Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich gut – ich glaube, mit diesem Sprichwort lässt sich das Beratungsverfahren zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes und das Ergebnis, das wir dabei erzielt haben, treffend beschreiben.
Wir haben die hierzu vorliegenden Gesetzentwürfe ausführlich und intensiv beraten. Dabei ist das Urteil des Verfassungsgerichts ausführlich gewürdigt worden. Wir hatten eine große Anhörung dazu; die Ergebnisse sind in die Beratung eingeflossen. Weitere Änderungen haben wir in den Ausschussberatungen vorgenommen und ich bin sicher, dass wir zu der Fassung des Koalitionsgesetzentwurfes von CDU und SPD – Ihnen als Beschlussempfehlung vorliegend – mit Fug und Recht feststellen können: Mit diesem Gesetz setzen wir die Vorgaben, die uns das Verfassungsgericht in Sachsen mit seinem Urteil vom 21. Juli des letzten Jahres gemacht hat, fristgerecht und vollständig um. Wir tragen damit dafür Sorge, dass das Landesamt für Verfassungsschutz auch in Zukunft seine Arbeit auf einer klaren, rechtsstaatlich einwandfreien Grundlage fortsetzen kann.
Dabei bin ich mir durchaus darüber im Klaren, dass dies dem einen oder anderen – wir hörten es schon in den Vorträgen einiger Oppositionsredner – gar nicht so recht gefällt. Dem einen oder anderen wäre es lieber – dabei schaue ich nach links und nach rechts; eigentlich müssten sie auch links sitzen, aber sie sitzen hier noch rechts –,
Einmal ganz davon abgesehen, dass wir zum Unterhalt eines Verfassungsschutzes auf Landesebene durch Bundesrecht verpflichtet sind, möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen: Das Landesamt für Verfassungsschutz und seine Arbeit sind unmittelbarer Ausfluss einer Entscheidung für eine wehrhafte Demokratie, die verfassungsfeindlichen Aktivitäten eben nicht tatenlos zusieht und zu der wir uns ausdrücklich bekennen. Wir werden nicht dulden, dass Neonationalsozialismus in Zukunft hier Boden greift. Die Auflösungserscheinungen in der NPD sind ja ein beredtes Zeichen dafür.
Deshalb ist es wichtig, dem Landesamt für Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen eine klare und verfassungsrechtlich saubere Arbeitsgrundlage zu schaffen.
Lassen Sie mich auf zwei Aspekte des Gesetzentwurfes etwas näher eingehen, die beide in der Anhörung und in den Ausschussberatungen eine große Rolle gespielt haben. Dabei ist einmal die Frage der Beobachtung von Bestrebungen der Organisierten Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz angesprochen und zum anderen haben wir uns in Würdigung der Kritik des Verfassungsgerichtshofes und im Ergebnis der Anhörung
dazu entschieden, diese isolierten Aufgaben aus dem Gesetz zu streichen. Damit haben wir dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendienst in Artikel 83 der Sächsischen Verfassung noch stärker als bisher Rechnung getragen, dessen Bedeutung gerade der Verfassungsgerichtshof deutlich unterstrichen hat. Die Leipziger Richter haben in diesem Zusammenhang festgestellt, die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität gehöre zu den Kernaufgaben der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden. Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof auch festgestellt – und ich unterstreiche das ausdrücklich –, dass eine Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz nicht in allen Fällen unzulässig ist. Herr Lichdi, die Organisierte Kriminalität ist übrigens klar definiert. Wenn Sie hier einen Herrn Lampe zitieren und auf der einen Seite sagen, es gäbe keine Definition, und ein paar Sätze später sagen, es gibt eine offizielle Definition, dann widersprechen Sie sich selber.
Ich zitiere hier ausdrücklich aus der Gesetzesbegründung: „Soweit bestimmte Kriminalitätsbestrebungen zugleich Ziele des Verfassungsschutzes berühren, insbesondere eine Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder den Bestand des Bundes oder der Länder darstellen, kann sie das Landesamt für Verfassungsschutz beobachten und mit seinen Erkenntnissen zu ihrer Bekämpfung in Zusammenarbeit mit anderen Behörden beitragen.“ Das heißt, eine Beobachtungszuständigkeit des Verfassungsschutzes ist dann eröffnet, wenn seine klassischen, ohnehin im Gesetz geregelten Zuständigkeiten berührt sind. Wir haben dies in einer Protokollerklärung in der Ausschussberatung ausdrücklich unterstrichen.
Es ist sicher so, dass die Bestrebungen Organisierter Kriminalität vor allem durch das Streben nach Macht und finanziellem Gewinn geprägt sind. Hier ist die Polizei mit der Bekämpfung beauftragt. Wenn Organisierte Kriminalität aber so weit geht, dass sie den Staat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet, um ihre Ziele zu erreichen, dann will sie damit in aller Regel bewusst die Funktionsfähigkeit des Staates und staatliche Abläufe zu ihren Gunsten beeinträchtigen. Damit sind auch politisch motivierte Ziele verbunden. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer gesonderten Regelung der Beobachtung der Organisierten Kriminalität im Verfassungsschutzgesetz nach unserer Auffassung nicht.
Ich widerspreche auch allen verharmlosenden Eindrücken, die hier der OK zugebilligt werden. Wir wissen, dass die Täter vom World Trade Center in New York, vom Welthandelszentrum, eben aus Hamburg kamen und sich dort in einer Wohnung vorbereitet haben. Hätte es einen wirksamen Verfassungsschutz in Hamburg gegeben und wäre dort abgehört worden, wären möglicherweise diese Dinge verhindert worden.
Herr Lichdi, der damit verbundene Terrorismus ist zunächst über Organisierte Kriminalität zum Zwecke der Geldbeschaffung sichtbar geworden. Das kann man
einfach nicht unter den Tisch fallen lassen. Für uns stehen zunächst die Bürgerrechte und der Schutz der Bürger im Mittelpunkt. Dabei sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben einzuhalten.
Lassen Sie mich nun noch zu einem zweiten Aspekt im Zusammenhang mit dem Gesetz kommen. In der Anhörung wurde auch die Frage kritisch erörtert, ob man dem Landesamt die Befugnis einräumen sollte, im Rahmen seiner Arbeit Mittel zur akustischen Wohnraumüberwachung einzusetzen. Die Gesetzentwürfe der Opposition sehen – und Sie haben das noch einmal aus Ihrer Sicht hervorgehoben – diese Möglichkeit ausdrücklich nicht vor. Ich und die Koalition, aber vor allem auch die CDUFraktion, sind überzeugt davon, dass wir nicht völlig darauf verzichten können, dem Landesamt für Verfassungsschutz im Einzelfall auch dieses Beobachtungsinstrument an die Hand zu geben. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns leider fast schon daran gewöhnt haben, dass Extremismus und Terrorismus in dieser Welt alltäglich sind. Wir wissen, dass gerade Organisationen des internationalen islamistischen Extremismus Deutschland bis heute gern als Operationsbasis benutzen. Das Beispiel habe ich angesprochen.
Ich bin sicher, dass wir angesichts dieser realen Bedrohung, selbstverständlich im Rahmen der möglichen verfassungsrechtlichen Vorgaben, wirklich alles tun müssen, um dieser Bedrohung wirksam entgegentreten zu können. Dazu gehört in der Konsequenz aber auch, die akustische Wohnraumüberwachung durch den Verfassungsschutz im Einzelfall zu ermöglichen. Selbstverständlich sind wir uns auch darüber im Klaren, dass damit ein massiver Eingriff in das Grundrecht nach Artikel 13 des Grundgesetzes verbunden ist. Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht für derartige Maßnahmen sehr enge Grenzen gesetzt und hohe Hürden aufgebaut. Der Einsatz dieses Mittels kann daher nur in sehr wenigen, besonders gelagerten Einzelfällen überhaupt in Betracht kommen, in denen diese Anforderungen des Gerichts erfüllt sind.
Wenn aber tatsächlich eine dringende Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder den Bestand des Bundes oder der Länder besteht, dann wäre es fahrlässig, dem Landesamt den Einsatz dieser Mittel zu versagen. Deshalb halten wir an dieser Möglichkeit fest, die wir im neuen § 5a des Gesetzes eröffnen wollen. Dabei haben wir verschiedene Hinweise und Anregungen aus der Anhörung in den bisherigen Beratungen aufgegriffen und diese Bestimmungen, sowohl was ihre materiellen Voraussetzungen betrifft, als auch was die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Durchführung einer solchen Maßnahme angeht, noch einmal verschärft und präzisiert. Damit ist sichergestellt, dass die Maßnahme von vornherein nur in ganz eng begrenzten Fällen und nur auf Anordnung der Staatsschutzkammer eines Landgerichts eingesetzt werden kann. Es ist gleichzeitig sichergestellt, dass die Maßnahme sofort abgebrochen werden muss, wenn sich erste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mit der Überwachung Daten erhoben werden, die dem
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch kurz auf den Änderungsantrag hinweisen, den die Koalitionsfraktionen Ihnen heute vorgelegt haben und der ganz gut in diesen Zusammenhang passt. Er ist rein redaktioneller Natur und berichtigt zwei Verweisungen in § 5a Abs. 6 und 11 des Gesetzes, die dadurch nichtig wurden, dass die materiellen Voraussetzungen für den Einsatz technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung nochmals verschärft in § 5a Abs. 1 des Gesetzentwurfes geändert wurden. Ich denke, es ist eine angemessene Güterabwägung. Wir stehen zu dem Gesetz und ich bitte um Zustimmung.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Bandmann, bekanntermaßen ist die SPD eine linke Partei. Dazu haben wir uns seit der Gründung bekannt und dazu bekennen wir uns heute auch. Ich verbitte mir auf die gleiche Ebene gestellt zu werden wie die NPD.
Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutz ist eine Behörde, deren konkrete Aufgaben und Arbeitsweisen vielen Menschen unbekannt sind. Wen mag es da wundern, wenn über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz jede Menge Gerüchte und Mutmaßungen verbreitet werden. Dabei ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes schon seinem Namen zu entnehmen. Er soll Informationen über solche verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen sammeln und auswerten, die den Bestand oder die Sicherheit unseres Landes oder unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen. Zu dieser wichtigen und notwendigen Aufgabe des Verfassungsschutzes hat sich meine Fraktion schon immer bekannt.
In diesem Zusammenhang darf ich meinen Kollegen Peter Adler, der vielen von Ihnen noch bekannt ist, aus der Sitzung am 19. Juni 2003 zitieren. Damals sagte er hier im Landtag: „Indem sich der Sächsische Landtag in der 1. Legislaturperiode die Verfassung gegeben hat, hat er damit eigentlich auch den Spielraum des Verfassungsschutzes bestimmt. Er hat dann in einem Verfassungsschutzgesetz genau die Aufgaben festgelegt, die zum Schutz unserer Staatsordnung erforderlich sind.
Ich darf am Anfang feststellen: Die SPD Fraktion hat sich gemäß dieser Zielsetzung hinter den Verfassungsschutz gestellt und über die Jahre in der den Verfassungsschutz kontrollierenden Parlamentarischen Kontrollkommission mitgearbeitet.“
Meine Damen und Herren! Drei Jahre später möchte ich noch einmal betonen: Angesichts rechter Verfassungsfeinde, die leider auch im Landtag vertreten sind, ist die Arbeit des Verfassungsschutzes wichtiger denn je. Daher möchte ich mich an dieser Stelle auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz für ihre gute Arbeit bedanken. Das gilt auch für die Information der Öffentlichkeit und natürlich des Parlaments mit dem jährlichen Verfassungsbericht.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat in den vergangenen Jahren allerdings genauso deutlich hervorgehoben, dass wir uns nicht nur vorbehaltlos hinter die Arbeit des Verfassungsschutzes in allen seinen ihm zugebilligten Rahmen stellen, sondern auch zu einer effektiven Bekämpfung der Organisierten Kriminalität stehen.
Der Weg, den wir bereits in der zitierten Sitzung vom 19. Juni 2003 vorgeschlagen haben, war allerdings ein deutlich anderer als jener der damaligen Staatsregierung und CDU-Fraktion. Ich darf noch einmal auszugsweise meinen ehemaligen Kollegen Peter Adler zitieren: „Ich darf in diesem Zusammenhang an die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes erinnern. Er schreibt: ‚Artikel 83 der Sächsischen Verfassung knüpft ersichtlich an das Trennungsgebot an, wonach der Aufbau eines Geheimdienstes nur unter der Bedingung erlaubt wurde, dass diese Stelle keine Polizeibefugnis haben darf.’“
Weiter sagte er: „Wer das Aufgabenfeld Organisierte Kriminalität wortreich zum Verfassungsschutz schieben will, packt das Problem nicht an der Wurzel.“
Meine Damen und Herren! Der Weg, die Organisierte Kriminalität als neues Betätigungsfeld in das Aufgabenspektrum des Verfassungsschutzes einzufügen, war falsch. Weite Teile der Fachwelt haben wohl zu Recht Zweifel, ob der Verfassungsschutz überhaupt einen sinnvollen Beitrag zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität leisten kann.
Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass er im Einzelfall sogar die Arbeit des Landeskriminalamtes, das sonst für die Organisierte Kriminalität zuständig ist, behindert. Ich betone: im Einzelfall.
Schon infolge der damaligen Diskussion hat meine Fraktion daher deutlich gemacht, dass auch aus fachlicher Sicht allein das LKA für die Organisierte Kriminalität zuständig bleiben muss und es nicht zu einer wilden Aufgabenvermischung beider Behörden kommen durfte. Wir waren und sind der Auffassung, dass für dieses Aufgabenfeld das Landeskriminalamt die notwendige Erfahrung und das qualifizierte Personal besitzt.
Ich möchte aber noch einmal betonen, der hauptsächliche Kritikpunkt meiner Fraktion bestand darin, dass Artikel 85 der Sächsischen Verfassung unmissverständlich fordert, die Arbeit von Verfassungsschutz und Polizei so weit wie möglich voneinander zu trennen.
Dieses verfassungsrechtliche Trennungsgebot, das der 1. Sächsische Landtag bewusst in unsere Verfassung aufgenommen hat, um nach den leidvollen Erfahrungen mit der Stasi eine Vermischung von Geheimdienst und Polizei auszuschließen, war schon aus damaliger Sicht mit den getroffenen Regelungen unvereinbar. Diese unsere Rechtsauffassung hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof im letzten Sommer nunmehr ausdrücklich bestätigt. Gleichzeitig hat unser höchstes Gericht auch die Vorschriften zur akustischen Wohnraumüberwachung für verfassungswidrig erklärt. Vor diesem Hintergrund war das Sächsische Verfassungsschutzgesetz ebenfalls zu ändern.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie am Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ablesen können, hat meine Fraktion gerade nach Entscheidung des Gerichtshofes und nach der Anhörung zum Gesetzentwurf im Januar – ich meine damit den Gesetzentwurf der Koalition – ihren gesamten Einfluss geltend gemacht, um unseren Koalitionspartner davon zu überzeugen, auf gesonderte Regelungen zur Organisierten Kriminalität im Verfassungsschutzgesetz zu verzichten,
die Vorschriften zur akustischen Wohnraumüberwachung so zu gestalten, dass sie den Anforderungen der Verfassungsrechtsprechung voll entsprechen. Wir haben es gemeinsam geschafft, Ihnen heute einen Gesetzentwurf vorzulegen, der es verdient angenommen zu werden und von dem man mit Fug und Recht behaupten kann, dass er jeder Überprüfung standhält.
Der Abschied von einer allgemeinen Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz ist unserem Koalitionspartner sicher nicht leicht gefallen. Letztlich überwog jedoch das gemeinsame Bemühen, Regelungen zu treffen, die verfassungskonform sind und den berechtigten Erfordernissen und der inneren Sicherheit entsprechen.
Allerdings, um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen: Das Landesamt für Verfassungsschutz bleibt für solche Teilbereiche der Organisierten Kriminalität zuständig, die zugleich einen Bezug zu den herkömmlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes haben. Dies hat das Verfassungsgericht ausdrücklich zugelassen. Diese Aufgabe wird aber auch schon von den klassischen Aufgabenbestimmungen des Verfassungsschutzes erfasst, sodass weitergehende Bezüge zur Organisierten Kriminalität im Gesetz entfallen konnten. Fahrlässigkeit ist hier nicht zu erkennen, sondern die Aufgaben sind klar und eindeutig geregelt.