und Herren, Sachsen steht auf der Bremse. Die Entwicklung Sachsens erinnert mich ein bisschen an die Situation, in der man sich befindet, wenn man von einem Auto mit Schaltgetriebe, das man als junger Mensch sportlich gefahren ist, irgendwann auf ein Auto mit Automatikgetriebe umsteigt.
Wenn man sich nicht richtig in seinen Kopf einhämmert, dass man das linke Bein absolut vergessen muss – ich betone: das linke Bein –,