Protocol of the Session on September 14, 2006

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Weder der Freistaat noch das Regierungspräsidium noch Milbradt & Co., wie zu hören war, bauen die Brücke.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Aber sie mischen sich ein!)

Die Brücke baut die Landeshauptstadt, Herr Dr. Hahn.

Die Bürgerschaft der Stadt Dresden hat sich in einem basisdemokratischen Verfahren am 27. Februar 2005 mit überwältigender Mehrheit für den Bau dieser Brücke entschieden. Diese Entscheidung der Dresdner Bürger bindet die Organe der Stadt. Herr Lichdi, dieser Bürgerentscheid ist nicht irgendwann mal umzusetzen – vielleicht drei Tage, bevor die Dreijahresfrist vorüber ist –; dieser Bürgerentscheid ist unverzüglich durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Innenminister, gestatten Sie, dass Herr Lichdi eine Frage an Sie richtet?

Herr Lichdi, da ich Ihre Aufgeregtheit schon mehrfach erleben durfte, würde ich Sie bitten: Hören Sie meinen Beitrag erst einmal zu Ende an – vor dem letzten Satz würde ich Sie dann fragen, ob Sie noch einmal reden möchten oder nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn der Stadtrat der Stadt Dresden keinen weiteren Bürgerentscheid will, so kann ein weiterer Bürgerentscheid auch nicht durch die Staatsregierung oder sonst jemanden angeordnet werden. Diejenigen, die ein Eingreifen der Regierung verlangen, vergessen, welche verfassungsrechtliche Garantie die kommunale Selbstverwaltung letztendlich hat.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Eben!)

Die Zeiten des Zentralismus, in denen solche Eingriffe von oben denkbar gewesen wären, sind in diesem Land glücklicherweise vorbei.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Herr Bartl, auch ich musste Ihren Beitrag in Ruhe bis zu Ende hören. Ich würde Sie um Gleiches bitten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn das Verhalten der Staatsregierung jetzt kritisiert wird, wenn behauptet wird, die Staatsregierung übe unzulässigen Druck auf das Regierungspräsidium aus, so muss ich dem mit aller Deutlichkeit entgegentreten. Die Staatsregierung nimmt allein ihre Pflicht wahr, das Recht auf kommunale Selbstverwaltung zu wahren und zu schützen. Dazu hat die Regierung einen klaren Verfassungsauftrag. Allein diesen Verfassungsauftrag nehmen wir wahr, nicht mehr und nicht weniger.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Unglaublich!)

Zum Recht der kommunalen Selbstverwaltung gehören auch die Formen der unmittelbaren Demokratie, wie das Bürgerbegehren und der Bürgerentscheid. Diese Elemente kommunaler Basisdemokratie genießen den besonderen Schutz. Dieser Schutz der Basisdemokratie – das zeigt das Verhalten des Stadtrats Dresden ganz deutlich – ist vor allem dann notwendig, wenn einige Stadträte glauben, den Bürgerwillen ignorieren zu können. Ich stehe voll und ganz hinter dem, was Herr Regierungspräsident Hasenpflug veranlasst hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Sie stecken in Wirklichkeit dahinter!)

Das Regierungspräsidium, das sich jetzt schützend vor den Bürgerentscheid stellt, hat eine schwere Aufgabe und betritt gewissermaßen kommunalverfassungsrechtlich gesehen Neuland. Es gibt keine Präzedenzfälle. Es ist aber auch bislang ein einmaliger Vorgang, dass die Rechtsaufsichtsbehörde eine basisdemokratische Entscheidung gegen die Stadtratsmehrheit durchsetzen muss.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall bei der FDP)

Bislang galt der Konsens der Demokraten, dass im Vorfeld so mancher Parlamentsentscheidung, aber auch im Vorfeld von Bürger- und Volksentscheiden hart, mitunter sehr hart gestritten wurde. Im Ergebnis wurde die Entscheidung jedoch akzeptiert.

(Beifall des Abg. Lars Rohwer, CDU)

Dass dieser Konsens jetzt aufgekündigt wurde, sehe ich mit Bedauern. Ich finde, hier werden die Spielregeln der Demokratie verlassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich verkenne nicht, dass mit der aufgeflammten Diskussion über den Verlust des Weltkulturerbestatus die Angelegenheit zusätzliche Brisanz erhalten hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Neuer Sachstand! – Widerspruch der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich sehe den Konflikt zwischen BürgerInnen und der Auffassung der UNESCO, jedoch hat sich die Auffassung der UNESCO nachträglich herausgebildet. Bereits im Antrag auf den Weltkulturerbetitel – ich habe das schon

mehrfach erläutert – ist auf die Waldschlößchenbrücke hingewiesen worden.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Der Antrag war falsch ausgefüllt! – Gelächter bei der CDU)

Entschuldigen Sie, bitte. Herr Dr. Hahn, es ist jetzt wohl die größte Lächerlichkeit zu behaupten, der Antrag war falsch, nur weil das, was darin steht, Ihnen nicht gefällt. Deswegen kann man nicht sagen, dass der Antrag falsch ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Die UNESCO sollte und wurde gerade nicht vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Standort, und zwar der richtige, Herr Dr. Hahn, wurde begutachtet. Der Welterbetitel wurde in China also im Bewusstsein um die Brücke verliehen. Ich möchte daran erinnern, dass es ein Begleitschreiben des Ministers für Wissenschaft und Kunst gab, in dem auf mehrere Vorhaben der Stadt Dresden im Zusammenhang mit dem sich weiter entwickelnden Kulturerbe hingewiesen wurde. Es war nicht nur von einer Brücke die Rede, es war von Brücken die Rede. Das war das Begleitschreiben zum Antrag. Auch das Aussehen der Brücke war nicht unbekannt. Zu diesem Zeitpunkt war der internationale Wettbewerb längst abgeschlossen.

Jetzt kommt der Punkt, an dem ich fragen muss, wer sich korrigieren muss. Erst eine neue Begutachtung desselben Standorts nach der Durchführung des Bürgerentscheids ohne jede Änderung in der Sache führte zu einer anderen Entscheidung der UNESCO in Vilnius. Ich darf daran erinnern, dass bei dieser erneuten Begutachtung der Freistaat Sachsen von keinem Geringeren als Prof. Glaser, dem damaligen Sächsischen Landeskonservator, vertreten wurde. Er bestätigt, dass der richtige Standort mehrfach gezeigt wurde, dass kein Verheimlichen dessen, was geplant wurde, stattgefunden hat und dass lediglich ICOMOS offensichtlich einen Übersetzungsfehler begangen hat und die UNESCO mit dieser Falschinformation versehen wurde.

Wer ist jetzt für die Korrektur der Falschinformation zuständig? Doch bitte schön nicht die Staatsregierung, auch nicht in meinen Augen die Stadt Dresden, sondern hier muss ICOMOS selbst sagen, dass ihnen ein Fehler unterlaufen ist: Sorry, es wurde eine falsche Information weitergegeben. Dadurch kam es zu einer anderen Entscheidung. Dass dieser Entscheidung, das Elbtal auf die Rote Liste zu setzen, zugrunde liegende Gutachten der RTW Aachen kommt zu dem Ergebnis: gar keine Brücke am Waldschlößchen, egal in welcher Form! Deshalb sehe ich auch keine Möglichkeit für einen Kompromiss. Wie soll, wenn klar gesagt wird, keine Brücke am Waldschlößchen, eine Diskussion über Kompromisse stattfinden?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Man kann darauf verzichten!)

Es ist in dem ganzen Verfahren zu bedauern, dass in der Tat die UNESCO offenbar nicht in der Lage ist, das

Vorgehen zur Verleihung des Welterbetitels nachvollziehbar zu dokumentieren. Zwischen beiden Entscheidungen hat sich in der Sache nichts, aber auch gar nichts verändert. Worin sollte also der Kompromiss liegen? Der Partner, der seitens der UNESCO zu wichtigen Gesprächen auf Einladung des Bürgermeisters in Dresden erschienen ist, in denen es gerade um die Auslotung von Kompromissen gehen sollte, behauptete von sich selbst, kein Verhandlungs- oder Abschlussmandat für die UNESCO zu haben. Wie soll damit ein belastbarer Kompromiss gefunden werden? Und auch die Vertreterin der UNESCO-Kommission, die im Stadtrat die Entscheidung erläuterte, hat deutlich gemacht, dass es nicht um ein Sowohl-als-auch, sondern um ein Entweder-oder geht.

An dieser Stelle darf ich noch einmal deutlich machen, dass es keine Vertreterin der UNESCO war, sondern eine Vertreterin der Deutschen UNESCO-Kommission. Ich denke, das sollte man deutlich auseinanderhalten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das alles spricht wohl eher dafür, dass eine einvernehmliche Lösung, die sowohl eine Umsetzung des Bürgerwillens innerhalb der Bindefrist des Bürgerentscheids als auch die Interessen der UNESCO sicherzustellen in der Lage wäre, unmöglich ist. Im Ergebnis kann deshalb nicht auf die Durchsetzung des dokumentierten Bürgerwillens verzichtet werden. Insoweit halte ich die Position von CDU- und FDP-Fraktion im Stadtrat Dresden für korrekt, keinen weiteren Bürgerentscheid zu beschließen. Es kann wirklich nicht so sein, dass so lange abgestimmt wird, bis das entsprechende Ergebnis erzielt wurde.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS: Wer sagt denn so etwas?)

Wenn jetzt gefordert wird, wir sollen die CDU-Stadträte anweisen, den Weg für einen neuen Bürgerentscheid frei zu machen, so kann ich einer solchen Forderung nur eine klare Absage erteilen. Auch in der Kommune gilt das freie Mandat. Allerdings sehe ich auch bei denjenigen, die jetzt vehement für das Kulturerbe eintreten, keine Ansätze für einen Kompromiss. Ihnen geht es um die Verhinderung des Brückenbaus um jeden Preis.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS)

Insoweit besteht aus meiner Sicht das Bestreben der Brückengegner vor allem darin, den Konflikt um das Welterbe allein dazu zu instrumentalisieren, den Bau der Brücke zu verzögern, nach Möglichkeit ganz zu verhindern.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist eine Unverschämtheit, Herr Buttolo!)

Es ist sicherlich keine Unverschämtheit. Sie können mir doch nicht widersprechen, Frau Hermenau, dass mit dieser Aktion tatsächlich der Baubeginn der Brücke verhindert werden soll. Etwas anderes ist es doch nicht!

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Weil wir das Elbtal erhalten wollen, Menschenskind!)

Entschuldigen Sie, ich hatte Ihnen gerade erläutert, dass es nicht an der Stadt Dresden und auch nicht an uns liegt, dass es zu dieser Fehleinschätzung bei der UNESCO gekommen ist. Es ist sicher, dass die UNESCO die Planungen zum Brückenbau bei ihrer Entscheidung zum Welterbetitel genau kannte. Umso unverständlicher ist es, dass dieses Bauvorhaben plötzlich mit einer sich entwickelnden Flusslandschaft unvereinbar sein soll. Der Welterbestatus kann nicht dazu führen, dass in Zukunft über alle relevanten Bauvorhaben im Dresdner Elbtal durch die UNESCO entschieden wird. Das sollte allen Beteiligten klar sein.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)