Wünscht noch eine Fraktion in der Diskussion zu sprechen? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatregierung: Gibt es Redebedarf? – Bitte, Herr Minister Flath.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich werde auch diese Rede stellvertretend für den Finanzminister halten und will mich an das Konzept halten.
Vielleicht fordern Sie mich dann doch wieder heraus, Herr Prof. Porsch, noch die eine oder andere Anmerkung zu machen.
Die Erhöhung der Umsatzsteuer um drei Prozentpunkte von derzeit 16 % auf 19 % ab dem 1. Januar 2007 ist Bestandteil eines umfangreichen Maßnahmenpakets der Bundesregierung. Mit diesem Maßnahmenpaket sollen die öffentlichen Haushalte konsolidiert und mehr Wachstum und Beschäftigung insgesamt erreicht werden.
Im gleichen Schritt mit der Umsatzsteuererhöhung soll zum 1. Januar der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte auf 4,5 % gesenkt werden. Diese Absenkung, die Unternehmer und Arbeitnehmer gleichzeitig entlastet, wird vom Bund mit dem Aufkommen eines Mehrwertsteuerpunktes unterstützt. Die Erhöhung des Regelsatzes bei der Umsatzsteuer ist der deutlichen Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung nicht nur dienlich, sie macht eine solche Senkung überhaupt erst möglich.
Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 sollen diese beiden Maßnahmen umgesetzt werden. Ich bin zuversichtlich, dass das Gesetzgebungsverfahren noch vor der Sommerpause abgeschlossen wird.
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, dass nicht nur die Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte von 6,5 auf 4,5 abgesenkt wird, sondern gleichzeitig auch die Rentenversicherungsbeiträge von 19,5 auf 19,9 erhöht werden sollen?
Frau Simon, da ich in der Rede von Horst Metz bin, muss ich mir überlegen, was Horst Metz jetzt wohl geantwortet hätte. Dazu würde ich Ihnen erst einmal sagen: Erstens hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Zweitens ist es ja kein Widerspruch zu dem, was ich gerade erklärt habe: dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer damit zusammenhängt, dass nur mit dieser Maßnahme eine Absenkung der Arbeitslosenversicherung möglich ist. Dem widerspricht es nicht.
Eine für Unternehmer und Arbeitnehmer gleichermaßen spürbare Entlastung von Lohnzusatzkosten, wie sie nunmehr bevorsteht, hat der Arbeitsmarkt insgesamt bitter nötig. Ein solcher Schritt kommt besonders den Bereichen zugute, in denen ohnehin nicht sehr viel verdient wird. Schließlich sind die Chancen von weniger gut Qualifizierten, einen Arbeitsplatz zu finden, in besonderem Maße von den Lohnkosten abhängig. Die Entlastung der Arbeitskosten um zwei Prozentpunkte wird die Arbeit
wieder ein wenig bezahlbarer machen und führt gerade in den niedrigen Tarifgruppen dazu, den Druck zur Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Ausland zu verringern. Gleichzeitig gilt: Je rentabler Arbeit, desto unrentabler Schwarzarbeit. Auch das wirkt sich auf den Arbeitsmarkt positiv aus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Effekte treten nicht irgendwo in weiter Ferne auf. Davon werden wir in Sachsen – sächsische Arbeitnehmer und sächsische Arbeitslose – unmittelbar profitieren. Wenn es dabei hilft, Menschen in Lohn und Brot zu bringen, darf man eine moderate Anhebung der Umsatzsteuer nicht von vornherein ausschließen.
Die Mehrwertsteuererhöhung dient aber auch dem Abbau des hohen Finanzierungsdefizits der öffentlichen Haushalte. Wir müssen bedenken, dass nicht alle öffentlichen Haushalte in Deutschland so wie der sächsische schon frühzeitig auf die Herausforderungen der kommenden Jahre ausgerichtet wurden. Die Länder und auch der Bund müssen trotz des Vorranges der Ausgabenreduktion ihre Einnahmen stabilisieren. Auch vor diesem Hintergrund führt an einer Verbreiterung der Einnahmenbasis kein Weg vorbei. Davon wird der Freistaat Sachsen profitieren – darauf sei hingewiesen. Unser Ziel, 2009 einen ausgeglichenen Staatshaushalt aufzustellen, können wir besser erreichen.
Dazu erlaube ich mir eine Anmerkung, mit der ich keineswegs gegen den Koalitionsvertrag verstoßen werde. Ich würde in die Rede ein „spätestens“ einfügen. Unbestritten: Der Freistaat Sachsen profitiert von einer Mehrwertsteuererhöhung.
So könnten wir das Ziel, spätestens bis 2009 einen ausgeglichen Staatshaushalt aufzustellen, besser erreichen. Ich bin heute nach dieser Debatte und der Haushaltsberatung zuversichtlicher geworden, dass es tatsächlich möglich sein könnte, das Ziel eher zu erreichen.
Zum anderen sinkt das Risiko, für die Schieflage der Haushalte anderer Länder oder des Bundes mit in Anspruch genommen zu werden. Diesen Aspekt sollten wir keinesfalls unterschätzen. Denken Sie an die aktuellen Versuche des Landes Berlin, seinen Schuldenberg auf die bundesstaatliche Gemeinschaft abzuwälzen.
Meine Damen und Herren! Ich kann darüber hinaus nicht erkennen, dass die Umsatzsteuererhöhung sozial unausgewogen sein soll.
Die Tariferhöhung bei der Umsatzsteuer bezieht sich ausschließlich auf den Regelsteuersatz. Betrachtet man die Tarife der Umsatzsteuer in Deutschland aus sozialpolitischer Sicht, so kann man gut erkennen, dass der Regelsatz den „Spitzensatz“ eines dreistufigen und insofern auch progressiv wirkenden Steuerungssystems darstellt. Zahlreiche Waren und Dienstleistungen sind dagegen ganz von der Umsatzsteuer befreit. Dazu zählen zum
Beispiel die Wohnungsmieten. Andere Güter unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Dazu gehören Lebensmittel, Bücher und Zeitschriften.
Vor allem diejenigen Bevölkerungsgruppen, für die immer vorgetragen wird, sie wären von einer Mehrwertsteuererhöhung in besonderem Maße betroffen – ich nenne beispielsweise Geringverdiener und Rentner – konsumieren doch üblicherweise überproportional jene Güter, die entweder gar nicht mit Umsatzsteuer belegt sind oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Gerade in diesem Bereich wird es aber nicht zu einer Umsatzsteuererhöhung kommen.
Meine Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien in Berlin hat den Bürgern in unserem Land von Beginn an klar gesagt, mit welchen Maßnahmen sie zu rechnen haben und warum. Die Mehrwertsteuererhöhung wurde von vornherein als verbindlicher und vor allem unvermeidbarer Schritt bekannt gemacht. Deshalb kommt die Erhöhung des Regelsteuersatzes bei der Umsatzsteuer für weite Teile der Bevölkerung nicht überraschend.
Nach meiner Auffassung soll sich Politik an ihre Ankündigungen halten. Dann ist auch gewährleistet, dass die Konsumenten solche Ankündigungen verlässlich in ihre Planungen einbeziehen können und einbeziehen werden. Für die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes in Verbindung mit einer Senkung der Lohnzusatzkosten gibt es kurzfristig keine vergleichbare vernünftige und wirksame Alternative. Vor diesem Hintergrund hat die Staatsregierung die vorgesehene Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar kommenden Jahres unterstützt.
Ich komme nicht umhin, einige Anmerkungen aus der Debatte heraus zu machen. Herr Zastrow, natürlich ist es in der Politik erlaubt, populär zu sein. Umgekehrt ist es auch erlaubt, jemandem Populismus vorzuwerfen. Eine Mehrwertsteuererhöhung ärgert im Grunde genommen alle im Lande. Es ist nicht ganz redlich, wenn Sie so tun, als hätten Sie als FDP nie mit Verantwortung dafür getragen, dass heute die Staatsschuld in Deutschland einfach zu hoch ist.
Dafür waren Sie auch zu lange in der Regierung. Eines will ich anfügen: Die PDS übertrifft Sie bei Weitem im Populismus.
Ich habe es genau verfolgt, Frau Simon. Die Rede war toll zusammengestellt – ich möchte ausdrücklich die jüngeren Abgeordneten herausnehmen –, als hätten Sie gar nichts damit zu tun.
Wissen Sie, wer in der DDR Verantwortung getragen hat, der sollte an solch einem Punkt ganz still sein.
Das ist jetzt etwas schwierig, aber natürlich gestatte ich sie. Ich muss dann den Gedanken später wieder aufnehmen.
Sie können ihn ja noch zu Ende bringen. Ich möchte nur nicht, dass Sie dann am Ende Ihrer Ausführungen sind und ich die Frage nicht mehr zulassen darf.
Herr Staatsminister! Darf ich Ihre freundlichen Anmerkungen dazu, dass die FDP auch schon einmal eine Mehrwertsteuererhöhung mit beschlossen habe, dahin gehend verstehen, dass jeder, der jemals zu einer Steuererhöhung Ja gesagt hat, in Zukunft nie mehr etwas gegen neue Steuererhöhungen sagen dürfte?
Ich bezog mich mit meiner Kritik darauf: Wenn man sich die Verschuldungssituation der Bundesrepublik anschaut, dann sieht man, dass die Lumperei im Grunde in den siebziger Jahren begann. Wenn man dann schaut, wer in Regierungsverantwortung war – es waren Jahre, in denen es der Bundesrepublik vergleichsweise nicht schlecht ging, aber man sich von Jahr zu Jahr mehr leisten wollte, als im Haushalt war –: Seit 1970 war viele Jahre die FDP in Regierungsverantwortung. Gleichwohl stimme ich zu, wenn Sie anfügen, dass natürlich auch die rot-grüne Bundesregierung noch einmal kräftig in den Jahren zugelangt hat.
Als Abschluss wollte ich die PDS daran erinnern, dass sie natürlich einen erheblichen Anteil mitträgt.
Es wurde richtigerweise angeführt, dass natürlich die deutsche Einheit geschultert werden musste. Leider hat man darüber zu oft gesagt, man könne es aus der Portokasse bezahlen. Das ist freilich nicht so. Es hat sehr viel Geld gekostet.
Ich will den jüngeren Abgeordneten eines aufs Butterbrot schmieren: Wissen Sie, die DDR hat 1989 nicht ohne Grund geendet, sondern sie war pleite. Sie war restlos pleite gewesen.