Protocol of the Session on June 23, 2005

Seither gibt es eine große Sensibilität in dieser Frage. Bereits jetzt ist das Entsetzen über die geplanten weiteren Eingriffe in das sorbische Schulnetz zu spüren. Eine Vielzahl von europäischen Minderheiten- und Menschenrechtsorganisationen fragt nach Informationen und meldet ersten Protest an, so zum Beispiel – heute schon erwähnt – die Gesellschaft für bedrohte Völker, bei der Ministerpräsident Milbradt noch vor anderthalb Jahren in Dresden als Festredner auftreten konnte. Damit dürfte es sich vorerst erledigt haben.

Seit Mitte Mai besteht auch in der neuen russischen Staatsduma um den Abgeordneten Zatulin aus dem Regierungslager eine fraktionsübergreifende Interessengruppe zum sorbischen Schulnetz. Auch bei den jüngsten Gesprächen von Ministerpräsident Milbradt mit dem tschechischen Außenminister Cyril Swoboda sah sich der Ministerpräsident mit dem Thema konfrontiert – und das, obwohl man sich eigentlich unter christdemokratischen Parteifreunden befand. Aus Warschau, Prag, Bratislava und Ljubljana hat man sich um Informationen zu den Schließungen weiterer sorbischer Schulen bemüht, und auch der amtierende Botschafter der Vereinigten Staaten John Cloud erbat sich ausdrücklich Anfang dieser Woche bei seinem Besuch im brandenburgischen Teil der Lausitz Informationen über die aktuelle Lage der Sorben.

Dieses breite Interesse hat unter anderem folgenden Grund: Konnte man sich die Schulschließung in Crostwitz noch als politischen Ausrutscher schönreden, so wächst jetzt in der Öffentlichkeit der Verdacht, dass das Vorgehen der Staatsregierung minderheitenfeindliche Methode hat. Um diesen Verdacht vom Freistaat Sachsen

zu nehmen, gilt es jetzt – also noch vor den Ferien – durch das Hohe Haus zu handeln und dem Änderungsantrag der PDS zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das war die Einbringung des Änderungsantrages. Gibt es Aussprachebedarf zu diesem Änderungsantrag? – Dies ist nicht der Fall, dann können wir über diesen Änderungsantrag abstimmen. Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in der Drucksache 4/2376. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen! – Die Stimmenthaltungen! –

Bei einigen Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Pro-Stimmen ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Somit kommen wir zum Originalantrag. Ich rufe auf den Antrag der Fraktion der GRÜNEN in der Drucksache 4/2189. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen! – Keine Gegenstimmen. Die Stimmenthaltungen! – Einstimmig von diesem Hause beschlossen; ich bedanke mich. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5

Ganztagsinitiative an sächsischen Schulen

Drucksache 4/2165, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu nehmen die Fraktionen in folgender Reihenfolge Stellung: CDU, SPD, PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wie immer, wenn gewünscht.

Ich rufe den Sprecher der CDU-Fraktion auf. Frau Henke, bitte.

Es ist üblich, dass nach Ende eines Tagesordnungspunktes eine gewisse Unruhe eintritt; aber die möge sich bitte schnell wieder legen, damit Frau Henke ihre Darlegungen bringen kann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zweieinhalb Stunden Schulpolitik haben wir in diesem Hohen Hause gerade absolviert. Wir haben als Koalitionspartner diesen Antrag eingebracht, um zu evaluieren, wie das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung hier aufgenommen worden ist. Ich gebe zu, dass ich eine umfangreiche Ausarbeitung gemacht habe; ich werde aber davon Abstand nehmen. Zum einen bin ich überzeugt davon, dass auch dem letzten hier in diesem Hause bewusst geworden ist, dass dieses Sonderprogramm für die Ganztagsbetreuung im Freistaat Sachsen sehr gut angenommen worden ist. Die 200 Millionen Euro, die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wurden, sind mit 440 000 Euro schon ausgebucht und ich denke mir, der Zeitraum bis 2007 wird diesen Rahmen sprengen.

Die Koalitionsfraktionen haben also diesen Antrag gestellt, um die Staatsregierung zu bitten, sich mit der Bundesregierung in Verbindung zu setzen, um dieses Programm zu verlängern, damit wir die Möglichkeit haben, die Ganztagsangebote an unseren Schulen fortzuführen.

Über die Qualität der Ganztagsschulen – was wir mit Ganztagsangeboten verwirklichen möchten – haben wir schon sehr oft debattiert. Wir haben es im April, im Mai und auch vorher schon debattiert; das Anliegen ist hier allen bekannt.

Ich beziehe mich ganz einfach auf die Pressemitteilung der PDS-Fraktion im Vorfeld der heutigen Debatte. Frau Bonk hat eine Pressemitteilung herausgegeben, die analog so läuft wie die Debatte der vergangenen zweiein

halb Stunden. Ich glaube, die PDS-Fraktion möchte sehr gern, dass das sächsische Schulwesen in Misskredit gerät. Sie möchte ganz gern dieses Wunschbild verinnerlichen – auch in der Bevölkerung –, aber ich glaube, es wird Ihnen nicht gelingen. Sicherlich wird es noch viel Arbeit geben – der Kultusminister hat es angeführt – und die Unterstützung der Koalitionsfraktionen ist ihm dabei gewiss.

Frau Bonk, Sie haben zum Beispiel geschrieben – Sie haben den Entwurf der Förderrichtlinie anscheinend schon studiert –: Es gibt nur eine neunzigprozentige Förderung. Meine Damen und Herren von der PDS, dann frage ich Sie, in welcher Wirklichkeit Sie eigentlich leben. Wo gibt es denn überhaupt eine hundertprozentige Förderung?

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das heißt, 10 % müssen vom Schulträger, der Schule oder dem jeweiligen Veranstalter erbracht werden. Im Entwurf der Förderrichtlinie – Frau Bonk, ich weiß nicht, worauf Sie sich beziehen – heißt es: Es besteht zwar die Möglichkeit, den Anteil von 10 % als Arbeitsstunden zu erbringen. Damit baut die Förderrichtlinie aber auf ehrenamtliche Arbeit der Lehrer und Erzieher vor Ort, also der eigenen Bediensteten. Es heißt, das sei nicht zumutbar. Meine Damen und Herren von der PDS, ich frage Sie: Wieso ist das nicht zumutbar?

Zum anderen muss ich Ihnen sagen, dass sich unsere Lehrer und Erzieher sehr gern in diesen Prozess einbringen. Frau Bonk, Sie sollten nicht immer nur Zeitungen lesen, sondern sich auch einmal vor Ort kundig machen. Oder Sie fragen Herrn Hahn. Er weiß es, möchte es aber wissentlich nicht weitersagen.

(Lachen des Abg. Dr. André Hahn, PDS)

Sie bringen unsere Lehrer und Erzieher in Misskredit; denn sie bringen sich in den Prozess ein. Die Zumutbarkeit ist auch gegeben.

(Beifall bei der CDU)

Ich erspare mir an dieser Stelle – vielleicht steige ich ein zweites Mal ein –, darauf einzugehen, wie im Einzelnen weiter vorgegangen werden muss. Die Koalitionspartner sind der Meinung, dass wir eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige Schule mit autonomer Hoheit brauchen. Dieses Anliegen wird auch im Ganztagsprogramm deutlich. Wir wollen die einzelnen Träger, seien es Träger der freien Jugendhilfe, seien es kommunale Träger, auf die Hilfestellung des Staatsministeriums hinweisen. Wir wollen eine Verlängerung dieses Programms in Auftrag geben und das Ganztagsangebot im Sinne unserer Schüler weiterhin umsetzen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion Herr Martin Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Koalition von CDU und SPD hat die Entwicklung von Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen an Fahrt gewonnen. Das bisherige Randdasein solcher Angebote wollen wir beenden. Deshalb haben wir vereinbart, künftig 30 Millionen Euro für den Betrieb von Ganztagsangeboten zur Verfügung zu stellen. Im Haushalt ist dieser Punkt des Koalitionsvertrages umgesetzt. Eine entsprechende Förderrichtlinie ist in Arbeit. Ab dem kommenden Schuljahr werden den Schulen damit 20-mal mehr Mittel zur Verfügung stehen als bisher. Damit lässt sich aus unserer Sicht einiges anfangen. Sachsen hat damit endlich seinen Beitrag geleistet, um das Bundesprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ mit Leben zu erfüllen; denn die Gelder für Investitionen sind erst dann nutzbringend, wenn gleichzeitig für die Deckung der Personal- und Sachkosten gesorgt wird. Die Betreibung von Ganztagsangeboten kann nicht den Kommunen oder ehrenamtlichem Engagement aufgebürdet werden. Sie braucht stabile Rahmenbedingungen, die wir als Land setzen und stabil halten müssen. Dass auch in Sachsen ein deutlicher Bedarf an Ganztagsangeboten besteht, ist unstrittig. Das ist allein schon am großen Interesse an der Förderung abzulesen. Im Programm „Schuljugendarbeit“ als Bestandteil von Ganztagsangeboten konnten im vergangenen Jahr 84 Projekte gefördert werden. Allerdings lagen – trotz aufwändigem Antragsverfahren und notwendiger Kofinanzierung – viermal so viele Anträge vor, fast 250. Wenn 250 Anträge für 1,5 Millionen Euro Fördermittel zu viel waren, dann sind es für 31,5 Millionen Euro zu wenig. Deshalb richtet sich unser Antrag in seinem dritten Punkt auf die Unterstützung der Schulen und Schulträger. Wir müssen den Schulen zeigen, welche neuen Möglichkeiten sie haben und welche Effekte gute Ganztagsangebote erzielen.

Nationale und internationale Erfahrungen liegen in großem Umfang vor. Aber sie bedürfen der Aufarbeitung und Verbreitung. Viele Bundesländer haben sich inzwischen am Begleitprogramm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung „Ideen für mehr! – Ganztägig lernen“ beteiligt und regionale Serviceagenturen eingerichtet. Diese bieten: Unterstützung, Wissenstransfer und Vermittlung von Fortbildung für Ganztagsschulen in den

Bundesländern, fachliche Informationen und Materialien zu zentralen Themen der Ganztagsschulentwicklung, Austausch zwischen und Vernetzung von Schulen sowie länderspezifische Arbeitsschwerpunkte.

Für Sachsen machte eine solche Serviceagentur in der Vergangenheit wenig Sinn; denn bisher fehlten die Mittel, um die Erfahrungen vor Ort zu nutzen. Diese Mittel werden wir nun bereitstellen. Deshalb sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, die Möglichkeiten des Begleitprogramms zu nutzen. Sehr effizient könnten wir so auf das bisher gewonnene Know-how zurückgreifen.

Eine wichtige Voraussetzung ist das Vorliegen einer entsprechenden Förderrichtlinie. Uns ist klar, dass 30 Millionen Euro über eine Einzelprojektförderung nicht effizient eingesetzt werden können; denn die Förderbeträge erreichen zumeist nur wenige tausend Euro. Der an den Schulen zu leistende Aufwand muss vertretbar sein, das Bewilligungsverfahren unkompliziert und flexibel.

Aus diesem Grunde wollen wir eine Regelfinanzierung in Form von schulartenbezogenen Schülersätzen, die im Umfang des Ganztagsangebotes zur Auszahlung kommen. Damit können die Schulen verlässlich und flexibel arbeiten. Bis zum Ende des Schuljahres wird eine entsprechende Förderrichtlinie vorliegen. Das ist spät, aber für einen Start in schwieriger Zeit zu akzeptieren.

Um die Schulen und die Öffentlichkeit rechtzeitig auf die neuen Möglichkeiten aufmerksam zu machen, haben wir diesen Antrag auf die Tagesordnung setzen lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht hat der eine oder die andere in meinem bisherigen Beitrag eine Lobeshymne auf die Bundesregierung vermisst, die mit ihrer Initiative maßgeblich das Eis gebrochen und tatsächlich eine Ganztagsbewegung initiiert hat. Eben weil dem so ist, kann ich mir eine solche Lobeshymne sparen. Der Erfolg ist überall zu sehen. Allein die Überzeichnung der Bundesmittel spricht für sich. Mittlerweile ist es auch in Deutschland selbstverständlich, von Ganztagsschulen zu reden. Damit sie bald auch in Sachsen Alltag sind, bitte ich Sie, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Danke schön. – Für die PDS-Fraktion Frau Bonk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Henke, ich möchte eingangs Ihre Unterstellung zurückweisen: Natürlich ist uns am allermeisten an der Qualität von Unterricht, Schule und Bildung gelegen. Darum machen wir Schulpolitik. Uns ist aber auch an der Qualität der Debatten hier im Hohen Haus gelegen. Vielleicht sollten Sie, um dem Rechnung zu tragen, auf einige Unterstellungen und manchmal sogar auf ganze Redebeiträge verzichten. Dann könnte man zu der Frage, wie Schulqualität erhöht werden kann, vielleicht besser miteinander ins Gespräch kommen.

(Beifall bei der PDS)

Wir als PDS-Fraktion begrüßen Konzepte, die im Sinne einer Ganztagsschule Lernprozesse anders organisieren,

sinnvoll über den Tag verteilen und sich dabei den Lebensrhythmen der Schülerinnen und Schüler anpassen. Solche Konzepte sind ein sinnvoller Schritt auf dem Weg zu einer anderen Lehr- und Lernkultur. Individuelle Förderung kann dort aufgrund des größeren Zeitrahmens und des aufgebrochenen Tagesablaufs besser organisiert werden. Auf diese Art wird Schule zum Lebensort statt zum bloßen Paukzentrum. Das von der Bundesregierung aufgelegte und jetzt mit Landesmitteln unterstützte Programm kann als Schlüssel zu dieser neuen Schulkultur verstanden werden. Man muss die Möglichkeiten nur nutzen.

Die Ganztagsschule bietet außerdem die Chance, Kindern aller sozialen Hintergründe kulturelle Nachmittagsangebote zu machen, die sonst nur jenen jungen Menschen zur Verfügung stünden, die ohnehin, zum Beispiel von ihren Eltern, gefördert werden. Die Ganztagsschule ist deshalb auch ein Instrument für mehr soziale Gerechtigkeit. Uns liegt also sehr an diesem Projekt.

Es ist mir wichtig, in einer Debatte, die wir über die Ganztagsschule führen, zu erwähnen, dass für eine ganztägige Lernzeit in der Schule vor allem ein integriertes Schulwesen nötig ist. Sonst besteht die Gefahr, dass sich durch das längere Verbleiben in einer zugewiesenen sozialen Gruppe die soziale Selektion eher verstärkt. Diesen Punkt müssen wir beachten. Auch in diesem Kontext halten wir an unserer Forderung nach einer längeren gemeinsamen Schulzeit fest.

Ganztagsschule kann für uns nur als ganzheitliches pädagogisches Angebot funktionieren, nicht als Vormittagsunterricht plus Arbeitsgemeinschaften. Deswegen darf man sich nicht nur positiv auf das Bundesprogramm bzw. nur auf die Abrufung der Mittel beziehen. So sehr ich es begrüße, dass davon in Deutschland ein Impuls ausgeht – auch in Sachsen hätte das passieren können –, so ist auch klar, dass in vielen Schulen einfach die investiven Mittel abgerufen worden sind. Das muss man sehen. Das kann es für uns aber nicht sein. Die Schule soll ganzheitlich funktionieren, das heißt eng mit den sie umgebenden Bedingungen verwoben sein, zum Beispiel in Form einer Verknüpfung mit dem Stadtteil.

So viel zur Ganztagsschule, deren Umsetzung eine offensive Initiative gut täte.

Aber nun zum Antrag! Unter Punkt 1 wird beantragt, Geld vom Bund zu besorgen, falls da etwas übrig bleibt. Das ist ein guter Gedanke, der aufgenommen werden kann. Generell wird gern beantragt, für verschiedene Projekte noch mehr Geld vom Bund zu besorgen. Das kann man auf jeden Fall gut finden. Die einzige Frage ist, ob das juristisch machbar ist. Es könnte Schwierigkeiten geben; das muss man sehen. Auf jeden Fall ist der erste Punkt so zu betrachten.