Meine Damen und Herren! Außer den Fraktionen GRÜNE und NPD haben die anderen noch Redezeit. Ich frage, wer das Wort noch ergreifen möchte. – Herr Bartl für die Linksfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister Mackenroth, das war – ich sage es einmal zurückhaltend – eine höchst unglückliche Verteidigungsrede,
eine höchst unglückliche Verteidigungslinie. Nach dem Motto „Haltet den Dieb!“ in der Situation zu verfahren und vor dem Parlament heute nicht einen Ton zu dem zu sagen, was jeder Abgeordnete, jeder Bürger dieses Landes an Vorwürfen gegenüber Ihrer eigenen Person lesen kann, ist mir völlig unverständlich. Sie haben einen riesigen Realitätsverlust.
Wir haben ein Beamtengesetz, Herr Staatsminister. Sie sind nicht Beamter, aber das darf wohl als Level für Sie auch gelten. Darin steht im § 72: „Besondere Beamtenpflichten. Der Beamte hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordern.“
Das ist die Bestimmung, wenn irgendwo ein Polizist in irgendeinem Geschäft einen Kugelschreiber mitnimmt; da wird er suspendiert und entlassen. Der Anspruch, dass sich ein Minister so verhalten muss, dass auf den Freistaat Sachsen als Dienstherrn kein Schimpf, Schande oder was auch immer fällt und keine Lästereien quer über die Bundesrepublik, darf dann wohl auch für einen Staatsminister erhoben werden.
Jetzt etwas zu den Realitäten. Ich habe eine Presseerklärung herausgegeben. Diese habe ich herausgegeben, nachdem ich wusste, dass die Presse offensichtlich definitiv vor dem Abgeordneten und vor dem Präsidenten von dieser Tatsache der beabsichtigten Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Kenntnis hatte.
Ein Schreiben an einen Präsidenten oder an ein Mitglied dieses Hauses, das nicht unterschrieben ist, trägt keinen Erklärungsinhalt. Demzufolge gab es keine Information.
Artikel 55 besagt, ein Abgeordneter dieses Hohen Hauses darf nur zur Untersuchung gezogen werden, nachdem das Parlament es im Rahmen der entsprechenden Immunität gestattet hat.
Das Parlament hat im Mai 2005 oder im März 2005 gesagt: Bei einer generellen Genehmigung, dass man das und das noch darf, aber mit der Voraussetzung, bevor es geschieht, wird der Präsident unterrichtet und der Abgeordnete ebenfalls dann, wenn die Öffentlichkeit unterrichtet werden soll. Dafür, Herr Staatsminister, dass die Presse es nicht vor dem Präsidenten und nicht vor dem betroffenen Abgeordneten weiß, haben Sie oder hat die Staatsanwaltschaft einfach die Verantwortung.
(Beifall bei der Linksfraktion, vereinzelt bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)
Da kann ich nicht allgemein Post in irgendeinen Abgeordnetenbriefkasten einwerfen in der Hoffnung, der Abgeordnete wird schon in den nächsten vier Tagen vorbeikommen, wenn es in derselben Nacht um 22:45 Uhr die Presse längst in der Hand hat. Da muss sich der Staatsanwalt schon irgendwo in Bewegung setzen und den Abgeordneten meinethalben in seinem Haus oder in seinem Geschäft oder in seinem Parlamentsbüro bzw. Abgeordnetenbüro einmal aufsuchen.
Aber diese Laxheit, einfach zu sagen, wir schicken es mal raus, egal ob er es erhält oder nicht und rechtzeitig, Hauptsache, die Presse weiß es beizeiten, das ist doch schlicht und ergreifend überhaupt nicht mehr hinnehmbar.
Zweitens. Herr Staatsminister, ich halte mich an Dinge, die man gemeinhin als Gepflogenheit im parlamentarischen Bereich sieht und dass man über bestimmte Gespräche, die man intern geführt hat, nicht vor dem Parlament und in der Öffentlichkeit berichtet.
Sie haben vorhin eine Behauptung aufgestellt, die mit der, die ich vor zwei Tagen in der Eigenschaft als Vertreter meiner Fraktion in einer anderen Beratung bekommen habe, nämlich zur Frage, ob in der Vergangenheit Immunitätsunterrichtungen nicht vorher im Justizministerium waren, nicht zusammengeht. Ich stelle ausdrücklich fest,
dass ich definitiv zur Kenntnis nehme – so steht es im Protokoll –, dass Sie die immunitätsrechtlichen Dinge nicht vorher als Unterrichtung bekommen.
Aha, also zum ersten Mal. Das heißt, bei Nicolaus ja, das heißt bei – Namen lasse ich jetzt weg – mit allem Drum und Dran ja, bei Nolle im konkreten Fall nicht.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: So ein Zufall! – Zuruf von der Linksfraktion: Das nimmt Ihnen keiner ab!)
Ich nehme zur Kenntnis – das höre ich auch zum ersten Mal –, dass Sie die Absichtsberichte abgeschafft haben. Zumindest in dem, was wir im Bereich der Organisierten Kriminalität derzeit mit allem Drum und Dran im Ausschuss untersuchen, wissen wir sehr wohl, dass die OKStaatsanwälte Absichtsberichte vorlegen mussten, bevor sie überhaupt ermitteln durften und dergleichen mehr. Wenn das neuerdings aufgehoben ist, wäre das im Hinblick auf die heutige Sitzung ein sehr kluger Schachzug gewesen.
Meine letzte Bemerkung zu der ganzen Sache: Herr Staatsminister, Sie waren, als Sie als Minister hierher kamen, derjenige, von dem ich immer gesagt habe, der ist durch alle Ebenen der Justiz durch.
Er hat fachliche, sachliche Erfahrung und kann mit dieser umgehen. Er hat als Vorsitzender des Deutschen Richterbundes Prinzipien aufgestellt, wie sich die Dritte Gewalt gewissermaßen gegen Angriffe auf ihre Selbstständigkeit wehrt. Ich habe noch nie einen Fall gesehen, dass ein Staatsminister das, was er vorher in anderer Eigenschaft verkündet hat, derart umkehrt und derart ignoriert wie Sie in Ihrer Amtsführung der letzten zwei Jahre. Ich denke, auch deshalb ist es an der Zeit, zu überlegen, ob Sie noch am richtigen Platz sind.
Ich schlage Ihnen vor, dass wir an dieser Stelle die Sitzung unterbrechen und um 13:10 Uhr weiter beraten.
Als Einreicherin spricht zunächst die Linksfraktion, danach die gewohnte Reihenfolge. Ich erteile Herrn Dr. Pellmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Große Anfragen sollten eigentlich ein Highlight in der Parlamentsdebatte sein. Möglicherweise wird sich der Saal dann auch noch etwas füllen. Aber wir sind im Augenblick, zumindest was die Anwesenheit zu diesem Thema betrifft – das betrifft alle Fraktionen, auch meine –, noch ein ganzes Stück von dieser Highlightfunktion entfernt.
Wir haben, meine Damen und Herren – das merke ich auch an diesem Parlament in den letzten Tagen –, eine bestimmte Endzeitstimmung in dieser Legislaturperiode.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir Sie heute erneut mit einer wichtigen sozialpolitischen Thematik konfrontieren. Ich darf daran erinnern, dass wir in den letzten fünf Jahren zu wesentlichen Themenkomplexen Große Anfragen gestellt und hier auch sehr instruktiv und logischerweise auch kontrovers debattiert haben. Ich darf Sie an Große Anfragen zur sogenannten Gesundheitsreform und zu ihren Auswirkungen auf Sachsen erinnern. Ich darf Sie erinnern an von uns gestellte Große Anfragen zur Situation behinderter Menschen, zur Kinderarmut, zur Drogenproblematik und nicht zuletzt zur Pflegesituation in Sachsen.
Natürlich haben solche Großen Anfragen und insbesondere die Antworten der Staatsregierung den Charme, dass man neues Wissen erlangen kann. Da bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums für eine Reihe von Antworten – beileibe nicht für alle –