Protocol of the Session on May 11, 2006

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch die 2. Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion der NPD zum Thema „Alle Jahre wieder – Linke Gewalt am 1. Mai“, beendet.

Zu dem Antrag der Linksfraktion.PDS, eine Präsidiumssitzung einzuberufen, möchte ich so viel sagen, dass ich erst noch die Mitschrift des Protokolls abwarte, damit wir das aktenkundig haben. Dann werde ich noch im Laufe dieser Beratung eine Präsidiumssitzung einberufen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 2

Frühjahrshochwasser 2006 – Auswertung und Konsequenzen

Drucksache 4/5099, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der CDU, das Wort zu nehmen. Frau Windisch, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der emotional sehr bewegten Diskussion in der Aktuellen Debatte nun zurück zu einem Sachthema. Das Umschalten fällt mir im Moment etwas schwer, dennoch möchte ich jetzt zum Thema unseres Antrages „Frühjahrshochwasser 2006 – Auswertung und Konsequenzen“ sprechen.

(Unruhe im Saal)

Wie jeder beim Blick aus dem Fenster sieht: Das Frühjahrshochwasser ist abgeflossen. Fünf Wochen Zeit sind ins Land gegangen, seit der Elbpegel hier zum zweiten Mal seit 2002 weit über der Siebenmetermarke stand. Mehr als ein normales Frühjahrshochwasser ist es gewesen und mehr, als viele der unmittelbar Betroffenen mental, kräftemäßig und auch wirtschaftlich nach so kurzer Zeitspanne verkraften konnten.

Die Natur hat uns wieder einmal gezeigt, dass Statistiken und HQ-Werte, die die Jährlichkeit von Hochwassern beschreiben, eben nicht mehr als Statistiken, also mathematische Theorie, sind und vor kurzfristiger Wiederkehr von Extremereignissen nicht schützen können. Im Ereignisfall und in Auswertung dessen zählen eben nur die Fakten. Über diese und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen wollen wir heute sprechen bzw., wenn dieser Antrag der Koalitionsfraktionen beschlossen wird, uns durch die Staatsregierung berichten lassen.

Zur Aktuellen Debatte auf Antrag der Koalitionsfraktionen im April-Plenum, als die Elbe mit einem Pegelstand von 7,40 m am Landtag vorbeifloss, schlugen die Emotionen in diesem Haus noch hoch.

(Unruhe im Saal)

Herr Präsident, mich stören die Diskussionen im Raum.

Ich bitte, dass wieder Ruhe im Landtag einzieht, damit wir diesen Beratungsgegenstand alle verfolgen können.

Mit zeitlichem Abstand wird in der heutigen Aussprache zu diesem Thema hoffentlich sachgerechter diskutiert werden als noch vor fünf Wochen. Ein Überbieten mit Schuldzuweisungen, mit populistischem Aktionismus und einer Wir-haben-es-ja-schon-immergewusst-Argumentation, vor allem vonseiten der Opposition, ist bei der Lösung der Probleme allerdings wenig zielführend gewesen.

Auch wenn das Frühjahrshochwasser 2006 glücklicherweise nicht die gleichen Dimensionen wie die der Jahrhundertflut von 2002 hatte, ist deutlich geworden, wie sich sowohl investive Maßnahmen des Hochwasserschutzes als auch ein verbesserter Hochwasser-Nachrichten- und Alarmdienst sowie ungezählte Vorsorgemaßnahmen in persönlicher Initiative der Bevölkerung deutlich schadensminimierend ausgewirkt haben.

Niemand an Elbe und Nebenflüssen ist von steigenden Wasserständen überrascht worden. Das Melde- und Informationssystem des Hochwasserzentrums hat sowohl der Bevölkerung als auch den Verantwortlichen für den örtlichen Katastrophenschutz wertvolle Informationen zur Vorsorge an die Hand gegeben. 60 Stunden Prognosezeit für die Elbe und bis zu acht Stunden für die schnell anschwellenden Gebirgsflüsse waren in den meisten Fällen ausreichend zum Retten von Hab und Gut. Es gibt aber leider auch andere Fälle. Das Sächsische Umweltministerium hat aufgrund der extremen Schneehöhen im Erzgebirge bereits ab Mitte Februar vor einer drohenden Hochwassergefahr gewarnt. Gerade dieser frühe Kenntnisstand lässt manchen eingetretenen Schaden und unterlassene Vorsorge besonders bitter und überflüssig erscheinen.

An dieser Stelle möchte ich nochmals ausdrücklich allen danken, die durch ihr besonnenes und vorausschauendes Wirken für ein Funktionieren des Katastrophenschutzes gesorgt haben. Dank an die Koordinatoren, die vielen freiwilligen Helfer, Dank dem Technischen Hilfswerk, den Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren und der Wasserwehren in den Orten, die immer an vorderster Front beim Helfen standen.

Deutlich geworden ist in diesen Tagen aber auch, dass Wasserwehren eine ordentliche Ausrüstung und eine permanente, solide Aus- und Weiterbildung brauchen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Ebenso benötigen die Kommunen fachliche Unterstützung bei der Qualifizierung der Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern II. Ordnung. Dies wird nicht ohne Unterstützung durch den Freistaat gehen. Wir werden bei den Haushaltsberatungen darüber noch zu sprechen haben.

Gezeigt hat sich, dass die ergriffenen Maßnahmen, insbesondere im Rahmen der Schadensbeseitigung nach dem Extremhochwasser von 2002, ihre Wirkung voll entfaltet haben. An den Nebenflüssen ist Retentionsraum geschaffen worden. Unzählige größere und kleinere Maßnahmen, wie Abböschung des Uferbereiches, vergrößerte Brückendurchlässe und Entlastungsbauwerke, Beseitigung von Abflusshindernissen, haben sowohl mehr Wasser in der Fläche gespeichert als auch die Abflussgeschwindigkeit und damit die dem Wasser innewohnende Energie reduziert.

Gezeigt hat sich auch, dass die fachliche Prioritätensetzung und ein gezielter Mitteleinsatz durch das SMUL bei den Schutzmaßnahmen an der Elbe richtig waren. Sicher hätte bei Einsatz von noch mehr Geld – Sie kennen ja alle die Zahlen und Sie kennen auch die Haushaltslage – noch manche ebenfalls prioritäre Maßnahme realisiert werden können. Allerdings wäre auch manches Deichbau- und Rückverlegungsprojekt bereits fertig, gäbe es mehr Einsicht und weniger Einsprüche im Beteiligungsverfahren.

Trotz aller präventiven Anstrengungen sind leider durch das Frühjahrshochwasser 2006 Schäden entstanden, die inzwischen von anfangs geschätzten 100 Millionen Euro auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag reduziert worden sind. Nach Angaben der Aufbaubank liegt die durchschnittliche Schadenssumme bei Unternehmen zwischen 25 000 und 40 000 Euro und bei Privathaushalten zwischen 5 000 und 15 000 Euro.

Um einen genauen Überblick zu erhalten, ersuchen wir die Staatsregierung um eine Auflistung aller Schäden des Hochwassers in den Bereichen Infrastruktur, Wirtschaft und bei den privaten Haushalten sowie darüber hinaus die Darstellung des weiteren Handlungsbedarfes, resultierend aus den Folgen des Frühjahrshochwassers 2006. Ebenso sollen Hilfs- und Sofortmaßnahmen für die betroffenen Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen dargestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Forderungen nach generellen Finanzhilfen für die Flutopfer sind schnell erhoben, bedürfen aber einer gesicherten Datenlage, einer haushaltsmäßigen Untersetzung und auch der Wahrung haushaltspolitischer Vernunft. Dies mittels einer Neuverschuldung zu tun wird von der CDU-Fraktion abgelehnt.

Lassen Sie mich noch eines feststellen, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Beratungen für den nächsten Doppelhaushalt: Verzögerungen aus finanziellen Gründen bei prioritären Baumaßnahmen für den Hochwasserschutz kosten am Ende mehr. Ein markantes Beispiel ist die Überflutung von Gohlis im Zusammenhang mit der Sperrmauerwirkung der Staatsstraße 88, die zum unfreiwilligen Inseldasein der 600 Gohliser Bewohner führte. Auf diese Problematik und die drohende Gefahr hatte das Umweltfachamt bereits 2004 hingewiesen. Der Deich, der den Dresdner Stadtteil Gohlis schützen sollte, wird nun hoffentlich vor dem nächsten Hochwasser saniert. Jedoch ist das Erkennen der Notwendigkeit die eine, die Umsetzung nach deutschem Planungsrecht mit umfangreichen Beteiligungsverfahren die andere Seite der Medaille. Ebenso sollte die Stadt Dresden bezüglich des Schutzes hochwassergefährdeter Stadtteile auch einmal den Blick über die Landesgrenze richten.

Beispielsweise hat die Stadt Prag jüngst beim Anrollen der Hochwasserwelle innerhalb weniger Stunden besonders gefährdete Stadtteile mit transportablen Spundwänden geschützt, wie das schon seit Jahr und Tag die Kommunen an Rhein und Mosel tun. Das Rad muss also in

Dresden nicht neu erfunden werden. Nur Handeln schützt Hab und Gut, und Geld ist ja jetzt in Dresden in der Kasse.

Ein besonderes Anliegen unseres Antrages ist es, Stand und Wirksamkeit aller Kooperationsbemühungen auf nationaler und internationaler Ebene im Elbeeinzugsgebiet zu hinterfragen. Deshalb ersuchen wir die Staatsregierung, insbesondere über die Zusammenarbeit und die Koordinierung von Hochwasserschutzaktivitäten mit allen Anliegern im Einzugsgebiet der Elbe in der IKSE und anderen Gremien zu berichten. Die in Tschechien getroffenen und geplanten Maßnahmen betreffen uns in Sachsen direkt, so wie unsere Hochwasserschutzkonzepte im Bereich der Elbe Auswirkungen auf die Unterlieger haben werden.

Schlussendlich soll durch unseren Antrag deutlich werden, welchen Stellenwert bei allen staatlichen Bemühungen gerade die Eigenvorsorge der Bürger bei der Hochwasservorsorge hat. Sichtbar geworden ist durch das Frühjahrshochwasser, welchen großen Beitrag die Bewohner und Unternehmer in den hochwassergefährdeten Gebieten zur Minimierung des Schadenspotenzials bereits geleistet haben. Dennoch ist noch viel zu tun, insbesondere Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, um an die jeweilige Situation angepasste Schutzmaßnahmen ergreifen zu können – dies auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Zurückhaltung der Versicherungsunternehmen, erneut Geschädigten weiterhin Versicherungsschutz zu akzeptablen Bedingungen zu gewähren. Hier sollte der Freistaat den Betroffenen beratend zur Seite stehen.

Respekt abgerungen hat mir, wie viele, die bei normalem Wasserstand das Leben am Fluss gewissermaßen in der ersten Reihe und den unverbauten Blick auf das Wasser privat genießen oder für ihr Gastronomie- oder Hotellerieunternehmen vermarkten, inzwischen akzeptiert haben, dass zum „Leben am Fluss“ auch Hochwasser gehören kann, und ihre Gebäude entsprechend fit gemacht haben. Ich konnte mich davon bei einem Besuch von hochwassergeschädigten Tourismusunternehmen im Elbtal selbst überzeugen.

Im Übrigen: Auch die organisatorischen Selbsthilfekräfte, die zum Beispiel der Tourismusverband Sächsische Schweiz sofort bei Eintreten des Hochwasserereignisses durch Aufstellen eines Managementplanes entwickelt hat, verdienen Respekt. So konnte durch gezielte Informations- und Direktmarketingaktionen dem Eindruck, das gesamte Elbtal, das gesamte Elbsandsteingebirge stehe wieder unter Wasser, wirksam entgegengetreten werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist für meine Fraktion von besonderer Bedeutung, nicht um zum wiederholten Male über Hochwasser zu sprechen, sondern um auf der Grundlage der erwarteten Antworten die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen zu können. In diesem Sinne werbe ich um Unterstützung für den Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der SPDFraktion das Wort. Frau Dr. Deicke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Volksmund heißt es: „Aus Schaden wird man klug.“ Damit wird eine sehr menschliche Eigenschaft beschrieben: dass erst ein Unglück passieren muss, bevor man merkt, dass genau dieses Unglück mit entsprechenden Vorsorgemaßnahmen zu verhindern gewesen wäre.

Genau das hat uns 2002 das Jahrhunderthochwasser schmerzlich vor Augen geführt. Denn erst da wurde deutlich, wie sträflich der Hochwasserschutz in der Vergangenheit vernachlässigt wurde. Die auf dieses Unglück folgende Klugheit hat dann auch sofort Konsequenzen nach sich gezogen.

Im September 2002 wurde von der Bundesregierung ein Fünf-Punkte-Programm zum Hochwasserschutz verabschiedet. Das Programm zielt auf Vorsorge und Schadensbegrenzung und beinhaltet konkrete Arbeitsschritte zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Damit liegt eine klare Handlungsanweisung vor. Die Umsetzung dieses Programms, welche den Ländern obliegt, ist aber nicht von heute auf morgen zu bewältigen; denn der Aufhol- und damit der Finanzbedarf sind gewaltig.

In den vergangenen vier Jahren ist jedoch auch in Sachsen einiges passiert. Zu erwähnen sind zum Beispiel die 47 Hochwasserschutzkonzepte sowie die Priorisierung der notwendigen Schutzmaßnahmen. Doch das bringt noch keinen unmittelbaren Schutz vor dem nächsten Hochwasser. Dieses kann uns sehr schnell einholen, wie gerade geschehen.

Vor dem Hintergrund des diesjährigen Frühjahrshochwassers wird aber deutlich, dass die bisher getroffenen vorbeugenden Schutzmaßnahmen noch nicht ausreichen und weiter verbessert werden müssen. Allerdings ist sicher auch klar, dass Hochwasser nicht generell verhindert werden kann und dass infolge der Flussverläufe nicht überall gleichermaßen Schutz möglich ist.

Auch beim diesjährigen Frühjahrshochwasser sind wieder Schäden zu verzeichnen. So haben nicht alle Deiche standgehalten. In puncto Deichreparatur muss an vielen Stellen schnell etwas getan werden. Zu begrüßen ist daher der Deicherlass, denn er ebnet den Weg, damit dringende Maßnahmen unverzüglich begonnen werden können. Für die nach 2002 durchgeführten Maßnahmen war das diesjährige Hochwasser auch ein Praxistest.

Einige Schwachstellen haben sich offenbart, darunter auch wieder Bausünden. Die mit dem Ausbau der B 88 in Gohlis bei Riesa auf einen Damm verlegte Straße offenbarte eine solche Bausünde. Geprüft werden muss daher, inwieweit sich hieraus veränderte Prioritäten im Hochwasserschutz ergeben.

Meine Damen und Herren! Wasser kennt bekanntlich keine Grenzen. Umfassend lassen sich daher die Probleme nur durch eine gute nationale und internationale Zusammenarbeit in jedem betreffenden Flusseinzugsgebiet angehen. Die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe hat bereits im Jahre 2003 einen Aktionsplan Hochwasserschutz verabschiedet. Ob in Tschechien noch mehr als bisher getan werden kann, wird gerade von dieser Kommission untersucht.

Es hat sich bereits einiges verbessert, zum Beispiel beim Datenaustausch. Mittlerweile kann auch die Überlagerung der Flutscheitel von Moldau und Elbe durch ein geschicktes Management an den Moldaukaskaden verhindert werden. Letztendlich fordert der vorsorgende Hochwasserschutz ein gemeinsames Handeln aller Beteiligten bis hin zum einzelnen Flussanlieger.

An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass die Landwirte verstärkt für den Hochwasserschutz gewonnen werden müssen; denn in nicht wenigen Fällen scheitert zum Beispiel die Deichrückverlegung an deren Widerstand.

Als Konsequenz des Jahrhunderthochwassers ist in Sachsen nunmehr eine rechtzeitige und zuverlässige Hochwasserwarnung und -vorhersage gewährleistet. Diese ist die Grundlage für eine effektive Verhaltensvorsorge. Jeder Einzelne muss wissen, was er im Hochwasserfall zu tun hat, um Schäden zu vermeiden bzw. so gering wie möglich zu halten. Parallel dazu müssen die Eigenvorsorge und das Risikobewusstsein gestärkt werden. Deshalb fordern wir die Staatsregierung auf, eine umfangreiche Informationskampagne zu diesem Thema durchzuführen.

Das Hochwasser in diesem Frühjahr hat bewiesen, dass auch Klugheit nicht unbedingt vor Schaden schützt. Allerdings hoffe ich, dass die vorhandene Klugheit so lange anhält, bis alle notwendigen Maßnahmen der Generationenaufgabe Hochwasserschutz durchgeführt sind und die Schäden durch künftige Hochwasser sehr viel geringer ausfallen.

Danke schön.