Protocol of the Session on March 15, 2006

Das können wir nicht zulassen.

(Alexander Delle, NPD: Das machen Sie, wie Sie gerade eben bei der Abstimmung bewiesen haben!)

Die Zunahme der Gewalt in den extremistischen Lagern ist erschreckend und darf von uns nicht unterschätzt werden. Extremismus geht Hand in Hand mit Gewalt. Gewalt ist eine Form der Kriminalität, die wir im Freistaat Sachsen nicht dulden dürfen. Dies sind kriminelle Handlungen, dies ist keine Form der politischen Auseinandersetzung. Wie aus der Antwort der Staatsregierung auf unseren Antrag hervorgeht, nimmt diese Form der Gewalt zu, auch im Freistaat Sachsen. Der Staat darf dies nicht unterschätzen und nicht hinnehmen.

Wenn es unter Punkt 1 des Koalitionsvertrages heißt: „Die Staatsregierung wird ersucht, Sorge dafür zu tragen, dass

die Bekämpfung des Rechtsextremismus entschieden fortgesetzt wird“, heißt das nicht, dass dies die alleinige Aufgabe des Staates und seiner Institutionen ist.

(Beifall bei der SPD)

Hier sind alle Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen gefordert und gefragt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Aktives Handeln aller Bürgerinnen und Bürger ist notwendig, wenn es darum geht, extremistischen Äußerungen und Handlungen Einhalt zu gebieten. Wer Extremismus bekämpfen will, muss die Demokratie stärken. Die Demokratie lebt vom Mitmachen aller.

Deutsche Länder, aber auch Europa haben Diktaturen aus Deutschland bitter erfahren. Diktaturen sind keine Lösung von Problemen – totalitäre Systeme haben es bewiesen: Auf dem Boden, auf dem wir uns befinden, haben wir dies leidvoll erfahren. Viele Menschen haben Diktaturen bzw. totalitäre Systeme mit ihrem Leben bezahlt. Ich verweise darauf, dass besonders die Ziele, die der Rechtsextremismus anstrebt, bisher weder national sind, noch vertreten sie die Nation. Der Nationalismus hat gezeigt, wie er sich gegen die deutsche Nation, auch gegen die anderen Nationen in Europa und in anderen Regionen gestellt hat. Der Nationalismus hat zuallererst die eigene Nation vernichtet: ob das deutsche Juden oder jüdische Deutsche oder Menschen anderer Auffassung in Deutschland waren. Der Nationalsozialismus hat letztendlich den Angriff auf den Menschen in Deutschland begonnen und hat keine Probleme gelöst.

Notwendig und Voraussetzung ist, dass wir dagegen vorgehen, nötig ist und bleibt die Sensibilisierung des sächsischen Volkes, insbesondere der jungen Generation. Der Bürger selbst wird nur aktives Engagement zeigen, wenn er deutlich erkennt, dass der Staat politisch motivierte Straftaten zielgerichtet verfolgt. Das Tätigwerden des Staates ist deshalb Voraussetzung für das Handeln des Bürgers. Genau aus diesen Gründen wirft der Antrag nicht nur Fragen zur Entwicklung des rechtsextremistischen Gewaltpotenzials in Sachsen auf, sondern stellt auch Fragen nach Maßnahmen zur Unterbindung des Rechtsextremismus und die Aufforderung zur weiteren Bekämpfung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verweise an dieser Stelle auf Artikel 101 Abs. 1 Sächsische Verfassung, in dem es heißt: „Die Jugend ist zur Ehrfurcht vor allem Lebendigen, zur Nächstenliebe, zum Frieden und zur Erhaltung der Umwelt, zur Heimatliebe, zu sittlichem und politischem Verantwortungsbewusstsein, zu Gerechtigkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zu beruflichem Können, zu sozialem Handeln und zu freiheitlicher demokratischer Haltung zu erziehen.“

Ich glaube, dass dies nicht nur für junge Leute, sondern gleichsam für Erwachsene gilt und nicht zuletzt auch für

Menschen, die bereit sind, mit Gewalt Veränderung herbeizuführen.

(Zuruf des Abg. Uwe Leichsenring, NPD)

Auch Sie sollten sich diesen Artikel in der Verfassung durchlesen und sollten Ihre Handlungen im extremistischen Bereich beenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, dass der Rechtsextremismus in den letzten Jahren auch einen Strategiewechsel erfahren hat. Er nutzt zielgerichtet jugendpolitische Kommunikationswege, wie zum Beispiel das Internet und die Verbreitung der Musik. Ich bin dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus, aber auch allen Lehrerinnen und Lehrern, die diesen Weg mitgehen, sehr dankbar, dass es in den letzten Monaten zu einer Informationskampagne gekommen ist, die Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, aber vielleicht auch die Eltern aufklären soll, welche neuen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus im Freistaat Sachsen Fuß gefasst haben. Herzlichen Dank, Herr Staatsminister, dass sich das Kultusministerium dieser Aufgabe stellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort. – Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir tun etwas gegen Rechtsextremismus. Obwohl ich mir in vielen Bereichen und gerade auf kommunaler Ebene eine größere Sensibilität bei diesem Thema wünsche und es immer noch viel zu tun gibt, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden hat. Der Kampf gegen Rechtsextremismus wird nicht mehr nur in die linke Schmuddelecke geschoben. Auch der Freistaat hat seine Verantwortung erkannt und reagiert. Das Landesprogramm „Tolerantes Sachsen“ ist Ausdruck dieses Umdenkens. Die jährlich zwei Millionen Euro sind gut investiertes Geld in eine demokratische Kultur- und Bildungsarbeit.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Steuergeld!)

Auslöser für das Umdenken war für viele allerdings der Einzug der NPD in den Landtag. Hier muss ich auf eine Wahrnehmung hinweisen, die mich stört. Die NPD muss parlamentarisch und außerparlamentarisch bekämpft werden, und wir müssen dafür sorgen, dass sie 2009 nicht wieder in den Landtag einzieht. Das ist keine Frage.

(Jürgen Gansel, NPD: Schaffen Sie aber nicht!)

Aber auch wenn es uns gelingt, die sächsischen Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, dass jede Stimme für die NPD an eine Partei geht, die politisch in

diesem Land nichts bewegen kann und – wenn ich mir so manchen Antrag anschaue – auch nichts bewegen will, und eine Fraktion unterstützt, in der verurteilte Straftäter, Ladendiebe und Terroristen zum Personal gehören,

(Lachen bei der NPD – Uwe Leichsenring, NPD: Und Wegelagerer!)

haben wir die Probleme noch lange nicht gelöst. Und diese Probleme sind vielfältig. Es sind die rechtsextremen Wertvorstellungen, die sich in der Mitte der Gesellschaft ausbreiten. Dieser Mix aus Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus sucht die Ursachen für Probleme immer bei denen, die sich nicht wehren können: „Ausländer nehmen Deutschen die Arbeitsplätze weg“, „Die Juden haben zu viel Einfluss“ usw. – diese Liste von stereotypen Vorurteilen lässt sich fortsetzen.

Rechtsextremisten versuchen, ein Klima der Angst zu erzeugen, sie agieren nicht mehr im Verborgenen, sondern versuchen Angst und Schrecken unter denen zu verbreiten, die sich für Toleranz und Demokratie einsetzen. Man kann diese Strategie bei dem abgesagten Auftritt von Konstantin Wecker in Halberstadt erkennen. Es genügen ein Brief der NPD und die angedrohte aktive Teilnahme, und die Bürokratie knickt ein. Aktive Teilnahme der Rechtsextremisten bedeutet Einschüchterung der anderen Teilnehmer, und wenn diese sich nicht einschüchtern lassen, wird zugeschlagen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Wo steht das? Zu viele Märchenbücher gelesen!)

Das konnten wir auch im letzten Sommer beobachten, als der Hitlerverehrer, der Abg. Menzel, mit einem Trupp Neonazis eine Veranstaltung von „bürger.courage“ in der Dresdner Neustadt stürmen wollte.

(Klaus-Jürgen Menzel, NPD: Sie verdammter Lügner! – Weitere Zurufe von der NPD)

Waren Sie dort oder nicht? Waren Sie dort mit dem Trupp Neonazis?

(Zurufe von der NPD: Wer hat Steine geworfen? – Weitere Zurufe von der NPD)

Ganz ruhig!

Gleichzeitig gehen Rechtsextreme aber immer mehr dazu über, ihre politischen Ansichten gegenüber denen, die weniger gut informiert sind, zu verstecken, sich politisch neutral zu geben und mit Angeboten wie Wanderungen, Klettergruppen und Spielangeboten immer weiter in die Gesellschaft vorzudringen. In einigen Regionen von Sachsen haben Rechtsextreme die Hoheit nicht nur über die Stammtische. Es gibt Personen, die anerkannt sind; da wird eine rechtsextreme Einstellung entweder ignoriert oder im Ernstfall sogar akzeptiert.

Alle diese nur kurz angerissenen Probleme können wir nicht durch die Bekämpfung der NPD in diesem Haus lösen. Auch die Gesellschaft – Kollege Schiemann wies darauf hin – muss sich gegen Neonazis und ihre Ideologie wehren.

Dazu gehören die Kirchen. Die vor Kurzem stattgefundene Tagung der Evangelischen Landeskirche zeigt, dass man sich diesem Problem stellt. Das müssen wir unterstützen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Dazu gehören Sportvereine. Es muss klar gemacht werden: Wer bei den Nazis mitmacht, hat bei uns nichts verloren. Er kann hier kein Mitglied werden.

(Matthias Paul, NPD: Das sind Demokraten! – Alexander Delle, NPD: Ihre Demokratie!)

Das gilt auch für die Feuerwehr. Viele Jugendliche engagieren sich in Jugendfeuerwehren. Auch hier gilt: Es gibt keine wertfreie Jugendarbeit.

(Uwe Leichsenring, NPD: Das ist Faschismus, was du erzählst!)

Ich würde ganz vorsichtig sein! Wer die demokratische Grundordnung infrage stellt und wer Hitler als großen Staatsmann verehrt, der sollte jetzt die Klappe halten!

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Stichwort Brücke. Es gehört auch dazu, Zivilcourage zu zeigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN – Zurufe von der NPD)

Das muss Sie tief getroffen haben – es ehrt mich.

Dazu gehören Schulen. Es darf sich kein Schulleiter hinter Behörden verschanzen, wenn Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus in einer Schule stattfinden sollen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)