Protocol of the Session on March 13, 2009

Ich weiß nicht, worauf sich Ihre 23 Millionen Euro beziehen, sicherlich auf die Komplementärmittel für die Schülerbeförderung. Meine Frage ist: Ist Ihnen bekannt, dass den Landkreisen für den ÖPNV 200 Millionen Euro über das FAG zur Verfügung gestellt werden? Wissen Sie, wo diese Mittel in den Landkreishaushalten verbleiben?

Es ist mir bekannt, dass diese Mittel fließen, aber es ist mir auch bekannt, dass durch die Schließung von Schulen die Schülerbeförderungskosten gestiegen sind, weil die Planung viel aufwendiger ist, den Verkehr entsprechend zu organisieren.

Meine Damen und Herren! Wir hatten die Diskussion in den Kreistagen und es gab natürlich auch dort Forderungen, die Kostenfreiheit sofort einzuführen. Weil es aber für viele Kreise nicht leistbar ist und weil es eine Frage ist, bei der sich der Freistaat engagieren muss, konnten auch unsere Vertreter nicht überall zustimmen.

Die Forderung nach kostenfreiem Schülerverkehr ist aber nicht nur eine soziale Frage. Sie hat ganz klar auch eine bildungspolitische Dimension. Es stellt sich die Frage nach gleichem Zugang zu höheren Bildungsangeboten. Sachsen gibt mit dem Busticket dem Besuch des Gymnasiums quasi einen Preis, denn die Chance, ein Gymnasium ohne Bus zu erreichen, ist im ländlichen Raum nun einmal deutlich geringer als in der Stadt. Ich weiß nicht, ob die weiteren Wege der Grund dafür sind, aber eines steht fest: Obwohl auf dem flachen Land viele Kinder die Bildungsempfehlung bekommen, entschließen sich im Vergleich zu Städten wie Dresden oder Leipzig deutlich weniger Schüler für den Besuch eines Gymnasiums.

Meine Damen und Herren, die Forderung nach einer kostenfreien Schülerbeförderung entlastet nicht nur die Eltern von Kosten, die allein durch die Schulschließungspolitik verursacht wurden, sondern sie ist eine Frage der Gerechtigkeit und sie ist auch eine Frage gleicher Bildungschancen in Stadt und Land. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU. Wird das gewünscht? – Herr Kienzle, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich missbrauche mal Hemingway etwas für mich, und frage: Wem schlägt die Stunde? und sage: mir! Deshalb gebe ich meine Rede zu Protokoll.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Frau Bonk, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein bisschen schade, nicht auf den Standpunkt der CDU-Fraktion eingehen zu können, also beziehe ich mich auf den Antrag der FDP-Fraktion. Sie hören schon, ich bin heute stimmlich nicht ganz beim Bande, aber das soll mich nicht davon abhalten, zum Antrag sprechen zu können.

Bei Ihrem Antrag „Familien entlasten – Kostenfreie Schülerbeförderung einführen“, werte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, handelt es sich zumindest von der Begründung her um ein weitergehendes Remake Ihres Antrages „Erreichbarkeit von Schulen verbessern – Kommunen bei der Schülerbeförderung unterstützen“, den wir im April 2008 diskutiert haben. Doch das Thema ist wichtig genug, um hier noch einmal nachzuhaken, um auch aus unserer Sicht endlich den Weg für eine elternbeitragsfreie Schülerbeförderung freizumachen, die den Freistaat weitestgehend in die Pflicht nimmt und nicht die Kosten auf die Kommunen verlagert.

Wie ist die Situation momentan? Die Schülerbeförderung wird zurzeit ziemlich intransparent durch den Freistaat gefördert. Die Nachfrage der Kollegin Raatz wies darauf hin. Einerseits wurde die Förderung 1995 von einem bis dahin gewährten Sonderlastenausgleich für die Kommu

nen umgestellt und ist seit diesem Zeitpunkt ein nicht zweckgebundener Bestandteil der allgemeinen Schlüsselmasse. Laut der Antwort auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Dietmar Pellmann betrug der Anteil der allgemeinen Schlüsselmasse, der auf die Schülerbeförderung entfiel, 1995 circa 4 %.

Seit dieser Zeit ist statistisch nicht mehr nachvollziehbar, welcher konkrete Betrag den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Schülerbeförderung durch das FAG zugewiesen wird. Andererseits gewährt der Freistaat seit 1992, basierend auf dem Personenbeförderungsgesetz, auch den Verkehrsunternehmen für die Personenbeförderung im Ausbildungsverkehr mit ermäßigten Fahrausweisen einen Ausgleich, der von den Verkehrsunternehmen bei den Landesdirektionen beantragt werden muss. Allein in den Jahren 2006 und 2007 stieg der Betrag, den die Verkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt bekamen, von 47 auf 57 Millionen Euro, also eine Steigerung um 20 %, und dies trotz in der Vergangenheit abnehmender Schülerzahlen.

Das muss aufhorchen lassen. Hier wird also unter anderem eine Auswirkung der gravierenden Schulschließungspolitik in der Vergangenheit deutlich. Dadurch verlängerten sich gerade im ländlichen Raum die Schulwege erheblich. Die davon betroffenen Familien wurden dadurch mehrfach bestraft, nämlich einerseits durch den Wegfall des Schulangebotes vor Ort und die damit verbundenen längeren Fahrzeiten und andererseits durch erhöhte Fahrtkosten sowie Einschränkungen hinsichtlich der freien Schulwahl. So hat die Zahl der Beförderungsfälle zwar zwischen 2002 und 2006 um circa 5 % abgenommen, im gleichen Zeitraum stieg jedoch die mittlere Reiseweite um 16 %. Diese Zahlen müssen aufmerken lassen. Wenn das bedeutet, dass weniger Schüler zum Gymnasium fahren, dafür aber weitere Wege in Kauf nehmen, wäre das ein fatales Zeichen für die Durchlässigkeit dieses Schulwesens.

Noch deutlicher werden die zunehmenden Belastungen durch den Ausbildungsverkehr bei einem Blick auf die Entwicklung der Schülerbeförderungskosten pro Schüler. In der Antwort auf die Kleine Anfrage des SPD-Kollegen Mario Pecher vom Mai vergangenen Jahres befindet sich eine zwar lückenhafte Statistik, die aber doch Rückschlüsse erlaubt, auch wenn zum Teil keine sachsenweiten Durchschnitte gebildet werden. Die veranschlagten Zahlen für das Jahr 2008 offenbaren, dass sich die Tendenz ungebrochen fortsetzt bzw. noch verstärkt hat. Durchschnittlich beträgt die pro Schüler aufzubringende Summe rund 162 Euro, wobei Mittweida mit 259 Euro herausragt. Im Vergleich dazu liegen die Aufwendungen pro Schüler in der Stadt Dresden bei rund 38 Euro. Vermutlich liegen die tatsächlichen Kosten aber noch höher, da die Höhe der über das FAG abgewickelten Zuschüsse für den Ausbildungsverkehr nicht genau zu beziffern ist.

Wie bereits erwähnt, haben sich auch die durchschnittlichen Fahrtwege deutlich verlängert und damit die Belastungen für die Schülerinnen und Schüle erhöht. Im Land

kreis Döbeln betrug der durchschnittliche Fahrtweg je Beförderungsfall im Schuljahr 1999/2000 noch 8,5 Kilometer, im Schuljahr 2007/2008 hingegen schon 13,7 Kilometer, und das, obwohl in diesem Haus jedem klar sein dürfte, dass jeder Kilometer Schulweg einer zu viel ist.

Fragt man nach der Entwicklung der Höhe der Elternbeiträge für ganz Sachsen, so stehen die Staatsregierung und damit auch wir völlig im Dunkeln. Ein Schelm, der Absicht dahinter vermutet. Jedenfalls bekamen wir auf eine entsprechende Anfrage die folgende Antwort: „Grundlage für die Erfassung der Elternbeiträge an den Fahrtkosten im Haushaltsansatz der Kommunen war das Finanz- und Personalstatistikgesetz“, nämlich durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Finanz- und Personalstatistikgesetzes und weitere Zusatzvereinbarungen wurde die Erhebung des Haushaltsansatzes der Kommunen ersatzlos gestrichen. Dadurch fehlen uns nun die Angaben über die Entwicklung der Elternbeiträge, und die sozialen Auswirkungen der Förderpolitik des Freistaates bleiben intransparent. Aber nicht nur das – auf diese Weise nehmen wir uns auch die Möglichkeit der Gegensteuerung durch die Landespolitik, es sei denn, das Parlament folgt in seiner Mehrheit dem hier vorliegenden Antrag.

Zusätzliche Probleme ergeben sich aus den Beförderungssatzungen, denn die Kreise erstatten häufig nur die Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule dieser Schulart. Das hat seinen Grund darin, dass der Träger mindestens die Kosten der Schülerbeförderung abzüglich des sogenannten Eigenanteils tragen muss, die entstehen, wenn die Schüler die nächstgelegene Schule der jeweiligen Schulart besuchen. Das heißt, die Beförderungsträger sind aufgrund ihrer desaströsen Haushaltslage förmlich gezwungen, eine solche Regelung in ihre Satzungen aufzunehmen. Die freie Schulwahl wird dadurch natürlich eingeschränkt. Nicht mehr das beste oder passende pädagogische Angebot war Wahlkriterium, sondern Kostenfaktoren beeinflussen Bildungsentscheidungen und vertiefen so die soziale Undurchlässigkeit unseres Schulsystems, auf dem Land sogar noch weit stärker als in den Großstädten.

Etwas für den SchülerInnenverkehr zu tun heißt zugleich, etwas für die Region zu tun, etwas zu tun für mehr Chancengerechtigkeit im Schulwesen und etwas zu tun für mehr Lern- und Lebensqualität der SchülerInnen.

Abschließend sei an dieser Stelle noch darauf verwiesen, dass natürlich auch der flächendeckende Ausbau von Ganztagsangeboten Auswirkungen auf den SchülerInnenverkehr hat. Einerseits erweitern sie das Betreuungsangebot an den Schulen; damit steigen aber andererseits die Anforderungen an die Flexibilität des Schülerverkehrs. Denn unterschiedliche zeitliche Abläufe müssen neu justiert werden. Schade und kontraproduktiv wäre es, wenn SchülerInnen wegen der unpassenden Schulverkehrszeiten von Ganztagsangeboten ausgeschlossen blieben. Auch diesbezüglich steht der Freistaat in der Pflicht.

Meine Damen und Herren! Wir stehen zum kostenfreien Schülerverkehr, und zwar aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus: weil der Schulbesuch ein Recht des Kindes ist, der unabhängig vom Einkommen der Eltern und steuerfinanziert ermöglicht werden muss – der Schülerverkehr genauso wie die Lehr- und Lernmittel.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile das Wort der SPDFraktion; Frau Dr. Raatz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich kann mich den Worten von Frau Bonk anschließen. Auch wir stehen natürlich zum kostenfreien Schülerverkehr; auch wir wollen die Familien entlasten. Ich denke, das wurde hier schon mehrfach von meinen Fraktionskollegen dargelegt. Wir wollen die Kostenfreiheit über die gesamte Bildungsstrecke.

Mir ist aber neu, muss ich sagen, dass das eine FDPForderung ist. Denn normalerweise überlassen Sie doch alles dem Markt. Und bei kostenfreier Schülerbeförderung weiß ich jetzt nicht, was der Markt regeln soll und ob das besonders wirtschaftlich ist. Aber es macht wieder deutlich: Der vorliegende Antrag ist typisch für die FDP, nämlich populistisch.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Wer soll was dagegen haben? Klar, Kostenfreiheit spricht jeden an. Ahnung ist wenig dahinter, leider, muss ich sagen. Denn meine Fragen konnten ja auch nicht beantwortet werden.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Deswegen frage ich jetzt ganz klar, denn das hat für mich auch noch eine Bedeutung; wir haben erst kürzlich einen Doppelhaushalt verabschiedet: Wo war denn da die Forderung nach 14 Millionen Euro, wie Sie sie genannt haben, oder 17 Millionen Euro, wie sie uns bekannt ist, um diese zusätzlich in den Landeshaushalt einzustellen? Ich kann mich an diese Forderung überhaupt nicht erinnern. Das wüsste ich genau, das muss ich sagen.

(Beifall der Abg. Dr. Liane Deicke, SPD)

Wenn man solch eine Forderung aufstellt kurz nach den Haushaltsverhandlungen, dann muss ich sagen: Entweder meinen Sie es nicht ernst, Sie haben es vergessen oder Sie tun genau das, was ich denke: sind einfach populistisch.

Im Gegensatz zu Ihnen haben wir das Problem schon seit einigen Jahren erkannt und auf der entsprechenden Ebene – das sind die zuständigen Träger des ÖPNV, also die Landkreise und kreisfreien Städte, aber nicht das Land – eine Vielzahl von Initiativen gestartet, um eine Beitragsfreiheit für Eltern durchzusetzen.

Das ist Ihnen natürlich nicht bekannt und es wird Sie wundern: Das Land stellt erhebliche Mittel für die Schü

lerbeförderung bereit. Hier sollten wir erst einmal schauen, wo diese Mittel landen und ob sie auch wirklich zweckgebunden eingesetzt werden.

Denn wenn man sich die Kostenstruktur des ÖPNV genauer ansieht, beruht diese auf vier Säulen. Sie besteht aus den Zuweisungen über das FAG. Das sind die 200 Millionen Euro, die ich vorhin angesprochen habe. Es sind Zuschüsse nach § 45a Personenbeförderungsgesetz. Das sind noch einmal 53 Millionen Euro, die Fahrgeldeinnahmen, und – was Sie heute weghaben wollen – sie besteht noch aus den erhobenen Elternbeiträgen für die Schülerbeförderung.

Sachsen stellt erhebliche Mittel bereit. Es wäre doch besser, erst einmal zu prüfen, ob die Mittel für den ÖPNV, die man theoretisch im FAG lokalisiert hat, auch für den ÖPNV verwendet werden.

(Zuruf von der FDP: Ja!)

Das haben Sie sicherlich getan. Ich denke, dazu werden Sie sicher nachher noch ein paar konkrete Ausführungen machen. Mich würde das sehr interessieren. Denn trotz mehrerer Nachfragen bin ich da nicht weitergekommen, weder auf der Ebene der Landesregierung noch auf der Ebene des Landkreises. Aber ich bin gespannt und mich würde es freuen, wenn wir hierzu ein paar Ausführungen von der FDP hören würden.

Es wäre weiterhin zu prüfen, ob mit den Mitteln nach § 45a Personenbeförderungsgesetz nicht alle Kreise zum Beispiel nach dem Vorbild des Vogtlandkreises den Schulweg kostenfrei halten könnten.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Leider, das muss auch erwähnt werden, scheiterten die Vorstöße dazu in verschiedenen Kreistagen auch an der FDP.

(Beifall bei der SPD)

Ich hatte zum Beispiel vor zwei Tagen Kreistagssitzung, in der es um die Schülerbeförderungssatzung ging. Da war niemand von der FDP da, der etwas zur Kostenfreiheit gesagt hätte. Darum frage ich Sie hier: Was soll diese Debatte hier in diesem Landtag? Das kann ich nicht verstehen.

Ich denke, wir konnten Erfolge erringen. Im Landkreis Leipziger Land und in der Kreisfreien Stadt Zwickau wurden die Eltern bisher von den Beiträgen befreit, und ich denke, das wird Vorbildcharakter auch für andere Regionen haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.