Protocol of the Session on May 19, 2005

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Frau Weihnert, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich glaube, es ist angemessen, in diesem Jahr, in dem europapolitische Themen untrennbar mit dem Kriegsende vor 60 Jahren verbunden sind, daran zu erinnern und darauf hinzuweisen. Polen ist das einzige Land, das seit Beginn des Zweiten Weltkrieges von Kampfhandlungen betroffen war und – so Ausführungen von Josef Garlinski in seinem Buch „Poland and the second World War“, ich zitiere –: „seine Waffen bis zum letzten Tag dieser größten Auseinandersetzung in der Geschichte der Menschheit nicht niederlegte. Der Krieg nahm seinen Anfang mit dem Angriff auf Polen zuerst am 1. September 1939 durch Nazideutschland.“ – Wir wissen, am 8. Mai 1945 war er endlich zu Ende. – Über zwei Millionen polnische Soldaten waren in den Kampfhandlungen an der westeuropäischen, nordeuropäischen, Ostfront oder Mittelmeerfront, im Untergrund, bei der Unterstützung Frankreichs oder der Schlacht Englands gemeinsam mit den polnischen Luftstreitkräften. Polen stellte somit die viertgrößte Streitkraft der Alliierten. Ein letztes Zitat aus einer Ausarbeitung von Andrzej Paczkowski und anderen aus dem Artikel „Der polnische Beitrag zum Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg“, Abschnitt: Eine Reflektion zum Jahrestag: „Der Umstand, dass die polnischen Soldaten nicht zu den 1945 in London und Moskau stattfindenden Siegesparaden eingeladen wurden, zeugt davon, dass die Großmächte Polen untereinander mehr als Gegenstand und weniger als Partner behandelten. Nichtsdestotrotz wurde dem Heldenmut und der Hartnäckigkeit der polnischen Soldaten Tribut gezollt und der Umstand, dass Polen als äußerst wertvoller Verbündeter zu den Siegern zählt, gewürdigt. Viele Polen glaubten über die Jahre und glauben es noch heute, dass dies ein bitterer Sieg war, da das Nachkriegspolen durch die Unterordnung unter die

Sowjetunion keine vollberechtigte Unabhängigkeit genoss. Und dennoch zweifelt wohl niemand daran, dass der Kampf notwendig war und denjenigen, die kämpften, Ehre gebührt.“ Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Die unzähligen Menschenopfer des nationalsozialistischen Völkermordes, das unendliche Leid der Zivilbevölkerung, die Erfahrungen während der Nachkriegszeit, das persönliche Erleben und das damit verbundene tief verwurzelte Misstrauen in Teilen der polnischen Bevölkerung gegenüber Teilen ihrer Nachbarn, aber auch politische Diskussionen haben lange Jahre die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen besonders geprägt. Gerade durch die Kenntnis dieses Hintergrundes ist das Deutsch-Polnische Jahr 60 Jahre nach dem Kriegsende ein besonderes.

Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass der Generalkonsul der Republik Polen Ryszard Król anlässlich des Auftaktes des Deutsch-Polnischen Jahres am 3. Mai 2005 in Görlitz auf die besondere Symbolik dieses Tages und der Beziehungen Sachsens und Polens hinwies. Ich darf seine Worte in Erinnerung rufen: „Der 1. Mai 2004, der Tag des Beitritts Polens zur Europäischen Union, bedeutet die endgültige Überwindung der verhängnisvollen, Jahrhunderte dauernden geopolitischen Lage, in der sich Polen immer zwischen den nicht befreundeten Großmächten befand und von denen es als Gegenstand ihrer Interessenspiele benutzt wurde. Der Beitritt Polens erst zur Nato und dann zur Europäischen Union bedeutet, dass der Teufelskreis, das Verhängnis der geopolitischen Lage, überwunden wurde. Zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahrhunderten kann Polen in den gesicherten Grenzen umgeben von befreundeten Nachbarstaaten leben. Die Zugehörigkeit zu der Wertegemeinschaft, zum großen Wirtschaftsraum schafft gute Rahmenbedingungen und große Chancen für die Entwicklung unserer Länder, besonders für die Entwicklung der Zusammenarbeit und Verbesserung der Beziehungen zwischen Polen und Deutschen.“

(Beifall bei der SPD)

Weiter führte der Generalkonsul aus: „Die deutsche Stadt Görlitz und die polnische Stadt Zgorzelec sind zwei Orte, zwei Gemeinschaften, die mit den Lasten aus der Vergangenheit stark konfrontiert wurden. Seit Jahren bemühen sich beide Städte, diese Belastungen zu überwinden und die gut nachbarschaftliche Zusammenarbeit zu entwickeln. Dadurch werden sie eben zu Wegbereitern der neuen Wirklichkeit, die bestrebt sind, die neuen Möglichkeiten und Chancen im vereinten Europa gemeinsam zu nutzen, damit die tragische Vergangenheit, ohne vergessen zu werden, überwunden werden könnte.“

Ich glaube, mit diesen Worten wird die besondere Bedeutung der heutigen und zukünftigen Beziehungen zwischen Sachsen und Polen verdeutlicht. In der Großen Anfrage werden die zarten Pflänzchen der Zusammenarbeit zwischen Polen und Sachsen auf den unterschiedlichsten Ebenen und Gebieten dargelegt. Vereine, Schulen, Kommunen, Hochschulen, aber auch staatliche Ebenen, wie die Justiz und die Polizei, arbeiten in vielfältigen Projekten zusammen. Herr Schowtka verwies auf einige Projekte und stellte diese näher dar. Ferner wur

den die wirtschaftlichen Verflechtungen in der Anfrage dargestellt.

In der letzten Ausgabe der Leipziger IHK-Zeitschrift „Wirtschaft“ wird zum Beispiel eine Bilanz über ein Jahr EU-Erweiterung gezogen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es durchaus noch Probleme bei der Partnersuche in Polen gibt, dass wir nicht die notwendigen Fremdsprachenkenntnisse auf unserer Seite besitzen – auch darauf wurde bereits hingewiesen –, dass es deutliche Branchenunterschiede gibt, aber auch, dass Investitionen in Polen zum Beispiel Arbeitsplätze in Gerichshain sichern. Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen in der letzten Zeit eine Fernsehsendung gesehen, in der berichtet wurde, dass ein Arbeitsamt auf sächsischer Seite Arbeitskräfte nach Polen vermittelt und somit auch dort Arbeitsplätze anbietet.

In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch das DGBProjekt „GRIPS“ zu sehen, welches das Ziel hat, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf die kommenden Dinge vorzubereiten, Ängste zu nehmen und Möglichkeiten der Qualifizierung und Arbeit aufzuzeigen.

Meine Damen und Herren! Rückblickend kann eingeschätzt werden, dass die im April 1991 in Görlitz gegründete erste Deutsch-Polnische Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit erfolgreich den Beitritt Polens zur EU, aber auch weitere Projekte vorbereitet hat. So wurde zum Beispiel am 25. Juli 2001 durch die Europäische Kommission das erste – von drei Programmen – für die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland genehmigte Projekt im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative Interreg III A finanziert. Das Projekt ist für das Grenzgebiet zwischen Sachsen und Niederschlesien mit etwa 2,4 Millionen Einwohnern konzipiert. Hauptschwerpunkte sind die Entwicklung der Wirtschaft beiderseits der Grenze sowie die Verbesserung der transnationalen Zusammenarbeit.

Bis zum Jahre 2006 sind es insgesamt 56,9 Millionen Euro, die zur Verfügung stehen. Die sechs Schwerpunkte, die dieses Programm umfasst, sind die wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, die Infrastruktur, die Umwelt, die ländliche und städtische Entwicklung, die Ausbildung. Die Qualifikation und die Beschäftigung sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Soziales und Sicherheit haben ihre Wirkung gezeigt. Auch dazu hat mein Vorredner bereits einige Beispiele gebracht.

Im Rahmen des Hilfsprogramms VCB für Mittel- und Osteuropa standen für die Grenzgebiete in Niederschlesien in den Jahren von 2000 bis 2002 aus der Gemeinschaftsbeteiligung 31,2 Millionen Euro zur Verfügung. Im Übrigen wird das Interregprogramm von der Staatskanzlei Sachsens verwaltet und von regionalen Ausschüssen, die bei der Projektauswahl mitarbeiten, begleitet. Die Staatsregierung ging auf diese Punkte ein. Vielleicht erfahren wir noch Konkreteres über diese Zusammenarbeit und dieses Programm. Sachsen spielt beim Zusammenwachsen von Europa eine besondere Rolle und hat durchaus Projekte neuer Qualität vorzuweisen.

Lassen Sie mich diese kurz in drei Punkten zusammenfassen. Es ist ein Erfolg, dass das Ost-Europa-Zentrum seinen Sitz in Leipzig und demzufolge in Sachsen hat.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Es ist ein Erfolg, dass die neue Altstadtbrücke zwischen Görlitz und Zgorzelec wiedererrichtet und eingeweiht wurde und die Bewerbung von Görlitz und Zgorzelec als Kulturhauptstadt Europa im Jahre 2010 eine neue Qualität der Gemeinsamkeiten beider Länder aufzeigt.

Trotz dieser wunderbaren Projekte, meine Damen und Herren, werden es immer wieder die Menschen sein, die das Zusammenwachsen Europas, die Partnerschaft zwischen Sachsen und Polen mit Leben erfüllen. Helfen wir gemeinsam mit!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort. Herr Kosel, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre schön und den Beziehungen zwischen Sachsen und Polen dienlich, machten wir es der Handwerkskammer in Dresden nach. Unter dem Motto „Fit für Polen“ veranstaltet sie von September dieses Jahres bis Frühjahr 2006 einen entsprechenden Kurs als Qualifizierungsprojekt für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr mit Polen. Worauf es aus Sicht der praktisch Agierenden ankommt, zeigen die einzelnen Module des Projektes: interkulturelle Kompetenzen, Anbahnung und Abwicklung von Auslandsgeschäften, rechtliche Rahmenbedingungen und Sprachkurse in Polnisch.

Dazu passt aus der Sicht der PDS-Fraktion der Spruch: Von den Praktikern lernen heißt, die Politik praktikabel gestalten lernen. Mit der Großen Anfrage zu den Beziehungen zwischen Sachsen und Polen begeben sich die Koalitionsfraktionen auf ein weites Feld. Dass sie dabei vieles aufgreifen, was seitens der PDS-Fraktion in vielen Anfragen und mit dem Kooperationsvertrag mit ihren polnischen und tschechischen Partnerfraktionen ins politische Gespräch und Geschäft gebracht wurde, zeigt die Unentbehrlichkeit einer agilen Oppositionsfraktion. Dazu passt nun wieder der Spruch: Von der Opposition lernen heißt, die richtigen Fragen stellen lernen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Von der richtigen Opposition!)

Wenngleich dabei noch etwas Lernbedarf sichtbar ist, aber immerhin, bereits beim ersten Durchsehen meiner Kleinen Anfragen zum Thema „sächsisch-polnische Beziehungen“ entdeckte ich zirka ein Drittel der Fragen aus der vorliegenden Drucksache wieder.

Ich möchte gleich mit der ersten Frage beginnen. CDU und SPD wollen wissen, wie die Staatsregierung das – ich zitiere – „Polnische Jahr in Deutschland und ein

Deutsches Jahr in Polen 2005/2006 zur Vertiefung der Beziehungen zu nutzen beabsichtigt“.

(Unruhe bei der PDS)

Herr Kosel, darf ich Sie kurz unterbrechen. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für Ihren Redner!

(Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: Hört, hört!)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Wenn die Vielzahl der in der Tat bestehenden Kontakte zwischen beiden Ländern durch eine – ich zitiere – „politisch sichtbare Veranstaltung und Programme stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt“ werden soll, dann verkennt dies die mit dem Polnischen Jahr gegebene Chance, im Alltag die Beziehungen zu fördern. Meine Damen und Herren! Wenn Beziehungen beiderseitig gestaltet werden, hängen diese eng mit Kommunikation zusammen, Kommunikation wiederum mit Sprache. Festzustellen bleibt nach wie vor, dass das Interesse am Erlernen der polnischen Sprache allgemein gering ist und angesichts der Möglichkeiten und Notwendigkeiten grenzüberschreitender Zusammenarbeit unter den Anforderungen liegt.

Was wurde getan, um den im Jahre 2000 festgestellten unbefriedigenden Tatbestand zu ändern, dass an Grundund Mittelschulen, an Gymnasien und an Beruflichen Schulungszentren sage und schreibe nur vier Polnischlehrerinnen und -lehrer beschäftigt waren, dass nur an drei Schulen Polnisch unterrichtet und an zwei Grundschulen Polnisch als Begegnungssprache angeboten wurde – und das zum damaligen Zeitpunkt – und ich zitiere – „die Unterrichtung des Faches Polnisch an keiner weiteren Mittelschule vorgesehen“ war.

Heute nun – wir haben es aus der Antwort der Staatsregierung erfahren – sind es zwölf Lehrerinnen und Lehrer, die an sächsischen Schulen Polnisch unterrichten. In fünf Jahren ist das eine Entwicklung von vier auf ganze zwölf Polnischlehrer sachsenweit. Das ist kein Ruhmesblatt. Unbefriedigend sind auch der Anteil Sachsens am deutsch-polnischen Jugendaustausch und die Beteiligung sächsischer Jugendlicher an deutsch-polnischen Begegnungen in Deutschland. Der geringe Anteil von etwa 7 % an der Gesamtzahl aller deutschen Teilnehmer an der Jugendbegegnung und zirka 3 % der Teilnehmer am Schüleraustausch mag vielleicht statistisch beruhigen, ist aber angesichts der 110 Kilometer langen Grenze zu Polen und der traditionellen kulturellen Beziehungen zwischen Sachsen und Polen ein schlechtes Zeichen für die Zukunft, denn auch hier gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!

Sachsens Beziehungen zu Polen haben, meine Damen und Herren, viele tragende Brücken. Doch unbestritten ist der menschliche Aspekt dabei der entscheidende für die Grundstimmung im Lande. Missstimmungen, Verstimmungen, Missverständnisse – vor allem, wenn sie politisch nicht abgebaut werden – sind beziehungshemmend.

Selbstredend kann die deutsche Minderheit in Polen zur Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland beitra

gen, vorausgesetzt, sie verstünde sich, so wie die Sorben, als Brückenbauer zum slawischen Nachbarn. Es sind ja zumeist nicht die Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen selbst, die zuweilen – und in vergangener Zeit immer stärker – die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland vergiften. Die das tun, findet man vielmehr hier in der Bundesrepublik in den Reihen einiger führender Funktionäre des Bundes der Vertriebenen. Die deutsche Minderheit in Polen hat durchaus Potenzial, zur deutsch-polnischen Verständigung beizutragen, wenn sie souverän gegenüber bundesdeutschen VertriebenenFunktionären agiert.

Bei der Antwort auf die Frage, was die Staatsregierung unternimmt, um die deutsche Minderheit in die Vertiefung der Beziehungen einzubeziehen, gehört eine klare Position der Staatsregierung zu den in jüngster Zeit erhobenen Besitzansprüchen Deutscher in Polen und zu den Versuchen der Umbewertung deutsch-polnischer Geschichte, die auch im Zusammenhang mit dem 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus aufkamen.

Wer gute Beziehungen will, muss sich von politischen Bösewichtern klar und deutlich distanzieren. Die klaren Worte, die die Staatsregierung auf die PDS-Anfrage zu den Umtrieben des Görlitzer DSU-Stadtrates Jürgen Hösl-Daum fand, müssen politisches Allgemeingut in Sachsen werden. Aufrufe zu Rassenhass und Verunglimpfung der polnischen Nation sind, um die damalige Formulierung der Staatsregierung zu gebrauchen, abzulehnen. Menschenverachtende Verfälschungen der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen, insbesondere während des Nationalsozialismus, sind zu verurteilen.

Meine Damen und Herren! Die Beziehungen Sachsens zu Polen basieren auf gesicherten rechtlichen Grundlagen. Das will aber nicht heißen, dass diese nicht ausgestaltet und erweitert werden können. Die rechtlichen Grundlagen sind sozusagen in die Jahre gekommen. Da würde es uns schon genauer interessieren, wie der Freistaat dies sieht, und Verbesserungen – auch hinsichtlich der nunmehrigen Mitgliedschaft Polens in der EU – zu beeinflussen gedenkt.

Wenn ich an die rechtlichen Grundlagen erinnern darf: Abkommen zwischen Deutschland und Polen über kulturelle Zusammenarbeit 1977; Abkommen über Zusammenarbeit auf den Gebieten von Wissenschaft und Technik 1989; Abkommen über Zusammenarbeit im Umweltschutz 1988, erneuert 1994, und Ressortabkommen auf den Gebieten des Gesundheitswesen, der Land-, Forstund Ernährungswirtschaft, der Förderung des projektbezogenen Personenaustauschs auf den Gebieten der Geistes-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Kollege Schowtka hat bereits weitere Vertrags- und Rechtsgrundlagen genannt.

Meine Damen und Herren! Wenn wir hier im Landtag über die Beziehungen zu Polen reden, dann haben wir doch eher die unmittelbaren nachbarschaftlichen Beziehungen vor Augen. Am konkretesten wird es mit diesen Beziehungen unmittelbar an der Grenze diesseits und jenseits der Neiße. Es ist anzustreben und anzunehmen, dass der Beitritt Polens zur EU zu weiteren Verflechtungen und zu weiteren Entwicklungen grenzüberschreitender Kooperation im deutsch-polnischen Grenzraum füh

ren wird. Im Selbstlauf wird dies allerdings nicht geschehen. Die Entwicklungspotenziale für sächsische Städte und Gemeinden entlang der Grenze werden wachsen oder verkommen, je nachdem, wie sie gefördert oder nicht genutzt werden.

Bereits im Jahre 2002 hat das Deutsche Seminar für Städtebau und Wirtschaft das Projekt „Transnationale Kooperation im polnisch-deutschen Grenzraum“ initiiert, um die mit dem Beitritt Polens zur EU zu erwartenden ökonomischen Effekte für die Entwicklung deutscher und polnischer Innenstädte sowie kleiner und mittlerer Unternehmen in den Branchen Tourismus und tourismusnaher Einzelhandel abzuschätzen.

Wenn Polen allgemein mit rund einer Million Übernachtungen seiner Bürger in Deutschland für den hiesigen Tourismus der wichtigste und für die Zukunft bedeutendste Partner Osteuropas ist, ist auf der anderen Seite der Anteil polnischer Touristen bei allen Übernachtungsgästen bundesweit mit Platz 12 und in Ostdeutschland mit Platz 7 – das heißt, mit gerade einmal einem Prozent – noch sehr gering, was wohl nicht so sehr an den Polen liegt, die bekanntlich gern reisen, als vielmehr an den Gegebenheiten, die sie in Deutschland antreffen, zumal, wie Sachkundige feststellen, sich nur eine geringe Anzahl von Unternehmen findet, die zielgerichtet die polnische Kundschaft anspricht. Dort – was vereinzelt geschieht –, wo eine starke Ausrichtung auf polnische Gäste vorgenommen wird, sind Umsatzsteigerungen bzw. -absicherungen zu verzeichnen.

Die Kulturhauptstadtbewerberin Görlitz spricht zum Beispiel mit ihrem Einkaufsführer „Zakupy w Görlitz“ gezielt polnische Kunden an. – Das zur Antwort auf die Frage Nr. 17 und die darin enthaltene Feststellung, dass „… es weitgehend an internationalen Touristen fehlt“.

Wer als Tourist oder Dienstleistender viel zwischen Polen und Sachsen unterwegs ist, wird der Feststellung der Staatsregierung zustimmen, dass in der Bewältigung anwachsender Verkehrsströme durch die EU-Erweiterung eine weitere Herausforderung für die weiteren Jahre besteht. – Nicht nur durch die EU-Erweiterung allein: Der zunehmende Waren- und Personenverkehr zwischen West- und Osteuroopa folgt meist noch den altehrwürdigen Verkehrsverbindungen, die durch Sachsen und Polen ins ferne Russland führten. Wer sich den neuen Herausforderungen stellen will, muss ein anderes Verkehrskonzept verfolgen, als dies jetzt noch geschieht. Der Verkehr auf der Straße wächst uns einfach über den Kopf, wie aus der Prognose des 300-prozentigen Zuwachses im Warenverkehr und des 40-prozentigen Zuwachses im Personenverkehr für die laufenden 18 Jahre bis 2015 ersichtlich ist.

Das Fehlen einer durchgehenden Zugverbindung von Dresden nach Wrocław für den Personenverkehr ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Menschliches Miteinander und wirtschaftliche sowie wissenschaftliche Kooperation bedingen einander. Durch Kooperationsprojekte wachsen nicht nur Wissenschafts- und Wirtschaftsaustausch, sondern auch kulturelles und sprachliches Miteinander. Al

lein die Übersicht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung weist auf 22 Seiten für die Laufzeit von 2001 bis 2005 160 Kooperationsprojekte mit Polen – allerdings nur elf davon mit Sachsen – aus. Das ist unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potenzials des Freistaates und seiner geografischen Lage eindeutig zu wenig.

Meine Damen und Herren! Aus der Antwort auf die Große Anfrage ist bei aller unterschiedlicher Wertung der Feststellungen der Staatsregierung sichtbar geworden, dass sich manches in den letzten Jahren entwickelt hat – vieles davon leider zu langsam –, und vor allem, dass enormer Handlungsbedarf besteht. Ein in sich geschlossenes Projekt der Beziehungen zu Polen ist deshalb unerlässlich.