Protocol of the Session on June 25, 2009

(Beifall bei der Linksfraktion)

Jetzt kommt die Sprecherin der Koalition, Frau Dr. Schwarz von der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns – auch aufgrund des Zeitbudgets – in der Koalition darauf geeinigt, dass es vielleicht mit einem Redner abzuhandeln ist. Ich glaube, das kann nur in Ihrem Interesse sein.

Das ist natürlich wieder so eine typische Debatte, bei der man aus dem großen Datenmaterial, das uns jetzt dankenswerterweise vorliegt, sagen kann: Das Glas ist halb voll, oder das Glas ist halb leer. Die Opposition sagt natürlich: Das Glas ist halb leer. Wir sagen: Das Glas ist halb voll. Das sehen wir auch an den Daten in dieser Großen Anfrage.

(Zuruf der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Ich glaube, kein Thema hat uns in dieser Legislaturperiode so beschäftigt wie die Kindertagesbetreuung und die frühkindliche Bildung. Das war sicherlich auch nicht umsonst; es hat uns zu Recht beschäftigt. Es war auch ein Schwerpunkt meiner Fraktion.

Ich sagte schon, umfangreiches Datenmaterial steht uns zur Verfügung. Die Staatsregierung hat die Fragen entsprechend ihren Möglichkeiten ausführlich beantwortet.

Lieber Kollege Neubert, es ist natürlich schwierig, wenn kein statistisches Material vorliegt, auf bestimmte Fragen zu antworten. Etwas erschwert hat den Lesefluss auch der Verweis auf diverse Kleine Anfragen, weil es dann schwierig ist, die gesamte Datenfülle zu überschauen. Aber trotzdem aus Respekt vor den Fragestellern und der Staatsregierung möchte ich mich mit einigen Aspekten beschäftigen.

Wir stellen fest: Die unter Einjährigen werden überwiegend in der Familie betreut. Ich denke, das ist eine Entscheidung, die eine Familie selbst zu treffen hat.

(Beifall bei der CDU)

Die sogenannte Besuchsquote der Ein- bis Dreijährigen, der Drei- bis Sechsjährigen und der Sechs- bis Elfjährigen hat sich – abgefragt in der Großen Anfrage – von 2005 bis 2008 erhöht. Im Ländervergleich können wir uns damit wirklich sehen lassen. Das ist meine Meinung dazu.

Auch die Betreuung in der Kindertagespflege hat sich geringfügig erhöht, wenn auch auf niedrigem Niveau. Hier müssen eben auch die Kommunen sorgsam prüfen, inwieweit sie dieses Angebot in der Bedarfsplanung berücksichtigen, sowohl vor dem Hintergrund der Wünsche der Eltern als auch der Flexibilität.

Was die Flexibilität in den Öffnungszeiten betrifft, so haben wir vor vielleicht zwei, drei Jahren und jetzt erneut wieder in vielen Kommunen mit den entsprechenden Verantwortlichen und den Eltern gesprochen. An vielen Stellen wird der Bedarf nicht gesehen, und Angebote zu flexiblen Öffnungszeiten mussten zum Teil wieder zurückgenommen werden, weil sie nicht wahrgenommen wurden. Das ist natürlich schon eine schwierige Situation für die Kommunen.

Die Abfrage zu fehlenden Krippen-, Kindergarten- und Hortplätzen zeigt, dass es sachsenweit gesehen kein flächendeckendes Problem ist. Dass wir natürlich den Ausreißer Dresden haben, wo die Kinder zu 40 % nicht in der Krippe untergebracht werden können, ist eben auch der Politik in der Stadt Dresden zuzuschreiben.

Lieber Kollege Neubert, wenn Sie noch einmal in der Großen Anfrage nachlesen: Leipzig konnte allen einen Platz anbieten. Das müssen Sie noch einmal nachlesen; bei mir liegt es auf dem Platz aufgeschlagen.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Es gibt Wartezeiten bei bestimmten Wunscheinrichtungen. – Lesen! Lesen! Wirklich lesen und vergleichen.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Dresden und andere Kommunen müssen sicher noch ihre Hausaufgaben bis 2013 machen, wenn der Rechtsanspruch in Kraft tritt.

Auch in der Frage der Zugangsbeschränkung – von Frau Schütz und Herrn Neubert angesprochen – sind wir jetzt auf dem neuesten Stand. Wir sind gegen diese Bedarfseinschränkung ohne Wenn und Aber. Es sind jedoch auch wieder in den neuen Landkreisen Einschränkungen durch die Auslegung des Bedarfsbegriffes erfolgt.

Siehe da: In meinem Erzgebirgskreis – gültig ab 01.08.2009 – habe ich nicht vernommen, dass dort die FDP heftig widersprochen hat. Wieso auch? Sie ist ja in einer Koalition mit der CDU. Da sind Sie wenig glaubhaft. Auch in anderen Landkreisen – Leipziger Land, Vogtlandkreis – habe ich so etwas nicht vernommen.

Viele Probleme, die in der Großen Anfrage angesprochen werden, berühren eben auch die Verantwortung der Kommunen. Nur mit ihnen gemeinsam kann der Freistaat bestimmte Probleme lösen. Denn wenn die Kommunen nicht sehen, dass hier wichtige Veränderungen notwendig sind und auf unseren Artikel 85 Abs. 2 pochen, haben wir ein Problem. Die Kommunen müssen mitziehen.

Wir haben eine Ausgewogenheit von öffentlichen und freien Trägern. Das ist etwas, was wir auch mit unserem Gesetz angestrebt haben. Die Anzahl der Betriebs-Kitas ist ebenfalls gestiegen.

Überwiegend arbeitet Fachpersonal in den sächsischen Einrichtungen. Der Anteil des Fachpersonals mit Hochschulabschluss hat erfreulicherweise zugenommen. Betrachten wir die Altersstruktur, zeigt sich, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, insbesondere wenn wir den Betreuungsschlüssel verbessern wollen. Hier ist es fünf vor Zwölf. Land und Kommunen müssen schnellstens aktiv werden.

Mit einer weiteren Erhöhung der Ausbildungskapazität ist dieses Problem unbedingt in den Griff zu bekommen. Ein Weg aus der Misere wäre, den Kreis möglicher Fachkräfte in unseren Kitas zu erweitern. Beispielsweise wären Magisterabschlüsse von Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftlern geeignet, hier anerkannt zu werden. Ich bitte das SMK, dieses noch einmal zu prüfen. Andere Länder sind diesen Weg gegangen. Wir könnten Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler so auch in Sachsen halten.

Aufhorchen sollten alle und sich die Zahlen genau ansehen, die eine schnelle und drastische Verbesserung beim Personalschlüssel fordern. Uns fehlen das Fachpersonal und der Goldesel. Wir werden hier nur schrittweise vorankommen, aber wir müssen vorankommen. Es geht zum Beispiel um die Forderung von 1 : 10. Schauen Sie sich die Zahlen einmal an. Wir bräuchten 3 000 Erzieherinnen mehr und die Millionen dazu. Es ist nicht auf einmal zu lösen.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD – Zuruf der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Erstaunlich ist, dass die Betriebskosten sich nicht drastisch erhöht haben, an einigen Stellen sogar leicht gesunken sind. Dieses haben die Kommunen immer beklagt und argumentiert, dass die Erhöhung der Landespauschale dadurch aufgefressen würde. Mitnichten!

Auch die Elternbeiträge sind vielleicht im Krippenbereich etwas gestiegen. Aber man kann sie wohl noch als moderat bezeichnen. Grundlage der Elternbeiträge ist ja auch die gesetzliche Regelung. Hier hat sich das Land verstärkt in die Finanzierung begeben.

Die Umsetzung des Bildungsplanes in den Kitas ist erfolgreich. Die Erzieherinnen haben engagiert Weiterbildungsveranstaltungen besucht, und dies meist in ihrer Freizeit. Hier ist wirklich ein großes Lob angebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Aber Lob allein reicht nicht; es ist an der Zeit, den Erzieherinnen und Erziehern eine entsprechende Wertschätzung, auch finanziell, zukommen zu lassen. Ich bleibe dabei, dass zunächst eine tarifliche Einigung die entscheidende Weichenstellung geben muss.

Was ist in den letzten fünf Jahren geschehen? Wir haben es schon gehört. Sicherlich sagt die Opposition: Wir sind gar nicht vorangekommen. Mir hat auch nicht gefallen, was Kollege Heitmann heute gesagt hat.

(Zuruf des Abg. Steffen Heitmann, CDU)

Frau Staatsministerin Stange ist schon darauf eingegangen. Ich sage dazu: Arbeit verdoppelt, Ergebnis halbiert? Ich glaube, Kollege Heitmann, Sie werden damit auch Ihren Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Fraktion nicht gerecht, mit denen wir gemeinsam einiges auf die Beine gestellt haben.

Die Investitionen waren 2004 auf null gestellt. Heute sind es jährlich circa 45 Millionen Euro ohne Konjunkturpaket. Das Kita-Gesetz wurde modernisiert, die Pauschale erheblich erhöht. Die Umsetzung des Bildungsplanes wurde finanziell untersetzt. Tatsächlich haben wir mit der letzten Erhöhung der Landespauschale einen faktischen Betreuungsschlüssel im letzten Kindergartenjahr von 1 : 12, im Jahr davor von 1 : 12,5. Wir werden daran weiterarbeiten. Aber auch so etwas muss man, bitte schön, zur Kenntnis nehmen.

Wir haben im Hochschulbereich mehr Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. Es gab die Anstrengungen von Frau Orosz und Frau Staatsministerin Stange, sich hier auch mit den Hochschulen und finanzieller Untersetzung im Doppelhaushalt auf den Weg zu begeben. Die Beitragsfreiheit für die Eltern im letzten Kindergartenjahr ist uns ganz wichtig. Das ist ebenso eine familienunterstützende Maßnahme, die auch die Kommunen entlastet.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Insofern ist weiter daran zu arbeiten. Das ist uns sehr bewusst. Aber man muss auch verantwortungsvoll mit der Situation umgehen und kann sie nicht übers Knie brechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Danke schön. – Für die Fraktion der NPD spricht Frau Schüßler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Kindertagesbetreuung ist gerade auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Erzieherinnenstreiks ein sehr aktuelles Thema. Wenn man bedenkt, wie die Abgeordneten einiger Fraktionen gestern geradezu Schlange standen, um bei der Demo vor dem Landtag auch einige kernige Worte zu sagen, ist es natürlich auch ein Wahlkampfthema.

Viel Neues erfährt man aus der Großen Anfrage trotzdem nicht, obwohl einige Antworten schon sehr interessant sind. Bei Frage 3.6 – Aus- und Weiterbildung auf Hoch

schulniveau – hätte ich mir beispielsweise aufgrund der jahrelangen energischen Forderungen auch aus den Ministerien schon eine höhere Personenzahl vorgestellt. Aber im Prinzip ist für uns eine Hochschulausbildung auch nicht ganz so entscheidend wie ein stärkerer Praxisbezug der pädagogischen Fachkräfte. Der stärkere Praxisbezug ist genau der Punkt, den die Erzieherinnen bzw. Leiterinnen immer wieder ansprechen und fordern.

Ein Schwerpunkt der Anfrage liegt in der Flexibilisierung der Öffnungszeiten. Meine Vorredner sind alle darauf eingegangen. Verlängerte Öffnungszeiten oder Öffnungszeiten rund um die Uhr sind es, die die FDP entlarven, wohin mit ihr die politische Reise gehen würde, wenn sie von der Leine gelassen würde. Ständige Verfügbarkeit der Mütter für den Arbeitsmarkt – meine Damen und Herren, unsere Vorstellungen von Vereinbarkeit der Familie mit dem Beruf sehen anders aus.

(Stefan Brangs, SPD: Das weiß ich!)

Danke, Herr Brangs.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass gerade die FDP in der Vorweihnachtszeit wieder auf die Freigabe der Ladenöffnungszeiten abstellt. Es wäre natürlich praktisch, wenn die Kinder der Verkäuferinnen beispielsweise am 3. Advent bis 21 Uhr oder noch länger in der Einrichtung bleiben könnten. Mit uns können Sie bei diesem Vorhaben jedenfalls nicht rechnen.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt aus der Großen Anfrage herausgreifen. Er bestätigt uns eindrucksvoll, dass auch durch jahrelange Untätigkeit die negativen Folgen von Verantwortlichen verquert werden können. Schon zu DDR-Zeiten war Hoyerswerda eine Musterstadt für den Sozialismus. Jetzt, 20 Jahre später, dient sie wieder als Musterstadt – für eine verfehlte Politik. Es ist nicht nur der sogenannte Stadtumbau Ost, der tatsächlich eine Planierung ist. Vielmehr ist Hoyerswerda ein Musterbeispiel dafür, wie durch politischen Stillstand dennoch die Betreuungsquote für die Kinder gesichert wird. Trotz gleichbleibender Anzahl der Kindertageseinrichtungen ist die Betreuungsquote in die Höhe geschnellt. Innerhalb von drei Jahren stieg diese von 72 % – was auch schon fast das Doppelte des Durchschnitts ist – auf sage und schreibe 81 % für Kinder der Altersgruppe von ein bis drei Jahren. Das liegt nicht unbedingt an einer Angebotsverbesserung. Hoyerswerda sind einfach die Kinder ausgegangen. Ohne auch nur einen Finger zu krümmen, wurde das Ziel der CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen spielerisch erreicht.

Zu Frage 3.16 – abgefragt wurde das Bruttoeinkommen der Erzieherinnen – gibt sich das Ministerium zwar unwissend, aber die aktuellen Streiks offenbaren, dass genau wie vor 20 Jahren immer noch eine drastische Unterbezahlung vorliegt. Dass dies in einigen Regionen Sachsens politisch motiviert ist, zeigt sich auch darin, dass dort Maßnahmen mit Mehraufwandsentschädigungen oder Ein-Euro-Jobs den Kita-Bereich bestimmen. Frau Schütz, wenn ich hier von einigen Regionen Sachsens

spreche, betrifft dies vor allem auch Ihren Landkreis Oberlausitz-Niederschlesien.