Ich denke, es geht bei dem Hochschulpakt im Wesentlichen um zwei Schwerpunkte. Zum einen geht es um die Bewältigung des enormen Anstiegs der Studienanfänger- und Studierendenzahlen deutschlandweit in den nächsten 15 Jahren. Wir in Sachsen wollen davon auch profitieren, weil wir hier, wie gesagt, eine andere Entwicklung zu verzeichnen haben.
Zum anderen geht es um die Entwicklung und Finanzierung des Hochschul- und Wissenschaftssystems im Kontext des Föderalismus, und das ist ja wohl schwierig genug. Da das Kooperationsverbot zum Glück nun vom Tisch ist, wird darüber diskutiert, wie ein Zusammenwirken von Bund und Ländern auf dem Gebiet der langfristigen Hochschulfinanzierung gestaltet werden kann.
Wir werden vermutlich von unserer Ministerin noch etwas Aktuelles dazu hören. Aber nach dem, was ich bisher vernommen habe, sind Zahlen zwar im Gespräch, aber noch nicht hundertprozentig sicher.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN knüpft mit ihrem Antrag an Dinge an, die von der SPD und der CDU im Bundestag schriftlich dargelegt wurden. Es existiert ein Zehn-Punkte-Papier zum geplanten Hochschulpakt.
Ein wesentlicher Punkt darin ist der Ausbau der Studienkapazitäten. Insgesamt geht der Bund dabei von 90 000 zusätzlichen Studienanfängern aus. Wie ich schon gesagt habe, bestehen zwischen den Bundesländern hierbei Differenzen. Während also die Zahl der Studienanfänger in den westlichen Bundesländern zwischen 2006 und 2018 erheblich steigt, fällt diese Zahl in den neuen Bundesländern, wie ich denke, schon vor 2010 sehr deutlich ab.
Es ist auch zu berücksichtigen – das wurde von meinen Vorrednern schon gesagt –, dass Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg ihre Studienplatzkapazität schon seit längerer Zeit nicht weiter ausgebaut, dafür aber stärker in die Forschung investiert haben. Bayern konnte sich dabei sicher sein, dass seine Abiturienten auch in den anderen
Ländern gut untergebracht sind und dass Hochschulabsolventen aus anderen Ländern dann wieder nach Bayern gehen. Das führt bereits heute zu Disparitäten in der Studienplatzfinanzierung und wird von den anderen Bundesländern in Bezug auf die neue Förderstrategie sehr kritisch betrachtet.
Frau Werner sprach schon von der Exzellenzinitiative. Ich denke auch daran, zu welchem Ergebnis man kommt, wenn man sich genauer anschaut, welche Bundesländer davon besonders profitiert haben. Aber auch der demografische Wandel und die doppelten Abiturjahrgänge in den alten Bundesländern werden die Situation demnächst weiter verschärfen.
Dies erfordert, so wie es auch in dem vorliegenden Antrag beschrieben ist, eine unterschiedliche Herangehensweise bei der Finanzierung. Wir finden das in Punkt 1 des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das heißt, für Sachsen geht es eben nicht um den Ausbau, sondern ganz dringend um den Erhalt von 20 000 Studienplätzen trotz zurückgehender Studienanfängerzahlen. Der Vorschlag der Länder zum Hochschulpakt berücksichtigt das.
So sollen nach den derzeitigen Verhandlungen etwa 15 % der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel der besonderen Situation der neuen Bundesländer Rechnung tragen. Die neuen Bundesländer verpflichten sich, die Studienanfängerzahlen auf der Basis des Jahres 2005 auch in den Folgejahren sicherzustellen. Ihre Komplementärfinanzierung würde damit als erbracht gelten.
Aber es gibt eben nur Geld, wenn auch die tatsächliche Ausnutzung der Studienplätze nachgewiesen werden kann. So verpflichten sich die Länder, die Nutzung der verfügbaren Studienplätze durch entsprechende Maßnahmen zu optimieren. Ich denke, wir sollten uns in absehbarer Zeit eben gerade auch über diese Maßnahmen austauschen; denn unsere Aufgabe in der nächsten Zeit wird es sein, den sächsischen Studienort noch gezielter und effizienter zu bewerben.
Die sächsischen Hochschulen weisen eine hohe Qualität in Forschung und Lehre auf. Darüber sind wir uns sicherlich einig. Sächsische Hochschulen sind bereits heute ein attraktiver Studienort für Studierende auch aus anderen Bundesländern. Das müssen wir aber noch wesentlich offensiver nach außen tragen. Dazu benötigen wir auch die Unterstützung der alten Bundesländer.
Bei uns zahlt man keine Studiengebühren und es gibt preiswerten Wohnraum. Auch das wird sicherlich ein Standortvorteil sein.
Auf jeden Fall müssen die über den Hochschulpakt bereitgestellten Mittel genutzt werden, um entwicklungsstrategisch Studienplätze zu erhalten oder eben auch umzubauen, die für die Zukunft Sachsens wichtig sind. Das, denke ich, wird uns in nächster Zeit auch hier im Plenum beschäftigen. Denn was ist wichtig für die Zukunft Sachsens und was sind entwicklungsstrategisch sinnvolle Studienplätze?
Auch der zweite Punkt des vorliegenden Antrags findet sich im 10-Punkte-Papier der Bundestagskoalitionsfraktionen. Hier geht es um den Einstieg in den Hochschullastenausgleich. Herr Dr. Gerstenberg sagte schon, dass wir uns im März dieses Jahres an dieser Stelle schon darüber ausgetauscht haben. Es geht darum, Anreize zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Studienkapazitäten in den einzelnen Bundesländern zu schaffen.
Das Prinzip „Das Geld folgt den Studenten“ können wir natürlich unterstützen. Wir halten jedoch den Antrag in diesem Punkt für zu detailliert. Hier sollte man der Wissenschaftsministerin in ihrer Analyse der Situation und auch in der Beschreibung des Aktionsprogramms nicht vorgreifen. Die Art und Weise der Ausgestaltung des sogenannten Vorteilsausgleichs wird derzeit zwischen den Ländern diskutiert. Auch wir als SPD-Landtagsfraktion haben hierzu Vorschläge in den Verhandlungsprozess eingebracht.
Wir sehen es so: Das Anliegen des vorliegenden Antrags wird von meiner Fraktion geteilt. Der Antrag unterstützt die Verhandlungsposition unserer Wissenschaftsministerin. Aus diesem Grund werden wir dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenfalls zustimmen.
Das war die SPDFraktion. – Die NPD-Fraktion hat signalisiert, die Rede zu Protokoll zu geben. Die FDP-Fraktion hat keine Redezeit mehr. Nun wäre die Staatsregierung an der Reihe – Frau Dr. Stange.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich für diese Diskussion und den Antrag sehr herzlich bedanken. Er kommt zur richtigen Zeit; denn am Montag muss nun endlich der Beschluss über den Hochschulpakt gefasst werden, damit die Ministerpräsidenten am 13. Dezember den Hochschulpakt 2020 im Rahmen anderer Dinge mit beschließen können.
Wir haben sehr lange gebraucht, deshalb möchte ich zu einigen Dingen, die noch nicht angesprochen worden sind, sowie zur aktuellen Entwicklung etwas sagen.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Herr Wöller lebt für sich allein als Hochschulpolitiker, er braucht nicht zuzuhören!)
Zunächst möchte ich etwas voranstellen, was bei der ganzen Diskussion ein wenig vernachlässigt wird und aus meiner Sicht auf die vergangenen zehn Jahre bildungspolitischer Diskussionen in dieser Bundesrepublik wirklich ein Novum ist. Es gibt zum ersten Mal eine Art nationalen Konsens über alle Bundesländer, über alle Parteien, zwischen Bund und Ländern, dass alle Studienberechtigten, die dieses Land hat, einen Studienplatz benötigen. Es ist das allererste Mal, dass die Diskussion in dieser Weise geführt wird und nicht in dieser Weise: Wie viel Geld haben wir für die Hochschulen und wie viele Studienanfänger können auf dieser Grundlage die Hochschulen besuchen? Das ist ein Novum, und ich denke, es ist ein Durchbruch in der Diskussion auch des Hochschulstandortes Deutschland insgesamt, der in den letzten Jahren vor dem Hintergrund sehr oft kritisiert worden ist, dass wir zu wenige akademisch ausgebildete junge Menschen mit einer Abschlussquote von etwa 20 % haben, wobei der OECD-Durchschnitt bei 40 % liegt.
Wir haben die einmalige Chance – und das war der Ausgangspunkt dieser Diskussion –, dass in den kommenden Jahren, wie hier bereits dargestellt wurde, nicht nur die Studienberechtigtenzahlen ohnehin angestiegen sind, da sich mehr junge Menschen auf den Weg zu einer Hochschulzugangsberechtigung direkt über das Abitur oder über andere Wege gemacht haben, sondern weil wir in acht Bundesländern doppelte Jahrgänge haben, davon in sechs alten Bundesländern. Dies führt mit einem Schlag zu einer Erhöhung der Studienberechtigtenzahlen in den nächsten Jahren, wie sie in den letzten zwanzig Jahren nicht da gewesen ist.
Eigentlich könnte man sagen – insofern hat Herr Dr. Gerstenberg natürlich recht –, das kommt nicht ganz überraschend; denn die Kinder waren geboren und man wusste, dass eine solche Welle auf uns zurollt – zumindest auf die westlichen Bundesländer. Es kommt insofern überraschend, als die doppelten Jahrgänge erst durch die Entscheidungen der Kultusminister in den einzelnen Ländern, beim Abitur von 13 auf zwölf Jahre zu reduzieren, zustande gekommen sind; und das waren Entscheidungen in den letzten fünf Jahren. Insofern war es doch für die Hochschulen ein sehr kurzer Zeitraum. Aber es gibt diesen Konsens und es gibt Gott sei Dank – Frau Raatz hat darauf hingewiesen – trotz der Föderalismusreform nach wie vor einen § 91 B9 im Grundgesetz, der es den Ländern und dem Bund gemeinsam ermöglicht, Wissenschaft und Forschung zu fördern. Auf dieser Grundlage basieren derzeit die Verhandlungen über den Hochschulpakt.
Dies bedeutet aber auch, dass sich 16 Länder einigen müssen. 16 Länder müssen zustimmen. Anders als bisher bei Bund-Länder-Programmen bedarf es unter dieser
neuen Grundgesetz-Systematik eines einheitlichen Vorgehens, und das hat den Prozess in den letzten Monaten sehr verzögert. Ich möchte kurz beschreiben, welche Problemlagen wir haben und dass eine Problemlage bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gelöst ist.
Wir haben nicht nur eine Problemlage Ost-West, die hier bereits angesprochen wurde: dass nämlich im Westen die Studierendenzahlen in den nächsten Jahren um circa 90 000 Studienanfänger nur bis zum Jahr 2010 ansteigen und danach pro Jahr circa 40 000 Studienanfänger dazukommen. Dies geht etwa bis zum Jahr 2013/2014 so. Bis zu diesem Jahr haben wir einen immensen Anstieg der Studienanfängerzahlen, und wir gehen alle davon aus, dass wir keine Übergangsquote wie bisher von den Hochschulzugangsberechtigten von 70 %, sondern eine Hochschulzugangsquote von etwa 75 bis 80 % haben, dass sich also mehr junge Menschen entscheiden, wenn sie eine Hochschulzugangsberechtigung haben, auch an die Hochschulen zu gehen.
Dies ist die eine Problemlage, die vor allem die westlichen Bundesländer fast durchgängig betrifft, vor allem jedoch die Bundesländer, die in den vergangenen Jahren die Anzahl ihrer Hochschulplätze gedrosselt haben. Es wurde hier bereits angesprochen: Bayern, Baden- Württemberg, aber auch Niedersachsen haben die Zahl ihrer Hochschulplätze massiv gedrosselt mit dem Argument, vor allen Dingen für Qualität zu sorgen. Dies kann man so machen, aber die Konsequenz ist, dass sie jetzt massiv ausbauen müssen.
Wir haben eine zweite Problemlage, das ist der Osten. Wir haben zum gleichen Zeitpunkt, beginnend ab dem Jahr 2008, in Sachsen etwa ab dem Jahr 2009, bis zum Jahr 2013/2014 einen Rückgang der Hochschulzugangsberechtigtenzahlen zwischen 30 und 40 %. In Sachsen wird es etwa ein Drittel der Hochschulzugangsberechtigten sein, also zwischen 6 000 und 7 000, die wir an absoluten Zahlen nicht mehr haben werden.
Außerdem haben wir eine dritte Problemlage, das sind die Stadtstaaten; Frau Raatz hat auf die Situation in Berlin hingewiesen.
Das ist genau der Punkt, der derzeit ungelöst ist und der bis zur Minute und vermutlich erst über das Wochenende gelöst werden kann: wie Berlin eine Brücke gebaut werden kann, dass es sich trotz des Bundesverfassungsgerichtsurteils und trotz eines Beschlusses über den Rückbau seiner Studienplätze aufgrund der finanziellen Situation der Stadt an diesem Hochschulpakt beteiligen kann, dass wir Berlin also eine finanzielle Brücke bauen können, um diese Möglichkeit in dieser Stadt politisch durchzusetzen.
Die vierte Problemlage ist hier noch nicht genannt worden, auch diese hat uns beschäftigt. Dort haben jedoch die Länder im Laufe des Verfahrens ihre Interessen etwas zurückgestellt. Das sind die Länder, die in den vergangenen Jahren deutlich über ihren eigenen Bedarf hinaus
ausgebildet und dafür Geld investiert haben. Es sind die Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen gewesen, die hier vor allen Dingen ausgebaut haben.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zu den Finanzierungsregelungen sagen. Herr Wöller und Frau Raatz haben bereits den aktuellen Stand dargestellt. Wir werden also von den 565 Millionen Euro, die der Bund zur Verfügung stellt, mit 15 % für die östlichen Bundesländer und für Sachsen etwa mit 27 Millionen Euro bis zum Jahr 2010 zu rechnen haben und damit unsere Studienanfängerplätze mit 20 000 Plätzen sichern können. Ab 2009 muss neu verhandelt werden, sodass wir über die Jahre 2011 und darüber hinaus sprechen. Deshalb meine grundsätzliche Unterstützung – auch schon vor dem Antrag, der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt wurde: „Geld folgt Studenten“. Wir brauchen einen neuen Lastenausgleich für die Ausbildung an den Hochschulen zwischen den Ländern. Dies kann erst, um den Einwand der FDP aufzunehmen, im Rahmen einer Föderalismus-2Reform geklärt werden, da dies die Länder untereinander klären müssen. Dabei ist der Bund außen vor.
Ich kann Sie nur bitten, diesem Antrag insgesamt Ihre Zustimmung zu geben. Das würde die Verhandlungsposition von Sachsen in diesem Hochschulpakt mit Sicherheit in diesem Punkt stärken.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich sind wir zufrieden angesichts dieser Debatte, Kollegin Raatz. Ich kann auch mit Zufriedenheit feststellen, dass in den einzelnen Redebeiträgen eine Vielzahl von Informationen und Argumenten gekommen ist, die ich in der Kürze der Redezeit weglassen musste. Wir haben uns heute bei diesem Tagesordnungspunkt bemerkenswert ergänzt.
Meine Fraktion und ich sind sehr zufrieden, dass das absolute Kooperationsverbot nicht existiert, auch wenn es ein schwieriges Einigungsprinzip nach der Föderalismusreform gibt. Das war ja einer unserer Kernkritikpunkte an
der Föderalismusreform. Damit ist der nächste Weg zur Kooperation von Bund und Ländern geebnet. Dass der Bund in dieser Situation erhebliche Finanzen für den Hochschulpakt zur Verfügung stellt, ist absolut positiv. Andererseits sind die Länder damit natürlich unter Zugzwang gesetzt.
Im Rahmen der Föderalismusreform gab es relativ vollmundige Erklärungen, dass die Länder sehr wohl in der Lage sind, im Bereich der Bildung eine gesamtstaatliche Verantwortung wahrzunehmen. Wenn jetzt der erste Lackmustest negativ ausfallen würde, wäre das natürlich eine Blamage ohnegleichen. Ich weiß, wie schwierig diese Verhandlungen sind. Die verschiedenen Interessenlagen sind geschildert worden.
Ich denke aber, dass es wichtig ist, im Interesse einer gesamtbundesstaatlichen Sicht zu einer Einigung zu kommen. Die verschiedenen Länderinteressen müssen es schaffen, in dem Prozess schrittweise aufeinander zuzugehen und einen Weg zu finden, der zu einer zukunftssicheren Hochschulfinanzierung führt; denn wir können nicht auf Dauer darauf vertrauen, dass der Bund über solche Finanzierungsmechanismen Studienplätze in den Ländern finanzieren wird.
Ich freue mich also sehr über diese ganz breite Zustimmung, die dieser Antrag hier findet. Ich bitte auch die FDP-Fraktion, noch einmal nachzudenken. Ich reiche Ihnen gern die Bundestagsdrucksache rüber. Wenn wir diesen Antrag mit einer sehr breiten Zustimmung beschließen, dann ist das natürlich eine Unterstützung für die Verhandlungspositionen von Sachsen in diesem schwierigen länderübergreifenden Prozess. Ich bitte Sie um Zustimmung.