Protocol of the Session on May 15, 2009

derzeitige Kampagne gegen die legalen Waffenbesitzer in Deutschland lehnen wir deshalb ab.

Viel wichtiger ist, dass die Ursachen für den Amoklauf untersucht und mit politischen Mitteln bekämpft werden. Mittlerweile ist es eine unausgesprochene Wahrheit, dass der Amoktäter Tim K. jahrelang von den letztendlichen Opfern an seiner Schule systematisch gemobbt wurde. Dass dieser Umstand die Hauptursache für den Amoklauf war – und nicht der „leichte“ Zugang zum Tatmittel „Schusswaffe“ –, wirft die Frage auf, was einen Menschen zu einer derart irrationalen Kurzschlusshandlung bringt und welche Fehlentwicklungen es zu korrigieren gilt.

Da es keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Zahl von Schusswaffen in Privathand und der Zahl der Amokläufe in einem Land gibt, ist klar, dass die Ursachen vielmehr im politischen Versagen der Systemparteien liegen. Die Aufmerksamkeit muss also zukünftig nicht mehr auf die Tatwerkzeuge und die Tatumstände gelegt werden, sondern vielmehr müssen die Ursachen bekämpft werden. Die Ursachen für Amokläufe und Gewalt sind vielfältig, liegen aber im Wesentlichen in einer fehlgeleiteten Erziehungspolitik, im sozialen Werteverfall und in einer systematisch fortschreitenden Zerstörung des Gemeinschaftsdenkens. Wir sollten diese Ursachen bekämpfen, um Amokläufe und Gewalt zu verhindern.

Den Antrag der GRÜNEN lehnen wir ab.

Nicht nur aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, sondern auch aufgrund seines Inhalts werde ich mich bezüglich des vorliegenden Antrages kurz fassen.

Ja, man kann und sollte angesichts tragischer Fälle wie dem Amoklauf in Winnenden über Änderungen im Schusswaffenrecht nachdenken – allerdings in Ruhe und mit Klugheit, nicht durch Aktionismus und Oberflächlichkeit. Ich war sehr froh, dass die meisten Parteien nach dem Amoklauf in Erfurt dazugelernt haben und nach Winnenden nicht gleich wieder in pure Symbolpolitik verfallen sind. Beim vorliegenden Antrag der GRÜNEN paaren sich leider Symbolpolitik, Oberflächlichkeit und Aktionismus; genau wie bei dem Vorschlag für ein Verbot von Paintballspielen, das wohl vom Tisch ist.

Nichtsdestotrotz gilt es über mehr Sicherheit im Schießsport und im Umgang mit Waffen nachzudenken. Der Zugang zu Schießübungen sowie die Lagerung von Waffen und Munition sind Punkte, die man sich genau anschauen muss. Allerdings nicht im Sinne der GRÜNEN; denn sie wollen mit ihrem Antrag jetzt das Schießen gänzlich verbieten. An Schießständen soll nicht mehr mit scharfer Munition, sondern nur noch mit elektronischen Waffen geübt werden. Auch Anscheinswaffen wie Spielzeugpistolen sollen verboten werden. Damit schießen sie im wahrsten Sinne des Wortes über das Ziel hinaus.

Sie wollen Waffen und Munition außerhalb von Haushalten lagern. Und wo? Vielleicht in schlecht gesicherten

Schützenhäusern? Mich beschleicht ein mulmiges Gefühl, wenn Hunderte Schusswaffen und Zehntausende Schuss Munition in Schützenhäusern lagern, die das Sicherheitsniveau einer Gartenlaube haben. Was ist nach Ansicht der GRÜNEN ein „ethisch vertretbarer Umgang mit Waffen“? Wer hat denn darüber die Definitionshoheit?

Weiterhin ist ihre Antragsbegründung fragwürdig. Ich zitiere: „… So stürmte 1999 in Meißen ein 15 Jahre alter Gymnasiast maskiert in ein Klassenzimmer und erstach seine Lehrerin.“ Einen Absatz später heißt es dann: „Es ist daher erforderlich, den privaten Schusswaffenbesitz erheblich einzuschränken …“. Ihr Antrag ist nicht nur schlecht durchdacht, sondern auch schlecht gemacht.

Wir sollten uns vielmehr mit den wirklichen Ursachen dieser Amokläufe auseinandersetzen. Wir wollen ernsthaft überlegen, welche Schlussfolgerungen hinsichtlich des Waffenrechts daraus zu ziehen sind. Auf Bundesebene liegt ein Referentenentwurf zur Novellierung des Waffengesetzes vor. Dieser ist bei allen Streitpunkten bereits deutlich gehaltvoller als Ihr oberflächlicher Antrag hier im Landtag.

Wir lehnen ihn ab.

Der schreckliche Amoklauf von Winnenden und Wendlingen fordert auch aus meiner Sicht Konsequenzen. Das Waffenrecht und dessen konsequenter Vollzug ist dabei ein wesentlicher Baustein. Daher haben unmittelbar nach dem Amoklauf die Innenstaatssekretäre und -räte von Bund und Ländern eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Waffenrecht“ eingerichtet, um mögliche waffenrechtliche Konsequenzen zu erarbeiten. Schwerpunkte lagen bei Zugang zu Waffen, Aufbewahrung, Kontrolle der Aufbewahrung; Bedürfnisprüfung.

Aufbauend auf diesen Überlegungen haben sich hierzu am 13.05.2009 die Koalitionsfraktionen zu Änderungen des Waffenrechts verständigt, die noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollen. Entsprechend werden jetzt zügig die parlamentarischen Verfahren auf Bundesebene eingeleitet.

Bei allen Änderungen müssen wir beachten, dass eventuelle Verschärfungen angemessen und auch wirklich sinnvoll sind. Die Masse der privaten Waffenbesitzer – sei es als Sportschütze, Jäger oder auch Sammler – ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Dies wurde nochmalig bei der Beratung deutlich, die ich am 11.05.2009 mit Vertretern der Sportschützen und des Landesjagdverbandes geführt habe. Gleichzeitig habe ich aber auch darauf hingewiesen, dass es ein legitimes Interesse an einem ordnungsgemäßen Umgang mit erlaubnispflichtigen Schusswaffen und Munition gibt.

Ziel jeder Änderung muss es sein, festgestellte Sicherheitsdefizite zu beseitigen. Diesem Anspruch wird Ihr Antrag nicht gerecht.

Nicht sinnvoll ist beispielsweise eine Beschränkung des Schießsports auf die olympischen Disziplinen. Auf

nationalen und internationalen Wettkämpfen werden nicht nur olympische Disziplinen geschossen; eine solche Beschränkung hätte den Ausschluss der deutschen Sportschützen von einer Vielzahl internationaler Wettkämpfe zur Folge. Das Üben mit nichtscharfer Munition an elektronischen Schießständen ist nicht als Wettkampfvorbereitung geeignet und deshalb abzulehnen. Unabhängig davon ist kein Sicherheitsgewinn mit diesen Beschränkungen erkennbar.

Sinnvoller ist es hingegen, verstärkt über die Bedürfnisprüfung festzustellen, ob Waffen tatsächlich benötigt werden. Sinnvoller ist ebenfalls eine verstärkte Kontrolle des Fortbestehens des Bedürfnisses dahingehend, dass die Waffenbehörde – anders als bislang – auch nach Ablauf von drei Jahren nach Erteilung der Erlaubnis das Fortbestehen des Bedürfnisses prüfen kann. Klar ist in jedem Fall, dass nur dann, wenn auch wirklich ein Bedürfnis besteht, privater Waffenbesitz zugelassen werden kann.

Die sichere Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen und eine verbesserte Kontrollmöglichkeit zählen zu meinen Hauptanliegen. Zum Schutz der Bevölkerung – in der überwiegenden Masse Nichtwaffenbesitzer – muss eine sichere Aufbewahrung der Waffen und der Munition gewährleistet sein. Auch ist eine zentrale Lagerung der Waffen und/oder Munition abzulehnen. Hiergegen sprechen eine Vielzahl von Gründen, allen voran das Erfordernis einer Errichtung von zentralen Depots, die technisch und personell nur sehr aufwendig gesichert werden können.

Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko des Waffenverlusts beim Transport auf den Wegen zwischen Wohnung, Depot und Schießstand, etwa durch Straftaten oder durch Wegeunfälle; im Ergebnis ist kein Gewinn an Sicherheit zu erwarten. Sinnvoller ist es, über eine Sicherung von Waffen und/oder Waffenschränken durch biometrische oder andere Sicherungssysteme nachzudenken. Deshalb wollen wir eine Änderung des Waffengesetzes in diesem Punkt, dass der Bund über eine Verordnungsermächtigung mit Zustimmung der Länder entsprechende Sicherungssysteme vorschreiben kann. Voraussetzung muss aber sein, dass es diese Systeme auch am Markt gibt und ein Sicherheitszugewinn zu verzeichnen ist.

Weiter wollen wir anlassunabhängige Zugangskontrollen. Bislang erlaubt das Waffengesetz nur bei begründeten Zweifeln an einer sicheren Aufbewahrung den Zutritt zum Ort der Aufbewahrung der Waffen, zukünftig soll dies auch anlassunabhängig möglich sein.

Weiter soll künftig jeder Besitzer erlaubnispflichtiger Schusswaffen ohne gesonderte Aufforderung der Behörde nachweisen müssen, dass er seine Waffen sicher verwahrt.

Schließlich sollte ein Straftatbestand für Verstöße gegen Aufbewahrungsvorschriften eingeführt werden, sofern die Gefahr damit verbunden ist, dass auf die Waffen unbefugt zugegriffen werden kann. Verstöße gegen die Aufbewahrungsvorschriften sind keine „Kavaliersdelikte“!

Der Antrag zur Amnestie geht ins Leere. Eine Amnestieregelung ist, zumindest zeitlich befristet, bereits von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgesehen. Nach den Erfahrungen der letzten Amnestieregelung, aufgrund derer in Sachsen mehrere Hundert Waffen bzw. gefährliche Gegenstände abgegeben wurden, unterstütze ich eine erneute Amnestieregelung mit dem Ziel, die illegalen Waffen zu reduzieren.

Eine Beschränkung von Waffen bei Jägern ist kein Sicherheitsgewinn. Die Anzahl der Kurzwaffen für Jäger ist im Übrigen bereits beschränkt; als Konsequenz aus den Amokläufen ist es nicht sachgerecht, zudem den Umgang von Jägern mit Langwaffen einzuschränken.

Der Antrag bezüglich ethischer Schulungen ist nicht weiterführend. Die Masse der privaten Waffenbesitzer ist sich der Verantwortung bewusst. Im Waffengesetz gibt es ausreichende Regelungen.

Voraussetzung für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist nach bestehender Rechtslage unter anderem, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung besitzt. Weiterhin haben Personen unterhalb des 25. Lebensjahres für die erstmalige Erteilung einer Waffenbesitzkarte ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über die geistige Eignung vorzulegen. Schließlich muss der angehende Waffenerwerber im Rahmen der Sachkundeprüfung Kenntnisse nachweisen, unter welchen Voraussetzungen er Schusswaffen anwenden darf; diese Voraussetzungen sind ausreichend. Es ist deshalb kein Sicherheitsgewinn und überflüssig.

Der Antrag zur Einführung eines Waffenregisters geht ins Leere, denn er ist ohnehin erforderlich. Aufgrund von EURegelungen ist es geboten, bis Ende 2014 ein Nationales Waffenregister einzuführen. Details werden in einer Arbeitsgruppe „Nationales Waffenregister“ verhandelt. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat Ende April erstmalig getagt. Für Ergebnisse ist es bislang noch zu früh. Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass deutlich vor dem geforderten Stichtag vermutlich ein zentrales computergestütztes Waffenregister eingeführt werden wird.

Seit der letzten Änderung des Waffengesetzes im März 2008 wurde bereits das Führen von Anscheinswaffen in der Öffentlichkeit verboten. Erfahrungen sind erst einmal abzuwarten. Wir lehnen dies zum jetzigen Zeitpunkt ab.

Aus meiner Sicht sind waffenrechtliche Regelungen erforderlich, die eng an das konkrete Bedürfnis geknüpft sind, die die sichere Verwahrung von Waffen und Munition in den Vordergrund stellen, eine umfassende Kontrolle und einen effektiven Vollzug des Waffenrechts ermöglichen und gleichzeitig keine unzumutbaren Einschränkungen für Schützen und Jäger beinhalten. Diesem Anspruch werden die von mir skizzierten Regelungen gerecht.

Zukünftig wird es aber auch keine „einfachen Antworten“ darauf geben, wie es zu diesem Amoklauf kam und wie künftige Taten verhindert werden können. Dies ist nicht nur eine Frage des Waffenrechts, sondern unsere gesamte

Gesellschaft ist gefordert – die Schulen, die Familien, die Medien und der Jugendschutz.

Meine Damen und Herren! Die 137. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages ist beendet. Das Präsidium hat die 138. Sitzung für Mitt

woch, den 24. Juni 2009, 10:00 Uhr, einberufen. Bis dahin alles Gute!