Protocol of the Session on March 11, 2009

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Danke schön. – Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf an zwei Ausschüsse zu überweisen: an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – federführend – und an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer folgt dieser Empfehlung? – Wer

folgt dieser Empfehlung nicht? – Wer enthält sich? – Danke schön, wir stellen Einstimmigkeit fest. Damit ist Tagesordnungspunkt 12 abgeschlossen.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 13

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Einrichtung und Führung eines Registers zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Bietern bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Zuverlässigkeitsüberprüfungsgesetz – SächsZuvÜG)

Drucksache 4/14736, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Der Entwurf wird von der Staatsregierung eingebracht. Auch zu diesem Tagesordnungspunkt schlägt das Präsidium keine allgemeine Aussprache vor. Ich erteile das Wort der Staatsministerin Frau Dr. Stange. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz klingt von der Überschrift her sehr umständlich. Es ist aber, so glaube ich, nicht so kompliziert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen, dass Aufträge der öffentlichen Hand in Sachsen nur an zuverlässige Unternehmen vergeben werden. Für die einzelne Vergabestelle ist es nicht immer leicht zu erkennen, ob derjenige, der ein Angebot abgegeben hat, früher einmal im Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe oder der Abrechnung einer vergebenen Leistung wegen einer Straftat verurteilt oder mit einem Bußgeld belegt worden ist. Das kann ein Indiz für die Unverlässigkeit eines Bieters sein. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass im SMWA ein zentrales Register eingerichtet werden soll, in das Daten über näher bestimmte Rechtsverstöße von Unternehmen und Unternehmern, die diese im Zusammenhang mit Vergabeverfahren begangen haben, eingetragen werden sollen.

Die sächsischen Vergabestellen werden verpflichtet, sich vor Auftragsverteilung zu erkundigen, ob der Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, in diesem Register eingetragen ist. Das Gesetz dient somit der Unterstützung der Vergabestellen bei der ihnen obliegenden Prüfung der Zuverlässigkeit eines Bieters.

Die Staatsregierung teilt die Auffassung, dass ein landesweites Register nur von eingeschränkter Wirkung ist. Eine Regelung auf Bundesebene wäre vorzuziehen. Der Bund hat diesbezüglich bekannt gegeben, dass er erst nach Abschluss der Novellierung des Vergaberechts die Erforderlichkeit eines bundesweiten Korruptionsregisters prüfen will. Folglich müssen wir auf Landesebene ein entsprechendes Register einrichten, um zumindest für die Vergabe sächsischer Aufträge Informationen über die Zuverlässigkeit von Bietern vorzuhalten.

Dieses Thema stand bereits vor gut einem Jahr auf der Tagesordnung des Landtages: Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte einen Gesetzentwurf zur

Verhinderung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung und zur Errichtung eines Korruptionsregisters eingebracht. Die Staatsregierung hatte seinerzeit betont, dass keinem mit einem Gesetz gedient sei, das zwar schnell erlassen, aber nicht rechtssicher sei.

Wir haben uns deshalb die Zeit genommen und intensiv diskutiert. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf enthält rechtssichere Regelungen und eine praktikablere Handhabung für den Umgang mit dem Register und den darin erfassten Daten. Ich denke, das kommt sicher auch der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entgegen.

Da in der vom SMWA durchgeführten Anhörung die Zunahme des Bürokratismus und ein zu hoher zusätzlicher Aufwand kritisiert wurden, wurde der Gesetzentwurf an einigen Stellen noch geändert. So müssen die Vergabestellen nicht mehr beim Register anfragen, ob derjenige Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, in dem Register auch eingetragen ist, sondern für die Vergabestellen genügt ein Blick auf den Internetauftritt des Wirtschaftsministeriums, auf dem die Information über die Zahl der eingetragenen Unternehmen veröffentlicht wird.

Solange in dem Register kein Unternehmen bzw. Unternehmer erfasst ist, hat dies den Vorteil, dass den Vergabestellen diese Information – sprich: kein Eintrag – auch ausreicht. Einer gesonderten Abfrage beim Register bedarf es dann nicht. Dies vermindert den Verwaltungsaufwand sowohl auf der Seite der Vergabestellen als auch auf der Seite des Registers.

Liegen Eintragungen im Register vor, wird neben der Zahl der eingetragenen Unternehmen lediglich die Branche oder das Geschäftsfeld, in dem das Unternehmen tätig ist, bekannt gegeben. Hierdurch werden einerseits – dies war ein Punkt – die datenschutzrechtlichen Belange gewahrt, andererseits können die Vergabestellen Aufträge aus anderen Branchen weiterhin ohne Abfrage bei dem Register vergeben. Nur bei Vergaben aus dem betreffenden Tätigkeitsfeld ist vor dem Zuschlag bei dem Register nachzufragen, ob derjenige Bieter, dem der Zuschlag erteilt werden soll, in dem Register eingetragen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenüber der Anhörungsfassung wurden auch die Vorschriften gestrichen, nach denen die Vergabestellen prüfen sollen, ob ein Betroffener dafür gesorgt hat, dass entsprechende Verstö

ße nicht mehr vorkommen können. Darüber hinaus ist auch die Regelung, dass eine vorzeitige Löschung erfolgen muss, wenn die Zuverlässigkeit als wiederhergestellt angesehen werden kann, nicht mehr enthalten. Durch diese Streichungen wird eine übermäßige Belastung der Vergabestellen vermieden. Der für die Vergabestellen verbleibende tatsächliche Aufwand wird danach als gering eingeschätzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschreiten mit dem Gesetzentwurf einen praktikablen und rechtssicheren Weg, auf dem uns der Bund hoffentlich in Kürze mit einem bundesweiten Korruptionsregister folgen wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie, dem Anliegen der Staatsregierung zu folgen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Wiederum schlägt das Präsidium vor, zwei Ausschüsse damit zu betrauen: – federführend – den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer diesem Vorschlag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Einstimmig ist diesem Vorschlag gefolgt worden, und die 1. Lesung ist ebenfalls beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Gleichstellung von Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsstörungen beim Lesen und Rechtschreiben (Legasthenie) oder Rechnen (Dyskalkulie) in Sachsen (Sächsisches Legasthenie- und Dyskalkuliegesetz – SächsLegaDysG)

Drucksache 4/14848, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auch hierzu ist keine allgemeine Aussprache vorgesehen. Frau Günther-Schmidt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schülerinnen und Schüler mit Legasthenie oder Dyskalkulie sehen sich in der Schule mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert, die im ungünstigsten Fall die gesamte schulische Ausbildung und damit auch die Chancen im späteren Leben beeinträchtigen können.

Das Europäische Parlament hat vor diesem Hintergrund im Oktober 2007 eine Erklärung angenommen, in der unter anderem die Anerkennung von Dysfunktionen als Behinderung gefordert wird. Der vorliegende Gesetzentwurf versucht diese Forderung nun für den Freistaat Sachsen umzusetzen. Uns ist sehr wohl bekannt, dass die Kultusministerkonferenz im November 2007 Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder im Rechnen beschlossen hat.

Ich sage Ihnen aber ganz offen: Wir halten diese Grundsätze für nicht ausreichend. Mehr noch: Sie stellen nach unserer Auffassung eine Fortsetzung der Diskriminierung von Legasthenikern und Dyskalkulikern dar. Unser Gesetzentwurf trägt der Tatsache Rechnung, dass sowohl Legasthenie als auch Dyskalkulie Behinderungen sind. Ich habe bewusst den Begriff Behinderungen gewählt. Normalerweise spreche ich von Lernbesonderheiten und werde es später auch wieder tun. Ich möchte jedoch hier deutlich zeigen, worum es geht.

Nach vorsichtigen Schätzungen des Bundesverbandes für Legasthenie und Dyskalkulie sind allein 4 % aller Schüle

rinnen und Schüler von Legasthenie betroffen. Das wären in Sachsen etwa 18 000 Schülerinnen und Schüler. Ich beziehe hier bewusst die Lernenden an Gymnasien und berufsbildenden Schulen ein; denn die Behinderung bleibt ja. Deshalb ist es auch unsinnig, wie die KMK empfiehlt, die Förderung mit der 10. Klasse zu beenden. Es ist anzunehmen, dass wir bei der Dyskalkulie von ähnlichen Zahlen ausgehen müssen, und es gibt keinen Anlass zu der optimistischen Annahme, dass es in Sachsen anders als bundesweit ist.

Legasthenie und Dyskalkulie sind beides Behinderungen. Diese Teilleistungsstörungen sind in der Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation klar umschrieben. Sie sind demnach auch von vorübergehenden Störungen wie Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche zu unterscheiden. Das heißt auch, sowohl die Legasthenie als auch die Dyskalkulie sind diagnostisch eindeutig erfassbar. Das bedeutet, dass für die Diagnostik entsprechend ausgebildete Fachkräfte herangezogen werden müssen.

Diesen Aspekt greifen wir in unserem Gesetzentwurf auf und schlagen ein zweistufiges Verfahren vor, bei dem der Facharzt zunächst die Diagnose erstellt und die Bildungsagentur danach unter Einbeziehung eines Schulpsychologen über deren Anerkennung entscheidet. Wir meinen, eine Diagnose kann nicht von Lehrerinnen und Lehrern erstellt werden. Das muss den Fachleuten vorbehalten bleiben. Aber wir wollen das System Schule dennoch einbeziehen.

Meine Damen und Herren! Bei dem Phänomen der Dyskalkulie beschreitet die Sächsische Staatsregierung im Einklang mit der Kultusministerkonferenz immer noch den Irrweg, diese Störung nicht als Behinderung anzuer

kennen. In dem oben genannten Papier der Kultusministerkonferenz ist nachzulesen, dass Ursachenentstehung und Ausprägung der Rechenstörung nicht hinreichend erforscht und abgesichert sind. Hier ignorieren die Kultusminister einfach gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Rechenstörung ist weltweit anerkannt, und die Tatsache, dass die Ursachen, wie bei vielen anderen Krankheitsbildern auch, noch nicht abschließend geklärt sind, darf nicht dazu führen, dass die Störung als solche nicht anerkannt wird. Infolgedessen werden auch die Rechte der Betroffenen geschmälert. Wir meinen, wenn eine entsprechende Diagnose gestellt ist, haben die Betroffenen einen Anspruch auf umfassende Förderung, Nachteilsausgleich und Notenschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir bisher erleben, ist allerdings, dass die Familien der betroffenen Kinder und Jugendlichen oftmals einen langen Leidensweg durchschreiten, bis sie, wenn überhaupt, die notwendigen Förderungen erhalten. Sie werden dann schon mal vom Mathematiklehrer als dumm hingestellt, oder es wird abgewiegelt, dass das nur vorübergehend sei und schon noch werden wird.

Das ist umso tragischer, als Schülerinnen und Schüler mit Legasthenie oder Dyskalkulie nicht minder intelligente Menschen sind. Sie können nur nicht lesen, schreiben und rechnen wie andere, oder sie brauchen dafür etwas längere Zeit oder eben andere Hilfen. Zeit ist ein wichtiger Faktor, deshalb brauchen sie einen Anspruch auf Nachteilsausgleich, und das darf eben nicht im Ermessen des Lehrers oder der Schulbehörde liegen. Darauf haben die Betroffenen einen Rechtsanspruch.

Was wir ebenfalls aus vielen Schilderungen wissen, ist die Tatsache, dass sich Betroffene in ihrer Not an die Jugendämter wenden müssen. Grundlage hierfür ist § 35a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Hierbei geht es allerdings um eine seelische Behinderung, und die Leistung, die erhofft wird, ist eine Eingliederungshilfe. Ich zitiere aus einem entsprechenden Gutachten, darin wird bescheinigt: „Aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht weicht M.’s seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand ab, sodass ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Damit hat M. Anspruch auf Eingliederungshilfe.“

Ich meine, das ist eine ganz schlimme Etikettierung, wenn einem jungen Menschen erst eine seelische Behinderung attestiert werden muss, damit er entsprechende Hilfen für den Umgang mit seiner Teilleistungsstörung erhoffen kann.

Natürlich wissen wir auch, dass aus dem gegenwärtigen Umgang mit Teilleistungsstörungen seelische Behinderungen erwachsen können. Ich finde, der klügere Weg wäre aber, das Kind gar nicht erst in diesen Brunnen fallen zu lassen.

Ein weiterer Aspekt ist hierbei, dass das Jugendamt in vielen Fällen diese Hilfe eben nicht gewährt und an die

Schule zurückverweist. So entsteht ein sehr leidvoller Kreislauf, den wir mit diesem Gesetzentwurf unterbrechen wollen, indem wir den Rechtsanspruch auf entsprechende Hilfen in das Schulgesetz hineinschreiben. Dort gehört er auch hin.

Meine Damen und Herren! Ich bin nach der Vorstellung unseres Gesetzentwurfes vor allem zwei Dinge gefragt worden: Erstens. Warum reichen Verwaltungsvorschriften und Empfehlungen nicht aus, die es in Sachsen gibt? Darauf gibt es eine ganz klare Antwort: Aus den Grundrechten, insbesondere Artikel 3 Grundgesetz, lassen sich ganz klare Rechte im Sinne der Gleichstellung von Legasthenikern und Dyskalkulikern ableiten, die derzeit nicht garantiert sind. Deshalb bedürfen die schulrechtlichen Regelungen, die in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig sind, einer klaren Überarbeitung, um Chancengleichheit zu gewähren und Diskriminierungen zu vermeiden.

Zweitens. Was kostet das? Es ist völlig klar, dass das, wenn man das Prinzip „Jeder zählt“ nicht nur als Phrase im Mund führt, sondern dabei wirklich an jeden denkt, nicht zum Nulltarif zu haben ist. Übrigens benötigen wir nicht nur wegen der Problematik der Teilleistungsstörungen, sondern auch insgesamt zur Unterstützung des sozialen Systems Schule mehr Schulpsychologen. Die Vereinten Nationen haben bereits in den Achtzigerjahren einen Schlüssel von 1 : 2 000 empfohlen. Bei uns kommen zurzeit circa 10 000 Schülerinnen und Schüler auf einen Schulpsychologen. Darüber hinaus brauchen wir eine bessere Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Bereich der Teilleistungsstörungen.

Meine Damen und Herren! Die von Legasthenie und Dyskalkulie Betroffenen brauchen unsere Unterstützung. Für beide Teilleistungsstörungen gibt es standardisierte Test- und Bewertungsverfahren, die es Fachleuten gestatten, eine objektive Diagnose zu treffen. Beide Teilleistungsstörungen müssen als Behinderung anerkannt werden. Sowohl bei der Legasthenie als auch bei der Dyskalkulie muss ein verbrieftes Recht auf Förderung her. Nachteilsausgleich und Notenschutz gehören dazu.

Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt und wir hoffen, dass er breite Zustimmung finden wird.