(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung) Dann schaute ich vor Kurzem „Maischberger“ und erlebte Ihren Anwalt, Herrn Diestel, und dachte mir, dass es doch nicht wahr sein kann, mit welcher Frechheit solche Leute wieder auftreten und das wegwischen wollen, was damals passiert ist. Präsident Erich Iltgen: Ich erteile das Wort Herrn Günther von der Fraktion der FDP. Tino Günther, FDP: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe hier auch meine ganz private Meinung, meine Bewertung zu diesem Antrag wieder. Ich möchte vielleicht im Gegensatz zu den Kollegen, die vor mir gesprochen haben, sagen: Ich betrachte es nicht als Parteienschelte oder als Fraktionsschelte. (Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Er ist CDU-Mitglied!)
Nun zum konkreten Fall. Was ich hier erlebt habe, war überhaupt keine Diskussion über das, was in den Akten steht und wirklich passiert ist. Es gab immer nur eine Diskussion um Verfahren, als ob diejenigen, um die es konkret als Opfer ging, keine Rolle spielen, als würde es sie gar nicht geben. Man kann doch in den Akten lesen, dass Informationen über Leute weitergegeben wurden.
Wir haben alle nach der Wende, egal wo und in welcher Partei hier in Ostdeutschland, egal wo, Problemfälle gehabt. Für mich ist es eine ganz private Bewertung für ein privates Problem. Ich habe lange gezögert, ich habe lange abgewartet, in der ganzen Debatte, nicht nur heute, die ganze Zeit gehofft und gewartet auf ein Zeichen, auf ein Wort.
Selbst wenn dieses angeblich nicht wissentlich oder willentlich geschehen ist, kommt kein Wort des Bedauerns, dass diese Leute dieses aushalten mussten. Im Gegenteil. Ich empfand es als zynisch, als Sie, Herr Bartl, gefragt haben, welche Konsequenzen sich denn aus diesen Berichten für die Leute ergeben hätten. Wenn man über so persönliche Dinge Dritten berichtet, ohne dass derjenige es weiß, dann ist das natürlich ein Schaden.
Ich musste die Akten im Bewertungsausschuss lesen. Ich bin in der DDR aufgewachsen, ich weiß so manches und kann es bewerten, was darin steht. Herr Porsch, so blöd sind Sie nicht, dass Sie nicht gewusst haben, mit wem Sie sprechen! Sie haben es gewusst!
Auf der Grundlage dieser Bewertung bin ich überzeugt, dass Sie mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet haben. Was das bedeutet hat, ist schon oft hier herausgearbeitet worden. Es waren nicht nur die großen Strafen,
die gedroht haben, Knast und was auch immer. Es war das Zusammenleben, das bedroht wurde, das Miteinandersprechen in der Familie, im Freundeskreis. Wer wie ich in der Jungen Gemeinde aufgewachsen ist und das miterlebt hat, was das bedeutet hat, Vorsicht und Misstrauen zu haben zu den engsten Freunden und Verwandten, denn sie könnten ja dabei gewesen seien – dieses Wissen haben alle. Das möchte ich auch noch einmal in die Runde aller Kolleginnen und Kollegen sagen, auch denen, die nicht bei uns im Osten aufgewachsen sind. Es können – ich lade alle dazu ein – auch alle mitdiskutieren. Ich möchte auch in dieser Debatte, dass wir Sachsen, ob wir Altsachsen oder Neusachsen sind, zusammenstehen.
Was nach der Wende im öffentlichen Dienst nach 1989/90 passiert ist, wer dort entlassen worden ist, ist entlassen worden nicht, weil er mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet hat, sondern weil er gelogen hat, bei seiner Einstellung angekreuzt hat, dass er nicht mit ihr zusammengearbeitet hat.
Jetzt kommen wir zu diesem Fall zurück. Unser Arbeitgeber, Herr Prof. Porsch, ist das sächsische Volk. Dem sind wir verpflichtet.
Dem haben Sie nicht bei der Arbeitseinstellung gesagt, also vor jeglicher Wahl, dass Sie mit dem Regime so zusammengearbeitet haben, wie wir es in den Akten vorgefunden haben. Andere Kollegen von Ihnen haben es getan. Das finde ich ehrlicher als das, was Sie getan haben. Sie haben gelogen!
Viele Bürgerrechtler von uns erwarten ja noch nicht einmal mehr eine Entschuldigung, nur ein Bekenntnis. Es erwartet niemand einen Kniefall. Niemand erwartet, dass Sie vor uns niederknien und sagen: Entschuldigung!, sondern nur ein einfaches Bekenntnis zu dem, was Sie getan haben. Genau an diesem Punkt scheitern Sie. Das war unsere Bewertung. Wie sind Sie nach der Wende mit diesem Problem umgegangen? Daran scheitern Sie. Ihre Reaktionen auf das Auffliegen, die Enttarnung sagen manche, ist unerträglich.
Wie Sie mit dem Kollegen Gerstenberg umgehen, wie Sie mit der Öffentlichkeit umgehen, ist für mich eine Sache, die dazu führt, dass ich mit meiner tiefsten inneren Überzeugung sagen muss: Sie können das Mandat nicht länger tragen. Sie verhalten sich auch und auch für die Linksfraktion.PDS bedauerlicherweise so wie ein Kleinkind im Sandkasten, dem man die Schaufel wegnehmen muss, und dann zertrampelt es die gesamte Sandburg.
Herr Porsch, ich habe Sie im Vorfeld geachtet, auch in der Zeit, als wir als FDP-Fraktion bis 2004 noch nicht wieder
im Parlament waren. Ich habe Sie als ehrlichen Politiker geachtet. Ein Kommunist, ja. Aber dass Sie unehrlich mit uns hier umgehen, macht aus einem Politiker mit Gewicht einen politischen Wicht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich nur für mich persönlich sprechen und nicht für meine Fraktion. Ich möchte aber voranschicken, weil es heute schon angesprochen wurde, dass bei uns in der FDPFraktion kein Fraktionszwang oder keine Fraktionsdisziplin aufgehoben oder gelockert wurde, weil es von Anfang an im Rahmen der Diskussion so etwas nicht gegeben hat. Im Gegenteil. Wir haben innerhalb der Fraktion über die heute zu treffende Entscheidung diskutiert, kontrovers diskutiert, und ich weiß, dass viele auch meiner Fraktionskollegen ihre Meinung wohl erst sehr spät gebildet haben. Ich weiß noch nicht einmal, wie sich meine Fraktionskollegen nachher entscheiden werden.
Ich bin mit der Beschlussempfehlung des Bewertungsausschusses der Auffassung, dass die formalen Voraussetzungen des Artikels 118 erfüllt sind, nämlich dass Herr Prof. Porsch wissentlich und willentlich mit der Stasi zusammengearbeitet hat und dass aufgrund seines Verhaltens die weitere Mitgliedschaft in diesem Parlament unzumutbar ist. Das heißt, diese formalen Voraussetzungen des Artikels 118 sind erfüllt. Damit müssen wir uns heute auch mit der Frage der Abgeordnetenanklage auseinander setzen.
Ich meine aber, dass sehr vieles dafür spricht, dass dieser Artikel 118 tatsächlich verfassungswidrig sein könnte. Jetzt stellt sich für mich ganz persönlich die Frage, ob ich, wenn ich diesen Artikel 118 für verfassungswidrig halte, dann trotzdem heute einer Abgeordnetenanklage zustimmen kann, zustimmen soll oder ob ich heute deswegen mit Nein zu stimmen habe.
Wir entscheiden heute nicht über die Aberkennung des Mandates von Herrn Prof. Dr. Porsch. Wenn dies heute unsere Entscheidung wäre, würde ich mit Nein stimmen und mich gegen die Aberkennung aussprechen. Weil wir aber über die Anklageerhebung entscheiden und kein Urteil über ihn fällen, denn das Urteil obliegt dem Verfassungsgerichtshof, wie wir hier nicht Richter, sondern Ankläger sind, werde ich dem Antrag zustimmen.
tigt, ist eines der schwersten und bedauerlichsten Themen unserer neuen Geschichte. Mit der Wiedervereinigung ergab sich die Frage, wie wir mit der Schuld aus der Zeit der DDR-Diktatur umgehen sollen. Johannes Gerlach, SPD: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich trete ein zweites Mal an dieses Pult, weil ich versucht habe, mich an die Empfehlung des Präsidiums zu halten, die da lautete: 10 Minuten für einen Redebeitrag.
Lothar de Maizière soll einmal gesagt haben, dass in der DDR-Diktatur nur Kinder und Betrunkene gänzlich ohne Schuld gewesen seien. Willy Brandt ermutigte uns, Vergebung denjenigen gegenüber zu praktizieren, die sich keine blutigen Fingernägel geholt hatten. Leider starb er zu schnell, um seinen politischen Willen auch weiterzutragen.
Herr Bartl, ich denke, formaljuristische Argumente sind für ein faires Verfahren sehr wichtig. Aber – so wichtig und notwendig sie auch sind – bei der Aufklärung dessen, was hier geschah und was immer noch geschieht, helfen sie leider nicht. Vor diesem Problem stehen wir. Wenn Sie uns dann Unanständigkeit vorwerfen im Zusammenhang damit, dass wir einen operativen Vorgang mit auswerten und benutzen, um in diese Unterlagen heranzukommen – Sie werfen das ja nicht nur dem Parlament, sondern auch der Birthler-Behörde und anderen vor –; Sie können das machen, ich billige Ihnen das zu, aber es ist eine ganz schwierige Gratwanderung, die Sie hier machen, genau dieses Wort an dieser Stelle für diese Geschichte zu benutzen. Das gebe ich Ihnen sehr zu bedenken.
Lothar de Maizière und Friedrich Schorlemmer haben uns in den neunziger Jahren aufgefordert, genauso wie in Südafrika unter der Schirmherrschaft von Bischof Desmond Tutu, eine Wahrheits- und Versöhnungskommission ins Leben zu rufen. Diese Kommission war befugt, auch die schlimmsten politisch motivierten Straftaten zu vergeben, wenn sich die Täter den Opfern und den Überlebenden stellten, ihre Schuld in vollem Umfang offen legten und ernsthaft um Vergebung baten. Diesen Weg sind wir in Deutschland bewusst nicht gegangen, und deswegen, Frau Herrmann, steht Ihnen niemand zur Verfügung, wenn Sie fragen, wer das gegen Sie alles ausgesagt hat und warum. Als Gesellschaft, die sich an christlichen Werten orientiert, hätte uns dieses vergebende Handeln vielleicht gut zu Gesicht gestanden – wir haben uns anders entschieden.
Wenn Sie meinen ehemaligen Kollegen Bernd Kunzmann zitieren, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass er den gleichen Satz in der gleichen Art und Weise geschrieben hätte – so wie Sie ihn interpretiert haben; Sie haben ihn vorlesend interpretiert –, wenn er gewusst hätte, dass dieser Satz irgendwann als Legitimierung für einen Abgeordneten gebraucht wird, der drei Legislaturen geschwiegen
Wir fordern die Einsicht und das Bedauern von Prof. Porsch; doch die Gesetzeslage lässt es nicht zu, im Gegenzug den gegenwärtigen Antrag zurückzuziehen für den Fall, dass sich Prof. Porsch zu einer solchen Schuld bekennen und Bedauern zeigen würde. Das heißt, das System und der Prozess sind asymmetrisch angelegt. Ich bedaure das zutiefst.
und immer erst dann, wenn etwas unweigerlich im Raum stand, was man nicht mehr negieren kann, gesagt hat: Das war zwar im Prinzip so, aber ganz so war es nicht; und am Ende kommt diese Abschöpfungstheorie.
(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS) Was ich außerdem bedaure, ist, dass selbst heute noch unzählige Menschen auch ohne blutige Fingernägel wegen ihrer DDR-Vergangenheit erpressbar bleiben. Unser Thema zeigt, dass Entscheidungen immer dann schwierig werden, wenn wichtige ethische Werte, die es abzuwägen gilt, im Konflikt zueinander stehen. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass es bei dieser Frage keinen Fraktionszwang geben wird. – Sie können das gern glauben. Sie haben sich dazu nicht geäußert; Sie haben nur gesagt, was wäre denn, wenn … usw. Keiner von Ihnen hat eine Wertung für sich persönlich dazu abgegeben. Ich habe keine gehört – Sie können mich gern vom Gegenteil überzeugen. Jetzt möchte ich zu drei Vorwürfen kommen, die uns gemacht werden. Der eine – das wurde schon einmal im Ausschuss gebracht –, wir sollen doch bitte nicht nur an den Kollegen Prof. Peter Porsch denken, sondern auch an seine Frau und seine Familie, was die in dieser Zeit aushalten müssen – so ist es sinngemäß gesagt worden. Das ist mir sehr durch den Kopf gegangen – weil ich weiß, wie das ist, wenn so etwas passiert, und zwar aus vorigen Zeiten. Ich hatte dasselbe Problem, das war mein großes AhaErlebnis unmittelbar nach der Wende: dass der, der über mich Berichte geschrieben hat, mich vor Gericht zerrt und mir mit einer Unterlassungsklage kommt, dass ich nicht mehr erzählen darf, dass er IM war. Das war so mein Schlüsselerlebnis. Da ist es meiner Familie auch nicht (Dr. Fritz Hähle, CDU: Den gab es noch nie!)
Nach Abwägung aller Argumente und Perspektiven werde ich mich bei dieser Abstimmung aus den eben genannten Erwägungen enthalten. Ich respektiere das Abstimmungsverhalten aller Kolleginnen und Kollegen, denn ich bin überzeugt, dass sich in diesem Hause niemand die Entscheidung leicht machen wird.
Natürlich, das haben Sie uns ja deutlich erklärt – und zwar so schlimm, dass es kaum noch zum Aushalten war. Dazu möchte ich Folgendes erklären:
besonders gut gegangen – ich kenne das alles. Aber ich muss Ihnen hier die Gegenfrage stellen: Was haben Sie sich denn gedacht, Prof. Porsch, als Sie begannen, sich diese Lügengeschichten von einer verträumten nostalgischen DDR über Ihren Anwalt auszudenken und zu verbreiten?
Erstens. Meine – meine! – Gewissensentscheidung kann ich nicht davon abhängig machen, welche MdL noch im Landtag anwesend sind bzw. dasselbe Abstimmverhalten wie ich aufzeigen. Denken Sie wirklich, dass einer von uns diese Geschichten glauben kann? Was haben Sie sich denn gedacht, was das für Ihre Familie bedeuten könnte, die mit diesen Geschichten, die Sie erzählen, leben muss? Wer so massiv eigenes Verschulden verdrängt, Herr Prof. Porsch, darf diejenigen, die das anprangern, nicht in Kollektivhaft für die betroffene Familie nehmen; das ist mir wichtig.
(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Sie nutzen es für die Mehrheit!)
Wenn ich alles andere zu Ende denke, was Sie an dieser Stelle andenken – weil es emotional gut hineinpasst und weil es vielleicht auch medienträchtig ist –; wenn ich das ernst nehme, lege ich den Landtag komplett lahm.