Protocol of the Session on March 13, 2009

Am 13. und 14. Februar gedenkt Dresden seiner Zerstörung durch Luftangriffe am 13. und 14. Februar 1945. Allen ist der historische Ablauf und die Ursachenkette bewusst.

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, formulierte Paul Celan. In jenen Tagen des Jahres 1945 kehrte dieser Tod an seine Ursprungsorte zurück. Es ist ein stilles und würdiges Gedenken, das die Dresdner – seit Jahrzehnten – Jahr für Jahr in diesen Februartagen praktizieren.

Leider wird dieses Gedenken auch missbraucht, und zwar ausgerechnet von jenen, die sich ungeniert und stolz als Erben der damaligen Kriegsverursacher, der deutschen Kriegsverbrecher von damals, sehen und sich weiter sehen wollen. Rechtsextremisten nutzen das Datum und den Ort, um einen angeblichen Trauermarsch abzuhalten. Es geht aber nicht um ein stilles Gedenken oder um Trauer um die Opfer, sondern um den dreisten Versuch, die Deutungshoheit über die Ereignisse am 13. und 14. Februar 1945 an sich zu bringen, um die Geschichte in ihrem Sinne, also im Sinne der Nazis, umzuschreiben. Dabei dürfen dann übrigens auch spanische, französische oder schwedische Gesinnungskollegen – oder sagen wir: Kameraden – mithelfen. Das sind dann scheinbar die einzigen Ausländer, denen deutsche Nazis Sympathie entgegenbringen. Ihr widerlicher Aufzug ist nichts weiter als die parasitäre Nutzung des Gedenkens an den 13. und 14. Februar 1945.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)

In der Tat stellt sich angesichts solcher Aufzüge die Frage ihres Verbotes bei jedem Aufmarsch erneut.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Hier sind Polizei und Versammlungsbehörden aufgefordert, genau zu prüfen, ob aus der Versammlung oder ihrem Umfeld und in ihrem Zusammenhang Straftaten zu erwarten sind, um dann gegebenenfalls die Veranstaltung zu verbieten.

Eines lassen Sie mich deutlich sagen: Zu diesem Umfeld gehört auch die An- und die Abreise.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und der SPD)

Es ist die Masche einiger Rechtsextremisten, hier in Dresden als Biedermann mit schwarzem Tuch am Stiel herumzulaufen und auf dem Heimweg zu prügeln. Ich bin sehr dafür, dass die Ereignisse des Jahres 2009 insgesamt gesammelt und genau ausgewertet werden und dass geprüft wird, ob das nicht ausreicht, dass so etwas wie 2009 im Jahr 2010 gar nicht erst möglich wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion und der SPD sowie Beifall des Staatsministers Dr. Albrecht Buttolo – Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Die Versammlungsbehörde muss Auflagen erteilen, die den Rechtsextremisten keine Gelegenheit für Hassparolen, Volksverhetzung und Gewalttaten lassen.

(Jürgen Gansel, NPD: Echte Liberalität!)

Wenn sie das hier unterlassen – ich habe es auch vorgestern schon gesagt –, dann tun sie es nicht aus eigenem Willen oder tiefer Überzeugung, sondern einfach, weil sie genau wissen, wenn die Sache gewalttätig wird, ist ihre Veranstaltung vorbei. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit haben nur diejenigen, die sich friedlich versammeln. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit umfasst auch das Recht zu Gegendemonstrationen. Das möchte ich hier deutlich sagen. Aber für diese Gegendemonstrationen – und das wird vergessen – gelten genau die gleichen Grundsätze des Demonstrationsrechts wie für die andere Seite.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und des Staatsministers Dr. Albrecht Buttolo)

Das heißt, unfriedliche Versammlungen fallen nicht mehr unter das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit. Die Motive der unfriedlichen Demonstranten, ihre Beweggründe, ihre eigene Einschätzung oder moralische Bewertung des eigenen Tuns spielen dabei absolut keine Rolle.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Beifall des Staatsministers Dr. Albrecht Buttolo)

Natürlich wird das Gedenken der Dresdner durch Naziaufmärsche schwer geschädigt. Das Gleiche gilt aber auch für Bilder von linken Chaoten, die Polizisten mit Flaschen und Steinen bewerfen oder Polizeiautos umstürzen.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU)

Diese Vorfälle blenden die Antragsteller von der Linksfraktion gern aus. Das erkennt man auch am Inhalt und der Begründung des vorliegenden Antrages. Frau Dr. Ernst, da hätte ich Ihnen mehr Differenzierung zugetraut. Sie stehen mit diesem Antrag in der Gefahr, einen nicht inhaltlich, sondern allein aktionistisch geprägten Antifaschismus zu bedienen. Zu diesen gewalttätig gewordenen Demonstranten der Gegendemonstration sage

ich: Ich bin auch ein Freund emanzipatorischer Ansätze, aber hier geht es leider um eine unerwünschte Emanzipation, nämlich derjenigen des Handelns vom Denken.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Ergebnis können wir hier genau beobachten. Die Rechtsextremisten stellen sich hinterher als Opfer dar, obwohl sie das nun beileibe nicht sind. Über 100 Gewalttaten von Rechtsextremisten hat es in Sachsen im letzten Jahr gegeben. Das waren keine Farbschmierereien oder Propagandadelikte, sondern handfeste Gewalttätigkeiten. Über die Opferrolle braucht man hier nicht lange zu diskutieren.

Meine Damen und Herren, die Antragsteller wollen nach dem Titel des Antrages Auskunft über Einsatzkonzepte der Polizei am 13. und 14. Februar 2009. Das hätten sie auch mit einer Reihe von Kleinen Anfragen erledigen können. Auch die Einzelpunkte im Antrag belegen dies. So komme ich als Betrachter zu dem Ergebnis, dass der Antrag weniger dem Erkenntnisgewinn der Linksfraktion als vielmehr ihrer Selbstdarstellung dienen soll.

Das Gedenken um die Zerstörung Dresdens ist nicht einfach. Es ist hoch belastet und super kompliziert. Die Dresdner haben selbst, wie ich finde, eine bemerkenswerte Form des Gedenkens gefunden.

(Heinz Lehmann, CDU: Sehr richtig!)

Inszenierungen um dieses Gedenken herum gibt es bereits viel zu viele. Dieser Antrag gehört leider dazu.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Dr. Albrecht Buttolo)

Danke schön. – Die erste Runde beschließt Herr Lichdi für die Fraktion der GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 13. Februar ist für die Landeshauptstadt Dresden traditionell ein Tag des Gedenkens. Er wird von der Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner auch als ein Tag verstanden, der zur Versöhnung mahnt. Wir Bündnisgrünen respektieren selbstverständlich den Wunsch der Opfer und Hinterbliebenen nach einem stillen und würdevollen Gedenken, aber seit Jahren versuchen Neonazis, diesen Tag propagandistisch zu instrumentalisieren.

Sie knüpfen an den Mythos Dresdens von der Opferstadt an, der noch in der Nazizeit begründet und von der SED recht nahtlos weitergeführt wurde. Sie stellen die Bombardierung Dresdens als Folge eines lange vor der Machtübergabe an die Nazis 1933 geplanten Vernichtungswillens gegen Deutschland dar. Der Nationalsozialismus und sein rassistischer Vernichtungskrieg sollen so als vermeintliche Abwehrreaktion gegen den englischen Vernichtungswillen gerechtfertigt werden. Dieser ungeheuerlichen Geschichtsfälschung gilt es entschlossen entgegenzutreten, auch und gerade am 13. und 14. Februar.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Die Stadt Dresden ist mit der Tatsache konfrontiert, dass der 13. Februar national und international immer mehr zum Anlass des größten Nazi-Events in Europa wird. Auch in diesem Jahr marschierten am Abend des 13. Februar Neonazis durch die Stadt. Die meisten Dresdnerinnen und Dresdner, gerade auch diejenigen, die diesen Tag dem stillen Gedenken widmeten, dürften sie gar nicht wahrgenommen haben. Aber die 6 000 Nazis aus ganz Europa, die am Tag darauf durch die Dresdner Innenstadt marschieren konnten – darunter 3 000 gewaltbereite –, lassen sich nicht mehr ignorieren. Lassen Sie mich an dieser Stelle hinzufügen: Ich verstehe nicht, warum hier unwidersprochen die ganze Zeit von 300 gesprochen wird. Mir liegen aus dem Polizeibereich Erkenntnisse von Leuten vor, die es wissen müssen, die deutlich von 3 000 Gewaltbereiten sprechen.

(Lachen und Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD: 30 000!)

Daher danke ich im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN allen Demonstrantinnen und Demonstranten, die aus Dresden und von auswärts den Nazis entgegengetreten sind. Über 10 000 Menschen haben gegen den Naziaufmarsch protestiert. Deshalb kann man den 14. Februar 2009 als einen Erfolg der Demokratinnen und Demokraten bezeichnen, und ich bin stolz darauf, dass ich dabei gewesen bin.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Meine Damen und Herren, dies ist ein Erfolg angesichts der Tatsache, dass sich die CDU, aber auch die FDP der Demonstration „Geh Denken“ verweigert hat. Es war die CDU, die unter dem Vorwand einer Bewahrung des stillen Gedenkens alles getan hat, um einen Erfolg von „Geh Denken“ zu verhindern. Eine verhängnisvolle Rolle spielte dabei der Kreisvorsitzende der CDU und Landtagsabgeordnete Lars Rohwer, der Dresden und Sachsen in Deutschland lächerlich gemacht hat, indem er auswärtige Unterzeichner des „Geh-Denken“-Aufrufs angeschrieben und gebeten hat, ihre Unterschrift zurückzuziehen. Er blieb damit zum Glück erfolglos, außer bei einem Ex-Ministerpräsidenten.

Und, meine Damen und Herren, die von der CDU geleitete Ordnungsbehörde der Stadt Dresden unter Parteifreund Sittel hat diese von Rohwer vorgegebene Linie auch umgesetzt. Wer soll denn verstehen können, dass die Ordnungsbehörde eine Versammlung der demokratischen Fraktionen des Staatsrates an der Trümmerfrau verboten hat, ein Fakt, der in der Dresdner Öffentlichkeit nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gefunden hat. Stattdessen laufen strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der GRÜNEN-Stadtratsfraktion, die 2008 Lästermusik aus Protest gegen den Naziaufmarsch an der Trümmerfrau abgespielt haben. Es ist nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren, wie die Ordnungsbehörde der

Landeshauptstadt Dresden das Rathaus regelmäßig für die Nazis freiräumt.

Ich hege aber weiterhin die Hoffnung, dass ein gemeinsames Agieren der Demokraten in Zukunft möglich sein wird. Beispielsweise muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich die Dresdner Oberbürgermeisterin sichtlich von der Rohwerschen Linie emanzipiert und in diesem Jahr deutliche Worte gegen die Vereinnahmung des Gedenktages durch die Nazis gefunden hat. Das ist ein Fortschritt, an den sich hoffentlich weitere anschließen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Orosz mag sich dabei den OB von Jena, Albrecht Schröter, zum Vorbild nehmen, der kürzlich einen Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit der von Naziaufmärschen betroffenen Städte vorgeschlagen hat. Wir werden nämlich nicht umhinkommen, gemeinsam zu agieren, wenn wir es nicht hinnehmen wollen, dass alljährlich die größte rechtsextremistische Demonstration Europas in Dresden stattfindet. Es mag ja sein – was die WählerInnen verhindern mögen –, dass sich irgendwann einmal in diesem Haus eine Mehrheit findet, die per Versammlungsgesetz Demonstrationen in Dresden am 13./14. Februar verbietet. Die CDU- und die FDPFraktion haben ja bereits die feste Absicht bekundet, die Grundrechte aus Furcht vor ihren Feinden einzuschränken. Wir halten diesen Weg ausdrücklich für falsch, vor allem aber für nutzlos, denn wir werden erleben, dass der Naziaufmarsch eben ein Wochenende früher oder später oder außerhalb der als demonstrationsfrei deklarierten Zone stattfindet. Es ist egal, ob der Naziaufmarsch nächstes Jahr am 13. oder am 20. Februar kommt. Er wird jedenfalls kommen, und er kommt immer wieder, wenn der demokratische Widerstand nicht stärker wird.

Es bleibt eine einfache Wahrheit. Dieser Wahrheit mag sich die CDU-Fraktion in ihrer Gänze immer noch nicht stellen. Der Rechtsextremismus wird durch Ignorieren nicht schwächer, sondern stärker, und er zieht sich nur zurück, wenn er auf Widerstand stößt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Städte wie Calbe, Wunsiedel, aber auch Leipzig bieten dafür Beispiele. Dresden sollte sich daran ein Beispiel nehmen.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion hat sicher seine Schwächen. Einige meiner Vorredner sind darauf eingegangen. Die GRÜNE-Fraktion stimmt Ihrem Antrag dennoch zu, in der Hoffnung, dass der geforderte Bericht einen gewissen Beitrag zur Verbesserung der Polizeistrategie in der Zukunft leisten möge, vor allem auch deshalb, weil wir nicht bereit sind – ja –, diese Lobhudeleien auf die Polizei ohne jede Sachkenntnis, wie wir sie von Herrn Bandmann wieder ertragen mussten, einfach hinzunehmen.

(Zuruf von der CDU: Unerhört!)

Meine Damen und Herren! Diese Verbesserung ist auf alle Fälle nötig. Denn es kann in Zukunft nicht angehen, dass Menschen davon abgehalten werden, an einer friedlichen Kundgebung teilzunehmen, weil die Polizei ihnen den Zugang verwehrt. Das war bei der Abschlusskundgebung des Bündnisses „Geh Denken“ eindeutig der Fall.

Es ist nicht hinnehmbar, dass der Aufmarsch von Neonazis so locker überwacht wird, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass von ihm Gewalt ausgeht. Ungeahndete Verstöße gegen das Vermummungsverbot und die bekannten Übergriffe am und im Hauptbahnhof sprechen für sich.

Es darf sich auf keinen Fall wiederholen, dass Menschen, die an einer friedlichen Demonstration gegen Rechtsextreme teilnehmen bzw. teilnehmen wollen, bei der Anreise oder bei der Abreise von Neonazis angegriffen und verletzt werden. Ich spreche von den Naziübergriffen auf eine Raststätte bei Chemnitz, in einem Regionalexpress Richtung Leipzig und natürlich von dem Übergriff an einer Raststätte in Thüringen.

Diese Ereignisse werfen in der Tat die Frage auf, wie die sächsische Polizei auf die Situation eingestellt war und wie die Koordination mit der Polizei in den benachbarten Bundesländern aussah.