Protocol of the Session on June 25, 2009

(Beifall bei der FDP und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Zurückzuführen ist das natürlich auf eine windelweiche Regelung, die im Kita-Gesetz von CDU und SPD beschlossen wurde. Hier gab es eben auch nicht den Mut, klare Entscheidungen zu treffen und diese Zugangskriterien eindeutig abzuschaffen.

(Beifall der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Qualität hat natürlich auch wesentlich mit dem Betreuungsschlüssel in unseren Kindertageseinrichtungen zu tun – übrigens ein Teil der Forderungen der streikenden Erzieherinnen und Erzieher vom gestrigen Tage.

Von Anfang an war für alle klar, dass der Sächsische Bildungsplan nur umgesetzt werden kann, wenn der Personalschlüssel – und da in erster Linie in den Kinder

gärten – besser wird und es auch die entsprechenden Vor- und Nachbereitungszeiten gibt.

Doch trotz des Versprechens – oder besser: der kraftlosen Formulierung – von Herrn Ministerpräsidenten Tillich in seiner Regierungserklärung vom 18. Juni vergangenen Jahres gab es diesen verbesserten Betreuungsschlüssel eben nicht. Über das Warum ist viel diskutiert worden; darauf möchte ich gar nicht weiter eingehen. Doch eines zeigt sich auch hier: Die Stärkung der frühkindlichen Bildung war offenbar nur halbherzig. Der nächste, dringend notwendige Schritt, die Verbesserung des Personalschlüssels, ist längst überfällig. Die FDP wird sich dafür einsetzen, dass dieser Schritt endlich gegangen wird.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt noch zahlreiche andere Halbherzigkeiten bei der Kindertagesbetreuung. So gibt es zwar 500 Anfragen von Erzieherinnen und Erziehern für einen akademischen Bildungsgang; aber nur für 50 gibt es die entsprechenden Plätze.

Kitas sind Orte der Bildung. Aber beispielsweise die heilpädagogischen Kindertageseinrichtungen sind nicht im Sächsischen Bildungsplan eingeschlossen. Noch eine Halbherzigkeit: Überall wird von der kostenlosen Kita gesprochen. Doch die Elternbeiträge sind in den letzten Jahren im Durchschnitt um über 60 Euro gestiegen. In Kinderkrippen erreichen wir mittlerweile einen Durchschnitt von 1 900 Euro im Jahr. Wir als FDP sagen ganz klar: Dieser Anstieg muss gestoppt werden. Mittelfristig müssen wir die Elternbeiträge senken. Langfristig müssen sie mithilfe des Bundes gänzlich abgeschafft werden.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage zeigt eindrucksvoll, dass unzureichende und mutlose Entscheidungen das Ziel, zum familienfreundlichsten Bundesland zu werden, gefährden. Es gibt wegen des fehlenden Rechtsanspruchs nicht für alle Kinder ein Betreuungsangebot. Flexible Betreuungsangebote müssen die Eltern mit der Lupe suchen. Zugangskriterien behindern die Bildungschancen. Der schlechte Betreuungsschlüssel frustriert zu Recht die Erzieherinnen und Erzieher, damit auch die Eltern und letzten Endes die Kinder. Er verbessert in keiner Weise die frühkindliche Bildung.

Nur wenn endlich die notwendigen Entscheidungen getroffen werden, ist mit zufriedenen Eltern und glücklichen Kindern zu rechnen. Nur dann schaffen wir es auch, dass familienfreundlichste Bundesland zu werden.

Die FDP wird an diesem Ziel festhalten. Wir wollen dessen Umsetzung und – anschließend an die Regierungserklärung von heute Morgen, in der es hieß, ohne Kultur sei das Land nur die Hälfte wert –, ich darf Ihnen sagen: Ohne unsere Familien und ohne gut gebildete Kinder ist unsere Zukunft gar nichts wert!

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Das war die einreichende Fraktion. Die CDU hat erst einmal auf ihren Redebeitrag verzichtet. Nun folgt die Linksfraktion, vertreten durch Herrn Neubert.

(Caren Lay, Linksfraktion: Daran sieht man, was die Koalition zu diesem Thema zu sagen hat!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist allerdings sehr bezeichnend, dass die Koalition bei diesem wichtigen Thema nichts zu sagen hat. Das finde ich bedauerlich.

(Beifall bei der Linksfraktion – Christian Piwarz, CDU: Die sagt schon etwas!)

Wir befinden uns in einer Bilanzwoche des Sächsischen Landtages. Die Antworten auf die Große Anfrage sind somit eine gute Gelegenheit, eine Bilanz der Entwicklung in Kindertagesstätten der letzten fünf Jahre in Sachsen zu ziehen.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Bilanz der Opposition etwas anders, auch kritischer ausfallen muss, als die Bilanz der Regierung und Regierungsfraktionen. Es gehört nun einmal zum Ritual, dass sich die Regierungsparteien selbst schon für die kleinste Andeutung einer Bewegung mächtig loben und dies ständig wiederholen – noch dazu in Wahlkampfzeiten.

Die grundsätzlichste Kritik an der Kita-Politik von CDU und SPD kommt in diesen Tagen noch nicht einmal von der Landtagsopposition, sondern von den Beschäftigten in den Kitas. Der Kita-Streik, sein Notwendigwerden und Verlauf, die Forderung der Beschäftigten und der bisherigen Umgang mit diesen Forderungen sind eine schärfere und deutlichere Kritik an der Kita-Politik der Staatsregierung, als sie die Opposition hier im Haus jemals üben könnte.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Aber anstatt sich dieser Kritik anzunehmen, treiben CDU und SPD in makabrer Weise ihr Spiel mit den Streikenden.

(Stefan Brangs, SPD: Was?)

Hören Sie zu, Herr Brangs!

Herr Kollege Dulig, der höchstpersönlich hier im Landtag die Verbesserung des Personalschlüssels von 1 : 13 zu auf 1 : 12 abgelehnt hatte, schiebt auf der gestrigen Demonstration die Schuld dafür allein seinem Koalitionspartner zu. Die SPD bringt es sogar noch fertig, in ihrem Wahlprogramm einen Betreuungsschlüssel von 1 : 7 zu versprechen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wer in den Kitas soll Sie bitte noch ernst nehmen – vor allen Dingen vor dem Hintergrund Ihrer vorhin gehaltenen Rede? Herr Brangs, Sie sollten Ihre Zwischenrufe schon etwas überdenken.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ja, höher und weiter, Sie erinnern sich an den Vorwurf.

Die vormalige Sozialministerin Helma Orosz, die vor Jahresfrist im Oberbürgermeisterwahlkampf die überfällige Verbesserung des Betreuungsschlüssels angekündigt hatte, möchte jetzt als Oberbürgermeisterin die Beschäftigten in den Dresdner Kitas mit ein paar ergonomisch angepassten Stühlen abspeisen – übrigens sind das immer noch viel zu wenige.

Dabei ist die Frage des Betreuungsschlüssels nur eine von vielen in den sächsischen Kitas, wenngleich die gegenwärtig brennendste. Wohlgemerkt, wir reden dabei noch nicht von dem Betreuungsschlüssel, welchen die Fachwelt fordert wie heute erst wieder der Ländermonitor frühkindlicher Bildung. Wir reden von viel weniger. Wir reden von einem Betreuungsschlüssel, der noch hinter dem Land Berlin zurückbleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage offenbart das ganze Spektrum der offenen Probleme in der Kindertagesbetreuung. Das Schlimmste für mich ist, dass es nach wie vor in zwei Dritteln aller sächsischen Landkreise Zugangskriterien für Krippen und Horte gibt.

Nur zur Erinnerung: Noch immer wird Kindern eine ganztägige Bildung und Betreuung verwehrt, weil ihre Eltern arbeitslos sind oder auch nur teilzeitbeschäftigt. Mit dem vollmundigen Bekenntnis zum Stellenwert frühkindlicher Bildung hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es ist ein antiquiertes Überbleibsel aus einer Zeit, in der man Kitas als Bewahranstalten für die Kinder berufstätiger Mütter verstanden hat. Dieses Überbleibsel spart aber auf dem Rücken der Kinder in den Landkreisen Geld. Zudem spart es Geld auf dem Rücken der Kinder, die auch sonst, gerade wegen des geringen Einkommens der Eltern, latent beim Zugang zu Bildungseinrichtungen diskriminiert werden. Gegen diese Diskriminierung haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode gekämpft – damals zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD.

Es hat auch zu Beginn dieser Legislaturperiode nicht an Bekenntnissen gegen diese Zugangsbeschränkung gefehlt. Auch im Koalitionsvertrag waren solche Bekenntnisse nachzulesen. Bis heute existieren diese Zugangskriterien. Solange diese nicht verschwunden sind, ist alles andere in punkto Qualitätsentwicklung nur die Hälfte wert. Was nützt eine gute Kita, wenn sie für die Kinder, die sie am dringendsten brauchen, nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht?! Wir haben an dieser Stelle schon häufig darüber diskutiert.

Aber es gibt noch ganz andere Möglichkeiten, bei einem Kita-Platz in Sachsen das Nachsehen zu haben. Mindestens in den beiden Großstädten Dresden und Leipzig gibt es lange Wartelisten – Wartelisten für einen Krippenplatz. Es fehlen in erheblichem Umfang Plätze. Die Staatsregierung weiß von alledem nichts. Das meint man zumindest, wenn man die Antworten der Staatsregierung liest.

Nicht umsonst sind Dresden und Leipzig mit Abstand die Spitzenreiter, was die Plätze in der Kindertagespflege anbelangt. Hier wurden die Kindertagespflegeplätze, die vermeintlich ein Wahlrecht der Eltern bedienen sollen, besonders exorbitant ausgebaut. Für dieses vermeintliche Wahlrecht hat sich die CDU besonders starkgemacht. Ganz nebenbei kann man jede Menge Geld damit sparen. Circa 150 Euro pro Monat billiger ist für die Kommunen ein Kindertagespflegeplatz gegenüber einem Krippenplatz. Das kann man auch den Antworten auf die Große Anfrage entnehmen.

In Dresden hat eine Umfrage unter den Eltern der Tagespflegekinder ergeben, dass 90 % dieser Eltern einen Krippenplatz bevorzugen würden, sofern es einen geben würde. Gleiches lässt sich mit einiger Sicherheit auch für einen Großteil der Eltern sagen, die in eine teure private Kita ausweichen. Das hat aber niemand statistisch erfasst.

Nur eines wissen wir mit Sicherheit: Sachsen ist mittlerweile das ostdeutsche Schlusslicht in der Krippenbetreuung. Genauso wird nirgends systematisch erfasst, wie viele Kinder in den Kindergärten nicht mehr an einem gemeinsamen Mittagessen teilnehmen. Nur die entsprechenden Berichte von Betreuerinnen und Betreuern nehmen zu. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie wichtig gerade das gemeinsame Mittagessen sowohl physiologisch als auch für die soziale Funktion einer Kita ist – überhaupt wichtig für die soziale Funktion von Kitas.

Es gab in der vergangenen Legislaturperiode ein Modellprojekt zur Ansiedlung von Familienbildung in Kitas. Grundidee war es, dass das Netz von Kitas, welches zumindest im Kindergartenbereich fast alle Kinder und Eltern erreicht, besser niederschwelligere und wirksame Familienbildung betreiben kann. Das Modellprojekt lief sehr erfolgreich an vier Standorten. Das war es dann aber auch. Landesweit implementiert wurde es nicht. Auch dieses Modellprojekt hat keine Probierfunktion, sondern leider nur eine Alibifunktion. Eine Chance zur qualitativen Weiterentwicklung der Kitas wurde an dieser Stelle verspielt.

Die Chance des Bildungsplanes, die auf eine damalige Initiative unserer Fraktion zurückgegangen ist, wird hingegen vor Ort genutzt, wenngleich es bis heute – ich erinnere an vielfältige Diskussionen hier im Hause – an den erforderlichen Ressourcen, am Personal, an Vor- und Nachbereitungszeiten, an Zeiten für Fort- und Weiterbildung fehlt.

Damit hat sich der Kreis geschlossen, und ich bin genau wieder beim Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten.

Wenn ich gerade beim Personal bin – über zwei Dinge muss man sich für die Zukunft im Klaren sein: Weder reichen die Ausbildungskapazitäten aus, um den Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern wirklich zu decken, noch kann man erwarten, dass das Personal, wenn es weiterhin so schlecht bezahlt wird, automatisch in Sachsen bleibt.

Bundesweit läuft derzeit der Ausbau der Kindertagesbetreuung auf Hochtouren. Ab 2013 wird es einen

Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch für unter Dreijährige geben. Dafür wird gerade im Westen viel Personal gebraucht werden.

Zum Schluss noch etwas zu dem Thema, auf das die Koalition so stolz ist: das kostenlose Vorschuljahr. Keine Angst, ich vermiese Ihnen die Freude daran nicht, indem ich jetzt über die konzeptionellen Schwächen rede. Das habe ich schon verschiedentlich getan. Wir halten perspektivisch die kostenlose Kita für erforderlich und haben nicht umsonst hier im Haus immer wieder Einstiegsszenarien diskutiert und vorgeschlagen.

Immerhin ein halbes Jahr vor der Landtagswahl haben Sie das erste kostenlose Kita-Jahr zustande gebracht, ein kostenloses Kita-Jahr in einer Wahlperiode. Wenn in diesem Tempo weiter gearbeitet würde, hätten wir bereits in 25 Jahren kostenlose Krippen und Kindergärten und in 40 Jahren dann den kostenfreien Hort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hier scheint mir eine Beschleunigung dringend nötig. Dazu haben die Sachsen im Herbst ja auch Gelegenheit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)