Protocol of the Session on November 15, 2006

Ich bitte, dass die Wahlkommission im Saal verbleibt, weil wir unmittelbar anschließend die Wahlen der Tagesordnungspunkte 2 und 3 durchführen. Die Abgeordneten bitte ich, die Plätze wieder einzunehmen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 2

Wahl eines Schriftführers (gemäß Artikel 47 Abs. 1 SächsVerf.; § 2 Abs. 2, 4 GO bzw. § 3 Abs. 9 GO)

Drucksache 4/6846, Wahlvorschlag der Fraktion der CDU

Nach Vorschlägen der Fraktionen entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen wählt der Landtag die Schriftführer. Für den bisherigen Schriftführer Prof. Dr. Günther Schneider, MdL, ist eine Nachwahl erforderlich. Hierzu liegt Ihnen ein Wahlvorschlag der CDU-Fraktion vor.

Dazu ist keine Debatte vorgesehen, und wir kommen damit zur Wahl.

Gemäß § 3 Abs. 9 Satz 3 der Geschäftsordnung kann über den Wahlvorschlag durch Handzeichen abgestimmt werden, sofern kein Mitglied des Landtags widerspricht. Ich frage daher, ob jemand widerspricht, dass durch Handzeichen abgestimmt wird. – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung über den Wahlvorschlag, Herrn Christian Piwarz als Schriftführer zu wählen. Wer dem Wahlvorschlag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das ist einstimmig.

Herr Piwarz, ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen?

Das ist der Fall. Herzlichen Glückwunsch. – Damit ist der Tagesordnungspunkt 2 beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 3

Wahl eines Mitglieds und zweier stellvertretender Mitglieder im Landesjugendhilfeausschuss (gemäß § 12 Abs. 2 und 7 des Landesjugendhilfegesetzes)

Drucksache 4/6847, Wahlvorschlag der Fraktion der SPD

Drucksache 4/6944, Wahlvorschlag der Fraktion der CDU

Gemäß § 12 Abs. 2 und 7 des Landesjugendhilfegesetzes hat der Sächsische Landtag bei Ausscheiden eines Mitglieds im Landesjugendhilfeausschuss für den Rest der Wahlzeit ein Ersatzmitglied zu wählen. Hierzu liegen Ihnen der Wahlvorschlag der SPD-Fraktion in der Druck

sache 4/6847 und der Wahlvorschlag der CDU-Fraktion in der Drucksache 4/6944 vor.

Auch hier ist keine Debatte vorgesehen, und wir kommen zur Wahl. Ich frage Sie, ob statt der geheimen Abstimmung durch Handzeichen abgestimmt werden kann. – Ich sehe allgemeine Zustimmung.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Nein, nein!)

Ich habe die Frage etwas anders gestellt.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Ich hatte mich auch artikuliert!)

Also, Sie wollen eine geheime Wahl?

(Dr. Johannes Müller, NPD: So hatten wir uns eigentlich schon einmal verständigt!)

Ja, gut. Aber das Plenum ist autark. Es kann festlegen, ob es darüber hinweggeht.

Also, ich frage noch einmal: Wird eine geheime Abstimmung gewünscht? – Das ist der Fall. Dann kommen wir jetzt zur geheimen Abstimmung.

Ich berufe wieder eine Wahlkommission. Es ist die gleiche wie beim Tagesordnungspunkt 1. Ich bitte, dass Frau Roth wieder den Namensaufruf vornimmt.

Meine Damen und Herren! Wir wählen jetzt ein Mitglied und zwei Stellvertreter für den Landesjugendhilfeausschuss. Wie immer

werden die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend der angegebenen Drucksache die Kandidaten für den Landesjugendhilfeausschuss aufgeführt sind. Sie können sich zu dem Kandidaten in dem entsprechenden Feld mit Ja, Nein oder Stimmenthaltung entscheiden. Erhält der Kandidat mehr Ja- als Neinstimmen, ist er gewählt. – Wir beginnen mit der Wahl.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Ich frage wieder, ob sich jemand im Saal befindet, den ich noch nicht aufgerufen habe. – Das ist nicht der Fall. Damit schließen wir die Wahl ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten vereinbart, dass wir das Ergebnis der Auszählung nicht abwarten, sondern in der Tagesordnung fortfahren.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 4

Erklärung des Sächsischen Staatsministers der Justiz

„Zum Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Dresden am 8. November 2006“

Ich übergebe das Wort an Herrn Staatsminister Mackenroth. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Vorfälle, über die ich Ihnen heute berichten möchte, haben sich nach meinem derzeitigen Kenntnisstand folgendermaßen zugetragen:

Der Untersuchungsgefangene M. wurde am 16.02.2006 in die JVA Dresden eingeliefert und dort im Haftbereich A I/100 untergebracht, der auch für gefährliche und auffällige Gefangene vorgesehen ist. Der Haftrichter hatte bereits mit dem Aufnahmeersuchen angeordnet, dass M. nicht in Gemeinschaft untergebracht wird oder arbeiten darf; auch die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen wurde ausgeschlossen. Der Leiter der JVA Dresden sah damals auch im Hinblick auf eine seit dem 23. Februar 2006 aus Bautzen vorliegende Gefangenenpersonalakte von M. keine Veranlassung, über die vom Haftrichter angeordneten Sicherungsmaßnahmen hinaus weitere Maßnahmen anzuregen oder gar vorläufig anzuordnen.

Am 8. November 2006 nahm Mario M. ab 07:00 Uhr am Hofgang teil. Es waren zwei weitere Gefangene im Hof, zwei Bedienstete hatten die Absicherung übernommen. Der Hof ist 53,10 m lang und 36,5 m breit. Die Bediensteten platzierten sich, um alle Ecken des Hofes bei Bedarf gleich schnell erreichen zu können, in dessen Mitte zwischen M. und den beiden Mitgefangenen. Etwa 07:25 Uhr kletterte M. unvermittelt an einem Gitter auf

das Flachdach eines 3,18 m hohen einstöckigen Gebäudes und hangelte sich von dort wiederum an Gittern etwa weitere 9 Meter hoch auf das Flachdach des Hafthauses A.

Den beiden Bediensteten gelang es nicht, das Hochklettern von M. zu verhindern. Einer lief hinter Mario M. her, verfolgte ihn bis auf das Dach des einstöckigen Gebäudes. Als dieser Bedienstete dort ankam, sah er, dass M. bereits über die Vergitterung eines Treppenhauses die Hausfassade erklommen hatte, und brach die Verfolgung ab. Die beiden Mitgefangenen, die wir befragt haben, bestätigen diesen Geschehensablauf.

Das Ersteigen des Daches durch M. dauerte nach Schätzung der beiden Beamten zwischen 20 und 30 Sekunden. Ein Fehlverhalten der beiden Bediensteten kann ich danach nicht erkennen, das wäre mir auch ein wenig zu billig.

Nun heißt es, M. sei so gefährlich gewesen, und zwar erkennbar gefährlich, dass er Hofgang gar nicht oder allenfalls gefesselt hätte erhalten dürfen. Dies hätten frühere Vorfälle in der JVA Bautzen und auch sein „Auftritt“ vor Gericht am Montag gezeigt. Mario M. hat in der Tat bereits früher, unter anderem beim Hofgang, gegen die Anstaltsordnung der JVA Bautzen verstoßen, so im März und im April 2000. Diese und weitere Details werde ich am nächsten Montag dem Rechtsausschuss näher erläutern. Jedenfalls lagen auch danach die rechtlichen Voraussetzungen für eine Fesselung des Untersuchungsgefangenen beim Hofgang nicht vor.

M. hat sich nach den Vorfällen in Bautzen im Jahr 2000 mehr oder weniger beanstandungsfrei geführt, sodass schon die JVA Bautzen die nach den Vorfällen eingeleiteten Maßnahmen Anfang März 2001 wieder aufgehoben hat. M. hat dann bis Mai 2002 über ein weiteres Jahr unauffällig im Vollzug und auch seit Februar 2006, rund neun Monate, in der JVA Dresden eingesessen.

Sein „Auftritt“ vor Gericht am ersten Verhandlungstag hat weder dem Richter zu einer Fesselungsanordnung Veranlassung gegeben, noch hat die JVA Entsprechendes angeregt, nachdem ein Anstaltspsychologe Mario M. am 7. November 2006 in der JVA aufgesucht, eine Suizidgefahr verneint und seinen psychischen Zustand als kritisch eingeschätzt hat.

Der Psychologe empfahl das Führen eines Beobachtungsbogens und stündliche Sichtkontrollen. Diese Maßnahmen wurden am 7. November vom Anstaltsleiter vorläufig angeordnet. Er durfte davon ausgehen, dass weitere Maßnahmen nicht erforderlich werden. Mario M. hat versucht und wird weiter versuchen – siehe Vorfall vom letzten Sonntag –, Verfahren und Vollzug zu stören. Er wird sich auffällig verhalten und versuchen, seine Fantasien von Macht auszuleben. Aber all dies wird ihm nichts nützen.

In den Medien wurde der Sachverhalt als Fluchtversuch dargestellt. Dies ist falsch. Ein Fluchtversuch setzt voraus, dass der Täter die Außenmauern zu erreichen versucht. Mario M. hat sich in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Es bestand zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, er könne ausbrechen. Die sächsischen Justizvollzugsanstalten sind und bleiben ausbruchsicher. Aus welchen Motiven heraus M. gehandelt hat, ist nicht klar, und ich möchte darüber hier nicht spekulieren. Allerdings belegt das Geschehen in dem fraglichen Hof der JVA Dresden eine bauliche Schwachstelle, die das Klettern ermöglicht. Dem SMJus liegen derzeit keine konkreten Hinweise darauf vor, dass schon vor dem 08.11.2006 ein Gefangener an dieser Stelle hochgeklettert wäre oder dies versucht hätte. Wir haben derzeit auch keine Hinweise darauf, dass es Planungsfehler gab. Dennoch haben wir bereits gemeinsam mit den Architekten die Auswertung dieses Vorfalles auch in dieser Richtung in Angriff genommen.

Einige nutzen den Vorfall, um auf angebliche Personalknappheit im sächsischen Vollzug aufmerksam zu machen. Dazu zwei Fakten, die dies widerlegen: Mario M. und seine beiden Mithäftlinge wurden beim Hofgang von zwei Beamten bewacht. Normal ist jedoch in Dresden ein Verhältnis von 20 bis 25 Gefangenen zu zwei Beamten. Es war also ausreichend Personal auf dem Hof eingesetzt. Im sächsischen Strafvollzug arbeiten derzeit noch 47 Mitarbeiter für 100 Gefangene. In Baden-Württemberg sind es 42 und in Bayern nur 39 Mitarbeiter.

An einem Umstand allerdings gibt es nichts zu beschönigen: Wenn sich ein Gefangener auf dem Dach der Justizvollzugsanstalt befindet, so ist dieses Ergebnis eine Panne für den Justizvollzug, auch wenn, wie gesagt, zu keinem Zeitpunkt Fluchtgefahr oder eine Gefahr für das Opfer