Protocol of the Session on March 12, 2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 132. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Ich denke, dass ich in Ihrem Sinne handle, wenn ich vor Beginn der Formalitäten auf das schreckliche Verbrechen in Winnenden eingehe. Es hat uns alle tief erschüttert und auch fassungslos gemacht. Durch den Amoklauf eines 17jährigen Schülers mussten 15 Menschen – Schüler, Lehrer und Passanten – ihr Leben lassen. Eine Tat – sinnlos und nicht zu begreifen. Danach richtete sich der Täter selbst.

Für alle Angehörigen, Freunde und Nachbarn der Opfer hat eine unsagbar schwere Zeit begonnen. Unsere Gedanken sind bei ihnen. Ihnen gilt unser besonderes Mitgefühl.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich zu einer Schweigeminute von den Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordneten haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Prof. Dr. Milbradt, Herr Schön, Frau Clauß, Frau Nicolaus, Herr Schimpff, Herr Thomas Schmidt und Frau Klinger.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 2 bis 11 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 165 Minuten, Linksfraktion 125 Minuten, SPD 75 Minuten, NPD, FDP, GRÜNE je 55 Minuten, fraktionslose MdL je 9 Minuten, Staatsregierung 125 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können wie immer entsprechend dem Bedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Tagesordnungspunkt 18, Kleine Anfragen, zu streichen.

Ich frage Sie, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung weitere Anträge gibt. – Das ist nicht der Fall. Somit gilt die vorliegende Tagesordnung als von Ihnen bestätigt.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Mit Qualifizierungs- und Kurzarbeitsregelungen dem nachfragebedingten Personalabbau in der sächsischen Wirtschaft wirkungsvoll begegnen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Bessere Bedingungen an sächsischen Schulen – Abwanderung von Lehrerinnen und Lehrern verhindern

Antrag der Linksfraktion

Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 39 Minuten, Linksfraktion 31 Minuten, SPD 14 Minuten, NPD, FDP, GRÜNE je 12 Minuten und Staatsregierung 20 Minuten.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Mit Qualifizierungs- und Kurzarbeitsregelungen dem nachfragebedingten Personalabbau in der sächsischen Wirtschaft wirkungsvoll begegnen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Es sprechen zuerst die Antragstellerinnen, die Fraktionen der CDU und der SPD. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde: Linksfraktion, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.

Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass ein Vertreter der Fraktion der CDU das Wort nimmt. Herr Lehmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“ – dieses Zitat haben wir in den vergangenen Wochen mehrfach gehört; es stammt von Konrad Adenauer. Diese Antwort habe ich von der weit überwiegenden Zahl der Firmen gehört, die ich in den vergangenen Wochen in meinem Wahlkreis besucht habe. Die Firmen sind von dem aktuellen Nachfragetief je nach

Branche mehr oder weniger betroffen. Sie sind alle verunsichert, aber auch wild entschlossen, aus dieser Zeit der Herausforderungen am Ende gestärkt hervorgehen zu können.

Dazu sind ihnen staatliche Hilfen höchst willkommen. Die Unternehmen vertrauen auf das entschlossene Handeln der Regierungskoalitionen in Berlin und in Dresden, und nur auf die; denn von links und rechts außen haben sie nichts Hilfreiches zu erwarten.

DIE LINKE hat die aktuellen Schwierigkeiten prompt zum Anlass genommen, um den alten Marx mit dem „faulenden und sterbenden Kapitalismus“ aus der Mottenkiste zu holen. Systemkritik pur!

(Zuruf von der Linksfraktion: Lenin!)

Oder auch Lenin. – Die Bandbreite reicht von der Wiedereinführung einer Art staatlicher Planwirtschaft bis hin zu einem Sozialismusmodell Marke Hugo Chavez. Konstruktivitätsgehalt? Gleich null!

Die Rechten gefallen sich in Schuldzuweisungen. Für sie sind die „amerikanischen Plutokraten“ und die „Spekulationsgier des Weltjudentums“ für die gegenwärtigen Schwierigkeiten verantwortlich. Sie reden von dem „sofortigen Austritt aus der Europäischen Union“ und der Rückkehr zu den „nationalen Wirtschaftsstrukturen“ vergangener Jahrhunderte. Ebenfalls total unbrauchbar!

Die Parteien in der Mitte müssen es richten. So hat das Konjunkturpaket I im Deutschen Bundestag von der Einbringung bis zur Verabschiedung lediglich fünf Tage benötigt. Stabilisierung des Bankensystems, Bereitstellung von Sicherheiten für die mittelständische Wirtschaft, Investitionszuschüsse, Stimulierung der öffentlichen und der privaten Nachfrage und eben Hilfen zur Liquiditätssicherung sind die Eckpfeiler des staatlichen Engagements.

Für die meisten der von mir besuchten drei Dutzend Firmen war 2008 bei Umsatz und auch bei Gewinn das bisher beste Jahr – leider für eine ganze Reihe von ihnen, längst nicht für alle, eben nur bis zum Monat Oktober. Trotzdem, die Unternehmen wissen, was sie können. Sie wissen, dass sie mit ihren Produkten, durch ihr Knowhow und durch das Engagement ihrer Belegschaften auf den Weltmärkten absolut konkurrenzfähig sind. Für sie kommt es darauf an, in den Zeiten schwacher Nachfrage ihre Liquidität zu erhalten, ohne die Substanz ihrer Belegschaften zu gefährden. Innerbetrieblich haben Sie dafür die notwendigen Voraussetzungen längst geschaffen.

Die neuen Kurzarbeits- und Qualifizierungsregelungen der Bundesanstalt für Arbeit helfen ihnen dabei ungemein. Der Staat übernimmt nicht nur das Kurzarbeitergeld, im Extremfall bis zu 18 Monaten; er kommt während der Zeit der Qualifizierung der Mitarbeiter auch für die Zuführung zu den Sozialversicherungskassen auf. Die Mitarbeiter bleiben so den Unternehmen verbunden und können im Falle eines Auftragseingangs sofort reaktiviert werden.

Die Reaktionsfähigkeit ist wichtig, um das Vertrauen zwischen Lieferanten, Firmen und Kunden zu erhalten. Unter diesen relativ extremen Marktbedingungen zu überleben verlangt den sächsischen Firmen sehr viel ab. Mit einem abgestimmten Zusammenwirken von Unternehmen, Banken, Gewerkschaften und Staat sollte es aber möglich sein, diese schwierige Zeit zu überstehen.

Die CDU ist auf Bundes- und Landesebene bereit, ihren Part in diesem Existenzkampf mit aller Konsequenz zu spielen. Schade nur, dass sich unser Koalitionspartner hier in Sachsen nicht entschließen kann, voll mitzuziehen. In diesen schwierigen Zeiten vergeudet die SPD einen Teil ihrer ohnehin nur begrenzten Kraft an schwachsinnige Enthüllungsprojekte und Erschwerungstheorien. Das ist höchst bedauerlich.

Vor dem Hintergrund des durchaus vorhandenen rezessiven Potenzials in den Weltmärkten sollte die vornehmste Aufgabe von Volksparteien darin bestehen, Vertrauen zu stiften statt zu spalten und zu verunsichern. Die CDU wird alles tun, um den sächsischen Firmen zur Seite zu stehen. Wir werden uns dabei in keiner Weise beirren lassen. Die Lage ist schwierig, aber nicht aussichtslos. Bleiben wir gemeinsam am Ball mit unserer sächsischen Wirtschaft! Die Sachsen werden es uns danken.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Pecher, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Mit unserer angeblich begrenzten Kraft haben wir in diesen viereinhalb Jahren in Sachsen sehr viel im Interesse der Menschen bewegt, lieber Kollege Heinz Lehmann.

Wir hatten gestern die Diskussion zum Konjunkturpaket. Wir wissen, dass die Finanzmarktkrise in der Wirtschaft angekommen ist. Gerade deshalb ist es unsere Aufgabe, die wirtschaftliche Lage zu stützen und in erster Linie damit Beschäftigung zu sichern. Die Politik, vor allem die Koalitionsregierung im Bund, hat mit den Konjunkturpaketen I und II viel dafür getan. Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass teilweise gesagt wird, dass das alles zu lange dauere. Die Geschwindigkeit, in der hier Entscheidungen gefällt wurden, ist für politische Meinungsbildungsprozesse schon bemerkenswert.

Aber neben dem Schutzschirm für Banken und Hilfen für die Unternehmen brauchen wir eben auch einen Schutzschirm für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Verbesserung und Vereinfachung beim Kurzarbeitergeld sind dabei ein zentraler Baustein des gesamten Maßnahmenpaketes. Wie notwendig dies ist, zeigt sich mit Blick auf den Arbeitsmarkt. Mit knapp 296 000 Arbeitslosen verzeichneten wir noch zu Jahresbeginn den niedrigsten Januarwert. Das ist richtig. Den Firmen ging es 2008 sehr gut. Dagegen ist im Februar die Arbeitslosigkeit wieder gestiegen und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten

gesunken. Aus diesem Grunde setzen wir Sozialdemokraten im Bereich der Arbeitsmarktpolitik vor allem auf Arbeitsplatzerhaltung durch eine Verbesserung bei der Qualifizierung.

Mein dringender Appell an die Arbeitgeber: Haltet an euren Mitarbeitern fest; denn spätestens, wenn die Nachfrage wieder anzieht, werden Unternehmen, die sich jetzt bemühen, ihre erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und weiterzubilden, klar im Vorteil sein. Aus diesem Grund wurde auch auf unseren Druck hin die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 18 Monate verlängert, das Antragsverfahren vereinfacht und die Möglichkeit für Weiterbildungsmaßnahmen neu aufgenommen. Deswegen übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Beiträge zur Sozialversicherung während der Kurzarbeit zur Hälfte, bei gleichzeitiger Qualifizierung zu 100 %. Deshalb stellen wir zusätzliche Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen während der Kurzarbeit zur Verfügung und weiten bestehende Programme zur Weiterbildung – auch unabhängig von Kurzarbeit – deutlich aus.

Die verbesserte Kurzarbeitsregelung soll kleinen, mittleren, aber auch großen Unternehmen helfen, konjunkturell bedingte Nachfrageumsatzeinbrüche ohne Entlassungen zu überbrücken. Dabei bleibt wertvolles Know-how der Mitarbeiter erhalten und steht gegebenenfalls sofort wieder zur Verfügung.

Das Kurzarbeitergeld bietet für die Unternehmen noch weitere Vorteile gegenüber der Entlassung von Beschäftigten. Die Gehaltskosten werden sofort gesenkt. Später entfällt die Zeit und die kostenintensive Suche nach neuem geeignetem Personal, das dann auch noch eingearbeitet werden müsste.

Wenn man im Vorfeld die Ausbildungsplatzsituation und die Bewerbersituation sieht, und welche Anstrengungen die Unternehmen teilweise eingehen müssen, um qualifiziertes Personal zu finden, dann ist es wert, die Mitarbeiter im Unternehmen zu halten und dort entsprechend zu qualifizieren.

Aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren in dieser aktuellen Situation von einer Phase der Kurzarbeit, denn Kurzarbeit sichert ihre Arbeitsplätze. Darüber hinaus ermöglicht die Neuregelung, die freie Zeit für Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoll zu nutzen.

Weiterbildung und Qualifizierung dürfen aber nicht nur ein Thema in der Krise sein, denn nur durch Weiterbildung werden berufliche Qualifikationen erneuert und erweitert. Berufliche Weiterbildung und Qualifizierung müssen deshalb generell gestärkt werden. Deshalb hat meine Fraktion ein eigenes Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz erarbeitet; denn wir als Politik tragen hier Verantwortung, diese Instrumentarien weiterzuentwickeln. Gerade im künftigen Jahrzehnt müssen wir stärker in Bildung investieren. Lebenslanges Lernen darf keine Floskel bleiben. Ein Weiterbildungsgesetz wie fast in allen Bundesländern ist daher auch für Sachsen dringend notwendig.

Lieber Kollege Lehmann, ich würde es begrüßen, wenn Sie als unser Koalitionspartner auch Ihre sicherlich begrenzte Kraft hierfür einsetzen könnten, dies zu unterstützen.

Danke schön.