Protocol of the Session on September 23, 2005

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: 19.10.!)

Was wir hier hatten, sind Auskünfte, die dem Bewertungsausschuss – Sie wissen es – vorgetragen wurden und im Juni 2005 zugegangen sind. Wenn Sie jetzt sagen, das habt ihr früher schon alles aus der Zeitung erfahren können, muss ich Sie fragen: Gelten jetzt die ganzen Ansprüche, die Sie lauthals einfordern an Rechtsstaatlichkeit und anderen Behauptungen?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn Sie sagen, das stand schon in der Zeitung, und dann beginnt die Frist zu laufen, würden Sie verlangen, dass dieses Haus eine Abgeordnetenanklage aufgrund von Presseberichten veranstaltet.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es geht hier um das förmliche Verfahren, nicht um Presseberichte. Sie sagen, der 19.10. sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sowieso der Schluss wegen der Einjahresfrist. Da haben Sie einfach andere Bewertungen, denn der 19.10. muss nicht zwingend sein. Der 19.10., genauso die Jahresfrist stehen nicht im Artikel 118. Es gibt auch keine gesetzliche Begründung dafür, die hinreichend wäre. Das Verfassungsgericht hat dies gesagt, um zum Ausdruck zu bringen: Ihr könnt nicht ewig warten. Es ist nicht so, dass genau am 19.10., 00:00 Uhr, die Klappe zufällt und das wäre es gewesen. Das hätten Sie gern. So wird es aber nicht sein, Herr Kollege Bartl.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Sie hätten das gern!)

Gleichzeitig werfen Sie dem Ausschuss vor, er würde brachial darauf hinarbeiten, dass Ergebnisse rechtzeitig vor der Bundestagswahl lanciert werden könnten.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Natürlich!)

Nein, wenn Sie gleichzeitig beanstanden, dass am 19.10. Schluss ist, können Sie nicht auf der anderen Seite dem Ausschuss vorwerfen, wenn er bemüht ist, seine Arbeit so schnell wie möglich zu erledigen. Er hat oft genug getagt. Auch das muss hier einmal deutlich gesagt werden.

Es geht nicht darum, irgendwelche Sachen rechtzeitig zu einer Wahl zu präsentieren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das gelingt aber immer noch!)

Wobei auch die Frage gestellt werden darf: Wer hat denn hier irgendetwas präsentiert? Die Frage wird doch mal erlaubt sein. Aber darum geht es nicht.

Die Einwendungen, die Sie hier gebracht haben, sind alles relativ spitzfindige Argumentationen. Dem eigentlichen Kern einer politischen Bewertung hat sich von Ihrer Seite bisher noch keiner genähert.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Porsch, möchten Sie zu den Berichten sprechen? – Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihr Eifer gibt mir Ruhe und gibt mir Kraft. Er ist verräterisch. Aber vielleicht können wir auf der Basis meiner Ruhe und meiner Kraft die Debatte irgendwie beenden.

Worum geht es denn?

(Heinz Eggert, CDU: Ja!)

Es geht um Vorwürfe und es geht um Akten, die mich betreffen und die seit über einem Jahr bekannt sind, mit Punkt, Komma und Semikolon, im Landtagswahlkampf von den Medien durchgekaut wurden. Es gibt keine einzige neue Erkenntnis, keinen einzigen neuen Fakt, außer dass ich erfahren habe, dass ich schon sehr frühzeitig in Prag offensichtlich von Staatssicherheit und KGB beobachtet wurde.

(Zurufe von der CDU und der NPD)

Ich kann Ihnen sagen, mich hat das nie gestört. Wenn die daran Spaß hatten, soll es mir recht sein.

Wem nützt denn das, was hier geschieht?

(Angelika Pfeiffer, CDU: Nicht Ihren Opfern!)

Die Mehrheit im Hause will tun, was sie nicht lassen will, und wird behaupten, was sie für wahr gehalten haben will, und wird Abgeordnetenanklage erheben. C’est la vie – so ist das Leben, vor allem das Leben in Sachsen. Darauf kann man sich seinen politischen Reim machen. Eine Version dieser Reimerei haben wir gestern Abend und auch jetzt wieder gehört: Ich bin niederträchtig, ich bin schäbig.

(Heinz Eggert, CDU: Ja! – Beifall des Abg. Holger Apfel, NPD)

Mein Anwalt ist ein Scharlatan. Herr Pfarrer Eggert wollte mich endgültig zum Lumpen machen, verantwortlich für verdrehte, abgebrochene und zerstörte Biografien, für Tote. Sie haben das ja heute wiederholt, deshalb kann man darüber sprechen.

Es lohnt sich eigentlich überhaupt nicht, darauf einzugehen. Die Vorverurteilung ist festgefügt und Bestandteil eines unverrückbaren politischen Kalküls. Mir wird permanent deutlich gemacht: Kriechst du nicht zu Kreuze, so wirst du gnadenlos verloren sein. Nun, probieren Sie es mit hochnotpeinlicher Befragung, mit Daumenschrauben und Ähnlichem. Vielleicht gestehe ich dann. Aber, ich glaube nicht.

Aber, Herr Pfarrer Eggert, so viel möchte ich schon noch sagen: Ich bin nicht für Aufrechnung von Unrecht und von menschlichen Tragödien, unabhängig davon, wer sie zu verantworten hat. Jede menschliche Tragödie ist eine Tragödie zu viel. Jedes Unrecht ist ein Unrecht zu viel.

Wenn ich zu DDR-Zeiten Biografien gerettet haben sollte – und ich glaube schon, dass ich das getan habe –, dann bin ich nicht stolz darauf, weil ich weiß, dass ich über andere Dinge hinweggeschaut habe.

(Heinz Eggert, CDU: Wie viele haben Sie vernichtet?)

Darauf können wir zu sprechen kommen, Herr Eggert, aber nicht hier, denn Sie haben wahrscheinlich schon die Zahlen in der Tasche.

(Zuruf von der CDU: Darum geht es ja!)

Darauf bin ich nicht stolz.

(Angelika Pfeiffer, CDU: Unglaublich!)

Ich kenne aber auch viele verdrehte, abgebrochene und zerstörte Biografien nach 1990, sei es durch Abwicklung, durch schwarze Listen oder – noch subtiler – durch Arbeitslosigkeit.

(Angelika Pfeiffer, CDU: Es geht um Ihre Stasitätigkeit!)

Herr Eggert, ich stelle Ihnen die Frage nicht, wie viele Biografien Sie kaputt gelogen haben. Ich kenne da einen Arzt.

Ich habe auch nach 1990 an Gräbern gestanden, lieber Herr Eggert, und nicht nur am Grab von Prof. Rieger, den man im Bundestag noch sehr viel sanfter behandelt hat als mich hier, und nicht nur am Grab von Herbert Goliasch. Aber – sei es drum.

Es gibt auch andere Reime auf den Vorgang. Es sind die Reime, die sich Wählerinnen und Wähler bei der Landtagswahl und bei der jetzigen Bundestagswahl gemacht haben. Und es sind die Reime derjenigen, die mich anschreiben – ich habe E-Mails sogar aus Kanada und Australien – und mir sagen: Bleib standhaft! Da musst du durch! Es ist völlig klar, was hier beabsichtigt ist.

(Frank Kupfer, CDU: Die kommunistische Internationale! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Es ist doch klar, was beabsichtigt ist. Sie sagen es doch ständig: Kriech zu Kreuze, sonst wirst du vernichtet! Aber ich krieche nicht zu Kreuze, und das ist Ihr ganzer Ärger.

(Zuruf von der CDU)

Aber dieses Mutmachende, die Wahlergebnisse meiner Partei, der Zuspruch von Menschen, gibt mir Kraft und stellt mir die politische Aufgabe, den Unterstellungen hier nicht zu weichen. Das lässt mich auch aushalten, wenn mir mal ein junger Stiesel auf der Straße hinterher ruft: „Stasi-Professor!“ und mir dann, wenn ich ihn zur Rede stelle und frage, woher er es hat und worauf es beruht, nur stotternd antwortet, dass er zur Straßenbahn müsse.

Dass Sie mich loswerden wollen, kann ich doch verstehen. Natürlich habe ich Sie 15 Jahre geärgert. Ich werde Sie noch länger ärgern. Sie werden sich wundern.

(Starker Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dass Sie mich so loswerden wollen, spricht allerdings gegen Sie und gibt auch Kraft.

Jetzt sage ich Ihnen, was mir noch Kraft gibt. Das erste und besonders fiese Ziel, das verfolgt wurde, nämlich meine Familie als Mittel zum Zweck als Allererstes zu zerstören, das ist misslungen und musste misslingen. Das war mir von Anfang an klar. Meine Familie mit meiner Frau und meinen prächtigen Kindern ist auf jeden Fall unzerstörbar. Damit bin auch ich unzerstörbar.

Ich bin es leid, sage ich Ihnen, auf ignorante Schuldkonstruktionen und aufgeplusterte moralische Renommiergebärden noch zu reagieren. Es hat keinen Sinn. Das Urteil steht doch fest. Richtigstellungen und Erklärungen, vertrauen auf Argumentationen in diesem Gremium – das würde nur dazu dienen, mir weiter das Wort im Mund herumzudrehen.

(Zuruf von der CDU)

Wen es interessiert, für den liegt alles schriftlich fixiert bei meinem Anwalt vor. Wer guten Willens ist – und ich unterstelle, es gibt noch solche –, der oder die sollte das mal mit Nachdenklichkeit lesen.