Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE, Herr Abg. Schmidt und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Einreicherin, der Koalition CDU und SPD, das Wort. Herr Abg. Lehmann, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich ist alles gut eingerichtet. Die Mobilität kommt aus der Tankstelle. Eine warme Stube sichert das fast flächendeckend vorhandene Erdgasnetz. Der Strom kommt natürlich aus der Steckdose.
Wir wissen zwar, dass es in manchem Winkel der Erde Versorgungsengpässe gibt. Wir wissen, dass in den ländlichen Regionen Afrikas und Asiens die Subsistenzwirtschaft immer noch Standard ist. Wir wissen, dass viele Menschen in China frieren, weil die Heizungen fehlen.
Bis in unser Bewusstsein schaffen es allenfalls die regelmäßig steigenden Energie- und Benzinrechnungen. Diese Steigerungen werden aber vor allem der nationalen Steuerpolitik zugeschrieben. Entsprechende Hinweise darauf finden sich sogar inzwischen an den Tanksäulen. An die 30 Jahre zurückliegende Ölkrise mag sich auch keiner mehr so recht erinnern. Die global ablaufenden Entwicklungen interessieren höchstens noch die Fachleute.
Von einem gewissen Interesse sind unsere nationalen Eigentümlichkeiten. Wir streiten uns über die Verstromung von Kernenergie und den Nutzen und die Kosten des Energieeinspeisegesetzes. Wir neigen überhaupt dazu, uns mit unseren hausgemachten Problemen zu beschäftigen, und übersehen die Vorboten einer veränderten Situation auf den Weltmärkten.
Wer hat denn zur Kenntnis genommen, dass vor drei Jahren das Licht flackerte und zeitweise sogar ausging? Das Stichwort dazu ist Enron. Wer hat zur Kenntnis genommen, dass sich vor zwei Jahren der Weltmarktpreis für Stahl verdoppelt hat und dass es zu kaum für möglich gehaltenen Engpässen bei Koks kam? Die Wirtschaft reagierte, die Politik nicht so richtig.
Munter geworden sind wir erst, als sich der Anstieg der Ölpreise und damit der Benzinpreise als nachhaltig erwies. Munter geworden sind wir, als Gasprom zur Durchsetzung der Preisforderungen ihren Kunden in der Ukraine und in Weißrussland buchstäblich den Gashahn abgedreht hat. Munter geworden ist nun auch die Europäische Union. Der Energiegipfel, der unter der persönli
chen Leitung von Kommissionspräsident Barroso vor zwei Wochen stattfand, war das erste merkbare Achtungszeichen. Dem folgte nun vor wenigen Tagen unser nationaler Energiegipfel.
Die Europäer haben erkannt, dass in der Energiepolitik ein konsequentes business-as-usual in die Sackgasse führt.
Als ich noch zur Schule ging, habe ich gelernt, dass die fossilen Rohstoffe etwa noch 60 bis 80 Jahre reichen werden. Nun sind wir einige Jahrzehnte weiter und taxieren die Verfügbarkeit der Kohlereserven noch auf 200 Jahre, die von Öl und Gas auf mindestens 40 bis 60 Jahre. Vorausgesetzt wird dabei natürlich, dass diese Zahlen stimmen. Die wirkliche Mächtigkeit der noch vorhandenen Öl- und Gasreserven hat, wie wir wissen, in den betreffenden Ländern den Rang von Staatsgeheimnissen.
Alle Berechnungen gehen von einem moderaten Anstieg der weltweiten Energienachfrage aus. Diese Annahmen sind jedoch nur noch eingeschränkt belastbar. Die unerwartet hohen Wachstumsraten in den beiden Milliardenvolkswirtschaften China und Indien werden die Situation nachhaltig verändern. Die Preisentwicklungen bei Kohle und Stahl sind dafür ein ganz sicheres Zeichen. Es könnte aber noch schwieriger werden.
Stellen Sie sich vor, die Chinesen wollten sich auch ein Auto und eine moderne Wohnungshaltung leisten, wie sie in Europa Standard sind! Stellen Sie sich vor, die Inder wollten sich die gleichen Klimaanlagen anschaffen wie die Amerikaner! Diese Entwicklungen müssen bei allen energiestrategischen Planungen beachtet werden. Es gilt, drohenden Knappheiten präventiv entgegenzuwirken. Die USA tun das zumindest partiell. Sie versuchen, ihre Eigenproduktion etwa mit der Erschließung neuer Rohstoffressourcen in Alaska – ich weiß, dass das selbst in den USA umstritten ist – und mit der Verlängerung der Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke um weitere 20 Jahre zu stärken. Sie haben mit Indien die Lieferung des neuen kernenergetischen Know-hows vereinbart, um auf diese Weise der wirtschaftlich aufstrebenden Nation Alternativen zur Stromgewinnung aus der knappen Ressource Öl zu eröffnen. Sie haben aus ihren eigenen Problemen einiges gelernt. Es ist auch dort nicht mehr akzeptabel, dass die Energieunternehmen ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich in Richtung Maximalprofit optimieren. Für die Unternehmen müssen Investitionen in neue, effektivere Kapazitäten attraktiv gemacht werden. Dazu benötigen
sie vom Staat eine hinreichende Planungssicherheit und gegebenenfalls den nötigen steuerlichen Rahmen.
Knappheiten auf dem Ölmarkt bedeuten höhere Rohölpreise. Höhere Rohölpreise treiben die Preise auf dem Erdgasmarkt. Höhere Preise bei Öl und Gas geben den konkurrenzlos tätigen Stromerzeugern Anlass, durch das Drehen an der Preisspirale so genannte Windfallprofite zu generieren. Das ist nicht etwa eine Eigenheit der großen Konzerne – die kommunalen Stadtwerke haben in dieser Frage ähnliche Interessen. Sie verstehen es alle recht gut, ihre Preisanpassungen hinter dem EEG und der Steuerpolitik zu verstecken. Was betriebswirtschaftlich gut erscheint, ist für die Volkswirtschaften der entwickelten Industrieländer auf Dauer aber nicht akzeptabel.
Was kann die Politik in Deutschland tun? Auf direktem Wege wenig. Wir haben keinen direkten Einfluss auf die Preisgestaltung der Öl- und Gasproduzenten. Es gibt aber indirekte Möglichkeiten. Wir können unsere heimischen Kapazitäten weiter qualifizieren. Was zum Beispiel Vattenfall beginnt, ist marktkonformes Verhalten, das wir unterstützen sollten. Wir können die rechtlichen Voraussetzungen für einen echten Wettbewerb zwischen den Stromanbietern schaffen. Wir können die Bestrebungen der Europäischen Union zur Harmonisierung der Steuerpolitik unterstützen, und wir müssen in einer nationalen Innovationsoffensive dafür sorgen, dass Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energieverwendung effektiver werden und die regenerativen Alternativen schneller ihren Kinderschuhen entwachsen.
Das für diese Innovationen ursprünglich angenommene Zeitfenster droht kleiner zu werden. Klar ist, auf dem gegenwärtigen technischen Niveau sind die in Sachsen verfügbaren regenerativen Energien noch nicht wirklich wettbewerbsfähig. Sie sind Strompreistreiber.
Die weltweite Nummer 1 unter den regenerativen Energien ist die Wasserkraft. Sie ist in Sachsen kaum noch ausbaufähig. Das gilt, soweit es die Stromproduktion betrifft, auch für die Erdwärme, obwohl wir in Sachsen Anbieter von Komponenten für Geowärme zu Heizzwecken besitzen. Verbreiteter ist die Nutzung der Windenergie. Hier gibt es aber auch mehr Masse als Klasse. Es reicht nicht, wenn man zum Fenster hinausschaut und feststellt, dass die Landschaft gut verspargelt ist. Wichtig ist auch dort, was hinten rauskommt. Das ist noch unbefriedigend.
Ich habe dieser Tage mit einem Betreiber eines Windparks gesprochen. Den Namen will ich nicht nennen. Der Park ist nun seit zehn Jahren am Netz, er war mit einer der ersten. Er besteht aus sechs Windrädern mit einer Windleistung von insgesamt 3 600 kW, also sechsmal 600 kW. Die Ausbeute des letzten Jahres waren 3,8 Millionen kW. Bei angenommenen 8 200 Jahresstunden Verfügbarkeit der Anlagen ergibt das eine Ausbeute von gerade einmal zweistelliger Größe. Glänzende Augen hatte der Betreiber nicht. Er berichtete mir, dass man es schaffen könne, binnen 15 Jahren den Kapitaldienst zu bedienen, und dann hoffen müsse, dass so viel Geld übrig bleibt, um die dann
technisch total veralteten Anlagen zu demontieren. Verdient hat nur die Bank. Der Windradproduzent ist mittlerweile auch Pleite gegangen. Weht kein Wind, erzeugt das Windrad keinen Strom. Scheint die Sonne nicht, sind die Fotovoltaikzellen spannungslos.
Damit beim Kunden die Lichter nicht ausgehen, müssen dann in Windeseile Gaskraftwerke hochgefahren werden, in Sekunden. Strom aus Gas ist aber teuer. Strom aus Gas ist der teuerste. Auf den Gaspreis – das sagte ich bereits – haben wir kaum Einfluss. Bleibt die Stromerzeugung aus Biomasse. Auch hier gibt es trotz aller Anfangserfolge noch Effizienzreserven und Forschungsbedarf. Eine weitere Herausforderung ist die Reduzierung des CO2-Austoßes bei der Verstromung fossiler Rohstoffe. Bisher funktioniert das nur auf Kosten des Wirkungsgrades. Dazu kommen noch viele andere spannende Fragen, insbesondere die der Energiespeicherung.
Das Tempo dieser Forschungen ist aus meiner Sicht nur mit einem stärkeren finanziellen Engagement der Energiewirtschaft selbst zu erhöhen. In dieser Hinsicht hat die schwarz-rote Koalition in Berlin große Chancen, das Richtige zu tun. Voraussetzung ist, dass der vereinbarte Prozess des Atomausstiegs intelligent strukturiert wird. In den nächsten Jahren würden vereinbarungsgemäß die ersten noch voll funktionsfähigen Atomkraftwerke vom Netz gehen müssen. Ein buchmäßig abgeschriebenes Atomkraftwerk verdient im Jahr etwa 300 Millionen Euro, Sie wissen das. Eine Verlängerung der Betriebsdauer unter der Auflage, den erzielten Gewinn in die Energieforschung zu stecken, würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen würde drohenden Knappheiten vorgebeugt und zum anderen ein echter Schub bei der Weiterentwicklung der regenerativen Energien erzeugt.
Das müsste sogar den GRÜNEN schmecken. In diesen schwierigen Fragen wird natürlich die Welt nicht am sächsischen Wesen genesen. Wir müssen aber mit unseren Mitteln darauf hinwirken, dass das magische Dreieck aus Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Preisentwicklung im Gleichgewicht bleibt. Solange es noch keinen vollen Wettbewerb unter den Stromerzeugern und den Verteilern gibt, muss der Staatsminister immer wieder darauf achten, dass die Ecke Preisentwicklung nicht sachlich unbegründet nach oben abdriftet.
Auf dem globalen Energiemarkt sind nachhaltige Veränderungen im Gange, an denen sich auch unser sächsisches Energieprogramm orientieren muss. Strengen wir uns also gemeinsam an, damit auch in Zukunft gilt: Die Mobilität kommt aus der Tankstelle, eine warme Stube sichert das flächendeckend vorhandene Erdgasnetz, und der Strom kommt natürlich aus der Steckdose, und das zu vertretbaren Kosten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Im Januar-Plenum habe ich bereits ausführlich zu den Thematiken „Strom- und Gaspreise auf Rekordniveau“ und „die Energieaufsicht der Sächsischen Staatsregierung“ Stellung genommen. Ebenfalls im Januar wurde hier im Hause der Antrag der Fraktion der GRÜNEN „Wettbewerbssituation auf dem sächsischen Strommarkt an der Leipziger Strombörse“ ausführlich diskutiert.
Die Entwicklung der Gas- und Strompreise war im September letzten Jahres Thema im Landtag. Ich will deshalb an dieser Stelle nur noch vier wichtige Punkte wiederholen:
1. Leider wird oft der Fehler gemacht, die verschiedenen Energieträger und -märkte zu vermischen. Die Märkte für Öl, Gas und Strom sind jedoch unterschiedlich strukturiert, ebenso die Sektoren Strom, Heizung und Verkehr. Der Slogan „Weg vom Öl“ hilft bei der Erklärung hoher Stromkosten wenig, da wir kaum Erdöl verstromen.
2. Die Handlungsreichweite und Durchschlagskraft der nationalen Energiepolitik hat in den letzten Jahrzehnten rapide abgenommen. Durch die in den neunziger Jahren durchgeführte Liberalisierung der europäischen Strom- und Gasmärkte mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen EU-Energiemarktes wurden die Gestaltungsmöglichkeiten zurückgedrängt.
3. Energiepolitik ist gleichzeitig Strukturpolitik. Aus diesem Grunde erfordert Energiepolitik strategisches Vorgehen statt kurzfristigem Taktieren, Nachhaltigkeit statt Aktionismus, langfristig angelegte Politik statt Effekthascherei.
4. Gerade unser mit Ausnahme der Kohle rohstoffarmes Land kann sich verschwenderisches Wirtschaften nicht leisten, sondern muss auf den Rohstoff Know-how setzen mit dem Ziel, die alternativen Energien und das Energiesparen weiter zu verbessern.
Deshalb ist für uns Erforschung, Entwicklung und Einsatz von effizienten Energien, intelligenten Produkten und Techniken besonders wichtig. Diese Anliegen werden mit dem Antrag der Koalition alle verfolgt.
Meine Damen und Herren! Uns liegt aber auch ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Keine Besteuerung von Kohle in privaten Haushalten“ vor.
Ich werde trotzdem auf diesen Antrag eingehen. Völlig im Gegensatz zur Bundes-FDP, versucht sich hier die sächsische FDP in dem Antrag, den sie vorlegen wollte, mit sozialem Gewissen darzustellen – ganz nach dem Motto: links blinken und rechts abbiegen. Die Kohlebesteuerung sei im höchsten Maße sozial ungerecht, so die FDP, da vor allem finanziell schwache Haushalte belastet würden. – Woher haben die Kollegen von der FDP diese Erkenntnis? Haben sie Untersuchungen vorliegen, dass die Nutzung von Kohle mit geringerem Einkommen zusammenhängt? Je ärmer, desto eher und mehr Kohle
Ziel des Antrages sei, wie sie behaupten, die Unterstützung einkommensschwacher Menschen. So weit, so gut. Doch haben sich in ihrem Antrag einige gravierende Denkfehler eingeschlichen. Fördert man soziale Gerechtigkeit, indem man einen neuen Ausnahmetatbestand und Nichtbesteuerung von Kohle in privaten Haushalten fordert? Mitnichten. Denn zugleich werden dadurch all jene einkommensschwachen Menschen benachteiligt, die nicht mit Kohle heizen und die damit nicht steuerlich besser gestellt werden.
Im Übrigen war es gerade die FDP, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, die 1997 durch ihren damaligen Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt die Einführung einer Energiesteuer für private Haushalte gefordert hat. Da kann ich nur sagen: Hört, hört! Sie sprechen immer von Bürokratieabbau und Verschlankung des Staates – und was machen Sie hier? Sie fordern immer neue Ausnahmetatbestände. Das ist meiner Meinung nach nichts anderes als Bürokratieausbau und nicht -abbau.
Meine Damen und Herren! Wir sächsischen Sozialdemokraten stehen schon seit über 130 Jahren für soziale Gerechtigkeit. August Bebel und Wilhelm Liebknecht haben hier in Sachsen dafür gestritten; Persönlichkeiten wie Georg Gradnauer, Richard Lipinski, Erich Zeigner, Otto Nebrig und Rudolf Friedrichs haben Sachsen geprägt, das nicht zufällig den Titel „Freistaat“ 1919 von uns Sozialdemokraten erhalten hat.
Meine Damen und Herren von der sächsischen FDP: Rein hypothetisch, falls es wirklich einmal so sein sollte, dass die SPD – die Partei meiner Urgroßeltern, Großeltern und Eltern – nicht mehr für soziale Gerechtigkeit stehen sollte, nicht mehr die Partei der kleinen Leute sein sollte – ich meine ganz hypothetisch –, dann eröffnen sich mit der sächsischen FDP offensichtlich als Hort sozialer Gerechtigkeit ganz ungeahnte Perspektiven.
Aber das ist natürlich völlig hypothetisch. Wir Sozialdemokraten werden nicht zulassen, dass die Wurzeln und das historische Fundament unserer Partei abgeschlagen werden, auch wenn dies einige neoliberale Äxte schon seit Jahren – und ich muss leider zugestehen: nicht ganz ohne Erfolg – versuchen.
Meine Damen und Herren! Kurzum, wir haben es wieder mit einer Effekthascherei zu tun, auch wenn die FDP diesen Antrag letztlich zurückgezogen hat; sie hat ihn formuliert und eingebracht. Das alleinige Ziel eines solchen Antrages ist die Verfolgung schneller Schlagzeilen.
Dem Antrag der Linksfraktion.PDS können wir bedauerlicherweise auch nicht zustimmen, da sich der gemeinsa
me Antrag der Koalition auf alle Energieträger und nicht nur auf Gas und auf Strom bezieht. Sie springen hier zu kurz.