Protocol of the Session on March 12, 2009

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Ich erteile das Wort der Linksfraktion. Frau Lay, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe der heutigen Debatte mit Spannung gelauscht. Denn ich war doch sehr gespannt darauf, welchen Trumpf die Koalition heute noch aus dem Ärmel ziehen will und welche politischen Angebote sie machen will, damit wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen vor den Folgen der Wirtschaftskrise schützen können.

Das Ergebnis ist: nichts. Sie haben nichts anzubieten an landespolitischen Forderungen. Das Einzige, was Sie uns hier verkaufen, sind die ollen Kamellen des Bundes.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Außer Nicklichkeiten zwischen der Koalition – das kommt hinzu – haben wir hier nichts gehört. Deutlicher, meine Damen und Herren, konnte die Koalition ihre Regierungsunfähigkeit und wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Unfähigkeit heute wirklich nicht unter Beweis stellen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Lehmann, wer der CDU einmal im Wirtschaftsausschuss zugesehen hat, Ihnen, Herrn Bolick usw., der kann sich doch vor Lachen den Bauch nicht mehr halten, wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und die wirtschafspolitische Kompetenz der CDU behaupten – ich bitte Sie!

(Lachen der Abg. Kathrin Kagelmann, Linksfraktion)

Eines muss ich auch noch einmal sagen: Die Krise ist ja nicht vom Himmel gefallen, auch wenn sich jetzt alle hier hinstellen und die Auswirkungen bedauern. Sie kommt nicht von ungefähr. Sie ist auch nicht auf das individuelle Versagen einzelner Manager zurückzuführen, wenngleich es dafür keine Entschuldigung gibt. Aber es gibt Ursachen für diese Krise. Sie liegen in der Deregulierung der Finanzmärkte. Sie liegen in einer falschen Niedriglohnstrategie. Sie liegen in einer falschen Sozialpolitik und im Übrigen auch in einer neoliberalen Markt- und Privatisierungsideologie.

Dafür trägt die CDU – aber ich muss leider sagen: auch die SPD – die politische Verantwortung. Das muss an dieser Stelle einfach noch einmal betont werden.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wenn Sie Ihren Marx besser gelesen hätten, Herr Lehmann, was wir uns alle sehr wünschen würden, dann wüssten Sie auch, dass Krisen zum Kapitalismus dazugehören, und wir müssten uns jetzt nicht hier hinstellen und sagen: So ein Wunder! Wie konnte das passieren?

(Lachen des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! DIE LINKE fordert angesichts der Krise nicht nur einen Schutzschirm für die Banken, Herr Lehmann, oder einen Schutzschirm für die Arbeitnehmer, Herr Pecher – der mir gerade nicht zuhört –, DIE LINKE fordert einen Schutzschirm für die Menschen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes sind ohnehin längst überfällig. In der Krise wären sie die richtige Antwort, um die Binnenkaufkraft zu stärken und damit den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Hinzu

käme ein Konjunkturprogramm, das so üppig ausgestattet ist, dass es wenigstens dem europäischen Standard entspricht und diesen Namen auch verdient.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich aber auf den Titel, auf das eigentliche Thema dieser Aktuellen Debatte eingehen. Es geht nämlich um die Frage, Qualifizierung mit Kurzarbeit zu verbinden. Dies ist in der Tat sehr löblich, und wir sollten die sächsischen Unternehmerinnen und Unternehmer dazu ermutigen, bei der Anmeldung von Kurzarbeit auch auf die Qualifizierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu setzen. Geld ist genügend vorhanden. Wir haben im Doppelhaushalt 250 Millionen Euro an ESF-Geldern zur Verfügung. Die Inanspruchnahme läuft sehr schleppend, und ich denke, dass zum einen über die Möglichkeit von Qualifizierung und Beschäftigung deutlich stärker informiert werden müsste.

Zum anderen stellt sich wie immer die entscheidende Frage: Wer soll das eigentlich bezahlen? Ich sagte bereits, das Geld ist da. Der Bund hat grünes Licht gegeben, auch ESF-Gelder zu 80 % für diese Maßnahmen einzusetzen. Die Frage ist nur: Woher sollen die restlichen 20 % kommen? Die Antwort wäre: von den Unternehmen. Dazu muss ich Sie aber fragen: Wenn die Unternehmen derzeit genügend damit zu tun haben, den Rückgang der Aufträge zu kompensieren, den Rückgang der Kaufkraft auszugleichen und um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen – was wir ja hoffen –, woher soll dann in dieser Krise noch die Bereitschaft der Unternehmen kommen, Gelder für Qualifizierung zur Verfügung zu stellen? Es werden so viele – durchaus auch fragwürdige – Dinge im Rahmen des Konjunkturprogramms finanziert.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, hätte man ruhig etwas großzügiger sein können, wenn man es mit Qualifizierung bei der Kurzarbeiterregelung ernst meint. Wenn es auch nur eine einzige arbeitsmarktpolitische Maßnahme gegeben hätte, die die Koalition heute vielleicht einmal hätte vorschlagen können, dann wäre es doch die gewesen, wenigstens die vollen Kosten für die Qualifizierung von Kurzarbeitern zu übernehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Insofern bleibt als Fazit dieser Aktuellen Debatte leider nur übrig, dass die Koalition ihre Konzeptionslosigkeit in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nicht deutlicher hätte zum Ausdruck bringen können als mit dieser Aktuellen Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. – Dann die FDP, bitte; Herr Morlok.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Will er die Konzeptionslosigkeit auch noch für die FDP dokumentieren?)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch auf die Gefahr hin, dass ich den

guten Eindruck bei Herrn Lehmann jetzt wieder kaputt mache, möchte ich aufgrund der Debatte noch einige grundsätzliche Bemerkungen machen.

Herr Kollege Pecher, Sie haben vorhin formuliert: Wenn der Staat Stützungen gibt, muss er sich auch beteiligen können oder dürfen. So habe ich Sie verstanden. Das ist der Grundfehler, weil Sie die Frage nach dem Ob schon gar nicht mehr stellen. Die Frage ist doch, ob der Staat Stützungen geben soll. Dort fängt es doch eigentlich an, dass man sich Gedanken machen muss.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wenn es sein muss!)

Ich sage Ihnen ganz klar und deutlich, dass sich der Staat sehr zurückhalten sollte, da ja Marktwirtschaft auch ein Prinzip ist, nämlich ein Ausleseprinzip, das uns zu immer effizienteren Lösungen führt.

(Widerspruch des Abg. Mario Pecher, SPD – Unruhe bei der Linksfraktion)

Das haben wir an dem Beispiel, welche Autos in der alten Bundesrepublik über die Straßen gefahren sind und welche in der ehemaligen DDR, deutlich erlebt. Das hat schon etwas mit Auslese zu tun; und wenn Sie sich als Staat überall beteiligen und überall versuchen, Managementfehler auszugleichen, um Strukturen am Leben zu erhalten, die nicht überlebensfähig sind, dann werden Sie diesen Ausleseprozess in der Marktwirtschaft kaputt machen, und Sie werden zukünftig volkswirtschaftlich darunter leiden.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen, die hier ebenfalls schon angesprochen wurden:

Erstens. Opel hatte in den letzten fünf, sechs Jahren einen Nachfrage-, einen Verkaufsrückgang von über 50 % zu verzeichnen. Das hat doch nichts mit Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun, sondern mit falscher Produktpolitik und mit Managementfehlern. Ich kann doch nicht, wenn ich 50 % meines Absatzes verloren habe, die gleiche Anzahl an Fertigungskapazitäten aufrechterhalten. Das ist doch ein Managementfehler.

Zweitens. Bei Qimonda war das Erste, was der Insolvenzverwalter getan hat, das Werk in Richmond zu schließen. Warum ist das vorher nicht geschehen? Da sind doch Managementfehler gemacht worden, und der Staat kann nicht dafür geradestehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort; Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist es unverantwortlich, dass kein Euro des Bundes zusätzlich in

Qualifikation fließt. Alle Belastungen werden auf die Bundesagentur für Arbeit und damit auf die Beitragszahler abgewälzt. Statt Milliarden in Steuererleichterungen zu stecken, sollte der Staat seine Mittel für den Ausbau der Aus- und Weiterbildungsangebote nutzen.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Investitionen in Gebäude und Infrastruktur genügen eben nicht. Gute Kitas, Schulen und andere öffentliche Gebäude brauchen auch genügend gut ausgebildetes Personal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Wir wissen: Auch die Sächsische Staatsregierung investiert lieber in Beton als in Köpfe, dies hat sie in den letzten Jahren immer wieder bewiesen. Damit zündet man allenfalls ein Strohfeuer. Das ist jedoch nicht geeignet, unsere Wirtschaft zukunftsfähig zu machen.

Unsere sächsischen Klein- und Mittelständler brauchen Instrumente, um auf die schwankende Auftragslage kurzfristig reagieren zu können. Diesen Unternehmen hilft es wenig, wenn ihre Mitarbeiter zum Beispiel Weiterbildungsmaßnahmen besuchen, in denen Fremdsprachen- oder Microsoft-Office-Kenntnisse vermittelt werden. Das bringt zwar Kenntnisse, die den Teilnehmern im Fall einer Arbeitslosigkeit nützlich sind, dem Bedarf der Unternehmen entspricht es aber nicht. Das unbefriedigende Ergebnis ist: Weil die Angebote nicht stimmen, werden sie von diesen Unternehmen nicht oder kaum genutzt. Für sie wären spezielle und genau auf die jeweilige Firma zugeschnittene Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoller. Außerdem ist seit der Einführung des Mindestlohnes vor allem gut und ausreichend qualifiziertes Personal in den Unternehmen tätig.

Meine Damen und Herren! Für Aus- und Weiterbildung Geld in die Hand zu nehmen lohnt sich immer. Voraussetzung ist, dass die Sächsische Staatsregierung bereit ist, über den Rand der Ministerien hinauszuschauen und einen intensiven Dialog mit kleinen und mittleren Unternehmen sowie mit den Kammern und Verbänden aufzunehmen. Ergebnis muss eine konzertierte Qualifizierungsoffensive sein, die die Krisenzeit sinnvoll nutzt, um die Mitarbeiter – und damit auch die sächsischen Firmen – für die Zukunft fit und sicher zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Jurk, bitte.