Protocol of the Session on November 11, 2005

Ich danke auch dem Herrn Minister für seine umfassende Auskunft. Ich gehe davon aus, dass wir uns in einem dynamischen Prozess immer wieder informieren lassen müssen, und bitte deswegen um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Drucksache 4/2421 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Ich kann keine erkennen. Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit ist die Drucksache 4/2421 beschlossen.

Ich beende diesen Tagesordnungspunkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Gesetzliches Recht auf ein Girokonto

Drucksache 4/3271, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: die einreichende NPD-Fraktion, CDU-Fraktion, Linksfraktion.PDS, SPDFraktion, FDP-Fraktion, GRÜNE-Fraktion und Staatsregierung.

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Abg. Leichsenring, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Recht auf eine Bankverbindung ist zwar weder in unserer Verfassung noch im Kreditwesengesetz verankert. Dennoch hat die Fortentwicklung der Technik gerade in diesem Zusammenhang Tatbestände geschaffen, die einer Diskriminierung gleichkommen, wenn man ein solches Konto eben nicht hat. Wer heute vom bargeldlosen, zunehmend computerisierten Zahlungsverkehr ausgeschlossen wird, muss ökonomische Nachteile in Kauf nehmen, die bis zur gesellschaftlichen Ausgrenzung reichen können.

Für die Volkswirtschaft handelt es sich bei den Betroffenen um eine nicht zu vernachlässigende Quantität. So sind die Empfänger von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld, auf die als Kunden manches Kreditinstitut am liebsten verzichten würde, wegen ihrer leider so großen Zahl gewichtige Mitträger des privaten Konsums. So erhöhte sich allein seit 1998 der Anteil der Menschen, die mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze auskommen müssen, von 12,1 auf 13,5 %, wie man dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung entnehmen kann.

Doch genau dieser Personengruppe, vor allem Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und stark verschuldeten Bürgern, wird in zahlreichen Fällen ein Girokonto verweigert. Zahlungen wie Telefon, Miete, Lohn oder staatliche Zuschüsse können aber nur in den seltensten Fällen bar erfolgen. Außerdem macht der Wunsch nach Barzahlung Arbeitgeber und Vermieter misstrauisch. Probleme bei der Arbeits- und Wohnungssuche sind häufig die Folge. Von denen, die kein Girokonto bekommen, schläft bestimmt nicht jeder unter der Brücke.

Geringes Einkommen, der Bezug von Leistungen aus öffentlichen Kassen oder eine negative Schufa-Auskunft

können im schlechtesten Fall Gründe für die Ablehnung oder Kündigung eines Girokontos sein. Zudem muss die öffentliche Hand sparen, wie jedermann weiß, und die Sozialämter wollen die kostspielige monatliche Barauszahlung vermeiden. Sie drängen deshalb darauf, dass die von ihnen betreuten Bürger über Bankkonten verfügen.

Gerade unter den genannten Aspekten bleibt die Zahl von – geschätzt – einer halben Million Menschen, die in Deutschland ohne Girokonto auskommen müssen, ein fortdauerndes Ärgernis, ja ein Skandal. Zwar steht völlig außer Frage, dass Kreditinstitute Wirtschaftsunternehmen sind, die nach kaufmännischen Grundsätzen geführt werden müssen; Gewinnerzielung um jeden Preis kann jedoch insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Banken nicht alleiniges Ziel sein, dem in seiner Ausschließlichkeit alles andere untergeordnet wird.

Das Zielsystem von Sparkassen und Genossenschaftsbanken wurde innerhalb dauerhaft tragfähiger Grenzen schon immer um Elemente einer Gemeinwohlorientierung ergänzt. Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind beispielsweise verpflichtet, mit ihren Dienstleistungen in allen Regionen präsent zu sein. Beide Bankengruppen bekennen sich darüber hinaus im Rahmen ihres öffentlichen Auftrages ausdrücklich dazu, aktiv an der Überwindung von Wirtschafts- und Sozialproblemen mitzuarbeiten.

Eines der wichtigsten konkreten Handlungsfelder bei der Überwindung dieser Sozialprobleme sehen wir in der Schaffung eines gesetzlich gesicherten Rechts jeder Bürgerin und jedes Bürgers auf ein Privatgirokonto. Aus Sicherheits- und Kostengründen sollten die Serviceleistungen eines solchen Kontos auf die notwendigen Grundfunktionen beschränkt werden. Beispielsweise wäre es notwendig, Überziehungsmöglichkeiten und somit unfreiwillige Kreditierungen auszuschließen.

Wie ein solcher gesetzlicher Anspruch auf ein Girokonto konkret ausgestaltet sein könnte, dazu werde ich mich nachher noch äußern.

Vielen Dank zunächst einmal.

(Beifall bei der NPD)

Es spricht ein Koalitionssprecher. Herr Pecher von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Herren vom rechten Rand! Ich habe mich bei diesem Tagesordnungspunkt schon ziemlich gewundert. Wir hatten ja das Thema Sächsische Sozialbank ähnlich gelagert. Dort wurden auch die ominösen 500 000 Betroffenen in den Raum geworfen und heute wieder. Man sollte sich das einmal genauer ansehen. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat das versucht. Sie hat praktisch bis einschließlich 30.09.2005 eine entsprechende Umfrage in Sachsen gestartet, die Rückmeldungen von keinem Betroffenen ohne Konto bewegen sich in der Regel im 0-Komma-Prozent-Bereich.

Viel interessanter ist es natürlich, einmal zu sehen, wie es sich bei einer Bitte um Rückmeldung durch die Betroffenen selbst verhält. Dazu haben sich in diesem Zeitraum ganze 20 gemeldet, von denen sieben von negativer Schufa-Auskunft betroffen waren.

Es ist also festzustellen, dass von dieser Zahl von 500 000 Betroffenen bundesweit keine Rede sein kann. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden. Selbstverständlich ist es so, dass jeder Mensch, der kein Girokonto hat, in der Regel einer zu viel ist. Man muss aber auch einmal ganz genau über die Situation vor Ort informieren. Ich habe mich mit dem Sozialamt in Zwickau verständigt. Es gibt nun einmal einen Prozentsatz von Menschen, die – krankheitsbedingt, wegen Alkoholproblemen etc. – nicht in der Lage sind, mit einem Konto umzugehen. Hier greift die Fürsorgepflicht der Sozialämter, die das auch sehr verantwortungsbewusst tun.

Es gibt auch einen Prozentsatz von Beteiligten, die kein Konto haben, weil sie es missbraucht haben.

Es bleibt dabei, es gibt die Selbstverpflichtung des Zentralen Kreditausschusses und es gibt die gesetzliche Grundlage in Sachsen im Bereich der Sparkassen – Sächsische Sparkassenverordnung –, die sicherstellt, dass jeder ein Girokonto haben kann.

Wo das nicht funktioniert, müssen wir die Instrumente für Betroffene nutzen, die vor Ort durchaus vorhanden sind. Das sind die Bürgermeister vor Ort, das sind die Sozialämter, die Stadträte, die Wohlfahrtsverbände, die Verbraucherschutzverbände und nicht zuletzt die Bundestags- und Landtagsabgeordneten.

Ich kann hier versichern und ich stehe auch dazu, wer in meinem Bereich anklopft und unverschuldet kein Girokonto bekommt, der erhält dies bei der Sparkasse Zwickau. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn man sich an den entsprechenden Abgeordneten wendet, dass man auch Hilfe bekommt. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass wir diese Instrumente vor Ort weiter nutzen. Deshalb ist es auch nicht notwendig, noch weitere gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen. Daher lehnen wir diesen Antrag als Koalition ab.

Für die Linksfraktion.PDS spricht Herr Kollege Dr. Pellmann.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! In der vorigen Debatte hat der NPD-Redner den Antrag der Koalition als einen Schaufensterantrag apostrophiert.

Wir haben dem vorhergehenden Antrag zugestimmt, weil wir ihn durchaus für wichtig, wenn auch nicht für durchreißend hielten.

Aber wenn überhaupt der Begriff „Schaufensterantrag“ angebracht ist, so sollten Sie selbstkritisch verfahren und Ihren in diese Charakteristik stufen, selbst wenn er von Ihrem Chefideologen hier apostrophiert wurde.

Ich will daran anknüpfen, was mein Vorredner, Herr Pecher, gesagt hat. Das gilt auch in Leipzig. Zu mir kommen Gott sei Dank viel mehr Bürger zur Beratung als zu Ihnen. Bei Ihnen haben sie nichts zu erwarten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Genau deshalb verspreche ich hier öffentlich von der Tribüne dieses Hauses: Wer in Leipzig zu mir kommt und unverschuldet kein Girokonto erhält, dem werde ich helfen, bis er es hat.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Das wird auch für die meisten Abgeordneten dieses Hauses über Parteigrenzen hinweg gelten.

Der Antrag ist auch deshalb ein Schaufensterantrag, weil mehr oder weniger schlecht eine Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung bundesweit abgeschrieben worden ist. Ich glaube kaum, dass die Menschen, die in dieser Arbeitsgemeinschaft sind und bundesweit ein sehr großes Engagement zeigen, der NPD Dankesworte für diesen Antrag schicken würden. Ganz im Gegenteil, mit diesem Antrag und mit Ihrem Ansinnen verklären Sie nicht nur die Situation, sondern Sie schaden eher denen, die davon betroffen sein könnten.

(Jürgen Gansel, NPD: Wird hier heimlich getrunken? – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Herr Gansel, Sie sehen aus wie bekifft!)

Wir könnten ja vielleicht einmal über eine Debatte nachdenken, wenn die NPD-Fraktion einen Antrag stellen würde – auf den warte ich nämlich, sehen Sie, ich mache Ihnen sogar Vorschläge, das hat zwar wenig Sinn, aber man versucht sein Möglichstes –, mit dem Sie sich dafür einsetzen, dass alle Ausländer und Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland definitiv ein Konto einrichten können.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wenn Sie das machen, dann würde ich nachzudenken beginnen.

Herr Pellmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber darüber brauche ich nicht nachzudenken.

Ich bin am Ende mit dem, was ich dazu sagen wollte. Zu solchen Anträgen ist auch nicht mehr zu sagen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die FDP-Fraktion hat keinen Redner gemeldet. Das bleibt so. Bei den GRÜNEN bleibt es auch so.

Haben die Fraktionen, die schon gesprochen haben, noch einmal Redebedarf? – Herr Leichsenring, bitte.

(Karl Nolle, SPD: Herr Pellmann wird Ihnen ein Konto verschaffen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich der SPD-Fascho auch schon aus dem Bett gewälzt hat und hier eingetroffen ist. Wir freuen uns, Herr Nolle, dass Sie mittlerweile auch an unserer Beratung teilnehmen.