Das ist leider der Fall. Und ich finde es auch enttäuschend, dass Sie in einer Regierungserklärung zur Familienpolitik diesem Aspekt so wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben. Erst vor wenigen Tagen gab es auf Bundesebene eine Pressekonferenz der Sozialverbände, in der genau auf dieses Problem hingewiesen wurde.
Ein erster Schritt wäre schon damit getan, das Kindergeld nicht länger bei Hartz IV anzurechnen. Das wäre auch etwas, wofür man sich heute hätte aussprechen können.
Es ist wahr, dass in Deutschland relativ viel Geld für Familienpolitik ausgegeben wird. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es – so meine ich – relativ ineffektiv eingesetzt wird. Es ist wenig effektiv, gemessen an dem Ziel, Bildung unabhängig vom sozialen Status zu ermöglichen. Es ist ineffektiv eingesetzt gemessen am Ziel der Herstellung einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ist ineffektiv, gemessen an dem Ziel der Vermeidung von Kinderarmut. Alle diese Ziele werden im europäischen Vergleich in Deutschland nur unzureichend
erreicht. Wenn Sie die Geburtenrate als weiteres Kriterium ansetzen wollen – man kann darüber streiten –, dann ist Familienpolitik in Deutschland erst recht ineffektiv.
Es gibt Einsparungspotenziale. Sie liegen nicht beim Kindergeld, sondern wir sehen sie beim Ehegattensplitting, einem völlig sinnlosen und veralteten Instrument, das jährlich Milliarden verschlingt und in das übrigens bundesweit mehr Geld investiert wird als in Kindertageseinrichtungen. Das muss man sich einmal vorstellen.
Das hat noch keinem Kind geholfen, subventioniert aber die traditionelle Hausfrauenehe. Da muss auch ich von der Linkspartei sagen, dass wir uns das wirklich nicht länger leisten können.
Meine Damen und Herren, das Ehegattensplitting gehört abgeschafft und nicht durch ein Familiensplitting ersetzt. Es muss ersetzt werden durch eine Kindergrundsicherung, durch kostenfreie Kindertageseinrichtungen und durch den Ausbau der Ganztagsschulen.
Ich bin grundsätzlich der Ansicht, dass man Familienpolitik nicht über Steuern machen kann. Im Steuersystem wirken familienpolitische Maßnahmen sozial ungerecht und das wollen wir nicht.
Wir haben in der heutigen Debatte einiges über den demografischen Wandel gehört. Es spricht auch einiges dafür – das geht zumindest aus dem Familienpapier der CDU hervor –, dass es die Sorge um die Kinderlosigkeit ist, die den eigentlichen Grund für den Wandel in der Familienpolitik darstellt. Ja, die demografische Entwicklung muss die CDU geradezu dazu zwingen, ihre Familienpolitik zu überdenken. Vor wenigen Jahren wollten Sie noch die angeblich „zu hohe“ Erwerbsbeteiligung ostdeutscher Frauen bekämpfen. Wer heute Schrumpfungsprozesse vor Augen hat, der weiß, dass wir schon bald eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung brauchen, auch der von Frauen.
Das ist eine späte Einsicht, aber ich finde trotzdem diesen instrumentellen Zugang zum Thema schade. Natürlich freut sich auch die Linkspartei, wenn durch eine familienfreundliche Politik mehr vorhandene Kinderwünsche realisiert werden. Ich bin auch der Ansicht, dass geringe Geburtenraten ein Ausweis über die Zukunftsaussichten einer Generation sind. Und wenn wir sehen, wie niedrig die Geburtenraten heute sind, dann spricht das Bände hinsichtlich der aktuellen Wirtschafts- und Arbeitspolitik. Aber die Linkspartei ist auch ohne den Geburtenrückgang für eine kinderfreundliche Politik. Ob es einen Geburtenrückgang gibt oder nicht – wir wollen die Bedingungen für Kinder und für das Leben mit Kindern verbessern. Ein Anreiz- oder gar Nötigungssystem für mehr Kinder wollen wir nicht. Das ist der entscheidende Unterschied
zwischen Familien- und Bevölkerungspolitik und das sollte sich gerade die NPD hinter die Ohren schreiben.
Meine Damen und Herren, das Berlin-Institut fasst in einer aktuellen Expertise zur Familienpolitik die wichtigsten Maßnahmen für demografische Nachhaltigkeit zusammen: erstens die Gleichbehandlung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt, zweitens die Abschaffung von finanziellen Privilegien für die Institution Ehe, drittens die Sicherstellung einer Kinderbetreuung bereits ab dem ersten Lebensjahr. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten hier eine sehr interessante Debatte über die unterschiedlichen Vorstellungen von Familie und Familienpolitik. Ich glaube, in dieser Hinsicht ist auch interessant, welche Schlussfolgerungen wir für die Zukunft daraus ziehen.
Bei der Linksfraktion habe ich zwei Tendenzen herausgehört. Ich nenne zuerst das, was wir soeben gehört haben: Wir brauchen ein neues Leitbild unter dem Motto Erwerbstätigkeit; nur das kann uns am Ende helfen und eine Lösung bringen. – Hinzu kam die Feststellung, dass wir mehr gegen Armut tun müssen.
Diese Tendenzen sind nicht neu, aber ich glaube schon, dass es ein wenig zu einfach ist, Sozialhilfeniveau einfach mit Armut gleichzusetzen.
dass Sozialhilfe in Deutschland gerade die staatliche Maßnahme gegen Armut ist. Wer Sozialhilfe mit Armut gleichsetzt, der ist vielleicht ein Stück auch selbst arm.
Das ist genau das, was Sie hier auch als Partei schon mehrfach vertreten haben. Ich denke nur an die Äußerungen Ihrer Landesvorsitzenden, Frau Ernst, die kürzlich einmal gesagt hat, dass sie eigentlich die Abschaffung der Ehe in unserer Gesellschaft vorschlagen würde.
(Caren Lay, Linksfraktion.PDS:... der Privilegierung! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)
Damit geht diese Partei jetzt einen völlig neuen Weg, sie geht – so will ich es einmal sagen – weg vom Sozialismus, vielleicht mehr in Richtung Maoismus.
Denn in der DDR gab es doch eine andere Richtung in dieser Hinsicht. Deshalb ist das sehr interessant.
Herr Jähnichen, Sie verwirren mich. – Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie in den letzten Jahren dieses Politikfeld in der PDS bzw. jetzt in der Linkspartei nicht verfolgt haben? Ansonsten wären Sie zu anderen Aussagen gekommen.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ja, Sie verfolgen vieles, das ist richtig. Wir fühlen uns aber nicht verfolgt!)