Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hermenau, Sie haben bei Ihrem ersten Redebeitrag im Grunde genommen nur auf das Welterbe abgestellt.
Das ist völlig richtig. Das Problem ist allerdings: Nach dem, was wir hier bisher schon miteinander erlebt haben – und das wird noch weitergehen –, sage ich einmal, was ich vermute: Es geht doch um die Brücke, und zwar nur um die Brücke.
Ich sage das deshalb, weil ich darauf zurückkommen will. Bei der Aufgeregtheit und dieser Verbissenheit, die jetzt stattfindet und morgen in Dresden ihren Höhepunkt finden wird – da bin ich ziemlich sicher –, muss ich doch sagen, dass wir hier im Grunde genommen nichts zu entscheiden haben. Wir haben zwei Anträge, die mehr oder weniger begehren, dass zum einen die Regierung ein wenig moderierend eingreifen soll und zum anderen meine Fraktion zusätzliche Aufklärung unter den neuen Bedingungen fordert. Es ist sozusagen nicht die Entscheidung in der Sache. Es ist nicht das, worum es uns geht.
Ich will versuchen, aus meiner Sicht die Grundpositionen zu sortieren. Es gibt Menschen, die wollen diese Brücke, an diesem Standort, mit allen absehbaren und nicht
Es gibt Menschen, die bekämpfen diese Brücke, und jede andere, mit allen Mitteln und um jeden Preis. Punkt.
Es gibt Menschen, die wollen diese Brücke, an diesem Standort, mit den dort zu erwartenden Folgen um keinen Preis.
Möglicherweise kann man noch weitere Standpunkte ausmachen, aber das ist für mich nicht so wichtig, weil ich alle Standpunkte für legitim halte. Ich weiß, dass es für alle Standpunkte Begründungen gibt. Ich will nur eines sagen: Diese Brücke funktioniert richtig gut in einem bestimmten verkehrspolitischen Denken.
Wenn man zentralisieren will, wenn man beschleunigen will, wenn man bündeln will, dann muss man so eine Brücke bauen und keine andere. Das ist völlig korrekt. Damit habe ich kein Problem. Ich halte nur eine solche Verkehrsphilosophie für falsch.
Deshalb muss ich konsequenterweise diese Brücke an diesem Standort ablehnen, weil sie das leisten würde. Da ich diese Leistung befürchte und sie verhindern will, muss ich gegen diese Brücke sein. Ich halte auch das für korrekt. Wir reden also eigentlich über Verkehrspolitik.
Jetzt komme ich zum nächsten Punkt. Auch das ist schon lange bekannt; ich bin nicht der Erste, der darüber nachdenkt: Seit 120 Jahren wird darüber nachgedacht und in Intervallen immer wieder das Thema aufgeworfen. Manche sagen dann: Ja, unsere klugen Vorväter haben sozusagen in ihrer Weisheit geahnt, was wir 120 Jahre später für ein Problem des massenmobilisierten Verkehrs haben. Sie haben deshalb diesen Standort freigehalten.
Ich sage: Sie konnten nicht ahnen, dass es diesen Massenmobilismus geben wird. Von daher ist diese Argumentation einfach schief. Aber sie wird gemacht. Sie kommt gut an. Sie lässt sich prima vermitteln.
Was ich sagen will: In diesen 120 Jahren ist unter fünf verschiedenen politischen Systemen wiederholt Anlauf genommen worden. Es hat nie geklappt. Sie ist nicht gebaut worden. Wenn ich schon von Respekt rede, dann sage ich: Respekt vor diesen 120 Jahren führt mich dazu, da steckt Weisheit drin, von der wir sehr viel lernen können.
Das Argument mit diesem Bürgerentscheid. Selbstverständlich, natürlich, bin auch ich für Bürgerentscheid. Ich habe das oft genug gemacht, welche gefordert und welche bekämpft. Das haben wir in Dresden sehr oft. Ich muss das für die Nicht-Dresdner sagen. Wir haben darin große Praxis. Mal verliert man, mal gewinnt man. Das ist auch kein Problem, das gehört zum Leben.
Mein Problem mit diesem Bürgerentscheid ist: Der Bürgerentscheid wurde über viele Jahre vorbereitet. Er wurde – ich sage es einmal in meiner alten Sprache – „ideologisch“ vorbereitet. Den Leuten wurde ganz lange und ganz systematisch und von richtig wichtigen Persönlichkeiten dieses Freistaates immer wieder gesagt: „Die oder keine!“ Dresden kann Brücken bauen, so viel es will. Ich zitiere jetzt fast wörtlich den Ex-Minister Schommer: Ihr könnt bauen, was ihr wollt, aber bezahlen müsst ihr selbst. Dagegen, wenn ihr die baut, die bezahlen wir euch.
Das ist wirklich über viele Jahre in Dresden kolportiert worden. Da sage ich einmal, wenn man dann zum Schluss erklärt, wir machen jetzt einen Bürgerentscheid – – Und ich betone: Den Bürgerentscheid hat ja nicht die Politik eingeleitet, nicht der Stadtrat hat beschlossen, wir wollen einen Bürgerentscheid, sondern ein Stadtrat, der für sich die Chance gesehen hat, seinen Landtagswahlkampf damit voranzubringen.
Er hat ja auch Erfolg gehabt. Er sitzt mittlerweile im Bundestag. Der hat gesagt, wir müssen den Bürgerentscheid machen, und zwar mit Bürgerinitiative. Das hat stattgefunden. Das alles stand unter der Prämisse: für diese Brücke, weil es eine andere nicht geben wird.
Da sage ich einmal: Wie viel Freiwilligkeit, wie viel Selbstbestimmung und wie viel Intelligenz verbleiben, wenn die Dresdner Bevölkerung dann erklärt: Wir haben es nach 15 Jahren satt, sollen die endlich die Brücke bauen, und wenn es die falsche ist?! Das ist noch besser als gar keine.
In dieser Situation hat der Bürgerentscheid stattgefunden. Er ging erwartungsgemäß aus. Es wird sich gelegentlich auf Prof. Donsbach berufen, der immer so schlaue Umfragen macht. Prof. Donsbach hat vor längerer Zeit schon einmal eine Umfrage gemacht, die sagte: die Brücke oder keine. Das ging erwartungsgemäß mit zwei Dritteln für die Brücke aus.
Zum gleichen Zeitpunkt fand in Dresden eine zweite Befragung statt von Frau Dr. Ganz. Die fragte damals: Wollen Sie lieber diese oder eine Alternative? Die ging ganz klar mit zwei Dritteln zugunsten der Alternative aus. Da das nicht passte, wurde es einfach nicht gemacht. Die Alternative hieß damals Mehrbrückenkonzept. Das steht heute nicht zur Debatte. Wenn Sie es wollen, kann ich es Ihnen gern einmal erklären. Aber das ist heute nicht das
Thema. Wir reden heute nicht über die Brücke, auch nicht über das Mehrbrückenkonzept, sondern über das Welterbe. Ist das richtig?
Wir haben scheinbar ein neues Thema auf dem Tisch. Ich sage Ihnen, wir haben diese Debatte, die nicht ausgestanden wurde, einfach auf eine neue Ebene transformiert, umbenannt. Es wird mit nahezu den gleichen Kohorten, mit den gleichen politischen Kräften, in fast der gleichen Konstellation die gleiche Debatte geführt anhand des anderen Themas. Das ist die neue Qualität.
Doch jetzt hat diese UNESCO-Entscheidung tatsächlich etwas gebracht. Ich nenne nur ein Beispiel, was für mich wirklich beeindruckend war. Der Herr Güttler, von dem ich nicht gerade ein großer Fan bin und der sicher nicht im Verdacht steht, irgendwie PDS-nah oder GRÜNE-nah zu sein, hat sich für die Brücke stark gemacht. Er sagt jetzt: Unter den neuen Bedingungen würde ich mir das gern noch einmal überlegen können.
Doch ich hätte gern gehabt, dass dieser Streit anhand des Themas Brücke geführt wird, und zwar verkehrspolitisch, und anhand der Zahlen und Fakten. Ich sage Ihnen auch eines; ich war ja die ganze Zeit dabei: Ich habe in diesem merkwürdigen Gremium gesessen, das als Brücken-WorkShop bezeichnet wurde. Ich habe miterlebt, wie dort gelogen wurde. Von Anfang an wurde zu jedem Gutachten ein Gegengutachten produziert. Ich bin heute nicht mehr in der Lage, wenn ich ein Gutachten sehe, zu sagen: Hm, das klingt ganz gut, aber jetzt warte ich erst einmal eine Woche, bis das Gegengutachten da ist. Und es kommt, es kommt immer.
Da macht die eine Seite die Visualisierung, ja, in Aachen. Das habe ich mir angesehen und war auch beeindruckt. Schwuppdiwupp weisen sechs Professoren der TU, auch prominente Leute, nicht irgendwer, nach, was da für Fehler drin sind. Für mich ist spannend, dass ich mitbekommen habe: Es gibt keine Arbeit, die sich damit beschäftigt, in der keine Fehler sind.
Da bin ich zum Schluss auf meine eigene Intelligenz zurückgeworfen, auf meine Vorbildung, auf meine Vorlieben selbstverständlich auch. Damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt: Ich will diese Verkehrspolitik nicht, deshalb muss ich konsequent sein. Das wird sich morgen wahrscheinlich auch auswirken.
Die finanziellen Fragen, die ästhetischen Fragen, ich denke, die können wir alle stecken lassen. Ich habe heute mit Vergnügen wieder die ganzen Argumente und Gegenargumente gehört, sozusagen die punktuellen Verlogenheiten, mit denen man aufdeckt, was jemand anders dort gemacht hat. Ich sage Ihnen: Lassen Sie es bleiben, das machen alle wechselseitig. Das überzeugt mich nicht mehr und ich glaube, es überzeugt auch die Bevölkerung nicht.
Die eigentliche Lage ist aber die: Wir haben eine neue Situation. Das spüren alle, sonst wäre heute die Aufregung nicht so groß.
Aus dieser Situation kommen wir nur mit einem Weg heraus: Wir müssen die Bürger noch einmal befragen, aus Respekt vor den Bürgern.
Wir müssen ihnen sagen: Sie wissen jetzt wahrscheinlich mehr. Wenn Sie wieder so entscheiden, dann ist es das.
Was mir noch ganz wichtig ist, um den Bogen zu schließen: Wenn diese Brücke denn gebaut wird, abgesehen davon, ob sie schön oder hässlich ist, dass sie viel Geld kostet, wissen wir alle. Das hat Gründe. Darüber will ich jetzt auch nicht reden. Aber ich sage eines: Diese Brücke zieht Verkehr, bündelt Verkehr anders, als er jetzt gebündelt ist. Es werden sich die Hauptverkehrsströme in Dresden ändern. Das hat Folgen. Das heißt, die Stadtentwicklung wird in der Folge davon anders verlaufen, als sie jetzt verläuft. Da bin ich bei dem Punkt: Das ist der Eingriff in die gewachsene historische Substanz, in die Stadtstruktur von Dresden. Das ist das, wo ich verstehe, was gemeint ist, beim Welterbe, nicht diese ewig dehnbaren und immer wieder neu interpretierbaren Zahlen. An die glaube ich nicht mehr.