Protocol of the Session on May 11, 2006

Zum Antrag der GRÜNEN. Ich möchte mich da auf den Bildungsbereich beziehen. Wir sind uns in der Intention sehr nahe. Es wird hier noch ein weiterer Punkt aufgegriffen, der im Moment heiß in der öffentlichen Debatte diskutiert wird: die Investitionsprogramme. Tatsächlich sollen die Investitionsprogramme, wenn es nach den Schustern der Föderalismusreform geht, in Zukunft nicht mehr zulässig sein. Es grenzt für mich fast schon an politische Scharlatanerie, diese Option der progressiven Entwicklung abschaffen zu wollen. Natürlich steuert der Bund über solche Programme, führt die Länder am so genannten goldenen Zügel. Aber ist eine Steuerung in eine gemeinsame Richtung nicht auch die Aufgabe des Bundes, oder soll sich alles in völlig unterschiedlichen Richtungen entwickeln, bis dann tatsächlich jedes Bundesland seine eigene Botschaft in Brüssel hat?

Im Bildungsbereich hatten wir ein eindrucksvolles Beispiel positiver Entwicklung durch die Steuerung des Bundes: Das Ganztagsschulprogramm war ein richtiger Schritt, um die Schullandschaft, und zwar in ganz Deutschland, zu modernisieren. Dieses Investitionsprogramm hat – das konnte ich auch als Landesschülersprecherin mit verfolgen – tatsächlich eine Debatte ausgelöst. Dieses Programm hat Ganztagsschule auf Bundes-,

Landes- und Schulebene zum Thema gemacht. Ergebnis dieser Themensetzung ist, dass man inzwischen auch in Sachsen verstanden hat, dass Ganztagsschulen ein Schritt in die richtige Richtung sind. Eigentlich hätte sich das Programm sogar dafür fast schon gelohnt.

Da beklagen sich nun manche darüber, dass Haushaltsmittel bei Mischfinanzierung zwischen Bund- und Länderebene nicht ausreichend abrechenbar angelegt seien und dass der Bund mit den Programmen nur Investitionen im materiellen Sinne und keine Personalkosten übernimmt. Meine Damen und Herren, eine solche Trennung gebietet die finanzpolitische Logik. Es war ja nicht die Schuld der Bundesregierung, dass das Land Sachsen erst in diesem Haushalt Geld für Personal beigesteuert hat. Ich bin auch gespannt, wer die Erklärung von Herrn Flath zum Tagesordnungspunkt verliest. Möglicherweise kann dann darauf eingegangen werden.

Klar ist, dass durch das Ganztagsschulprogramm etwas in Bewegung gekommen ist. Auch wenn die Ergebnisse vielleicht noch nicht überall ausreichend, zufrieden stellend sind, so entwickelt sich doch etwas in die richtige Richtung. Auch nach diesem Beispiel stehen wir zu den Gemeinschaftsaufgaben und zum Investitionsprogramm Zukunft, Bildung und Betreuung.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir haben als Linksfraktion aber auch darüber hinaus eine Vorstellung, wie Bildung, wie Schule in Deutschland organisiert werden sollte: bundesweiter Rahmen, Ausgestaltung auf Schulebene.

Meine Damen und Herren! Eine Föderalismusreform sollte nicht nur eine technische Kompetenzabgrenzung sein, sondern auch eine Diskussion über politische Konzepte. Wir haben ein Konzept für die Zukunft entwickelt, nämlich weg von Kleinstaaterei und Bildungsprovinzialismus. Wir wollen hin zu einem gemeinsamen Rahmen für konkrete Gestaltung vor Ort. Darum stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDUFraktion, bitte. Herr Abg. Schiemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs Folgendes feststellen: Die CDU-Fraktion hier im Sächsischen Landtag steht klar zum Föderalismus der deutschen Länder, ein Föderalismus, dem der Freistaat Sachsen und viele Menschen der neuen Länder bewusst beigetreten sind, bewusst zu diesem Grundgesetz, das uns damals letztendlich auch die Möglichkeit gegeben hat, sehr schnell in diesen Föderalismus hineinzuwachsen. Deshalb unser Grundsatz: Wir wollen, dass es den Föderalismus in Deutschland weiter gibt, weil föderale Strukturen in Deutschland gezeigt haben, dass sie besser sind als der Zentralstaat. Der Zentralstaat wusste immer nicht so richtig mit dieser Macht umzugehen. Die Geschichte hat es uns gezeigt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dennoch, nachdem ich meinen beiden Vorrednern lauschen konnte, bin ich so hin und her gerissen. Bei Herrn Lichdi muss ich sagen: selbstverständlich als Rechtsanwalt mit Erfahrung ausgestattet. Und bei meiner Vorrednerin von der Linksfraktion.PDS: Schule, wenn sie nach Berlin gegeben wird, dann wird alles besser. – Ich frage mich wirklich, ob der Sächsische Landtag das Gremium ist, in dem man den Sturm im Wasserglas nach einer durchaus langen Diskussion proben kann. Ist es nicht nur ein Windhauch, der hier durch dieses Wasserglas läuft? Sehen wir uns doch einmal die Entwicklung an.

Die Grundlage – das kann man durchaus kritisch benennen, und ich sage einmal, wenn man von Reformen spricht, muss man natürlich auch die kritische Seite anschauen – der Föderalismusdiskussion stellte letztendlich die Neuordnung der Finanzbeziehungen Bund – Länder – Kommunen dar. Das war die eingangs geführte Diskussion, dass man gesagt hat: Wir müssen die Finanzbeziehungen neu ordnen. Das war sozusagen der Start. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das habe ich von meinen Vorrednern nicht als kritischen Ansatz empfunden. Also bleibt das jetzt so stehen.

Was uns aus Sicht der neuen Länder immer Sorge bereitet hat, ist, dass die Kraft nie ausgereicht hat, sich auch Gedanken darüber zu machen, ob denn nicht der Solidarpakt oder die Aussagen des Solidarpaktes im Grundgesetz erscheinen sollen. Das ist ein ureigenstes Interesse auch des Freistaates Sachsen gewesen und das findet man in den letzten Entwürfen derzeit leider nicht.

Nun komme ich zu Ihnen, Herr Lichdi. Sie haben ja sehr lange Zeit auch in Berlin in Regierungsverantwortung gesessen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ich nicht!)

Nein, ich meinte die Grüne Partei. Sie haben sich auch nicht beworben in Berlin?

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nein, na gut. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte ja Gelegenheit, in der Diskussion zur Föderalismusfrage mitzugestalten. Ich denke daran, dass Landesminister aus Baden-Württemberg, aus Berlin, die Bundesministerin Renate Künast und ihr Staatssekretär und Frau Christa Sager sehr intensiv in den Diskussionen dabei gewesen sind. Ich gehe einmal davon aus, dass Ihre Vertreter dort das Maximale in die Diskussion eingebracht haben.

Wir wissen, dass natürlich auch die anderen Vertreter ihre Überzeugung in die Waagschale gelegt und für ein Reformpapier gesorgt haben, das als abgeschwächt bezeichnet werden kann. Wir stehen jetzt vor der Diskussion, ob es zu einer Grundgesetzänderung in dem vorgelegten Papier kommen kann.

Dennoch möchte ich vor einer Sache deutlich warnen: Die Probleme, die es in Deutschland gibt, wird man nicht mit einer Grundgesetzänderung lösen – weder Schulprobleme, die man vielleicht im eigenen Land kritisiert, noch Probleme in der Justiz, die von Herrn Kollegen Lichdi angesprochen worden sind. Dennoch erwarten die Bürger nach einer langen Diskussion, dass verantwortungsvoll mit den Einzelregelungen, mit den Veränderungswünschen, die in dem Papier niedergelegt sind und zu einer Änderung des Grundgesetzes führen, umgegangen wird.

Die Zuordnung der neuen Länderkompetenzen darf insbesondere in den ärmeren deutschen Ländern nicht nur in eine Kürzungspolitik münden und zu einem Standardabbau führen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dies gilt speziell für die Verlagerung der Kompetenzen in Bezug auf das Dienstrecht, die Besoldung und die Versorgung der Richter, der Landes- und Kommunalbeamten als auch in Bezug auf den Strafvollzug.

Jetzt sage ich einfach mal so, Herr Kollege Lichdi: Wir haben ja eine eigene sächsische Polizei, aber schauen Sie sich einmal die Vergleichbarkeit der Landespolizeien an, schauen Sie sich die Gerichtsentscheidungen, die in den letzten 40 Jahren zum Strafvollzug ergangen sind, an: Sie werden diesem Hohen Haus wirklich nicht weismachen können, dass es dann zu riesigen Veränderungen im Strafvollzug kommt. Das ist alles gerichtsfest dargelegt und ich glaube kaum, dass die Länder so viele Spielräume haben werden, dass sie das alles ändern können, was letztendlich schon entschieden ist. – Sie sind Rechtsanwalt und können das vielleicht am besten bewerten.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich ein deutlicher Befürworter des Föderalismus und von Freiräumen der Länder bin. Diese Freiräume müssen aber an der richtigen Stelle bestehen, und das nötige Geld muss zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Da kann ich immer nur auf unseren ehemaligen Finanzminister und jetzigen Ministerpräsidenten verweisen. Er hat immer deutlich gemacht: Wenn wir eine Aufgabe übertragen bekommen, dann müssen wir sie auch finanzieren, ansonsten ist das ein falscher Handel.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Nein, ich gestatte keine.

Wir brauchen deshalb im Vorfeld der Grundgesetzänderung eine verantwortungsbewusste und ergebnisoffene Diskussion in Bund und Ländern. Vor- und Nachteile müssen sorgsam abgewogen werden. Grundlage für die abschließende Entscheidung müssen die im Deutschen Bundestag vorgesehenen Anhörungen sein. Diese – Herr

Kollege Lichdi – beginnen jedoch erst am Montag, dem 15. Mai 2006 – eine Mammutanhörung von über einer Woche. Vor diesen Anhörungen sollten keine abschließenden Entscheidungen getroffen werden. Dies gilt sowohl für den Bund als auch für die Länder. Deshalb lehnen wir diese Anträge ab.

Für die abschließenden Entscheidungen in Bundestag und Bundesrat und die angesprochene Abwägung von Vor- und Nachteilen muss im Blick behalten werden, dass beispielsweise die Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau zu keinen untragbaren finanziellen Einbußen der Länder und der Universitäten oder gar zum Stopp von Bauvorhaben führen darf. Es kann nicht das Interesse des Freistaates Sachsen und der Länder sein, dass solche Entwicklungen durch die geplanten Veränderungen entstehen können. Hier muss auch ein angemessener finanzieller Ausgleich des Bundes an die Länder vorgesehen werden.

Die vorgesehene konkurrierende Kompetenz zur Regelung der Hochschulzulassungen und der Hochschulabschlüsse und die Erlaubnis der Länder, von diesbezüglichen Regelungen des Bundes abzuweichen, dürfen nicht dazu führen, dass Vergleichbarkeit und Anerkennung nicht gewährleistet bleiben. Die Mobilität der Studenten darf innerhalb der deutschen Länder keine Illusion werden.

Im Umweltrecht ist zu beachten, dass keine zusätzlichen bürokratischen Hürden für Unternehmen aufgebaut werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das tun Sie!)

Hier ist zu befürchten – Herr Kollege Lichdi, Sie können zuhören –, dass Unternehmen, die Zweigstellen in mehreren deutschen Ländern haben, in jedem Bundesland auf andere Genehmigungsvoraussetzungen und damit Anforderungen stoßen. Änderungen dürfen nicht zu Rechtsunsicherheiten führen. Insbesondere im Strafvollzugsrecht darf es nicht zur Vernachlässigung des Resozialisierungsgedankens kommen.

(Beifall der Abg. Stefan Brangs und Martin Dulig, SPD)

Je stabiler dieser Gedanke im Strafvollzug verfolgt wird, desto weniger Kosten hat man später vielleicht mit Wiederholungstätern. Das muss doch im Interesse der gesamten Gesellschaft liegen. Durch Standardabbau besteht die Gefahr des Steigens der Rückfallquoten und der Gefährdung der inneren Sicherheit, und das gerade wollen wir im Freistaat Sachsen nicht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Hinsichtlich der Schulpolitik bleibt darauf hinzuweisen, dass die Länder bisher schon die Gesetzgebungskompetenz hatten. Dies hat Sachsen und seinen Schülern bisher sehr gut getan.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wesentliches Argument für die Zuständigkeit der Länder für die Schulpolitik ist der Wettbewerbsgedanke. Auf dem Weg zu einem qualitativen und leistungsfähigen Schulsystem ist Konkurrenz zwischen den deutschen Ländern und die Möglichkeit des Lernens von erfolgreichen Regionen nur förderlich. So konnten bereits mehrere Bundesländer das Abitur nach zwölf Jahren von Sachsen abschauen.

(Oh-Rufe von der Linksfraktion.PDS – Unruhe)

Sachsen hatte das Abitur nach zwölf Jahren nach der friedlichen Revolution beibehalten und in der Kultusministerkonferenz und nunmehr auch deutschlandweit durchgesetzt. Sicherlich gab es eine Zeit davor, die wir alle kennen, in der die Ausbildung, die die Abiturienten damals in vielen technischen Bereichen oder in den Naturwissenschaften hatten, nicht schlechter war als in anderen deutschen Ländern – das werden die Bildungspolitiker am besten wissen. Die politischen Fragen können wir wegdrücken – wir haben auch kein Interesse daran, dass wir dahin zurückkehren.

Dennoch muss man sagen: Zwölf Jahre Schule ist etwas, was aus Sachsen in die anderen deutschen Länder gegangen ist und sich letztendlich auch in der Kultusministerkonferenz vielleicht durch diesen schweren Moloch umgesetzt hat.

Grund für sächsische Erfolge war auch die Kontinuität der sächsischen Schulpolitik, die im Bund so nicht gewesen wäre. Wenn man so einfach sagt, jetzt sollen es die anderen machen – wer garantiert denn, dass alles besser wird, wenn es jemand anders macht? Sicherlich, bei allen Fehlern, die auch in unserem Land passiert sind, garantiert doch niemand, dass, wenn es jemand anders übernimmt, überhaupt keine Fehler mehr geschehen. Ich rate also davon ab, dass man sich solchen Experimenten länger widmet.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es in Deutschland ein einheitliches Schulsystem gäbe, dann wäre jetzt nach sechs Jahren rot-grüner Politik das sächsische Schulsystem genauso schlecht wie in Bremen, Hamburg oder vielleicht in Niedersachsen.