Protocol of the Session on May 11, 2006

Herr Präsident! Um den zu erwartenden Unterstellungen der PDS vorzubeugen, möchte ich noch einmal festhalten, dass mit diesem Abstimmungsergebnis heute die geforderte Zweidrittelmehrheit auch ohne die Stimmen der NPD möglich war. Ich möchte dies ganz deutlich zu Protokoll geben,

(Unruhe im Saal)

Ich erwarte einfach die Achtung, dies hier vortragen zu können. – Sie wissen um die Fragwürdigkeit dessen, wenn ein Parlament jemanden, der vom Volk gewählt worden ist, mit politischer Mehrheit einfach hinausschmeißen und das Ganze an das Verfassungsgericht schicken will. Deshalb war es für mich nicht möglich, dem zuzustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Widerspruch bei der CDU)

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: 6 Stimmen! – Allgemeine Unruhe)

damit eventuellen Legenden vorgebeugt werden kann.

Meine Damen und Herren! Kommt noch jemand aus dem Hintergrund? – Herr Nolle; bitte schön, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren von der CDU! Wenn Sie sich so schämen könnten, wie Sie grölen können, wäre das gut.

(Empörung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich wollte zu Protokoll geben, dass ich mit der Entscheidung und der Interpretation, dass die Enthaltungsstimmen nicht gezählt werden, nicht einverstanden bin und deshalb dagegen Widerspruch einlegen werde.

Dies können Sie gern schriftlich tun, Sie werden aber wohl kein Glück damit haben.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen? – Erhebt sich Widerspruch dagegen, dass ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe? – Dies ist offensichtlich nicht der Fall.

Ein Blick auf die Uhr: Es ist 21:52 Uhr. Wir haben noch mehrere Tagesordnungspunkte, nämlich drei an der Zahl, vor uns.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse

Sammeldrucksache –

Drucksache 4/5122

Das Präsidium hat je Fraktion 10 Minuten Redezeit festgelegt. Möchten die Fraktionen von diesem Rederecht Gebrauch machen? – Ja, die Fraktion der GRÜNEN möchte davon Gebrauch machen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte im Rahmen dieser Sammeldrucksache einen Redebeitrag zum Thema „Energieforschung“ angemeldet, aber angesichts der Wichtigkeit der vorangegangenen Debatte und des späten Zeitpunktes möchte ich diesen Beitrag zu Protokoll geben.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. Die Redebeiträge geben Sie bitte hier ab; denn – ich sagte es Ihnen bereits einmal – es wird geschätzt, welche Zeit benötigt würde, wenn es vorgetragen worden wäre, und man kann auf diese Weise nicht zusätzliche Redezeit gewinnen. – Weiterer Aussprachebedarf? – Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Im Rahmen der Sammeldrucksache habe ich einen Redebeitrag zur Drucksache 4/3246 „Pro Fußballfans – für eine FanSozialarbeit“ angemeldet. Ich werde diesen Redebeitrag ebenfalls zu Protokoll geben.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Weitere Redebeiträge dieser oder ähnlicher Art zum Tagesordnungspunkt 10? – Dies scheint nicht der Fall zu sein. Erhebt sich Widerspruch dagegen, dass wir dann bereits zur Abstimmung schreiten? – Dies ist auch nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich stelle entsprechend der Geschäftsordnung, da keine Einzelabstimmung gefordert wurde, die Zustimmung des Plenums entsprechend dem Abstimmungsverhalten im jeweiligen Ausschuss fest, wenn auch dort anderes Abstimmungsverhalten angekündigt wird, es sei denn, es wird jetzt noch geschehen. Dann ist keine Abstimmung vorgesehen. Erhebt sich Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Erklärungen zu Protokoll

Nur Weniges wurde in den zurückliegenden Monaten in diesem Hause häufiger debattiert als das Thema Energie. Die Preissteigerungen der letzten Monate bei Strom und Heizenergie stehen in engem Zusammenhang mit der Zukunft der verschiedensten Energieträger und der Struktur unserer künftigen Energiewirtschaft. Allein die Preissteigerung beim Rohöl von 40 auf über 70 Dollar pro Barrel innerhalb des vergangenen Jahres zeigt den enormen Verände

rungsdruck auf den Energiemärkten an – und in anderen Bereichen gibt es ähnliche Preisentwicklungen.

Für uns Grüne war und ist diese Entwicklung weniger Fluch als vielmehr Chance. Wir haben frühzeitig auf die Strategie „Weg vom Öl“ und den damit verbundenen Ausbau von Strategien der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien gesetzt. Mit dem ErneuerbareEnergien-Gesetz haben wir beizeiten einen entscheidenden Schritt hin zum Umbau der Energiewirtschaft getan.

Finanzielle Rahmenbedingungen bei der Anwendung umweltfreundlicher Energietechnologien sind jedoch nicht alles. Im Gegensatz zu fossilen Energieträgern liegt eine der größten Chancen von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien in dem bei Weitem noch nicht ausgeschöpften technologischen Potenzial. Die wirkungsvolle Umsetzung der Strategie „Weg vom Öl“ muss deshalb untrennbar mit einer Intensivierung der Energieforschung verbunden werden.

Die ehemalige rot-grüne Bundesregierung hat mit der Auflage des 1,7 Milliarden Euro schweren 5. Energieforschungsprogramms und der Schwerpunktsetzung bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz diesen Zusammenhang erkannt. Vor dem Hintergrund der enormen Investitionssummen des 5. EFP in der Laufzeit von 2005 bis 2008 lässt sich neben den energie- und wissenschaftspolitischen Chancen für Sachsen auch ein erhebliches ökonomisches Potenzial für den Freistaat erkennen. Zutreffend ist hier das sächsische Energieprogramm des Jahres 2004 zu zitieren: „Energietechnologien sind Hochtechnologien, die hinsichtlich ihres wissenschaftlichen Anspruchs und ihres wirtschaftlichen Potenzials mindestens gleichwertig neben Informations-, Kommunikations- und Biotechnologie stehen.“

Doch wie sieht die Realität bei der Energieforschung in Sachsen aus, wenn man die Beteiligung sächsischer Einrichtungen am Energieforschungsprogramm als Indikator heranzieht? Diese Realität ist leider ernüchternd. Lassen Sie mich diese Feststellung an einigen Zahlen verdeutlichen:

Von 108 Millionen Euro bundesweitem Gesamtfördervolumen im Bereich erneuerbarer Energien verblieben gerade mal 2,2 Millionen Euro in Sachsen. Im Bereich rationelle Energieumwandlung flossen von über 113 Millionen Euro im Jahr 2005 lediglich 8,2 Millionen Euro nach Sachsen. Davon wurden wiederum 6,8 Millionen Euro für die Erforschung von Kraftwerkstechnik auf Basis von Kohle und Gas verwendet. In den Bereichen Energieeffizienz und energieoptimiertes Bauen herrscht dagegen Fehlanzeige.

Diese erste Bilanz zeigt, dass Sachsen im Bereich der Energieforschung wenig und in den wenigen Bereichen auch noch einseitig mit wenig zukunftsfähigen Technologien vertreten ist. Für uns stellt sich vor dem Hintergrund dieser ernüchternden Zahlen die Frage: Verschläft Sachsen das Zukunftsthema Energieforschung?

Für uns ist unzweifelhaft, dass die Energieforschung in Sachsen, insbesondere im Bereich der Zukunftstechnologien Energieeffizienz und erneuerbare Energien, ausgebaut werden muss. Wir halten es jedoch für sinnvoll, dass vor dieser unabdingbaren Neuausrichtung eine gründliche Bestandsaufnahme der Energieforschung in Sachsen erfolgt. Erst wenn Stand und Potenzial der Energieforschungslandschaft bekannt sind, kann eine zielgerichtete Strategie greifen.

Wir sehen uns insbesondere durch die im Wissenschaftsausschuss zum Ausdruck gekommene positive Haltung

von Staatsministerin Barbara Ludwig in diesem Ansatz bestätigt. Umso weniger können wir nachvollziehen, dass unser Anliegen mit der schwachen Begründung eines zeitlich ungünstigen Antragstermins auf die Ablehnung der Koalition stößt. Die derzeitige Überarbeitung des sächsischen Energieprogramms steht aus unserer Sicht in keinerlei Widerspruch zu einer in diesem Zusammenhang erfolgenden Evaluation. Im Gegenteil: „Eine nachhaltige Energieversorgung erfordert zwingend die Erweiterung der zur Verfügung stehenden wissenschaftlichtechnischen Basis. Dazu ist eine strategisch ausgerichtete Energieforschung unabdingbar.“

Im Sinne dieses nochmaligen Zitats aus dem Energieprogramm 2004 hoffen wir also, dass sich Staatsregierung und Regierungskoalitionen, ungeachtet ihrer derzeitigen Haltung zu unserem Antrag, zu einer zügigen und entschlossenen Evaluation und Neuausrichtung der Energieforschung in Sachsen entschließen.

13 Jahre schwebte die Steilvorlage durch die Luft, ehe sie heute Abend hoffentlich durch den Sächsischen Landtag zum Siegtreffer verwandelt wird. 13 Jahre nach dem In-Kraft-Treten des „Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit“ setzt damit der Freistaat die darin festgelegten organisatorischen und finanziellen Vorgaben für die präventive Sozialarbeit von Fan-Projekten endlich um. Das ist ein Sieg für die sächsischen Fußballfans und den Freistaat gleichermaßen. Das Dresdner Modellprojekt einer direkten Landesfinanzierung gemäß der Drittelkonstruktion des NKSS wird nun auf das ganze Land ausgeweitet. Dieser Sieg zu später Stunde hat erstens eine symbolische und zweitens eine ganz praktisch-präventive Wirkung.

Erstens. Mit großem Aufwand bereitet sich Deutschland und Sachsen auf die Fußball-WM vor. Die ganze Aufmerksamkeit gilt der Umsetzung des Slogans „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Aber irgendwann, wenn der Titel vergeben wurde und mit den letzten Kamerateams die öffentliche Aufmerksamkeit entfliegt, wird es heißen: „Die WM geht, aber wir Fans bleiben.“ Mit diesem Antrag zeigen wir den einheimischen Fußballfans, dass sie mit ihren Sorgen und Anliegen des Ligaalltags auch dann ernst genommen werden, wenn die ganze Fußballhysterie vorbei ist, wenn Theaterintendanten und Politiker endlich vergessen haben, dass sie vier zermürbende Wochen lang eingefleischte Fußballfans gewesen sein wollen.

In diesem Ligaalltag und in der Medienberichterstattung haben sächsische Fußballfans mit einem sehr schlechten Ruf zu kämpfen. Die undifferenzierte Verurteilung ganzer Fanszenen als gewalttätig hat schwerwiegende Folgen: Durch diesen Ruf und die Polizeipräsenz erhalten gewaltgeneigte Gruppierungen erst richtig Zulauf und zum anderen ist der Umgang der Sicherheitskräfte mit Fans vor allem bei Auswärtsspielen häufig ebenso pauschal und unverhältnismäßig repressiv. Beim Auswärtsspiel des 1. FC Dynamo Dresden in Saarbrücken letzte Saison erhielten die Fans ein Aufenthaltsverbot für die gesamte

Innenstadt. Am Stadion mussten sich weibliche Fans ohne konkreten Tatverdacht in einem Zelt komplett entkleiden und durchsuchen lassen.

Auch auf dieser Ebene hat der Antrag eine große Symbolwirkung. Wir erkennen dadurch an, dass es Probleme und dringenden Verbesserungsbedarf im Verhältnis zwischen Fans und Polizei gab und gibt. Durch die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und den Fan-Projekten setzen wir auf regional angepasste Deeskalationsprojekte und Kooperationen statt auf die personal- und kostenintensive Repression. Da, wo allwöchentlich ein großer Teil sächsischer Bürger Kontakt mit der Polizei hat – nämlich im Umfeld von und in den Fußballstadien –, an dieser Stelle könnte der Freistaat zumindest in Sachsen für die Fans positive Erfahrungen mit der Polizei ermöglichen und somit zum Abbau hartnäckiger Klischees beitragen.

Mit dem Antrag verbinden wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Hoffnung, dass die Polizei ihre Einsatzstrategien besser an Gruppendynamiken und Solidarisierungseffekte innerhalb von Fankurven anpasst und langfristig bei Fußballspielen nur noch zum Regeln des Verkehrs gebraucht wird.

Zweitens. Damit bin ich bei der Präventionswirkung unseres Antrages. Warum haben wir uns für eine langfristige und bedarfsgerechte finanzielle Absicherung in Umsetzung des „Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit“ eingesetzt? Das Problem gewalttätiger Fußballfans, das wir ohne Zweifel gerade hier in Sachsen haben, lässt sich nicht durch polizeiliche Repression lösen.

Ich möchte das am Beispiel einer aktuellen Entwicklung in den Fanszenen illustrieren. In den letzten Jahren gab es in ganz Deutschland in den Fankurven massive Umbrüche. Mit den so genannten Ultras ist eine kreative, kritische, aber höchst eigensinnige Jugendszene entstanden, der Polizei, Vereine und Öffentlichkeit zunächst hilflos gegenüberstanden und auf die vielerorts überzogen reagiert wurde. Aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen wurden sie auch schon mal pauschal den Hooligans zugerechnet und Journalisten neigen dazu, in jedem Bengalfeuer ein Vorzeichen eines ausbrechenden Bürgerkriegs zu sehen.

Worüber aber niemand berichtet, das sind die Forderungen und Ideale dieser Jugendlichen, das sind ihre aufwändigen Choreografien.

Im Konflikt mit den wirtschaftlichen Interessen der Vereine und Stadionbetreiber und teilweise im Konflikt mit den (berechtigten) Sicherheitsinteressen der Öffentlichkeit versucht hier eine Jugendkultur, selbstbestimmt einen Freiraum inmitten kommerzialisierter Großevents zu schaffen und diesen zu gestalten. Diesen Freiraum zu bewahren und diese neue Jugendkultur kritisch zu begleiten ist für uns auch eine wichtige Funktion von Fansozial

arbeit. Wenn wir die positiven und konstruktiven Seiten dieser Jugendkultur aber nicht sehen wollen, sondern ihnen stattdessen Polizisten an die Seite stellen, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn diese Szene zunehmend für so genannte erlebnisorientierte Jugendliche attraktiv wird. Das ist nur eine von vielen Herausforderungen für Fan-Projekte – ich nenne exemplarisch nur Rassismus und Rechtsextremismus in Fußballstadien.

Die qualifizierte sozialpädagogische Fanarbeit kann aber weder von Ehrenamtlichen erbracht werden, noch ist die Jugendpauschale das geeignete finanzielle Förderinstrument. Aus diesem Grund brauchen wir dringend eine professionelle Struktur. Ein Blick über den sächsischen Tellerrand zeigt, dass sich diese präventive Arbeit zur Eindämmung von Gewalt und von extremistischen Strömungen in anderen Bundesländern jahrelang, fast schon jahrzehntelang, etabliert und als erfolgreiches Modell erwiesen hat. Fan-Projekte bieten zudem ein niederschwelliges Angebot an, mit dem wir Jugendliche erreichen, die sonst durch das Netz herkömmlicher Betreuungsangebote fallen würden.