Protocol of the Session on May 19, 2005

Herr Prof. Porsch, wenn man die Ideologie und auch das Bild von der FDP im Kopf hat, wie Sie sie offensichtlich im Kopf haben, dann kommt man vielleicht zwangsläufig zu diesem Ergebnis.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Das liegt aber daran, dass Sie in Ihren sozialistischen Denkstrukturen gefangen sind und sich überhaupt nicht vorstellen können, dass unser Ziel, das wir als FDP-Fraktion haben und das, wie ich wahrgenommen habe, auch der Ministerpräsident hat, ist, Arbeitsplätze zu schaffen.

(Zurufe der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch und Bettina Simon, PDS)

Der Ministerpräsident hat zu diesem Thema Stellung genommen. Ich habe das in einer Diskussionsveranstaltung in der letzten Woche zum Thema „Lissabon-Prozess“ in Leipzig nachvollziehen können. Herr Prof. Milbradt hat dort sinngemäß erklärt – ich habe das Zitat nicht wörtlich, weil ich nicht mitgeschrieben habe; wenn er da wäre, könnte er es bestätigen oder zurechtrücken –: Auch im Bereich des Niedriglohnsektors muss sich der Preis für die Arbeit am Markt bilden. – Er hat fortgeführt: Differenzen müssen durch staatliche Transferzahlungen ausgeglichen werden.

Genau das ist der Punkt, Herr Prof. Porsch, den Sie nicht wahrhaben wollen. Es geht uns nämlich überhaupt nicht darum zu sagen, dass jemand für jeden Lohn oder für gar keinen Lohn arbeiten muss. Das Thema „Working poor“ aus den USA, das vorhin angesprochen wurde, passt überhaupt nicht in diese Debatte,

(Widerspruch bei der PDS)

weil es niemandem darum geht, dass diese Menschen, die dieses geringe Einkommen haben, allein von diesem Einkommen leben sollen.

(Dr. André Hahn, PDS: Ein-Euro-Job!)

Vielmehr sind wir sehr wohl der Auffassung, dass der Staat die Differenzen zu dem bei uns allgemein als akzeptabel angesehenen Einkommen durch Transferzahlungen ausgleichen muss. Selbstverständlich muss er das tun. Nur, wenn wir nicht endlich bereit sind, insgesamt und gemeinschaftlich zu akzeptieren, dass es bei uns langfristig Personengruppen geben wird, die ihren Lebensunterhalt nicht dauerhaft durch ihre Arbeit verdienen können, dann werden wir das Problem der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer überhaupt nicht lösen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Morlok, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Danke, Herr Morlok. – Herr Morlok, Sie sind ja kein Ideologe, deshalb glauben Sie an den Markt.

Ich bin Praktiker.

Ja, darum glauben Sie ja an den Markt. – Meinen Sie nicht auch, dass der Markt, wenn es sich durchsetzt, dass Löhne, die vom Arbeitgeber gezahlt werden und die zu niedrig sind, um damit sein Leben fristen zu können, durch staatliche Zusatzzahlungen aufgestockt werden können, dann so reagieren wird, dass die Löhne plötzlich in allen Bereichen so niedrig sein werden, dass fast überall diese Zusatzzahlungen notwendig werden,

(Widerspruch bei der FDP)

dass solche Löhne überhand nehmen werden und dass überall versucht werden wird, das über den Markt genau so zu regulieren?

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Herr Prof. Porsch, diese Gefahr kann sehr wohl bestehen, wenn man nämlich die staatlichen Regelungen falsch konstruiert. Eine Regelung, die bedeuten würde, dass die Differenz seitens des Staates ausgeglichen wird, könnte zu der Gefahr führen, die Sie gerade angesprochen haben. Aber was wir vorschlagen, ist eben, dass wir gerade das nicht tun sollen. Vielmehr muss der staatliche Transfer immer dazu führen, dass bei demjenigen oder derjenigen durch eine Transferzahlung netto mehr in der Tasche ist, als es vorher der Fall gewesen ist. Das heißt, man muss immer einen Anreiz bekommen, einen zusätzlichen Verdienst beim Arbeitgeber zu erreichen, weil dieser zusätzliche Verdienst zu mehr Einkommen führt. Dann wird es im ureigensten Interesse jedes einzelnen Arbeitnehmers liegen, diesen zusätzlichen Verdienst mit seinem Arbeitgeber auszuverhandeln, und er wird es tun, wenn er es kann und wenn der Markt es entsprechend hergibt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Der Arbeitgeber gibt nicht mehr als den Grenzwert!)

Wie ich schon gesagt habe: Diese Einsicht – parteipolitisch übergreifend, mehrheitsfähig – würde dazu führen, dass wir im Bereich der Arbeitslosigkeit in Sachsen einen wichtigen Schritt nach vorn machen könnten. Aus diesem Grund haben wir den vorliegenden Antrag gestellt, und weil wir sehen, wie schwer es der Ministerpräsident mit seiner Meinung, die wir ausdrücklich unterstützen, politisch in der Diskussion hat – auch in seiner eigenen Partei; das haben wir zur Kenntnis genommen.

Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir als Sächsischer Landtag dem Ministerpräsidenten des Freistaates in dieser für die arbeitslosen Menschen in Sachsen wichtigen politischen Zukunftsfrage den Rücken stärken. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich rufe die CDUFraktion auf. Herr Abg. Lämmel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es scheint mittlerweile bei einigen Fraktionen hier im Hohen Haus zur Tradition zu werden, dass sie immer wieder die gleichen Themen und immer wieder die Themen, bei denen der Sächsische Landtag keine Entscheidungsbefugnis besitzt, aufrufen.

(Dr. André Hahn, PDS: So lange, bis Sie es begriffen haben!)

Das Thema Mindestlohn, Herr Hahn, ist zum Beispiel eines dieser Themen, bei denen wir keine eigene Entscheidungskompetenz haben, die wir aber innerhalb kurzer Zeit in diesem Hohen Haus schon mehrfach diskutiert haben.

Herr Lämmel, es gibt schon den Wunsch zu einer Zwischenfrage.

Bitte schön, Herr Morlok.

(Zuruf von der CDU: Er hat noch gar nichts gesagt!)

Er hat schon etwas gesagt. – Stimmen Sie mir zu, Herr Lämmel, dass die Staatsregierung mit ihrer Stimme im Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland sehr wohl die Möglichkeit hat, auf diesen Gesetzgebungsprozess Einfluss zu nehmen, und dass es für uns als Parlamentarier generell sinnvoll ist, unsere Meinung zum Abstimmungsverhalten der Staatsregierung kundzutun?

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Herr Morlok, Sie müssen bei den Anträgen zwei Dinge unterscheiden: Bei dem einen Antrag geht es um Mindestlöhne. Dafür ist im Moment aus meiner Sicht kein Entscheidungsbedarf.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Bei dem zweiten Antrag geht es um die Ausweitung des Entsendegesetzes. Das ist auf einer völlig anderen Ebene zu sehen als das Thema Mindestlohn, das die PDS wieder auf die Tagesordnung gebracht hat.

(Caren Lay, PDS: Das steht auch in unserem Antrag!)

Wir haben über das Jahr schon über dieses Thema diskutiert.

Herr Lämmel, es gibt wieder einen Fragewunsch.

Ja, bitte.

Herr Lämmel, ist Ihnen bekannt, dass beispielsweise Punkt I.3 unseres Antrages zu Mindestlöhnen sehr wohl auch auf das Entsendegesetz abzielt, dass Punkt I.4 unseres Antrages durchaus auch auf das Abstimmungsverhalten Sachsens im Bundesrat abzielt? Ist Ihnen vielleicht auch nicht entgangen, dass der Punkt II Nummern 1 bis 4 komplett auf den Handlungsspielraum Sachsens abzielt?

Frau Lay, Ihr Antrag ist wie immer ein Gemischtwarenladen. Da ist alles aus der Kiste geholt worden, was Ihnen zu diesem Thema eingefallen ist. Deshalb ist es inakzeptabel, darüber weiterhin zu diskutieren.

(Caren Lay, PDS: Wo ist denn Ihr Konzept? – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS, steht am Mikrofon.)

Ich gestatte keine Zwischenfrage, Herr Porsch. Ich muss ja wenigstens noch drei Sätze sagen können. Aber wir können uns dann gern noch einmal darüber unterhalten. Ich stehe Ihnen heute den ganzen Tag zur Verfügung.

Man muss feststellen: Seit Jahren wird nun dieser strahlend rote Ballon Mindestlohn in Berlin immer wieder aufgeblasen. Meistens kommt dieses Thema vor Wahlen zum Tragen und Sie wissen ja: Am Sonntag steht eine nicht ganz unwichtige Wahl vor der Tür.

Meine Damen und Herren, dieser Ballon Mindestlohn wird in den verschiedensten Kombinationen angeboten. Einmal wird diese Kombination mit einer Debatte um unpatriotische Unternehmer, die ihre ganzen Arbeitsplätze ins Ausland schaffen, verbunden. Das zweite Mal wird das kombiniert mit der Drohung einer Ausbildungsabgabe und beim dritten Mal wird es kombiniert mit einer Diskussion über die kapitalistischen Heuschrecken.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Meine Damen und Herren! Das Wiederholen, auch das ständige Wiederholen falscher Thesen macht diese Thesen nicht richtiger.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Müntefering hat doch Recht!)

Wir haben dieses Thema doch auch schon ausreichend hier diskutiert, Herr. Prof. Porsch.