Protocol of the Session on November 11, 2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 35. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Frau Nicolaus, Frau Hermenau, Frau Weihnert, Frau Günther-Schmidt, Frau Dr. Höll, Herr Tillich, Herr Dr. de Maizière, Herr Eggert und Frau Dr. Raatz.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung zu unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 und 5 bis 8 folgende Redezeiten festgelegt: CDU-Fraktion 96 Minuten, Linksfraktion.PDS 72 Minuten, SPD-Fraktion 42 Minuten, NPD-Fraktion 42 Minuten, FDP-Fraktion 30 Minuten, GRÜNE-Fraktion 30 Minuten, Staatsregierung 72 Minuten. Die Redezeiten können von den Fraktionen und der Staatsregierung wie immer entsprechend ihrem Bedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung folgende Änderungen vorzunehmen: Die Tagesordnungspunkte 2 bis 5, 3. Lesungen, sind zu streichen, da wir diese bereits gestern durchgeführt haben.

Meine Damen und Herren! Gibt es Ihrerseits Anträge bzw. Ergänzungen zur Tagesordnung? – Herr Zastrow, bitte.

Auf der heutigen Tagesordnung steht die Drucksache 4/3112, Keine Mehrbelastung durch Pkw-Maut. Dazu haben wir gestern die Stellungnahme der Staatsregierung bekommen; ich glaube, Sie hatten sie alle auf dem Tisch. Da die Stellungnahme der Staatsregierung genau dem entspricht, was wir mit dem Antrag bezwecken wollten und die Staatsregierung dieselbe Position gegen die Pkw-Maut vertritt wie wir – anders übrigens als der CDU-Generalsekretär, Herr Kretschmer –, denken wir, dass wir uns die Zeit für die Diskussion sparen können, und ziehen deswegen den Antrag zurück.

(Beifall)

Gut, danke. – Dann bitte ich zu beachten, dass der Tagesordnungspunkt 7 – in neuer Zählweise, das heißt unter Beachtung der gestrichenen oder erledigten 3. Lesungen – zu streichen ist. Ich wiederhole: Es geht um den Antrag der Fraktion der FDP, Keine Mehrbelastung durch Pkw-Maut, Drucksache 4/3112.

Gibt es weitere Anträge bzw. Änderungswünsche zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zu

Tagesordnungspunkt 1

3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Sächsischen Heilberufekammergesetzes und des Heilberufezuständigkeitsgesetzes

Drucksache 4/2829, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 4/3395, Zusammenstellung der in der 2. Lesung beschlossenen Änderungen

Die 2. Beratung fand in der 34. Sitzung des Landtages, also gestern, statt. Gegenüber der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses wurden Änderungen vorgenommen.

Es liegt kein Wunsch nach einer allgemeinen Aussprache gemäß § 46 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor.

Da es keine Änderungsanträge in der 3. Lesung geben kann, stelle ich nunmehr den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Heilberufekammergesetzes und des

Heilberufezuständigkeitsgesetzes in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem Entwurf des Gesetzes zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen ist dem Entwurf als Gesetz zugestimmt worden. Damit ist Tagesordnungspunkt 1 beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Absehen von Rückforderungen von Fördermitteln bei Umwidmung von Schulgebäuden

Drucksache 4/3257, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die CDU-Fraktion beginnt. Es folgen die SPD-Fraktion, die Linksfraktion.PDS, die NPD-Fraktion, die FDP-Fraktion, die GRÜNE-Fraktion und die Staatsregierung.

Meine Damen und Herren! Die Debatte ist eröffnet. Ich erteile den Fraktionen der CDU und der SPD als Einreicherinnen das Wort. Herr Colditz für die CDU-Fraktion, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich recht kurz fassen, zumal ich davon ausgehe, dass das Anliegen des vorliegenden Antrags weitgehend unstreitig und für die Fraktionen weitgehend zustimmungsfähig ist.

Bekanntlich kam und kommt es im Rahmen der notwendigen Straffung des Schulnetzes auch zu Schulschließungen. Man sollte in diesem Zusammenhang davon ausgehen können, dass getätigte Investitionen bei diesen regional zu treffenden Entscheidungen berücksichtigt worden sind. Ich denke, Gestaltungsmöglichkeiten waren und sind dazu vorhanden. Bei Planungsentscheidungen war und ist es möglich, im Verbund von Standorten zugunsten getätigter Investitionen eine Entscheidung zu treffen. Trotzdem ist das nicht in jedem Fall realisiert worden. Nachdem aber bei der Fördermittelvergabe für die Schulhausbaumittel mittlerweile eine 25-jährige Zweckmittelbindung beauflagt worden ist, ergibt sich im Einzelfall ein Problem für die jeweiligen Schulträger.

Dem wollen wir mit dem vorliegenden Antrag entgegenwirken. Für den Fall, dass eine öffentliche Nutzung des ehemaligen Schulgebäudes erfolgt, soll von Rückforderungen der Fördermittel abgesehen werden. Es wäre sicherlich unangemessen, wenn man seitens der Staatsregierung auf Fördermittelrückforderungen bestehen würde, zumal die Entscheidungen über die Vergabe von Fördermitteln ebenso wie die Entscheidungen zur Schulnetzplanung unter staatlicher Beteiligung vorgenommen worden sind. Wir wollen über die Abwägung von Einzelfällen hinaus eine generelle politische Lösung des Problems erreichen. Sicherlich kann und soll dies nicht dazu führen, dass das Engagement der Kommunen bei der Nutzung ehemaliger Schulgebäude gedämpft wird. Im Gegenteil, mit unserem Antrag werden Initiativen zur weiteren öffentlichen Nutzbarmachung der getätigten Investitionen angeregt und befördert.

Ich bitte Sie im Sinne der betroffenen Schulträger um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag trägt dem Umstand Rechnung, dass die Schulträger trotz vielfältiger Bemühungen nicht verhindern konnten, dass Schulstandorte aufgegeben werden mussten. Wir wissen auf der anderen Seite, dass es nach 1990 kaum einen Schulstandort gab, der nicht irgendeinen dringenden Sanierungsbedarf hatte. Der Freistaat hat deshalb die Kommunen unterstützt. Anders wäre in vielen Fällen ein zumutbarer Schulbetrieb nicht gegeben gewesen.

Früher oder später war jedem klar, dass nicht alle Schulstandorte erhalten werden können. Sicherlich gab und gibt es unterschiedliche Konzepte, wie mit dem Schülerrückgang umgegangen werden kann. Aber egal welche, am Schluss hätte es mit jedem vertretbaren Konzept Schließungen von Schulen gegeben, und zwar von solchen, die einmal sehr dringend gebraucht wurden. Wie immer also in vorangegangenen Jahren die Fördermittel die Kommunen erreicht haben und wer am Ende verantwortlich gezeichnet hat – es war in vielen Fällen ein Spiel mit Unbekannten und es war sogleich eine Dilemmasituation.

Selbst dort, wo klar war, dass es Standortsicherheit nur noch für die nächsten zehn Jahre geben würde, konnte man den Schulbetrieb doch nicht zehn Jahre unter unzumutbaren Bedingungen fortsetzen. Selbst in Regionen, in denen klar war, dass es in zehn Jahren nur noch die Hälfte der Standorte geben würde, war nicht klar, welche Standorte das sein würden. Wir alle kennen sicherlich Beispiele, dass sichere Standorte durch die unterschiedlichsten Einflussfaktoren plötzlich zur Schließung anstanden oder sichere Schließungskandidaten so attraktiv wurden, dass sie um ihre Zukunft nicht länger bangen mussten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ich hier noch viel breiter ausführen könnte, läuft in der Summe auf den Fakt hinaus, dass wir im Prinzip vollkommen richtige Grundsätze der Verwendung öffentlicher Gelder – wie eben eine langfristige Zweckbindung – unter den Bedingungen größerer Verwerfungen in kurzer Zeit nicht stur zur Anwendung bringen können.

Weder Schulträger noch Freistaat trifft eine direkte Schuld, dass sich die Schülerzahlen halbieren. Keiner aber hätte verantworten können, eine ganze Generation junger Menschen unter unwürdigen Bedingungen zu beschulen. Das wäre genauso wenig politisch durchsetzbar gewesen wie jetzt die Rückforderung von Fördermitteln. Die betroffenen Kommunen sind betroffen genug. Sie verlieren mit der Schule einen wichtigen Standortfaktor und auch Geld, das sie in die Schule gesteckt haben.

Unser Antrag sieht deshalb vor, die Zweckbindung für die Fälle, in denen eine öffentliche Nutzung auch nach der Schließung der Schule gegeben ist, auf diese Nutzung zu erweitern. Natürlich sollen die Mittel nur dann anteilig zurückgezahlt werden, wenn Immobilien veräußert werden. So viel muss der Veräußerungsgewinn abwerfen – und das ist eine billige Forderung.

In den anderen Fällen aber, in denen aus der Schule ein Gemeindezentrum wird, die Sportanlagen öffentlich zugänglich sind, Jugendeinrichtungen eine neue Heimstatt finden usw., soll keine Forderung erfolgen.

Das ist jetzt eine politische Entscheidung, die wir hier zu treffen haben, die keine Behörde verantworten kann. Deshalb ist es auch wichtig, diesen Antrag heute zu verabschieden, und ich hoffe, mit großer Mehrheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Simon, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Mitgliedern des Haushalts- und Finanzausschusses werden die unendlichen Diskussionen um den gegenwärtigen Doppelhaushalt, denen wir uns Mitte April dieses Jahres unterzogen haben, noch in guter Erinnerung sein. Der Kampf um Beträge bis hinunter in den unteren fünfstelligen Bereich wogte hin und her. Auch wenn alle Streiter hart für ihre Vorschläge kämpften und sich gegenseitig nichts schenkten, so einte sie doch eine gemeinsame Gewissheit: Der Freistaat ist knapp bei Kasse.

Hätten wir doch nur alle vor diesen Beratungen die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Dr. Barbara Höll in der Drucksache 4/1607 zur Schließung sanierter Schulen in der Hand gehabt. Unsere Verhandlungen wären sicher viel gelassener ausgefallen; denn die Gewissheit über die klamme Kasse des Freistaates wäre uns sehr schnell abhanden gekommen. Lassen Sie mich der Anschauung halber einige Beispiele nennen.

So wurde unter anderem folgenden Schulen durch das Kultusministerium die Mitwirkung entzogen: der Mittelschule Ottendorf-Okrilla, die erst 2002 für 2,13 Millionen Euro saniert wurde, der Bautzener Mittelschule „Gesundbrunnen“, für die erst im Jahr 2003 2,78 Millionen Euro für Sanierung und Modernisierung aufgewendet wurden, der Grundschule Goldbach bei Bischofswerda, an die erst im Jahr 2004 für 584 000 Euro ein Schulsportsaal angebaut wurde. Das sind nur drei Beispiele von einer Liste mit insgesamt 156 Schulen, in die von 1990 bis 2004 insgesamt 80 Millionen Euro verbaut wurden. Aber das ist bei weitem noch nicht alles.

Aus weiteren Auflistungen geht hervor, dass allein in die Schulen, die seit dem Schuljahr 1999/2000 geschlossen wurden und die keine andere schulische Verwendung

fanden, mindestens weitere 50 Millionen Euro investiert wurden.

Selbst nach der Wende neu gebaute Schulen, wie die in Reinhardtsdorf, Schöna und Rosenthal-Bielatal sind inzwischen geschlossen. Die Kosten für ihren Bau betrugen 2,5 Millionen Euro. Wer will da behaupten, es sei kein Geld im Freistaat vorhanden?! Nur schade, dass solch große Summen wegen der rigorosen Schulschließungspolitik der Staatsregierung als verschwendet bezeichnet werden müssen.

Aus diesen Zahlen leiten sich für uns gute Argumente für die Schulgesetzinitiativen unserer Linksfraktion.PDS ab. Es wäre doch mehr als sinnvoll gewesen, möglichst viele der mit großem Aufwand sanierten Schulen durch kleinere Klassen und reduzierte Mehrzügigkeit zu erhalten, von den daraus resultierenden kürzeren Schulwegen, geringeren Schülerbeförderungskosten und größeren Bildungschancen für viele betroffene Schüler ganz zu schweigen; ebenso nicht zu vergessen, dass mit der Schule das kulturelle Zentrum mancher Gemeinde starb.

Dass diese bildungspolitische Tragödie nun ein finanzpolitisches Nachspiel hat, ist nicht verwunderlich, wohl aber, dass es der Staatsregierung so unglaublich schwer fällt, wenigstens hierbei eine gute Figur zu machen.

Bereits im Juli 2003 fragte meine Kollegin Regina Schulz, ob die Gemeinden, die erst gegen ihren Willen um ihre Schule gebracht wurden, nachfolgend auch noch die Fördermittel zurückzuzahlen hätten. Statt sich klar und deutlich zu seiner Verantwortung zu bekennen, dozierte der damalige Minister Mannsfeld lieber über die Sächsische Haushaltsordnung und verniedlichte das Problem auf Einzelfälle und Einzelfallprüfungen. Mehr fiel dem jetzigen Minister am 23. Juni 2005 auch nicht ein, als ich am konkreten Beispiel der erst im Jahr 2002 mit Fördermitteln sanierten und zu Beginn des jetzigen Schuljahres geschlossenen Schule in Berthelsdorf erneut nachfragte. Er meinte zwar, dass er nicht die Absicht habe, Kommunen zu schaden oder sie zu ruinieren, aber sehr glaubwürdig war das natürlich nicht; denn gerade die Schulschließungen sind ein enormer Schaden für die betroffenen Kommunen, dabei nicht zu vergessen, dass nicht nur die vom Freistaat bewilligten Fördermittel vergeudet wurden, sondern auch die kommunalen Eigenanteile, was angesichts der chronischen Finanznot besonders schwer wiegt.