Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. – Dann Herr Staatsminister Mackenroth, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich komme zurück zum Thema der Debatte: Antrag der NPDFraktion „EU-Verfassung – grundgesetzkonform?“.
Jedem Jurastudenten ist das Verhältnis zwischen dem Recht der Europäischen Union einerseits und dem nationalen Recht sowie dem Grundgesetz andererseits geläufig. Er kennt die grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Maastricht-Vertrag aus dem Jahre 1993 und den „Europaartikel“ 23 des Grundgesetzes aus dem Jahre 1992, den Herr Abg. Schiemann bereits zu Recht zitiert hat. Einen Anlass für die heutige Debatte sehe ich daher nicht.
Ebenso wie der Antrag der NPD-Fraktion, Drucksache 4/1567, mit dem die Staatsregierung ersucht werden soll, eine abstrakte Normenkontrollklage gegen das Zustimmungsgesetz zum Verfassungsvertrag beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten, lässt auch die Formulierung des heutigen Debattenthemas den Schluss zu, dass diese Entwicklungen den Antragstellern entweder nicht bekannt sind oder bewusst unterschlagen werden.
Die angebliche Verfassungswidrigkeit des Ratifikationsgesetzes, dem Sachsen am 27. Mai 2005 im Bundesrat zugestimmt hat, liegt nach Auffassung der NPD darin, dass durch den Verfassungsvertrag einfache Rechtsakte der EU-Organe Vorrang auch vor den nationalen Verfassungen erhielten. Damit, so glaubt man, sei die Europäische Union zu einem Bundesstaat geworden, die Eigenstaatlichkeit der Bundesrepublik bedroht. Diese Auffassung halte ich für unzutreffend und für unvertretbar.
Die These von der durch Europa bedrohten Eigenstaatlichkeit Deutschlands ist vor mehr als zwölf Jahren schon einmal gegenüber dem Vertrag von Maastricht erhoben und vom Bundesverfassungsgericht seinerzeit mit deutlichen Worten zurückgewiesen worden.
origineller. Insbesondere lässt sie sich nicht auf das Grundgesetz stützen. Die grundlegende Entscheidung, sich an der Entwicklung der EU zu beteiligen und dazu auch Hoheitsrechte an diese zu übertragen, ist dort nämlich schon seit 1949 angelegt und seit 1992 in Artikel 23 Abs. 1 Grundgesetz ausdrücklich geregelt. Dieser zentrale verfassungsrechtliche Pfeiler der europäischen Integration der Bundesrepublik wird von der NPD mit trauriger Regelmäßigkeit unterschlagen.
Die logische Konsequenz aus dieser Übertragung von Hoheitsrechten ist nun einmal, dass das europäische Recht, also die Normen der Verträge sowie die Richtlinien und Verordnungen, im Alltagsgeschäft dem nationalen Recht vorgeht. Dies hat mit dem Europäischen Verfassungsvertrag gar nichts zu tun. Wie sollte es denn auch anders sein, wenn das europäische Recht seine Geltung in nunmehr 25 Mitgliedsstaaten sicherstellen muss. Artikel I-6 des Verfassungsvertrages bringt daher lediglich zum Ausdruck, was ohnehin schon seit vielen Jahren gilt. In dieser Vorschrift das Einfallstor für die Zerschlagung der Nationalstaaten sehen zu wollen halte ich angesichts dessen für – gelinde gesagt – abwegig. Das Wort „Verrat“ ist für mich in diesem Zusammenhang aberwitzig.
Selbstverständlich führt dieser Anwendungsvorrang des europäischen Rechts nicht dazu, dass der Schutz der Grundrechte ausgehebelt würde. Zwischen dem EuGH in Luxemburg und dem Bundesverfassungsgericht hat sich in den vergangenen 30 Jahren ein Kooperationsverhältnis entwickelt, das dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit zum Eingreifen lässt, wenn der Grundrechtsschutz durch die EU dauerhaft nicht mehr gewährleistet ist.
Dieser Fall ist bis zum heutigen Tage nicht ein einziges Mal eingetreten und es ist auch nicht zu erwarten, dass dies in naher Zukunft geschehen wird. Schon gar nicht wäre dies bei einem In-Kraft-Treten des Verfassungsvertrages zu befürchten, der schon durch die Aufnahme der von Altbundespräsident Roman Herzog maßgeblich mit beeinflussten Grundrechtecharta den Grundrechtsschutz gegenüber Rechtsakten in der EU deutlich verbessert.
Die weitere von der NPD bereits in der Vergangenheit wiederholt aufgestellte Behauptung, die EU werde durch den Verfassungsvertrag zu einem Bundesstaat, an dem sich die Bundesrepublik nicht beteiligen dürfe, ohne gegen das Grundgesetz zu verstoßen, wird zwar auch in der juristischen Literatur vereinzelt vertreten, ist aber durch die öffentliche Anhörung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zum Antrag der NPD in für mich beeindruckender Weise widerlegt worden.
Auch ich selbst habe bei der Lektüre des Verfassungsvertrages nichts gefunden, was mich um die Eigenstaatlichkeit Deutschlands fürchten ließe. Gefunden habe ich allerdings Artikel I-5 Abs. 1 des Verfassungsvertrages, in dem es auszugsweise heißt: „Die Union achtet die nationale Identität der Mitgliedstaaten, die in deren grundlegender politischer und verfassungsrechtlicher Struktur zum Ausdruck kommt.“
Eindeutiger kann man meines Erachtens kaum zum Ausdruck bringen, dass durch den Verfassungsvertrag gerade kein europäischer Überstaat begründet werden soll. Ich sehe in dem Verfassungsvertrag keine Schwächung, sondern eine Stärkung des Demokratieprinzips auf europäischer Ebene. Dies kommt etwa im Ausbau des Mitentscheidungsverfahrens und in der Einführung der „doppelten Mehrheit“ zum Ausdruck. Die demokratische Teilhabe der Bürger wird auch durch die Einführung eines europäischen Bürgerbegehrens verbessert. Aus Sicht der Länder sollte uns am In-Kraft-Treten des Verfassungsvertrages gelegen sein, schon deshalb, weil uns dieser erstmals die Möglichkeit einräumt, bei einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips den europäischen Institutionen auf die Finger zu klopfen und notfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.
Angesichts all dessen kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der von der NPD beantragten Debatte das Prinzip „Man schlägt den Bock und meint den Gärtner“ zugrunde liegt. Mehr oder weniger offen wird auch in der Rede des Abg. Apfel einer teils bösartigen, teils auch nur unreflektierten, gelegentlich mit fremdenfeindlichen Ausfällen bedachten Europhobie das Wort geredet, die angereichert wird durch den Abg. Dr. Müller mit Gedanken aus der Rassenlehre.
Das unausgesprochene Thema der heutigen Debatte ist daher auch nicht der Verfassungsvertrag, sondern die europäische Integration Deutschlands als solche. Dass diese Integration den politischen Vorstellungen der NPD zuwider läuft, ist bekannt. Dass die Position der Staatsregierung und der sie tragenden Fraktionen zu dieser Frage diametral anders aussieht, bedarf ebenfalls keiner weiteren Vertiefung.
Problematisch ist allerdings das, was Herr Gansel und Herr Dr. Müller zum Demokratieverständnis hier vorgetragen haben. Dazu aus meiner Sicht nur so viel: Demokratie ist jedenfalls nicht die Herrschaft der von der NPD definierten Stammtische.
(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)
Es gibt, meine Damen und Herren, an der Entwicklung der EU manches zu kritisieren. Ich nenne nur die überbordende Regelungswut, die heute zu einem EUNormenbestand von annähernd 8 000 Seiten geführt hat und zum Beispiel in der nächsten Woche den Bundesrat
Mit Recht kritisieren lassen sich auch die mitunter kafkaesken Entscheidungsprozesse, wie wir sie jüngst bei der Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wieder bewundern durften. Diese Entwicklung ist nicht dem Verfassungsvertrag, sondern der bei 25 Mitgliedsstaaten oftmals notwendigen Kompromissbildung geschuldet. Die Fähigkeit zu tragfähigen und inhaltlich sinnvollen Kompromissen ist heute schon aufgrund der neuen Größe der EU nach der letzten Erweiterungsrunde an ihre Grenze gestoßen.
Der Verfassungsvertrag bietet vor diesem Hintergrund eine Chance, die hypertrophen Strukturen der EU zu entschlacken und diese für ihre Rolle in der globalisierten Weltwirtschaft zu stärken. Er bringt zugleich etliche aus Sicht der Länder begrüßenswerte Verbesserungen. Es wäre daher zu wünschen, dass er pünktlich zum 1. Dezember 2006 in Kraft tritt, auch wenn es nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden derzeit hiernach nicht aussieht.
Es liegt nicht im Interesse Sachsens, diesen Ratifikationsprozess aufzuhalten. Die Staatsregierung hat daher auch dem Verfassungsvertrag im Bundesrat nicht aufgrund äußeren Drucks, sondern aus innerer Überzeugung zugestimmt. Was die verfassungsrechtliche Bewertung anbelangt, so haben vier der fünf Sachverständigen in der genannten Anhörung mit für mich überzeugenden Argumenten dargelegt, dass und warum das Ratifikationsgesetz auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird.
Trotz der notwendigen weiteren Arbeiten am Haus Europa sagen die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen weiter Ja zu Europa.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aktuelle Debatte, Antrag der Fraktion der NPD zum Thema „EU-Verfassung – grundgesetzkonform?“, abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt 1 beendet.
1. Lesung des Entwurfs Gesetz zum Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Bereitstellung von Mitteln aus den Oddset-Sportwetten für gemeinnützige Zwecke im Zusammenhang mit der Veranstaltung der FIFA-FußballWeltmeisterschaft Deutschland 2006
Es handelt sich in der Drucksache um einen Gesetzentwurf der Staatsregierung mit Austauschblättern. Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache zu führen. Es spricht deshalb nur die Einreicherin, die Staatsregierung. Herr Staatsminister Metz, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung legt Ihnen heute den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes vor. Zugestimmt werden soll der Änderung des Staatsvertrages über die Bereitstellung von Mitteln aus den Oddset-Sportwetten für gemeinnützige Zwecke im Zusammenhang mit der FußballWeltmeisterschaft Deutschland 2006.
Der Freistaat veranstaltet seit dem Jahr 2000 die OddsetSportwette als staatliche Wette. Die Reinerträge dieser Wette fließen dem Freistaat zu. Im vergangenen Jahr – um Sie darüber zu informieren – waren das knapp 1,9 Millionen Euro. Nach dem Staatlichen Lotteriegesetz stehen diese Einnahmen unter anderem auch zur Förderung des Sports zur Verfügung.
Vor rund drei Jahren haben die Länder einen Staatsvertrag zu den staatlichen Oddset-Sportwetten abgeschlossen.
Ziel war und ist es, Mittel dieser Wetten für gemeinnützige Zwecke im Zusammenhang mit der FußballWeltmeisterschaft 2006 bereitzustellen. Im Zeitraum 2002 bis 2006 sollen 12 % aus dem Umsatzwachstum gegenüber dem Jahr 2001 für diese WM-Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
Empfänger, meine Damen und Herren, ist der Deutsche Fußballbund, der das Turnier ausrichtet, wie Sie wissen, und mit diesen Mitteln ausschließlich ein gemeinnütziges kulturelles Rahmenprogramm zu finanzieren hat. Hierzu gehören insbesondere Talentförderung, Familiensporttage, völkerverbindende Projekte oder Vorhaben im Bereich des Breiten-, Jugend- und Behindertensports.
Seinerzeit gingen die Länder davon aus, dass dem DFB ein Ertrag von ungefähr 50 Millionen Euro über die Gesamtlaufzeit des Staatsvertrages zufließt. Die OddsetSportwette war damals kurz zuvor bundesweit eingeführt worden und versprach aufgrund der erfreulichen Startphase eine gute Entwicklung. Vor diesem Hintergrund hielten die Länder eine jährliche Umsatzsteigerung von 5 % durchaus für realistisch. Mit dem Staatsvertrag wollten die Länder frühzeitig – und das war richtig so – vor der WM die finanziellen Voraussetzungen für ein gemeinsa
Leider – und darauf muss ich hinweisen – hat die Sportwette eine andere Entwicklung genommen. Nachdem die Wetteinsätze im Jahre 2002 bundesweit um 5,5 % gegenüber 2001 gestiegen waren, brachen die Umsätze im folgenden Jahr mit minus 14,4 % dramatisch ein. Im vergangenen Jahr 2004 konnten sich die Wetten mit einem Plus von 3,4 % zwar leicht erholen, das Umsatzniveau von 2001, auf dem die Regelung des Staatsvertrages aufsetzte, ist jedoch bei weitem nicht wieder erreicht worden.
Die Ursachen für die rückläufige bzw. stagnierende Entwicklung sind vielfältig. Erstens ist der Spielanreiz für Oddset-Wetten zum Beispiel anlässlich Olympischer Spiele oder wichtiger Fußballturniere natürlich wesentlich größer. Derartige Ereignisse fanden allerdings im Jahre 2003 nicht statt.
Zweitens treten mehr und mehr illegale Wettanbieter mit immer aggressiveren Methoden sowie private Anbieter auf. Diese Anbieter agieren im Hinblick auf die fehlenden Zweckabgabeverpflichtungen gegenüber den staatlichen Lotterieunternehmen natürlich mit einem deutlichen Wettbewerbsvorteil. Zum Teil operieren sie auch vom Ausland aus.
Drittens wirkt sich natürlich die konjunkturelle Situation in Deutschland ebenfalls aus. Spürbare Konsumzurückhaltung führt zu geringem Wachstum im gesamten Lotteriebereich.
Ergebnis dieser Entwicklung, meine Damen und Herren: Statt der erwarteten 19 Millionen Euro, die bis 2004 zugunsten des DFB eingespielt werden sollten, flossen bis dato lediglich 5,4 Millionen Euro – ein erhebliches Defizit. Das ist natürlich zu wenig für eine angemessene Förderung des kulturellen Begleitprogramms bei der WM 2006. Ohne eine Steigerung der Staatsvertragsmittel für das gesamte kulturelle Rahmenprogramm der WM 2006 wird es jedoch keine konzertierten Aktionen geben können. Die Länder und Ausrichterstädte bleiben bei ihren Einzelaktivitäten im Wesentlichen finanziell auf sich gestellt.