Protocol of the Session on March 15, 2006

Meine Damen und Herren, so geht das nicht. Schränken Sie bitte Ihre Gespräche ein oder, wenn es unvermeidbar ist, gehen Sie raus.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD – Heiterkeit bei den GRÜNEN und der FDP)

Führen Sie Ihre Gespräche draußen weiter, aber hier im Raum geht es einfach nicht, wenn ein Abgeordneter spricht, dass er kaum zu verstehen ist.

Meine Damen und Herren! Wir alle konnten der Presse entnehmen, dass die Woba-Bestände zu allem Elend noch in diesem Jahr, spätestens aber im Jahr 2007, über eine Holding an der Börse verschleudert werden. Das wäre ein weiterer Schlag in das Gesicht der Mieter, denn wenn die Eigentumsrechte an den WobaWohnungen frei an der Börse handelbar sind, können

diese jederzeit das Objekt von Übernahmen werden. In einem solchen Fall wäre die Sozialcharta Schall und Rauch, denn ein neuer Eigentümer wird sich wohl kaum an die Regelung gebunden fühlen, die Fortress mit der Stadt Dresden ausgehandelt hat.

Unsere Warnungen sind ja nicht aus der Luft gegriffen. Das Ziel der Schaffung von Mietereigentum und das Verbot von En-bloc-Verkäufen stehen oftmals nur auf dem Papier, mit dem die Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände besiegelt wird. So wurde im Jahr 2004 in Berlin die größte Wohnungsbaugesellschaft des Landes, die GSW, mit insgesamt 70 000 Wohneinheiten an die US-Finanzinvestoren Whitehall & Cerberus verkauft. Schon vier Monate nach der Privatisierung wurde ein Teilbestand weiterverkauft und dieser wiederum im Jahr 2004 erneut verkauft. Es stellt sich die bange Frage, ob die Wohnungsbestände der Woba nun in ähnlicher Weise zu Spielsteinen in einem turbokapitalistischen Wohnungsmonopoly werden sollen.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass mit dem Verkauf öffentlicher Wohnungsbestände die Löcher in den Stadthaushalten um den Preis des Verlustes stabiler Ertragsquellen nur provisorisch gestopft werden.

Viele Dresdner Stadträte wissen nicht einmal genau, was sie langfristig anrichten, weil es ihnen nur darum ging, sich durch das Verscherbeln kommunalen Tafelsilbers kurzfristig aus der Verantwortung für ihre Misswirtschaft stehlen zu können. War von den neoliberalen Privatisierungsfanatikern von CDU und FDP nichts anderes zu erwarten, muss man an dieser Stelle vor allem die Linkspartei.PDS nennen, die sich im Landtag stets als das soziale Gewissen aufspielt.

Wie verlogen muss man eigentlich sein, meine Damen und Herren von der PDS, um den Menschen in dieser Stadt dieses erbärmliche Possenspiel zuzumuten, welches Sie in den letzten Wochen geboten haben? Auf der einen Seite buhlt die Linkspartei.PDS mit Oskar Lafontaine um die Unterstützung der Woba-Gegner, auf der anderen Seite trägt niemand anderes als die Linkspartei.PDS die Verantwortung dafür, dass die Woba tatsächlich verkauft wurde, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der NPD)

Ihre Partei, Frau Dr. Ernst, hätte es ganz und gar allein in der Hand gehabt, den Verkauf der Woba zu verhindern, doch skrupellos brachen neun von 17 Stadträten der Linkspartei.PDS ihr Wahlversprechen. Sie folgten lieber dem Ruf des Geldes, wandten sich gegen die Interessen der sozial Schwachen und versündigten sich an den nachkommenden Generationen. Vor allem Frau Ostrowski scheint vom Heuschreckensozialismus der SED übergelaufen zu sein. Ihr Verhalten macht in aller Deutlichkeit offenbar, wie tief sich ein kapitalseitiger Lobbyismus schon in die Reihen der Linkspartei.PDS vorgefressen und ihre Vertreter korrumpiert und gekauft hat.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, wer das Vorgehen räuberischer Finanzinvestoren aufhalten will, muss aus anderem Holz geschnitzt sein. Die NPD wird den von der Linkspartei.PDS freigemachten Platz als Anwalt der sozial Schwachen entschlossen besetzen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Apfelbäume! – Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)

Dies wird auch notwendig sein, denn die Dresdner Privatisierungsentscheidung wird als bundesweites Signal wahrgenommen und hat das Rad des kapitalbetriebenen Wohnungsroulettes richtig in Schwung gebracht. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung von der SPD denkt bereits darüber nach, zumindest einen Teil der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft zu verkaufen. Noch einmal, meine Damen und Herren, sollte aber eine folgenreiche Entscheidung nicht ohne gesichertes Wissen über die Folgen getroffen werden.

Insofern könnte der geforderte Berichtsantrag vielleicht zumindest bei manch einem Vertreter der Linkspartei.PDS Abhilfe schaffen, der noch Argumenten zugänglich, aber nicht bereit ist, sein Programm, –

Herr Apfel, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

– seine Versprechungen und seine Wähler für einen Judaslohn an das internationale Kapital zu verkaufen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD – Gelächter bei der CDU – Widerspruch bei der Linksfraktion.PDS)

Für die FDPFraktion spricht der Fraktionsvorsitzende. Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dann führen wir eben die Debatte vom letzten Donnerstag im Stadtrat von Dresden weiter. Ich habe mir das nicht ausgedacht. Ich weiß auch nicht, Herr Porsch, ob man das Doppelzüngigkeit nennen soll oder lieber Selbstgerechtigkeit. Auf jeden Fall nenne ich es typisch grün.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Scheinheilig!)

Ich habe hier das Protokoll von der letzten Sitzung. Herr Lichdi, Sie wissen vielleicht noch, dass Sie zu so einer dämlichen Zwischenfrage vorgegangen sind, wie Sie es oft machen:

(Schallendes Gelächter und Beifall bei der CDU und der NPD)

„Herr Kollege Zastrow, stimmen Sie mir zu, dass wir uns hier im Sächsischen Landtag und nicht im Dresdner Stadtrat befinden?“ – Ich lese jetzt nicht weiter vor.

(Gelächter und Beifall bei der FDP, der CDU und der NPD)

Es ging um die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, also eines Themas, das eher auf eine höhere Ebene gehört, aber wir machen das halt immer weiter.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wie man es braucht!)

Ich habe dazu eine klare Meinung, um das Bild noch ein bisschen weiter zu verfolgen: Sie sind einfach schlechte Verlierer. Ganz schlechte Verlierer. Das hatten wir bei der Brücke und beim Woba-Verkauf ist es genau dasselbe. Beim Woba-Verkauf gehen Sie nur in den Landtag bzw. in die Landeshauptstadt. Bei der Brücke haben Sie Dresden in Paris bei der Unesco angezinkt. Das ist grüne Selbstgerechtigkeit. Das hat mit meinem Demokratieverständnis, Frau Hermenau, überhaupt nichts zu tun!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn wir schon über Dresden reden...

(Antje Hermenau, GRÜNE: Schamesröte!)

Schamesröte? So viele Wallungen wecken Sie noch nicht bei mir.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Schamlose Lügen!)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn ich an den letzten Donnerstag in Dresden zurückdenke, dann empfinde ich ganz anders als Sie: Ich empfinde Stolz.

Ich habe selten ein politisches Gremium gefunden, das so mutig eine Entscheidung getroffen hat. Wir haben es oft in der Politik, dass man sich um eine Entscheidung drückt, dass man herumlabert. Dort ist es ganz anders gewesen. Da hat man sich in Anbetracht der dramatischen Haushaltssituation der Stadt Dresden entschlossen, eine – vielleicht für viele unbequeme – Entscheidung zu treffen.

Ich muss ganz ehrlich sagen, bei aller Kritik an Ingolf Roßberg, die man hier auch oft hört, ich bin froh, dass wir in Dresden einen Oberbürgermeister haben, der so eine Entscheidung trägt. Ich bin froh, dass sich in Dresden auch ein Bündnis – sage ich mal – der Vernunft gefunden hat, bestehend aus CDU, aus FDP, aus DSU, aus einem Teil der Bürger, aus einem Teil der PDS, das gemeinsam diese Entscheidung getragen hat.

Es wurde konsequent entschieden. Es wurde ohne faule Kompromisse entschieden. Für mich ist das ein Beispiel, meine Damen und Herren, von politischer Führungsstärke.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Wir sind uns einig, da hat Herr Gerstenberg völlig Recht, das ist keine Liebesentscheidung gewesen, sondern das war ein Befreiungsschlag für die Stadt, nichts anderes, ein Befreiungsschlag, weil uns als Stadt Dresden genauso wie – behaupte ich einmal – jeder anderen Kommune in Deutschland das Wasser schlichtweg bis zum Hals steht.

Wir haben mit rund 75 Millionen Euro für Zinsen und Tilgungen allein für den Schuldendienst Summen auszugeben, dass das der drittgrößte Posten im Dresdner Stadthaushalt gewesen ist.

Es gab für uns in der Stadt Dresden überhaupt keine politischen Handlungsspielräume mehr. Lieber Herr Gerstenberg, Sie wissen das ganz genau. Wir haben letztens – das ist nur ein ganz kleines Beispiel – in der Stadt Dresden zusammen gekämpft, wir haben dafür gekämpft, dass das traditionsreiche Freibad in Bühlau – einige werden es kennen – in der Bautzner Straße nicht geschlossen wird. Wir haben gemeinsam verloren. Es wird geschlossen, weil sich die Stadt 30 000 Euro Defizit, die das Bad macht, nicht mehr leisten kann.

Noch schlimmer war es, da haben wir auch gemeinsam gekämpft, als es um den Zuschuss für den Festumzug beim Elbhangfest ging. Da kamen wir uns hinterher wie Helden vor. Wissen Sie warum? Weil wir erreicht haben, die Kürzung dieses Zuschusses um anderthalb tausend Euro günstiger zu gestalten. Um solche Beträge diskutieren wir inzwischen im Haushalt der Landeshauptstadt. Das ist unser Spielraum, den wir haben.

Da ist es für mich völlig klar, dass wir nach Alternativen suchen müssen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Was wäre die Alternative – und die Frage hat auch noch keiner gestellt – denn gewesen,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Brücke weg!)

wenn wir auf den Verkauf der Woba verzichtet hätten? Ich will Ihnen das auch ganz klar sagen.

Viele Sozialleistungen wie der Dresden Pass hätten zur Debatte gestanden. Viele kulturelle Leistungen hätten zur Debatte gestanden. Die Operettenschließung wäre gekommen. Ein neues Stadion in Dresden? Pustekuchen, das hätte es nicht gegeben! Wir bauen am Ende sowieso nicht das schönste, sondern das billigste. Wir hätten uns über Schulsanierungen nicht mehr unterhalten müssen. Wir hätten sogar, das stand auch zur Debatte, Kindertagesstätten – und das in einer geburtenstarken Stadt – schließen müssen. Stabile Preise beim öffentlichen Nahverkehr? Pustekuchen, wer glaubt das noch. Den Dresdner Zoo, haben Sie sich den einmal angesehen? Der bekommt nie die finanziellen Zuschüsse wie der Leipziger. Da ist ein großer Sanierungsbedarf. Auch darüber müssen wir uns unterhalten, ob wir uns den in Zukunft überhaupt noch leisten können.

Was ist entscheidend? Alle diese Kürzungen hätten wir hinnehmen müssen. Und was wir noch hätten machen müssen, wir hätten die stetig steigenden Schulden, die wir trotzdem haben, einfach unseren Kindern, unseren Enkeln weitergegeben. Da wäre es uns völlig egal gewesen, was die in 40, 50, 60 Jahren daraus hätten machen können. Das wäre eine verantwortungslose und unsoziale Politik gewesen, meine Damen und Herren.