Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über die Initiative der Bundesregierung für Mehrgenerationenhäuser. Wir haben in der Debatte festgestellt, dass es ein gewisses Rätselraten darum gibt, was nun eigentlich damit gemeint sein könnte. Auch die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme geschrieben, dass es bisher keine inhaltlichen Festlegungen gibt und die Finanzierung noch ziemlich offen ist – bis auf die 88 Millionen Euro, die mit einem Sperrvermerk im Bundeshaushalt eingestellt sind.
Aus diesem Grund unterstützen wir den Antrag der Koalition, weil er wahrscheinlich etwas Licht in das Dunkel bringen kann, und wir würden darum bitten, dass über die geplante Bund-Länder-Tagung im Mai berichtet wird.
Mehrgenerationenhäuser – so viel wissen wir – sind ein Lieblingsprojekt der Ministerin Frau von der Leyen. Und es ist sicher auch richtig, dass man annehmen kann, dass
dem Ganzen das Konzept der Mehrgenerationenhäuser, das in Niedersachsen so umgesetzt wurde, zugrunde liegt. Diese Mehrgenerationenhäuser Niedersachsens sind eine mögliche Antwort auf die Veränderung des sozialen Lebens. Sie können ein Beitrag zum Aufbau neuer Nachbarschaften mit Begegnungs- und Kontaktmöglichkeiten sein, und zwar zwischen Jung und Alt.
Ich kenne reichlich eine Hand voll Familien- und Mütterzentren, unter anderem auch das in Salzgitter in Niedersachsen, das als Modell dafür stehen dürfte; ich kenne eines in Zwickau, eines in Crimmitschau – ich weiß einigermaßen, wovon ich spreche.
Im Mittelpunkt dieser Häuser steht immer der offene Treff. Das ist in den allermeisten Fällen die Kaffeestube, in der sich die verschiedenen Generationen, wenn man so will, treffen können, in denen sich Eltern mit Kindern treffen können und Omas dabeisitzen. Daneben gibt es noch Räume für Kinder, für Schülerinnen und Schüler, eben für alle Generationen. Und es ist ganz normal, dass ein Kind in der Kaffeestube vom Schoß seiner Mutter auf den Schoß der daneben sitzenden Frau krabbelt.
An diesem Tisch werden Probleme des Alltags unkompliziert besprochen. Dort können Netze geknüpft werden und gleichzeitig ist in diesen Mütter- oder Familienzentren – so wie ich sie kenne – der Platz dafür, dass sich Menschen ausprobieren können. Menschen, die zum Beispiel keine Arbeit mehr haben, können dort probieren, welche Fähigkeiten sie haben, und aus diesem Ausprobieren sind oft neue Impulse für das Leben der Einzelnen entstanden.
Es gibt zum Beispiel Frauen, die dann anbieten, für andere Familien und ihre Kinder Kindergeburtstage – in dem Sinne „Einmal Prinzessin sein“ oder: “Heute sind wir im Zoo“ – zu veranstalten, und sich damit ein kleines Einkommen verschaffen.
Das unterstützen wir. Aber es ist eben nicht unbedingt dasselbe, wenn man daran denkt, dass unter Mehrgenerationenhäusern verstanden werden könnte, dass mehr Generationen unter einem Dach wohnen – das sieht das niedersächsische Konzept nicht vor. Das Besondere daran ist, dass dort Laien und Professionelle zusammenarbeiten und sich ergänzen.
Ich möchte noch einige kritische Anmerkungen dazu machen oder zumindest einige, die überlegenswert sind, wenn man das Konzept der Bundesregierung in Sachsen umsetzen will. Zunächst sollte man – das hat die Staatsregierung auch vor – den Ausbau bereits bestehender Familienzentren und generationsoffener Begegnungsstätten ins Auge fassen, und zwar erstens, weil sonst das Geld nicht reicht, und zweitens, weil die Erfahrung aus Niedersachsen zeigt, dass diese Mehrgenerationenhäuser immer dann erfolgreich sind, wenn sie an vorhandenen Initiativen andocken, und nicht, wenn sie auf dem Reißbrett entstehen und auf die grüne Wiese gesetzt werden. Dann haben sie nämlich keinen Erfolg.
Damit im Zusammenhang steht der Titel der Einrichtung. Man sollte bestehenden Einrichtungen sicherlich nicht überstülpen, dass sie sich Mehrgenerationenhäuser nennen müssen. Man sollte sich überlegen, wie der Titel gewählt wird, und er muss so gewählt sein, dass er ein niederschwelliges Angebot signalisiert und gleichzeitig deutlich macht, dass er für alle Generationen offen ist.
Es muss eine Vernetzung zu anderen Angeboten in der Region bestehen, also zum Beispiel zu Beratungsstellen der verschiedensten Art.
Das Manko – so wie ich es von Familienzentren kenne – ist derzeit, dass Männer dort im Allgemeinen eher selten anzutreffen sind. Sie kommen zum Mittagessen – sofern Familienzentren ein offenes Mittagessenangebot haben. Wir müssen uns überlegen, wie wir erreichen können, dass sie auch zu anderen Angeboten kommen. Vielleicht wird es anders, wenn auch Väter zu Hause sind und mit ihren Kindern dort erscheinen.
Wir müssen uns außerdem überlegen, was nach fünf Jahren passiert. Die niedersächsischen Mehrgenerationenhäuser werden fünf Jahre gefördert. Meine Erfahrung sagt: Nach fünf Jahren hat sich eine Einrichtung nicht etabliert. Nachbarschaftsbeziehungen müssen wachsen, und dafür reichen fünf Jahre nicht aus. Wenn sie nach fünf Jahren keine Professionellen mehr haben, sondern alles mit Ehrenamt machen wollen, dann geht es den Bach hinunter. In einem Familienzentrum habe ich es erlebt: Die hatten ein generationsübergreifendes Angebot, die hatten ein Angebot für Senioren, und das haben sie just zum Ende letzten Jahren einstampfen müssen, weil sie die Förderung dafür nicht mehr bekommen haben. Deshalb sollten wir uns vorher überlegen, wie wir eine langfristige Finanzierung sichern können.
Weiterer Aussprachebedarf seitens der Faktionen? – Besteht nicht. Wir hörten soeben das Stichwort Kindergeburtstag – das Geburtstagskind will selbst sprechen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Staatsregierung begrüßt die Pläne für eine mittelfristige Förderung der Mehrgenerationenhäuser außerordentlich. Das Miteinander der Generationen, gegenseitige Hilfe, Beratungsmöglichkeiten und natürlich auch Dienstleistungen
Zwischenzeitlich hat sich die Bundesregierung stärker inhaltlich positioniert. Zum Zeitpunkt der Beantwortung der Anfrage – Sie haben es erwähnt – konnten wir leider selbst noch keine klaren Aussagen treffen, wobei ich auch heute die Einschränkung machen muss, dass im Moment noch nicht so klar ist, wie es am Ende laufen soll. Aber zumindest etwas konkreter kann ich heute schon werden, sodass für Sie die eine oder andere Information dazukommen kann.
Ausgangspunkt für die Mehrgenerationenhäuser können laut der Konzeption des Bundes nicht nur neue, sondern auch – wie von den VorrednerInnen schon ausgeführt – bereits bestehende Einrichtungen sein. Ich halte es nach wie vor für richtig und werde in Gesprächen mit den Landkreisen und Kreisfreien Städten dafür werben, nicht grundsätzlich auf neue Einrichtungen zu setzen, weil dann genau das passieren würde, was schon angesprochen worden ist: die Infragestellung einer nachhaltigen Finanzierung. Wir in Sachsen können bereits auf sehr gute Initiativen verweisen.
Herr Krauß hat bereits angesprochen, dass bereits bestehende Einrichtungen die Voraussetzungen für ein solches Mehrgenerationenhaus erfüllen können. Das können sowohl Kindereinrichtungen als auch die so genannten Familienzentren in unserem Land sein – ich halte dies nach wie vor für richtig –, aber auch Seniorenangebote anderer Couleur sowie schulische, kulturelle und sportliche Jugendeinrichtungen. Voraussetzung sind natürlich die in der Konzeption genannten adäquaten Angebote; Herr Krauß hat eine Fülle von Möglichkeiten genannt. Die aktiven Familienzentren in Sachsen machen sehr deutlich, dass man sich an den regionalen Besonderheiten, aber auch an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert und dass es sehr gut funktioniert. Ferner ist wichtig, dass entsprechende Räumlichkeiten für diese Arbeit vorhanden sind.
Der Bund will, wie gesagt, in den nächsten fünf Jahren 88 Millionen Euro dafür aufwenden. Es ist zumindest grob avisiert, dass in jedem Landkreis und in jeder Kreisfreien Stadt die entsprechenden 40 000 Euro ankommen sollen. Inwieweit diese Gelder dann auf mehrere bestehende Einrichtungen mit einer ergänzenden Konzeption oder auf ein Haus ausgerichtet sind, können wir im Moment noch nicht sagen. Ich plädiere dafür, das nicht im Vorfeld festzuschreiben.
Aus unserer Sicht finden sich insbesondere in den sächsischen Familienzentren schon heute viele Elemente der Konzeption der Mehrgenerationenhäuser, sodass ich optimistisch bin, dass wir in Sachsen die Möglichkeit der Bundesförderung in hohem Maße in Anspruch nehmen werden. Ich würde mich freuen, wenn sich eine große Anzahl der bereits aktiven Familienzentren um die Bundesförderung bewerben und darum bemühen würden, ihre Konzepte, wo erforderlich, zu erweitern bzw. neu auszurichten.
Nachdem wir in den letzten Wochen den Bund dringend gebeten hatten, die Länder intensiver in die Gestaltung der Konzeption einzubeziehen und an der Abstimmung zu beteiligen, haben wir in der vergangenen Woche erreicht, dass eine entsprechende Bund-Länder-Beratung stattfindet. Dabei mussten wir feststellen, dass noch nicht alles klar ist. Auch in Zukunft hat der Bund nicht vor, uns in Größenordnungen an der konzeptionellen Ausrichtung zu beteiligen. Man hat zwar dankenswerterweise die Erfahrungen Sachsens aufgenommen, ist aber der Meinung, dort, wo die Fördermittel herkommen, solle auch die letzte Kompetenz angesiedelt sein.
Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass wir im Verlauf der nächsten Wochen und Monate mit dem Bund in Kontakt bleiben und so frühzeitig in die zu fällenden Entscheidungen einbezogen werden. Wir wissen zum heutigen Zeitpunkt zumindest, dass die erste Ausschreibung für die Mehrgenerationenhäuser im Sommer erfolgen soll und dass es im nächsten Jahr eine Wiederholung, sprich: eine zweite Ausschreibung, geben soll. Es ist geplant, dazu in den nächsten Wochen und Monaten ein Servicebüro einzurichten, das die Fragen, die zu den Konzepten bis hin zum Antragsverfahren sicherlich aus ganz Deutschland kommen werden, beantworten kann. Soweit wir im Moment informiert sind, wird diese Servicestelle auch die Fördermittelbehörde sein. Das Geld wird also nicht – so wie Sie, Herr Neubert, es sich gedacht haben – über das Land ausgezahlt, sondern es soll, beginnend mit dem 01.01.2007, direkt an die Kommunen fließen.
Wir hoffen, dass in jedem Landkreis und in jeder Kreisfreien Stadt entsprechende Bundesmittel ankommen, und gehen davon aus, dass sich die in Sachsen vorhandenen Einrichtungen aller Couleur bemühen, diese Möglichkeit aufzugreifen, um ihre eigenen Konzeptionen mit zusätzlichen Mitteln nachhaltig zu stärken. Zum anderen müssen wir natürlich wissen, dass eine dauerhafte Finanzierung über den Bund niemals möglich ist; solche Projekte gibt es nicht. Es wird immer befristet sein. Ich denke, mit der Befristung auf fünf Jahre haben die Einrichtungen die Möglichkeit, sich entsprechend auszurichten und eine nachhaltige Finanzierung zu sichern; denn es wird erwartet, dass diese Einrichtungen, wie es die Familienzentren schon heute tun, versuchen, auch wenn es schwer fällt, über bestimmte Einnahmenpotenziale ihre Haushalte stärken zu helfen.
Meine Damen und Herren! Die Informationen, die uns derzeit vom Bund vorliegen, sind sicherlich nicht zufrieden stellend. Trotzdem sollten wir gemeinsam dieses Angebot nicht schlechtreden, sondern versuchen, das Beste für Sachsen daraus zu machen und vor allen Dingen die vorhandenen Einrichtungen in ihrer guten Arbeit, die sie leisten, zu unterstützen. Es ist der richtige Weg, konstant eine Möglichkeit für Familien zu erhalten und diese auch in einer Vielfalt anzubieten. Das ist Familienpolitik. Das unterstützen wir. Ich hoffe deshalb, dass es eine Vielzahl von Bewerbern aus Sachsen gibt. Wir werden sie auf jeden Fall unterstützen.
Danke schön. – Ergibt sich nach den Ausführungen der Staatsministerin Frau Orosz noch der Wunsch zur allgemeinen Aussprache? – Das scheint nicht der Fall zu sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin, Sie haben das Stichwort genannt: das Beste daraus machen! Es ist ein Angebot, welches uns der Bund macht. Ganz neu ist der Gedanke ja nicht. Wir haben alle gemeinsam darauf verwiesen, dass solche Ideen schon länger in Taten umgesetzt werden. Die Bundesmittel werden an die Kommunen fließen. Dennoch ist es wichtig, dass wir unseren Landeseinfluss geltend machen, was Sie auch zugesichert haben.
Eine Menge von Ideen ist zusammengetragen worden. Es ist jetzt an uns, das Geld intelligent auszugeben. Herr Neubert, es sind eben nicht nur ein paar Euro. Wenn es uns gelingt, an die vorhandenen Strukturen anzudocken, ähnlich wie es Kollegin Herrmann beschrieb, dann ist das der richtige Weg. Es können Kitas sein; die verschiedenen Möglichkeiten wurden beschrieben.
Die bestehenden und die in den Kommunen noch geplanten Strukturen sollten berücksichtigt werden. Unsere Strukturen sind mit denen in anderen Bundesländern nicht vergleichbar, auch nicht mit denen in Niedersachsen, wo Frau von der Leyen mit dem Gedanken, solche Häuser aufzubauen, angefangen hat. Wir sollten vielleicht auch andere Bundesministerien einbeziehen – meine Kollegin Weihnert hat es angesprochen –, zum Beispiel das Bundesministerium für Bauen, Wohnen und Verkehr; der Name ist noch etwas länger. Ebenso sollten wir versuchen, unseren Einfluss auf Bundesebene geltend zu machen, wie hier intelligent auch noch andere Mittel dazugenommen werden können.
Diese Idee, die von unten wachsen muss – wir können es sicherlich nicht von oben befehlen –, und die kreative Umsetzung sind unsere Chancen. Herr Neubert, Sie waren in dieser Frage äußerst destruktiv. Sie heben immer auf das Ehrenamt ab und behaupten, dafür sei nicht genug Geld da. Wir haben in unserem Land sehr viele Ehrenamtliche, die auch ohne Aufwandsentschädigung gern mitar
Frau Schütz, Sie sprachen von einem offenen Angebot. Auch unser Antrag ist ein offenes Angebot. Natürlich wollen wir diese Initiative der Bundesregierung aufgreifen, auch schon wegen der Möglichkeiten der Finanzierung. Es ist auch unser Wunsch, dass die Staatsregierung weiter darüber berichtet, wie dieser Prozess, wie sich das Servicebüro und die Ausschreibungen entwickeln, damit wir in Sachsen die Kommunen dabei unterstützen können, die Mehrgenerationenhäuser vor Ort zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/4269 zur Abstimmung und wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. –
Ja, Entschuldigung! Punktweise. Dann konkretisieren Sie bitte noch einmal bei Punkt 2. Wollen Sie dort auch über die Buchstaben a) bis c) einzeln abstimmen lassen?