Protocol of the Session on December 12, 2006

brauchen, zu Recht erwarten und dankbar annehmen. Gleiches gilt für sportliche und Bildungsangebote und überhaupt für alle Aktivitäten, die das Leben farbiger und interessanter machen.

Eine konsequente und sicherlich nicht umsonst zu habende Jugendpolitik ist aber auch von größter Wichtigkeit, um den Rechtsradikalen nicht das Feld zu überlassen. Wir müssen es uns leisten, gerade auf dem flachen Land Angebote vorzuhalten, die für Jugendliche attraktiv sind, damit sie eben nicht in die Fänge von Neonazis geraten, die ihnen mit ihren gefährlich einfachen Rezepten die Welt erklären wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD, der CDU und der Linksfraktion.PDS)

Mit der Erhöhung der Mittel auf insgesamt 15,3 Millionen Euro ist die Jugendarbeit auf eine stabile Grundlage gestellt. Vor allem die örtlichen Träger der Jugendhilfe erhalten in den nächsten beiden Jahren deutlich mehr Geld als bisher. So wird die Jugendpauschale von bislang 10,99 Euro auf 14 Euro pro Einwohner unter 27 Jahren steigen. Die Jugendpauschale dient beispielsweise der Finanzierung von Jugendklubs oder Familienberatungsstellen. Jetzt sind die Kommunen gefordert, diese Steilvorlage zu nutzen und die Jugendarbeit vor Ort deutlich zu stärken.

Nun kurz zur Schul- und Hochschulpolitik. Meine Damen und Herren, junge sächsische Lehrer absolvieren ihr Referendariat in allen Bundesländern, aber immer weniger in Sachsen. Wir bilden an unseren Universitäten zwar gute Lehrer aus, können ihnen aber bisher keine Perspektive bieten. Wenn ein großer Teil der Lehrer in Rente gehen wird, wird zu diesem Zeitpunkt der Nachwuchs fehlen. Für 2007 und 2008 legen wir deshalb den Grundstein zur Vermeidung eines zukünftigen Lehrermangels und verkürzen die Wartezeiten für die Anwärter. Wir haben für Studienreferendare in den nächsten zwei Jahren insgesamt 600 Stellen mehr vereinbart und knapp 7 Millionen Euro mehr eingestellt, als zunächst vorgesehen war. Denn wir wissen, dass Planungssicherheit für die Schulen und soziale Sicherheit für die Lehrer für eine erfolgreiche Schulpolitik unverzichtbar sind.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Studienbedingungen an den sächsischen Hochschulen müssen zweifellos weiter verbessert werden. Wir haben schon im Koalitionsvertrag dafür ein Programm im Umfang von 45 Millionen Euro durchgesetzt. Dazu wurde jetzt für 2007 und 2008 eine Verstärkung der Mittel für studentische Hilfskräfte von insgesamt 1,4 Millionen Euro vereinbart.

Zur Forschung: Zur Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes Sachsen gehört, die Voraussetzungen für eine exzellente Forschungslandschaft zu schaffen. Nach wie vor ist es aber in Ostdeutschland relativ schwer, Drittmittel für Forschungsvorhaben einzuwerben. Es gibt einfach weniger finanzkräftige Industrie, und auch in die

wichtigsten bundesweiten Netzwerke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sind die ostdeutschen Hochschulen noch relativ schwach eingebunden. Daher haben wir uns in den Haushaltsverhandlungen dafür eingesetzt, dass die Landesmittel zur Förderung von Forschungsprojekten um jährlich circa 4 Millionen Euro aufgestockt werden. Nunmehr stehen für projektbezogene Forschungsförderung jährlich 5 Millionen Euro zur Verfügung,

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

und zwar, Herr Porsch, nicht nur für schnell verwertbare Anwendungsforschung, sondern selbstverständlich auch für Projekte der Grundlagenforschung.

Schließlich will ich noch zwei Bereiche nennen, die mir persönlich besonders wichtig sind. Ich meine erstens das Programm für ein demokratisches, tolerantes und weltoffenes Sachsen. Die Sachsen sind à priori ein weltoffenes und tolerantes Volk. Dennoch: Alle Ansätze von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus müssen mit aller Konsequenz im Keim erstickt und bekämpft werden.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem genannten Programm im Umfang von 2 Millionen Euro pro Jahr unterstützten wir bisher diese Arbeit. Gefördert wurden damit bisher über 60 Projekte und Initiativen, die vor Ort gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus kämpfen.

(Zuruf von der NPD)

Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt. – Deswegen habe ich mich besonders gefreut, dass für 2007 und 2008 durch Umschichtungen 1 Million Euro mehr für diese Projekte zur Verfügung stehen. Mögen Sie blass werden, meine Damen und Herren von der NPD!

(Beifall bei der SPD – Holger Apfel, NPD: Ha, ha, ha!)

Denn genau dort gehört das Geld hin und nicht in Kampagnen und Verwaltungen!

Ich meine zweitens die Förderung des Ehrenamtes. Wir brauchen in diesem Lande Menschen, die sich engagieren – im Sportverein, in der Kirche, in der Freiwilligen Feuerwehr, im Jugendklub. Dafür können sie aber neben unserem Dank auch eine gewisse Gegenleistung im Sinne einer Aufwandsentschädigung erwarten. Deshalb haben wir die Ehrenamtsförderung um 1 Million Euro aufgestockt, nachdem bereits 2006 auf unser Drängen hin 1 Million Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden konnten.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert und Martin Dulig, SPD)

Auf diese Weise, meine Damen und Herren, wird eine kontinuierliche Förderung der ehrenamtlichen Arbeit innerhalb des Programms „Wir für Sachsen“ gewährleistet. Mit dieser nochmaligen Erhöhung wird es möglich, ab 2007 die Aufwandsentschädigung von 40 Euro pro Monat

entweder ganzjährig zu gewähren – bisher waren es nur acht Monate – oder aber knapp 2 000 Ehrenamtliche neu in das Programm aufzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist insgesamt ein Verhandlungsergebnis, das sich sehen lassen kann und das zeigt, dass die sächsischen Sozialdemokraten in der Koalition keineswegs nur als Mehrheitsbeschaffer oder Frühstücksdirektoren fungieren, sondern durchaus in der Lage sind, der Königsdisziplin parlamentarischen Handelns, der Aufstellung des Haushalts, ihre unverwechselbare sozialdemokratische Handschrift aufzuprägen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung – Lachen bei der NPD – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich erteile der NPDFraktion das Wort. Herr Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Mit der heutigen Rede hat der Ministerpräsident von Sachsen wieder einmal deutlich gemacht, wo seine Priorität und seine Loyalität liegen. Herr Milbradt, Sie sehen sich nicht als Regierungschef, der die Interessen unseres Landes und seiner Bürger energisch und zäh vertritt, der seine Heimat hegen und pflegen und, wenn nötig, auch schützen möchte,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Vor Ihnen muss man sie schützen!)

sondern als Manager, der den Auftrag hat, eine Wirtschaftseinheit globalisierungskompatibel zu machen, und zwar auf Teufel komm raus.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Leider scheinen Ihnen aber einige fundamentale Prinzipien des heutigen Marktes, auf dem Güter, Kapital und Arbeitskraft frei beweglich sind, verborgen geblieben zu sein. Wie könnten Sie sonst behaupten, dass wir alle den Nutzen der Globalisierung am Arbeitsmarkt spüren?

Haben Sie wirklich übersehen, dass Sachsen – wie ganz Mitteldeutschland – im 16. Jahr nach der Wende immer noch eine Arbeitslosigkeit zwischen 15 und 20 % aufweist und die Entwicklung einer nachholenden Modernisierung nach westdeutschem Muster mit Vollbeschäftigung, die es in Westdeutschland in der Nachkriegszeit für einige Jahrzehnte gab, hierzulande mittlerweile als ausgeschlossen gilt? Sie können doch kaum übersehen haben, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit in den letzten zwölf Monaten auf eine konjunkturelle Sondersituation und auf einen massiven Zuwachs der Ein-Euro-Jobs zurückzuführen ist.

Wenn Sie dennoch behaupten, dass Sachsen von der Globalisierung profitiert, dann verschließen Sie die Augen vor der sozioökonomischen Katastrophe, die der Freistaat Sachsen durchmacht.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das ist tragisch, denn immerhin sind Sie Ministerpräsident von Sachsen. Haben Sie gar nicht mitbekommen, dass die Lebens- und Arbeitswelten vieler Sachsen in den letzten 16 Jahren zerstört wurden und Hunderttausende es eben nie wieder geschafft haben, sich eine stabile Lebens- und Arbeitswelt aufzubauen? Wenn Sie als Ministerpräsident von Sachsen sich heute hier hinstellen und erklären, dass Sie – ohne Anflug der geringsten Selbstkritik – immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben, dann ist das eine Zumutung für das Parlament, für die Medien, für die Zuhörer am Radio, und dann fällt mir dazu nur das Sprichwort ein, dass die Götter, wen sie bestrafen wollen, eben mit Blindheit strafen.

Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen von Herrn Porsch kann ich eigentlich nur kurz feststellen: Den schuldenfreien Staatshaushalt traut der Linksfraktion.PDS kein Mensch zu, der normal politisch denkt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das trifft ja auf Sie nicht zu! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

An den Herausforderungen eines schuldenfreien Haushalts scheiterten Ihresgleichen doch schon damals in der ehemaligen DDR, scheiterten Sie in MecklenburgVorpommern und erst recht im desaströsen Berlin.

Herrn CDU-Fraktionsvorsitzenden Hähle möchte ich allerdings meinen allerherzlichsten Dank aussprechen. Seine Ausführungen zum Umgang mit Anträgen der Opposition im Parlamentarismus sind ein offener Beleg dafür, dass dieser demokratiepolitisch keinen Gewinn darstellt und nicht länger ernst genommen zu werden braucht.

Meine Damen und Herren! Ansonsten war das, was wir in der letzten Stunde von den Rednern der Koalitionsfraktionen gehört haben, in erster Linie die Wiederholung von Pressemitteilungen und das gebetsmühlenartig vorgetragene Eigenlob über den angeblichen Konsolidierungskurs, der sich im Erreichen einer Nettoneuverschuldung von null manifestieren soll. Wenn man aber die Rahmenbedingungen dieses Konsolidierungskurses genauer betrachtet, unter denen dieses Etappenziel erreicht wurde, stellt man rasch fest, dass die Bürger zu Opfern einer Konsolidierungsillusion gemacht werden sollen.

Meine Damen und Herren! Jeder weiß, dass die zurzeit relativ positive Entwicklung der Steuereinnahmen und der Nettoneuverschuldung nur eine Momentaufnahme in der Finanzgeschichte Sachsens bleiben wird, nichts anderes. Jeder in diesem Hause weiß, dass ab dem Jahr 2009 die Bundeszuweisungen, wie zum Beispiel aus dem Solidarpakt II, und die EU-Rückflüsse in dramatischem Ausmaß wegbrechen werden. Hinzu kommt, dass der Länderfinanzausgleich nach der Einwohnerzahl berechnet wird, und diese ist in Sachsen nun einmal leider deutlich rückgängig.

Aber nicht nur mit Blick auf das vorprogrammierte Desaster auf der Einnahmenseite kann der uns vorgelegte Haushalt bestenfalls das Prädikat „Flickenteppich“ für sich beanspruchen. Doch damit nicht genug, ist dieser Entwurf vor allem ein finanzpolitischer Persilschein, vielmehr gar ein finanzpolitisches Ermächtigungsgesetz. Es ist offensichtlich: Der Finanzminister möchte eine Generalvollmacht, am besten ohne jede parlamentarische Kontrolle.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Das Finanzministerium soll ermächtigt werden, nach eigenem Gutdünken bzw. nach Vorgaben aus Brüssel die Mittel im Haushalt umzuschichten, Ausgaben zu bewilligen, Kredite auszuweiten, Bürgschaften zu vergeben – und das alles, ohne von sperrigen Parlamentsmehrheiten daran gehindert zu werden, jedenfalls wenn es nach dem Wunsch der Koalition geht. Und der Aufschrei der sogenannten Demokraten? – Fehlanzeige, meine Damen und Herren. Dieser Part bleibt einmal mehr der NPD vorbehalten.

Tatsache ist: Sobald es um die Umsetzung irgendwelcher milliardenschwerer EU-Programme geht, will das Finanzministerium die Schuldenaufnahme künftig ohne den Umweg über das Parlament vornehmen dürfen. Für den Fall, dass bei den Genehmigungsprozessen zu den operationellen Programmen für die EU-Strukturförderung Umschichtungen anstehen, nachdem der vorliegende Haushalt verabschiedet wurde, wird das Finanzministerium diese Umschichtung künftig ebenfalls in Eigenregie vornehmen, ebenfalls wieder ohne Umwege über das Parlament.

Meine Damen und Herren, warum debattieren wir überhaupt noch hier im Landtag über den Doppelhaushalt? Merken Sie denn nicht, dass diese Haushaltsdebatte angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen ein reines Kasperletheater ist und dass das Parlament auf dem besten Wege ist, sich selbst auszuhebeln? Mit demokratischen bzw. transparenten Gepflogenheiten hat das, meine Damen und Herren, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Hier wird kein demokratischer Prozess vollzogen, hier wird der Demokratie der Prozess gemacht.

Meine Damen und Herren! Wenn aufgrund der Genehmigung operationeller Programme auf europäischer Ebene nachträgliche Umschichtungen im Landeshaushalt erforderlich sein sollten, dann bedarf es eines ordentlichen Nachtragshaushalts. Die NPD jedenfalls ist nicht gewillt, die fortschreitende Kastration des Selbstbestimmungsrechts des Landtags mitzutragen. Uns geht es um die Beibehaltung der Haushaltshoheit des Parlaments. Alles andere ist nach unserer Auffassung Irreführung der Öffentlichkeit.

Ähnlich sieht es aus, wenn es um besondere Maßnahmen der Regierung geht, um sogenannte Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwenden. Konkret geht es uns um Artikel 1 § 3 des Haushaltsgesetzes. Hier hält die NPD eine Unterrichtung des HFA im Falle

der Ergreifung der in § 3 beschriebenen Maßnahmen für dringend geboten.

Mehr Kontrolle und mehr Transparenz halten wir auch für erforderlich, wenn es darum geht, Bürgschaften und Gewährleistungen in der Größenordnung von circa 11 % des gesamten Haushaltsvolumens zu erteilen. Es ist grotesk, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung Kontrolle und Transparenz aber geradezu ausschließt. Schließlich handelt es sich nicht um Peanuts, meine Damen und Herren. Über Summen in dieser Größenordnung kann man doch nicht in absolutistischer Kabinettspolitik hinter den verschlossenen Türen der Staatsregierung entscheiden.