Protocol of the Session on October 6, 2005

Danke schön. – Die Linksfraktion wird – wie immer bei diesen Themen – durch Frau Altmann vertreten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was man in der Landwirtschaft unter „benachteiligten Gebieten“ versteht, haben uns CDU und SPD schon erklärt; darauf brauche ich nicht weiter einzugehen. Auch wie wichtig eine langfristige, standortgerechte landwirtschaftliche Nutzung dieser Gebiete für eine lebensfähige Gesellschaftsstruktur in diesen ländlichen Räumen ist, wurde von Herrn Heinz dargelegt.

Dass gerade in diesen Gebieten, die sich in Sachsen vorwiegend im Erzgebirge und in der Lausitz befinden, die Milchviehhaltung oft die einzige sinnvolle, standortgerechte landwirtschaftliche Nutzung darstellt, zeigt den Zusammenhang zwischen beiden Anträgen, über den ich zunächst einmal einen Moment lang nachdenken musste.

So weit, so gut. Bis dahin hat die Linksfraktion null Probleme mit den Anträgen von CDU und SPD. Problematisch ist für uns allerdings, dass die Anträge – erstens – den kleinen Ausschnitt „benachteiligte Gebiete“ und „Milchwirtschaft“ aus dem großen Zusammenhang der Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik und der künftigen EU-Förderung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume herausreißen. Zweitens blenden Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, wieder einmal völlig aus, welche Schwerpunkte die Staatsregierung selbst gerade in Bezug auf benachteiligte Gebiete hier in Sachsen setzt, und zwar dort, wo sie Einfluss hat.

Schauen wir zwei Jahre zurück. Damals gab es im Landtag und in ganz Sachsen die Diskussion über den Landesentwicklungsplan 2003; sie hat im gesamten Land hohe Wellen geschlagen. Es ging fast ausschließlich um das

Zentrale-Orte-Konzept und in diesem Zusammenhang um eine gleichwertige Entwicklung aller sächsischen – auch der ländlichen – Regionen.

Fast unbemerkt von dieser grundsätzlichen Debatte sollte im Landesentwicklungsplan unter dem Abschnitt „Land- und Forstwirtschaft“ im Ziel 1 festgeschrieben werden, dass landwirtschaftliche Vorrang- und Vorbehaltsgebiete vorrangig in Gebieten mit Bodenwertzahlen über 50 ausgewiesen werden sollten, und zwar mit der Begründung, dass nur dort langfristig eine ökonomisch tragfähige Landwirtschaft möglich sein werde. Weite Teile des Erzgebirges und der Lausitz können aber von solchen Bodenwertzahlen nur träumen; sie liegen deutlich darunter.

Kein Wort in diesem Zusammenhang von flächendeckender Landwirtschaft, Herr Heinz, kein Wort vom Schutz der Milchviehbetriebe in den benachteiligten Gebieten im Erzgebirge und der Lausitz und kein Wort von ihrer Bedeutung für Arbeitsplätze – das haben Sie schon hervorgehoben – in diesen ohnehin strukturschwachen ländlichen Regionen.

Damals wurde der Vorschlag der PDS, das Ziel 1 um den Satz zu erweitern: „In den Gebirgs- und Vorgebirgslagen sowie in Flusstälern sind darüber hinaus zusammenhängende Grünlandflächen als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete auszuweisen“, natürlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren von der CDU, es reicht eben nicht, immer nur in Richtung Brüssel und Berlin Forderungen zu stellen, mit denen man vorgibt, nur das Beste für die sächsischen Landwirte zu wollen. Wir sind der Meinung: Auch hier in Sachsen haben wir genug Möglichkeiten und Spielräume, die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, wenn es politisch nur gewollt ist.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Linksfraktion will das. Wir werden auch künftig dafür streiten.

Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, dass sowohl die Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik als auch – und das ganz besonders – der künftige Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung der ländlichen Räume, den so genannten ELER, reichlich Möglichkeiten und Spielräume bieten. Man muss sie nur sehen wollen und darf nicht stur an Althergebrachtem festhalten, wie es der CDU-/SPDAntrag zur „Reform der Einstufung benachteiligter Gebiete in der Landwirtschaft“ tut.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Auch wenn Sie, Frau Deicke, vorhin davon gesprochen haben, dass nichts so beständig sei wie die Veränderung, so stelle ich doch fest: Bewegen und verändern wollen Sie sich mit diesem Antrag überhaupt nicht!

Damit komme ich wiederum zum ersten Problem, das die Linksfraktion besonders mit diesem Antrag hat, und auch gleich zu unserem Änderungsantrag. Für uns ist es ein

fach nur engstirnig, kurzsichtig und fantasielos, nichts weiter zu fordern, als „dass die Staatsregierung sich dafür einsetzen soll, dass in Deutschland die bisherige Gebietskulisse ihre Gültigkeit behält“. So steht es wörtlich im Antrag, nichts aber von einem Nachdenken darüber oder einem Willen zum Verändern.

Im Übrigen war aus unserer Sicht Ende Juni, als der Antrag in den Landtag eingebracht wurde, die Zeit schon lange darüber hinweggegangen; denn schon im Mai hatte die EU-Kommission die in den Verordnungsvorschlag für den ELER aufgenommenen Regelungen zur Neuabgrenzung benachteiligter Gebiete zurückgezogen, weil sie unausgewogen und fachlich unbegründet waren. Auch das hat Frau Deicke vorhin gesagt. Wir wissen nicht so richtig, warum dieser Antrag heute dennoch behandelt wird.

Die Kommission will nun nach gründlicher Prüfung erst im Jahr 2008 neue Vorschläge unterbreiten. Genau hier setzt unser Änderungsantrag an:

Statt nur zu fordern, dass alles so bleibt, wie es ist, wollen wir, dass die Staatsregierung in diesen Gestaltungsprozess aktiv, vor allem aber konstruktiv eingreift, vor allem im Sinne einer flächendeckenden standortgerechten Landwirtschaft als Motor für Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den sächsischen ländlichen Räumen.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau Deicke, dann wollen Sie genau das Gleiche. Sie wollen, dass die Staatsregierung aktiv in diesen Prozess eingreift. Also kann ich Ihnen nur sagen: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Er ist überhaupt nicht überflüssig.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Genau um diesen Prozess aktiv mitzugestalten, soll die Staatsregierung unter Einbeziehung aller anderen künftigen EU-Förderinstrumente ihre Anforderungen an aus Sicht des Landes Sachsen geeigneten Abgrenzungskriterien zur Neuregelung benachteiligter Gebiete entwickeln, darüber auch dem Landtag berichten und sich natürlich auch frühzeitig und aktiv dafür gegenüber der EU und dem Bund einsetzen. Das verstehen wir unter Nutzen von Möglichkeiten und Handlungsspielräumen, Minister Flath.

Herr Minister Tillich, Entschuldigung, ich war wieder zwei Jahre in meinen Gedanken zurück. Ich entschuldige mich dafür.

Thüringen hat übrigens genau mit dem, was wir mit unserem Änderungsantrag fordern, schon lange – mit einer dreiteiligen Begleituntersuchung zur Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete – begonnen.

Meine Damen und Herren! Zu den anderen künftigen EUFörderinstrumenten, die wir gern in die Untersuchung einbezogen sehen wollen, gehört für die Linksfraktion natürlich das neue flächenbezogene Direktzahlungssystem für die Landwirtschaft, aber genauso gehört dazu die gesamte Palette der Agrarumweltmaßnahmen, die spezielle Förderung für den Öko-Landbau, die zusätzliche

Fördermöglichkeit für Energiepflanzen und nicht zuletzt die Ausgleichszulage für die Natura-2000-Gebiete.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Nur wenn man das alles im Zusammenhang betrachtet, kann man auch für Sachsen sinnvoll festlegen, welche Gebiete in Zukunft als benachteiligte Gebiete einzuordnen sind.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, noch einige Bemerkungen zum zweiten Antrag: „Auswirkungen der Milchquotenpolitik im Freistaat Sachsen“.

Meine Damen und Herren von der CDU! Es spricht nicht gerade für sehr viel Eigenständigkeit und Aktualität, wenn die Begründung zu diesem Antrag fast wörtlich aus einer Rede des bayerischen Landwirtschaftsministers Josef Miller vom 24. März 2004 abgeschrieben ist. Ich habe diese Rede hier. Es ist wirklich fast wörtlich. Ich finde das schon ziemlich ärmlich.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ansonsten werden wir dem Punkt 1 des zweiten Antrages zustimmen. Ein Bericht kann nie schaden.

Den Punkt 2 werden wir ablehnen, weil er für uns einfach völlig unkonkret ist, und ich habe bis jetzt noch nichts – weder von Herrn Heinz noch von Frau Deicke – gehört, was Sie mit Handlungsspielräumen meinen, die Sie entwicklungsfähigen Milchviehbetrieben durch eventuelle Gesetzgebungsverfahren erhalten wollen, die anstehen. Ich kann mit diesem zweiten Antrag nichts anfangen. Ich habe zwar eine Ahnung, aber ich habe von Ihnen noch nichts Konkretes dazu gehört.

Den ersten Antrag werden wir ablehnen, weil wir dazu einen viel weiter gehenden Änderungsantrag eingebracht haben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Danke schön. – Für die NPD-Fraktion Herr Abg. Paul, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion begrüßt natürlich, dass den sächsischen Landwirten die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen aufgrund der ausgesetzten Entscheidung der EU-Kommission zumindest bis 2008 erhalten bleiben. Die dadurch entstehende zumindest kurzfristige Planungssicherheit ist für viele Betriebe in der heutigen wirtschaftlichen Situation von besonderer Bedeutung.

Mit Hilfe der Ausgleichszulage ist der Erhalt einer funktionierenden Landwirtschaft auch in ertragsschwächeren und strukturell benachteiligten Gebieten in unserer Heimat noch möglich. Die Ausgleichszulage kann zumindest teilweise dazu beitragen, dass in Zeiten von ständig steigenden Produktionskosten und sinkenden Erzeugerpreisen in allen Gebieten des Freistaates noch eine einigermaßen tragfähige Landwirtschaft existieren kann.

Unsere Fraktion kann sich jedoch angesichts der wirtschaftlichen Lage in vielen Landwirtschaftsbetrieben dem Begeisterungssturm über die kurzfristige Verschiebung der Kommissionsentscheidung bis 2008 nicht anschließen, denn, meine Damen und Herren, aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben, womit wir die heutige Debatte auf den Punkt bringen können.

Es reicht nicht aus, dass die Bundesrepublik Deutschland der größte Nettozahler an die EU ist und unsere derzeitigen Politiker froh sind, wenn dann ein Teil des von uns eingezahlten Geldes wieder in unser Land zurückfließt; nein, jetzt freuen sich unsere Politiker schon, wenn wir wenigstens noch ein paar Jahre länger, nämlich zunächst einmal bis 2008, unser eigenes Geld in unserem eigenen Land nach unserem eigenen Ermessen einsetzen können.

Die Diskussion über die Neufestlegung der benachteiligten Gebiete ist ein glänzendes Beispiel für die Aushebelung der nationalen Souveränität durch die Europäische Union. Der Weg, den die Koalitionsfraktionen vorschlagen, die Staatsregierung möge sich, wie im Punkt 2 des Antrages formuliert, dafür einsetzen, dass die bisherige Gesamtabgrenzung auch bei einer Neuerarbeitung der EU-Richtlinie ihre Gültigkeit behält, halten wir für eine Sackgasse. Sie wissen, dass das erklärte Ziel dieser EU ist, so genannte Wettbewerbsverzerrungen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten zu verhindern. Sie wissen, dass dies nur durch eine Angleichung der Wirtschafts- und Einkommensverhältnisse möglich ist. Sie wissen auch, welches Gefälle derzeit zu den neu hinzugekommenen EU-Staaten besteht, und zu den EU-Staaten, die noch hinzukommen werden, erst recht. Glauben Sie ernsthaft, dass es in dieser EU einem deutschen Landwirt auf Dauer möglich sein wird, gegen diese Billigkonkurrenz zu bestehen? Glauben Sie tatsächlich, dass die EUKommission 2008 ihrer Forderung nach Beibehaltung der Gebietskulisse für benachteiligte Gebiete zustimmen wird? – Wenn Sie das glauben, dann befinden Sie sich wirklich in einer Sackgasse.

Anstatt die Forderung aufzustellen, die Staatsregierung möge versuchen, Einfluss auf die Entscheidungen der EUKommission zu gewinnen, sollten Sie lieber einmal die Forderung aufstellen, mehr nationale Souveränität in der Agrarstrukturpolitik zurückzugewinnen. Dies gilt, nebenbei gesagt, auch für zahlreiche andere Felder der Politik.

Lassen Sie mich dafür ein Beispiel bringen, was geschieht, wenn nicht endlich mehr nationale Interessen in der Politik, nicht nur in der Agrarpolitik, gewahrt werden. Kürzlich wurde ein mitteldeutscher Arbeitnehmer aus der Automobilindustrie in einem Interview gefragt, was er zur Angleichung des Lohnniveaus Ost an das Lohnniveau West zu sagen hätte. Dieser Arbeitnehmer antwortete: „Der Westen wird sich wohl an den Osten angleichen müssen. Wir haben bewiesen, dass wir für 20 % weniger Lohn die gleichen Autos bauen können.“ Die Wahrheit dieser Aussage wird sichtbar, wenn Sie sich die Ankündigung des VW-Konzerns anschauen, die neue Produktion

zwar nicht in Portugal, aber zu erheblich geringeren Löhnen zu beginnen.

Auf dem Agrarsektor tritt derselbe Effekt zwischen den neuen EU-Staaten mit niedrigerem Einkommensniveau und Deutschland ein. Ich weiß nicht, wie viele sächsische Landwirte noch morgens um vier Uhr in den Stall gehen, wenn sie am Monatsende den Durchschnittslohn eines Landwirts aus Osteuropa in der Hand halten.

Der anhaltende Preiskampf zieht sich durch nahezu alle Sparten der landwirtschaftlichen Erzeugung und lässt sich am Beispiel der Milchproduktion traurigerweise am deutlichsten belegen, wobei wir beim zweiten Antrag der Koalitionsfraktionen wären. Mit einem Produktionsvolumen von mehr als 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr stellt die Milchproduktion einen der größten Einkommenszweige der sächsischen Landwirtschaft dar. Die Milchwirtschaft hat damit in Sachsen eine erhebliche Bedeutung für die soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Stabilität und Fortentwicklung der ländlichen Räume. Aus diesem Grunde bedarf die Milchpreisquotenpolitik einer besonderen Aufmerksamkeit.

Der Milchmarkt befindet sich in einer seit Längerem andauernden Krise.

Viele Milchproduzenten können infolge der derzeitig katastrophalen Preisentwicklung auf dem Milchmarkt nicht einmal mehr kostendeckend produzieren, geschweige denn Investitionen tätigen oder gar Gewinne erzielen.