Protocol of the Session on November 11, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Ich bin überzeugt, bei Schließung von Standorten, bei den notwendigen Konversionsmaßnahmen hilft nur eines: kein Blick nach oben, sondern das Besinnen auf die eigenen Kräfte, auf die Kräfte der Menschen im Erzgebirge, die Sie noch weit besser kennen als ich, vor allen Dingen aber auch auf die Kräfte, die im Wirtschaftsministerium liegen. Ich setze darauf, dass Wirtschaftsminister Thomas Jurk in Kooperation mit der Bundesregierung die besten Lösungen für Konversion finden wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Gibt es noch weitere Wortmeldungen der Fraktionen? – Herr Colditz, CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann das, was von einigen Rednern hier dargestellt worden ist, so einfach nicht stehen lassen. Man hat ein Stück weit den Eindruck, man akzeptiert die Betroffenheit vor Ort, man akzeptiert die landesweite Betroffenheit und versucht sich aber durch die Hintertür irgendwie hinauszudrücken, dann doch nicht Farbe be

kennen zu müssen, dass die Standorte eigentlich erhalten bleiben müssen. Ich finde es unehrlich.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Dann sagen Sie doch bitte klipp und klar, dass Sie diesen Antrag einfach nur ablehnen wollen, aber machen Sie doch nicht so eine scheinheilige Argumentation auf, die uns in keiner Weise weiterbringt.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Jetzt gehe ich noch einmal namentlich auf einige Redebeiträge ein. Herr Kollege Gebhardt, wir kommen gemeinsam aus Aue, wir kommen gemeinsam aus der Region, wir saßen auch gemeinsam im Stadtrat und haben es immer so gesehen, dass es eine Einheit gibt zwischen der Regionalpolitik, der Landespolitik und der Bundespolitik, wenn es um regionale Entwicklungsbedürfnisse geht. Da finde ich es ein Stück weit unglaubwürdig, wenn Sie dem Bürgermeister von Schneeberg zugestehen, dass er sich für seinen Standort engagiert. Wenn das Gleiche der Landtagsabgeordnete der Region und der Bundestagsabgeordnete der Region überparteilich auch mit den Abgeordneten aus Zwickau tut, dann ist das auf einmal infrage zu stellen. Das ist doch sinnlos. Blödsinn ist das! Das hat doch mit verantwortungsvoller Wahrnehmung eines Mandats einfach nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD – Heinz Eggert, CDU: Das nennt man schizophren!)

Ich bitte Sie, das macht keinen Sinn! Ich vermag es nicht zu deuten.

An Ihre Adresse und an die Adresse von Herrn Gerstenberg: Es geht nicht darum, meine Damen und Herren, die Bundeswehrreform generell hier im Haus zu diskutieren und infrage zu stellen, ob sie Sinn macht oder nicht. Das ist eine Aufgabe, die von mir aus der Bundestag diskutieren soll. Aber es geht darum, in der Umsetzung dieses Konzeptes Gerechtigkeit zu wahren. Herr Gerstenberg und Herr Gebhardt, nehmen Sie sich doch einmal den Stationierungsbericht zur Hand. Auf Seite 17 hat Herr Struck aus seinem eigenen Haus heraus ausgeführt, wie die Stationierungsdichte zukünftig aussieht. Da stechen doch diese Zahlen geradezu ins Auge. Es kann doch nicht wahr sein, dass in Schleswig-Holstein die Stationierungsdichte bei 9,1, in MecklenburgVorpommern bei 8,5, in Niedersachsen bei 6,9, im Bundesdurchschnitt bei 3,5 und in Sachsen bei 1,1 liegt. Das kann doch wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei der CDU und der NPD – Heinz Eggert, CDU: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren! Dass wir uns dagegen gemeinsam auch landespolitisch, von mir aus auch im Sinne des Landes auflehnen und sagen, dass wir das nicht einfach akzeptieren, das ist doch einfach eine Selbstverständlichkeit. Deshalb brauchen wir doch nicht irgendwelche Parteigräben aufzureißen. Das ist eine Sache, der wir uns als Landtag auch stellen müssen und

zu der wir sagen: Mit dieser Entwicklung sind wir nicht einverstanden!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Herr Gebhardt, Herr Gerstenberg, Sie haben mir vorgeworfen – an dieser Stelle bin ich auch ein Stück weit sensibel; wer mich kennt, weiß das, dass ich da etwas übelnehmerisch bin und nichts an mich herankommen lasse –, wir würden den Leuten etwas vorgaukeln. Warum haben wir seit 2000 nicht gehandelt? Herr Gerstenberg, ich kann Ihnen sagen, warum wir nicht gehandelt haben: Weil unmittelbar nach der Revidierung der Entscheidung durch das Bundesministerium, damals durch Scharping, Scharping selber vor Ort war und uns versichert hat, dass er die Argumente, die für Schneeberg vorgetragen wurden, im Nachgang akzeptiert. Ich kann es Ihnen schriftlich geben. Ich habe Schriftverkehr dazu, in dem er mir das bestätigt. Er hat die Argumente so gewichtet, dass Schneeberg erhalten bleibt. Das war kein Wortbekenntnis, Herr Gerstenberg, sondern nachdem er da war, haben am Schneeberger Standort weitere Investitionen in Millionenhöhe stattgefunden. Nun sagen Sie mir einmal ernsthaft, was für einen Grund oder was für einen Anlass der Bürgermeister, wir als Landtagsabgeordnete oder Bundestagsabgeordnete gehabt hätten, jetzt Alternativkonzepte zu entwickeln, weil die Sicherheit bestand, dass der Standort dauerhaft nach dieser Maßgabe des Ministers und den getätigten Investitionen eigentlich gesichert werden sollte.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Auch das spielt für uns eine Rolle, meine Damen und Herren. Was die Verwertbarkeit der Immobilie angeht, sagten Sie, Herr Gebhardt, dass wir über Alternativkonzepte nachdenken sollten. Wie sollen denn die Alternativen aussehen? Herr Gebhardt, Sie kennen die Situation vor Ort, Sie kennen auch die Auslastung des Gewerbegebietes Schneeberg. Ich will jetzt nicht so sehr ins Detail gehen. Aber die Stadt Schneeberg ist zurzeit aufgrund von EU-Vorgaben verpflichtet, Fördermittel zurückzuzahlen, weil das Gewerbegebiet in Schneeberg nicht ausgelastet ist. Das bedeutet also, dass wir uns dann um zwei Standorte kümmern müssten. Beide wären nicht ausgelastet und würden uns auf die Füße fallen. Das kann doch wohl nicht wahr sein, ernsthaft jetzt zu diesem Zeitpunkt kampflos einfach die Waffen zu strecken und zu sagen, wir akzeptieren Ausgleichsmaßnahmen.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Herr Kollege Morlok, selbstverständlich teile ich Ihre Auffassung voll und ganz: Das hatten wir bei Scharping nicht anders als bei Struck. Ich habe zunächst einmal vollstes Verständnis dafür, dass man solche Entscheidungen durchaus nicht auf dem Marktplatz ausrufen kann. Das ist völlig klar. Aber mir fehlt ein Stück weit – das meine ich mit Geheimniskrämerei – die Verständigung mit den Leuten, die regional Verantwortung tragen. Weder die Generalität in Sachsen noch die örtlichen Verantwortungsträger sind in irgendeiner Weise in die Ent

scheidung einbezogen worden. Man hat gewartet wie das Kaninchen vor der Schlange, wann der Biss kommt.

So ist es dann auch passiert. Es gab keinerlei Rückkopplung. Herr Struck hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, ähnlich wie Scharping, sein Vorgänger, sich das einmal vor Ort anzuschauen. Ich weiß nicht, ob Herr Struck das im Nachgang macht. Das wäre wünschenswert. Aber es kann doch wohl nicht sein, dass man ohne Rückkopplung einfach so entscheidet und dann aber im Umkehrschluss fordert, nachdem das so entschieden ist, dass die regionale Ebene und das Land für Ausgleichsleistungen aufkommen müssen. Das setzt dem Ganzen doch die Krone auf, so kann es wirklich nicht sein. Sie setzen uns die Immobilien hin, die nicht mehr ausgelastet sind, und wir sorgen dann dafür, wie sie nachnutzbar sind.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der NPD)

Herr Morlok, dafür fehlt mir das Verständnis. Was Ihren Einwurf an unsere Fraktion anbetraf: Für mich ist ein Stück weit nicht aufgegangen – entschuldigen Sie bitte, jetzt werde ich etwas zynisch, was eigentlich nicht meine Art ist, aber ich muss es an dieser Stelle sagen –, wie Ihre Fraktion zu der Aussage kommt, dass der Landtag ein Halbtagsparlament sein soll. Wenn wir uns tatsächlich in der Weise überflüssig machen sollten, dass es noch nicht einmal mehr möglich ist, Anträge an die Staatsregierung zu richten und die Staatsregierung zum Handeln aufzufordern, dann frage ich mich, was der Landtag dann überhaupt noch soll.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Da können wir die Staatsregierung alleine hier sitzen lassen. Wir treffen uns einmal jährlich und segnen das ab, was die Staatsregierung beschlossen hat. Also, Herr Morlok, entschuldigen Sie bitte, das war ein Stück weit daneben. Deshalb muss ich es auch noch einmal so benennen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben auch ausgeführt, Herr Morlok, dass die Bundeswehr keine Verpflichtungen zu infrastrukturellen Folgemaßnahmen habe. Herr Morlok, da muss ich Sie bei Ihren eigenen Worten ernst nehmen. Sie haben einen Änderungsantrag gestellt, der die Staatsregierung auffordert, dafür Sorge zu tragen, dass infrastrukturelle Ausgleichsmaßnahmen von der Bundesregierung eingefordert werden. Das ist doch irgendwie unglaubwürdig.

Ich will das nicht auf die Spitze treiben, aber ich bitte Sie ganz einfach: Lassen Sie uns gemeinsam an einem Strang ziehen und lassen Sie uns das, was noch möglich ist, wirklich tun. Ich habe im Grunde aus jedem Redebeitrag herausgehört, dass Sie diese Entscheidung genauso kritisch sehen wie wir. Das ist keine Entscheidung und keine Abstimmung, die über Parteigräben hinweg zu fällen ist. Hier hat der Landtag eine geschlossene Meinung zu äußern und die muss zunächst einmal die sein, dass wir uns gemeinsam hinter die Standorte stellen und für Sachsen und die jeweiligen Regionen versuchen das Best

mögliche herauszuholen. Über das andere können wir danach verhandeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der NPD und des Abg. Mario Pecher, SPD – Heinz Eggert, CDU: Richtig! )

Soweit ich es übersehen kann, gibt es im Moment noch einen Redebeitrag von der PDS-Fraktion; Herr Dr. Pellmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie, die Sie schon länger im Landtag sind, werden sich vielleicht wundern, weshalb sich ein Sozialpolitiker in die Debatte einmischt. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum Ersten wollte ich nicht – obwohl ich selbst im Erzgebirge geboren bin, allerdings seit dreißig Jahren in Leipzig lebe –, dass es nur eine erzgebirgische Debatte ist. Zum Zweiten möchte ich einige Anmerkungen zu dem ebenfalls auf der Schließliste stehenden Bundeswehrkrankenhaus in Leipzig-Wiederitzsch machen, und dann bin ich auch schon wieder bei der Sozial- und Gesundheitspolitik. Für meine Begriffe spricht es für die völlige Konzeptionslosigkeit im Bundesverteidigungsministerium, wenn eines der fünf Bundeswehrkrankenhäuser geschlossen werden soll, das – wie Fachleute inzwischen wissen – das modernste seiner Art in Deutschland ist und in das 100 Millionen Euro an Modernisierungsmitteln geflossen sind. Das nenne ich, meine Damen und Herren – ganz gleich, wie man zu der Sache insgesamt steht –, konzeptionslos.

(Heinz Eggert, CDU: Sehr richtig!)

Ich gehe noch einen Schritt weiter als der verehrte Kollege Colditz, der etwas von „in den Sand setzen“ sagte: Nein, das ist eine skandalöse Verschwendung von Steuermitteln; da können Sie diskutieren, wie Sie wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS und der CDU)

Herr Pellmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abg. Frau Weihnert?

Von meiner verehrten Kollegin Weihnert aus meinem Stadtteil jederzeit.

(Heiterkeit und Zurufe)

Recht vielen Dank, Herr Kollege. Würden Sie uns bitte noch einmal näher erläutern, was Sie mit „Bundeswehrkrankenhaus geschlossen“ meinen, denn ich habe dazu eine andere Information. Was meinen Sie mit „Bundeswehrkrankenhaus schließen“?

Schließen heißt, – – Dazu komme ich noch, verehrte Frau Weihnert. Ich nehme an, Sie kennen bereits den Nachnutzer.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht wahr!)

Dann ist es natürlich nicht geschlossen.

Aber es stellen sich einige Fragen zu diesem Punkt, ob es nun endgültig geschlossen wird – wir wollen ja noch ein bisschen kämpfen, da stimme ich Ihnen zu. Es steht jedenfalls nach den Meldungen auf der Schließliste, und da stellen sich Fragen, die die Bundesregierung beantworten sollte, und ich bitte die Staatsregierung, die Bundesregierung wirklich um Stellungnahme in dieser Frage zu ersuchen, nämlich, weshalb ausgerechnet dieses Krankenhaus geschlossen werden soll. Das fragt man sich doch. Was spricht für andere Standorte, die den sächsischen Standort sozusagen in die fünfte Reihe stellen? Weshalb wurde das Krankenhaus erst modernisiert, wenn man es dann schließen will? Nach dem, was man den Medien entnehmen konnte, stehen ja bereits potenzielle Nachnutzer und Käufer auf der Matte.

Dazu sage ich deutlich: Wenn es wirklich dazu kommt, dass ein Klinikkonzern wie die Marseille-Kliniken AG den Zuschlag bekommt, – –

(Heinz Eggert, CDU: Ausgerechnet die!)

Ich rede nicht über die Verwicklung mit der Schill-Partei; über diese Sache ist ja inzwischen die Geschichte hinweggegangen, sondern ich rede beispielsweise darüber, dass ich diesen Klinikkonzern aus Leipziger Sicht für völlig unseriös halte. Ein Beispiel dafür – ebenfalls aus meinem Wahlkreis: 1997 hat dieser Konzern ein städtisches Altenpflegeheim gekauft. Bis heute ist es nicht saniert, obwohl es entsprechende vertragliche Bindungen gab. Und dann will man einen solch großen Standort übernehmen.

Die nächste Frage ist: Würde denn wenigstens der Erlös erzielt, der an Investitionsmitteln in den letzten Jahren hineingeflossen ist? Wir kennen Beispiele in der sächsischen Krankenhauslandschaft, da sind Krankenhäuser veräußert und privatisiert worden, ohne dass wenigstens die hineingeflossenen Fördersummen erzielt worden sind. Ich ahne, dass ganz offensichtlich diesem Konzern, wenn er denn tatsächlich den Zuschlag erhält, ein Geschenk gemacht werden soll.