Protocol of the Session on June 25, 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem der Ministerpräsident die Schirmherrschaft über die Feuerwehr in Sachsen übernommen hat, sind die Koalitionsfraktionen der Meinung, sie müssten heute eine Aktuelle Debatte zum Thema Feuerwehr abhalten.

Dabei haben Sie in den letzten Jahren im Hohen Haus und durch die Beantwortung verschiedener Kleiner Anfragen der Opposition immer erklärt, es gebe keine Probleme mit der Nachwuchsarbeit bzw. mit der Bereitschaft in der freiwilligen Feuerwehr.

Nun startet die Staatsregierung unter dem Motto „Helden gesucht!“ eine Kampagne zur Nachwuchsförderung bei der Feuerwehr. Kurz vor den Wahlen – ein Schelm, der denkt, die Regierung meine es tatsächlich ernst mit der Unterstützung der Feuerwehr. Mit Großflächenwerbung, Radiospots und den schon genannten beklebten Straßenbahnen soll den sinkenden Mitgliederzahlen bei den Jugendfeuerwehren begegnet werden.

Es ist erschreckend, dass die freiwilligen und die Jugendfeuerwehren einen zum Teil erheblichen Mitgliederrückgang verzeichnen müssen. Darauf hat die Opposition in der zu Ende gehenden Legislaturperiode immer wieder hingewiesen. Dabei übernehmen die freiwilligen und die Jugendfeuerwehren sowohl im ländlichen Raum als auch in den Städten wichtige Aufgaben. Sie löschen und retten im Notfall, unterstützen die Berufsfeuerwehren und tragen zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger bei. Sie besitzen vielerorts jedoch auch identitätsstiftenden Charakter. Sie übernehmen Aufgaben der Jugendarbeit und sind ein kulturelles Zentrum vieler Ortschaften. Dem Mitgliederschwund bei den Jugend- und freiwilligen Feuerwehren muss auch deshalb entgegengewirkt werden. Die Frage ist nur, wie hilfreich reine Imagekampagnen sind und ob die Probleme wirklich beim Image liegen. DIE LINKE sieht eine andere Problemlage.

Erstens. Wir sind der Meinung, dass die Nachwuchsprobleme bei den Feuerwehren nur gelöst werden können, wenn auch die Probleme der freiwilligen Feuerwehren in Angriff genommen werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

DIE LINKE sieht einen Lösungsweg darin, mehr Anreize für ehrenamtliches Engagement in der freiwilligen Feuerwehr zu schaffen, wie zum Beispiel unsere Nachbarländer Sachsen-Anhalt und Thüringen, indem sie eine Feuerwehrrente, welche die Tätigkeit in der freiwilligen Feuerwehr bei der Berechnung der späteren Rente berücksichtigt, planen. Auch Steuervergünstigungen sind für uns eine Möglichkeit solcher Anreize.

Wie man hört, prüft die Staatsregierung wieder einmal. Andererseits müsste dringend die Regelung für die Aufwandsentschädigung geändert werden. Es ist ein Skandal, wie wenig das oft zeitlich und körperlich aufwendige Engagement gewürdigt wird.

Neben der Erhöhung der Anreize für eine Tätigkeit in der freiwilligen Feuerwehr braucht es eine Definition der Aufgaben. Dabei sollte aus unserer Sicht eine Konzentration auf Kernaufgaben erfolgen, die zu einer Entlastung der Feuerwehren beiträgt. So kann zum Beispiel bei Ölverschmutzungen auf Spezialfirmen zurückgegriffen werden und es muss nicht immer die freiwillige Feuerwehr aus den einzelnen Orten gerufen werden.

Zum Zweiten leisten freiwillige Feuerwehren einen Beitrag, um den ländlichen Raum attraktiv zu gestalten; sie leiden jedoch insbesondere unter dem Wegzug von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, braucht es Perspektiven für den ländlichen Raum. Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, der auch die Feuerwehrarbeit umfasst, ist für DIE LINKE ein Weg. Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass die Ableistung des Zivildienstes bei der freiwilligen Feuerwehr möglich sein muss und realisiert wird.

Zum Dritten müssen die Kommunen in die Lage versetzt werden, die notwendige Technik und Ausrüstung vorzuhalten. Dazu muss es eine hundertprozentige Förderung

geben, ohne Eigenanteil. Das ist insbesondere deshalb erforderlich, weil die Aufgaben der freiwilligen Feuerwehren so wichtig sind, dass sie nicht von der finanziellen Lage der Kommunen abhängig sein dürfen. Technik und Ausbildung der Feuerwehrleute und Ausbilderinnen und Ausbilder müssen auf dem neuesten Stand sein, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und die Sicherheit der Feuerwehrleute zu gewährleisten.

Zum Vierten haben wir in dieser Legislaturperiode bereits über das Thema Bambini-Feuerwehren diskutiert. Wir halten sie nach wie vor für geeignet, um Kinder spielerisch an die Jugendfeuerwehren heranzuführen. Vor allem muss die Brandschutzerziehung der Verkehrserziehung gleichgesetzt werden.

Diese Lösungsansätze können aus unserer Sicht tatsächlich helfen, die Nachwuchssorgen der Feuerwehr zu lösen. Sie haben allerdings einen Nachteil: Sie kosten mehr Geld als schicke Großflächenwerbung und Ehrennadel. Die Vorteile unserer Vorschläge bestehen darin, dass sie mehr leisten als eine bloße Imageverbesserung. In der neuen Legislaturperiode muss eine dringende Novellierung des Blauhelm-Gesetzes vorgenommen werden. Die bekannten Schwachstellen im Gesetz müssen zügig nachgebessert werden. Imagekampagnen allein werden nicht helfen, die Probleme der Feuerwehren in Sachsen langfristig zu lösen.

Trotzdem und vor allem gilt unser Dank allen hauptberuflichen und ehrenamtlichen Feuerwehrleuten, die ihren Beitrag zu unserer Sicherheit in Sachsen und manchmal auch über die Landesgrenzen hinweg leisten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Weiterhin möchten wir uns bei allen Mitgliedern von Feuerwehrfördervereinen bedanken, die oftmals den finanziell in Not geratenen freiwilligen Feuerwehren vor Ort helfen.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die NPDFraktion spricht Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Slogan „Helden gesucht“ wirbt die Landesregierung seit Kurzem im Rahmen einer Kampagne für mehr Nachwuchs bei den freiwilligen Feuerwehren in Sachsen. Diese Aktion ist angesichts deren personellen Entwicklung sicher begrüßenswert. Wenn man sich aber die Ursachen für den dramatischen Rückgang der Zahl der Mitglieder in den freiwilligen Feuerwehren anschaut, muss man leider feststellen, dass dieser Rückgang nichts anderes als das Ergebnis einer über Jahre verfehlten Landespolitik ist.

Mit der Heldenkampagne, die die Landesregierung gerade gestartet hat, um Nachwuchs für die freiwilligen Feuerwehren zu finden, spielt die Regierung in höchster Not nun „Feuerwehrmann“, nachdem sie über Jahre, beson

ders im ländlichen Raum, mit einer verfehlten Strukturpolitik als „Brandstifter“ gewirkt hat.

Das Problem liegt nicht vordergründig in der Gewinnung von Nachwuchs durch die Förderung der Jugendarbeit in den Feuerwehren, sondern besteht vielmehr darin, der Jugend, insbesondere im ländlichen Raum, eine Arbeits- und somit Zukunftsperspektive zu geben. Wenn der Jugend eine Perspektive geboten würde, dann bräuchte man sich um einsatzbereiten Nachwuchs für die Feuerwehren keine Sorgen zu machen. Die verstärkte Werbung um Nachwuchsgewinnung bei den Feuerwehren in Sachsen ist somit nur ein Teil dessen, was politisch notwendig ist, um die Feuerwehren zu stärken und in den ländlichen Gebieten überhaupt einsatzfähig zu halten.

Im Moment haben wir bereits die Situation, dass in vielen ländlichen Regionen Sachsens die Einsatzfähigkeit der freiwilligen Feuerwehren nicht mehr durchgängig sichergestellt ist. Brennen darf es praktisch nur noch nach Feierabend oder am Wochenende, wenn die aktiven Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr von ihren Arbeitsplätzen auf Montage in anderen Bundesländern oder aus den größeren Städten Sachsens in ihre Heimatorte zurückgekehrt sind.

Es ist also nicht mangelndes Interesse der Bürger an Feuerwehrarbeit, was vielerorts den Fortbestand und die Einsatzfähigkeit der Feuerwehren gefährdet. Das Hauptproblem liegt vielmehr in den Folgen einer Leuchtturmpolitik, die gerade die jungen, einsatzbereiten Menschen in den ländlichen Regionen Sachsens zum Abwandern zwingt, weil dort die Perspektiven für ein erfülltes Leben mit Arbeit und Einkommen einfach verschwunden sind.

Den fehlenden Nachwuchs bei den Feuerwehren kann deshalb eine Kampagne für mehr Jugendarbeit allein nicht lösen. Der dramatische Geburtenrückgang in Sachsen, der von der Regierung verharmlosend als demografischer Wandel bezeichnet wird, ist hierbei nur ein Teil der Ursache; denn es ist, wie erwähnt, nicht nur das Problem geburtenschwacher Jahrgänge, unter dem Sachsens Feuerwehren zu leiden haben.

Ich muss es noch einmal betonen: Das Hauptproblem liegt in der Abwanderung sowie in dem durch die verfehlte Wirtschaftspolitik seit der Wende erzwungenen Berufsnomadentum. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass es in Sachsen endlich wieder eine Politik gibt, die den ländlichen Raum mit seinen gewachsenen Strukturen erhält und die der Abwanderung der letzten verbliebenen jungen Menschen in diesen Bereichen entgegenwirkt.

(Beifall bei der NPD)

Wenn dieses Umsteuern in der Landespolitik ausbleibt, dann wird auch die Förderung der Nachwuchsgewinnung bei den Feuerwehren langfristig ohne Erfolg bleiben. Es mag vielleicht mittelfristig mithilfe von Kampagnen gelingen, die Mitgliederzahlen der Jugendfeuerwehren zu erhöhen; wenn der Jugend vor Ort aber keine Lehrstelle und kein Arbeitsplatz – also keine lebenswerte Zukunft – geboten werden kann, dann werden die Leistungsträger

der Jugend weiterhin gezwungen sein, in die Ballungszentren oder in andere Bundesländer abzuwandern. Sie sind damit für den aktiven Dienst in der freiwilligen Feuerwehr vor Ort verloren.

Herr Bandmann, wenn Sie das Eintrittsalter in die Jugendfeuerwehren von zehn auf acht Jahre senken wollen, kann ich dazu nur sagen: Das ist Augenwischerei. Dann werden eben zwei Jahrgänge hinzugefügt. Das gibt, statistisch gesehen, erst einmal mehr Mitglieder, aber mittelfristig ändert das an der Situation gar nichts.

Für die zukünftige Politik des Freistaates bedeutet das, dass die Landesregierung vorrangig dafür Sorge zu tragen hat, dass den Helden der Feuerwehr, die mit Werbekampagnen mühsam gesucht werden, auf dem Land eine Zukunft geboten wird. Ansonsten wird es in Sachsen bald notwendig sein, dass die Landesregierung Kampagnen ins Leben ruft, die unter dem Motto stehen: „Helden, die nach Sachsen zurückkehren“.

Die Herren Minister für Inneres sowie Finanzen werden sich Gedanken über Aufstellung und Finanzierung von Berufsfeuerwehren in Grundzentren machen müssen, wie ich das bereits in der vergangenen Plenarwoche Herrn Staatsminister Unland prophezeite; denn im Bereich von Ortsteilen kleinerer Gemeinden wird es dann auf keinen Fall mehr möglich sein, eine freiwillige Feuerwehr auch am Tage dienstfähig zu halten.

Ich denke, wir haben erhebliche Aufgaben, die die sächsische Landespolitik zu meistern hat, um im ländlichen Raum die Feuerwehren zukunftsfähig zu machen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Feuerwehren in Sachsen, vor allem die freiwilligen Feuerwehren, sind unverzichtbarer Bestandteil unserer Sicherheitsarchitektur.

In Sachsen wirken derzeit circa 48 000 Bürgerinnen und Bürger in freiwilligen Feuerwehren mit. Das ist eine sehr beachtliche Zahl. An dieser Stelle möchte ich für die FDP-Fraktion den Feuerwehrkameradinnen und -kameraden für ihre aufopferungsvolle und gefährliche Arbeit danken.

(Beifall bei der FDP)

Auch das ist gesagt worden, denn es ist eine Binsenweisheit: Es wird immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich in der Feuerwehr engagieren. Im Rahmen der Großen Anfrage der FDP im September 2008 haben wir die Zahlen im Einzelnen erfahren. 2003 gab es noch über 50 000 aktive Mitglieder in den freiwilligen Feuerwehren. 2007 waren es 48 000. Dramatisch ist die Situation bei den Jugendfeuerwehren. 2003 hatten diese noch fast 13 000 Mitglieder und 2007 waren es 10 000. Diese Zahl

ist auch noch gesunken. Das heißt, wir haben innerhalb von vier Jahren einen Mitgliederrückgang bei den Jugendfeuerwehren von circa 20 % zu verzeichnen.

Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, die eigentlich hätte erwarten lassen müssen, dass vonseiten der Koalition, der Staatsregierung, viel früher irgendwelche Aktivitäten auffällig geworden wären. Das war aber nicht der Fall. Bisher haben wir uns im Plenum zweimal mit dem Thema Feuerwehr befasst, beide Male bisher auf Initiative der FDP. Das eine Mal war es der Antrag zu den Bambini-Feuerwehren in Sachsen. Das war im Mai 2007. Das zweite Mal war es die Befassung mit der Großen Anfrage zur Situation der Feuerwehren im Jahr 2008. Jetzt kommt zum ersten Mal die Koalition in Schwung, allerdings zwei Monate vor der Wahl und das nur mit einer Aktuellen Debatte. Meine Damen und Herren, ein bisschen mehr Substanz an Politik in diesem, wie Sie selbst sagen, wichtigen Bereich hätten wir schon erwartet.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Bei der Staatsregierung ist das Thema Feuerwehr offensichtlich auch mit dem Näherrücken des Wahltermins richtig explodiert. Im Mai hat der Ministerpräsident die Schirmherrschaft über die sächsischen Feuerwehren übernommen. Das ist hier bereits gebührend gefeiert worden.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – Unruhe bei der FDP)

Im Juni war die Woche der Feuerwehr mit einem Ministerpokal für die Jugendfeuerwehr und der höchstpersönlichen Teilnahme des Ministerpräsidenten beim Feuerwehrball. Vor einer Woche haben wir dann die Eröffnung der Feuerwehrkampagne „Helden gesucht“ erleben dürfen. Die Kampagne ist – lassen Sie es mich so sagen – nicht falsch.

Allerdings darf es dann auch nicht bei diesen Aktionen bleiben; wir brauchen etwas handfestere Unterstützung für die Jugendfeuerwehren. Der Freistaat gibt seit 2003 unverändert jährlich 332 000 Euro für die Jugendfeuerwehren aus. Ich möchte nicht wissen, was diese Werbekampagne jetzt kostet; aber lassen Sie sich nicht dabei erwischen, dass sie teurer als 332 000 Euro ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Vor allen Dingen hätten Sie noch einmal ankündigen können, dass Sie möglicherweise die Unterstützungsleistungen für die Jugendfeuerwehren verbessern. 332 Euro pro Jugendfeuerwehr und Jahr – nicht pro Monat – ist erbärmlich wenig.