Ein weiterer Punkt: In der EU-Richtlinie ist vorgesehen, dass sich Verbände bei der Durchsetzung von Rechten von vermeintlich Diskriminierten beteiligen können. Das kann eine sinnvolle Regelung sein, weil dadurch die Betroffenen eine Unterstützung erfahren. In der deutschen Umsetzung ist aber aus dieser Beteiligung von Verbänden eine Abtretungsmöglichkeit von Forderungen an Verbände geworden. Das ist etwas ganz anderes! Es bleibt also zu befürchten, dass sich verschiedene Verbände darauf spezialisieren, Klage zu erheben, um Schadensersatzforderungen abtreten zu lassen und damit letztendlich Geld zu machen.
Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie eben der deutsche Gesetzgeber über die EU-Richtlinien hinausgegangen ist. Ich meine, dass wir uns diesem Problem auch differenziert nähern,
Gleich, gleich. – weil man eben Dinge, wenn man etwas voranbringen möchte, auch so sauber und fair differenzieren muss. – Bitte.
Herr Lichdi, wie Sie sicherlich wissen, bin ich Unternehmer und kein Jurist. Ich weiß, dass viele Juristen Paragrafen auswendig kennen. Ich gehöre zu den Leuten, die das leider nicht können. Ich kann Ihnen daher die Vorschrift nicht explizit
nennen. Aber ich denke, es geht auch nicht darum, dass wir hier Paragrafenhuberei betreiben, Herr Lichdi, sondern es geht darum, dass wir die Auswirkungen der Richtlinie beschreiben.
Ich habe auch nicht gesagt, dass ein Kontrahierungszwang in der Richtlinie drinsteht, sondern ich habe gesagt, dass in der deutschen Rechtssystematik bisher Benachteiligte einen Anspruch auf Schadenersatz haben. In der EU-Richtlinie haben sie einen Anspruch auf Vertragsabschluss. Diesen Anspruch auf Vertragsabschluss habe ich als Kontrahierungszwang bezeichnet. Das können Sie politisch anders werten, aber das ist meine persönliche Auffassung.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, wir müssen uns sehr sorgfältig überlegen, was wir hier auf bundesstaatlicher Ebene tun, um das, was wir alle wollen, nämlich die Diskriminierung in Deutschland weiter abzubauen, auch tatsächlich zu erreichen. Es nützt nichts, wenn wir bei der Gesetzgebung über das Ziel hinausschießen und dann für die Betroffenen das Gegenteil erreichen, nämlich faktisch mehr Diskriminierung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schowtka, wir Grünen sind stolz darauf, dass wir diese Gesellschaft verändern wollen. Denn das hat sie in vielen Punkten dringend notwendig.
Herr Schowtka, wir sind auch sehr stolz darauf, dass wir nicht einer Partei angehören, die ein derart reaktionäres
Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage, ich möchte gern vortragen. Sie können sich dann noch einmal melden, wenn ich am Ende bin. Herr Morlok, bitte nehmen Sie zur Kenntnis – und ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie dort von Ihrem Kollegen Dr. Martens beraten werden; er ist ja ein sehr kundiger Jurist –
ja, Herr Kollege – dass allein im § 15 des Entwurfs des Antidiskriminierungsgesetzes Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche vorgesehen sind, aber mitnichten ein Kontrahierungszwang.
Der Herr Ministerpräsident – Herr Wehner hat es angesprochen – hat am 7. März unter der Überschrift „Antidiskriminierungsgesetz ist überflüssig“ eine schlimme Presseerklärung abgesetzt und sich dabei nach unserer Meinung erheblich im Ton vergriffen.
Der Ministerpräsident greift ganz tief in die Grundsatzkiste. Offensichtlich stehen der Ruin der deutschen Volkswirtschaft sowie der Untergang des christlichen Abendlandes unmittelbar bevor. Und wenn ich die Rede von Herrn Schowtka höre, dann ist es offensichtlich so gemeint gewesen.
Sie kritisieren eine Ausweitung der Gruppen, die durch das Antidiskriminierungsgesetz geschützt werden sollen, und zwar über die EU-rechtlichen Anforderungen hinaus. Das ist aber in der Sache richtig und vermeidet im Übrigen auch eine sonst eintretende Rechtszersplitterung.
Worum geht es? Das ADG verbietet eine Ungleichbehandlung aufgrund der – ich zitiere – „ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“.
Ich frage Sie: Was ist eigentlich daran schlecht, wenn nicht nur das Merkmal der ethnischen Herkunft, sondern auch Frauen, Gläubige verschiedener Religionen, Muslime, Juden, Behinderte oder Alte sowie Schwule und Lesben geschützt werden? Halten Sie bei diesen Gruppen einen Diskriminierungsschutz etwa nicht für notwendig? – Nein, der Ministerpräsident versteigt sich doch tatsächlich zu der Aussage, das ADG ziele darauf ab, die Normalität zu benachteiligen.
Nein, ich gestatte keine. Herr Milbradt leugnet also entweder total, dass es Benachteiligung aufgrund der genannten Merkmale gibt, oder – was noch schlimmer wäre – er verteidigt diese diskriminierenden Verhältnisse im Namen der diskriminierenden Normalität.
Vor einigen Wochen hat Herr Jähnichen aus der CDUFraktion hier im Landtag ein flammendes Plädoyer gegen die Diskriminierung von alten Menschen in unserer Gesellschaft gehalten. Er hat Beifall aus allen Fraktionen bekommen. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie mit Ihrer Verunglimpfung des ADG auch den Diskriminierungsschutz alter Menschen meinen?
Herr Milbradt lehnt das Gesetz – so wörtlich – wegen seines ideologischen „Kerns“ ab, das ADG „unterminiere den Rechtsstaat“. Es schaffe „praktisch“ die „Vertragsfreiheit“ ab. Entweder weiß er nicht, wovon er spricht, oder ich frage mich, was der Ministerpräsident eigentlich will.
Das blanke Prinzip der Vertragsfreiheit des BGB von 1900 ist schon seit über 80 Jahren zugunsten der Schwächeren der Gesellschaft modifiziert worden, etwa im Mietrecht oder im Verbraucherschutzrecht oder im Arbeitsrecht.
Herr Ministerpräsident, halten Sie auch das für eine „Unterminierung des Rechtsstaates“ und eine „Abschaffung der Vertragsfreiheit“? Wir wollen nicht den Nachtwächterstaat, der nur die Freiheit des Starken schützt.
Sie schreiben, das ADG sei ein Gesetz mit „eingebautem Anfangsverdacht“, das jeden, der eine wirtschaftliche Entscheidung treffe, als potenziellen Diskriminierer betrachte.
Was ist dran? Betrachten wir die Beweislastverteilung, die der Ministerpräsident offenbar angreift, ohne sie zu nennen. Ich verweise hier noch einmal auf die Kleine Anfrage, die Herr Mackenroth für Herrn Heinz beantwortet hat. Dort ist nämlich die Rechtslage zutreffend dargestellt. Es ist eben nicht richtig, dass derjenige, der sich diskriminiert glaubt, jetzt jeden mit Klagen überziehen kann. Er muss nämlich selbst Tatsachen glaubhaft machen, die vermuten lassen, dass er wegen einer der verbotenen Diskriminierungsgründe ungünstiger behandelt worden ist als andere. Erst wenn ihm das gelingt, trägt der Beklagte die Beweislast, dass andere Gründe für die Ungleichbehandlung verantwortlich waren.
Meine Vorredner haben zu Recht darauf verwiesen: Dies ist eine Beweislastverteilung, die nicht nur im Arbeitsrecht für Frauen, sondern auch in anderen Rechtsgebieten seit Jahrzehnten üblich ist.