Protocol of the Session on January 21, 2009

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 13

Aufgaben und Strukturen des Ausschusses der Regionen

Drucksache 4/13100, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach folgen SPD, Linksfraktion, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile Herrn Schowtka das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele Stunden könnten wir darüber diskutieren, welches die Rolle Europas im 21. Jahrhundert ist und warum wir die Europäische Union brauchen. Die Kernelemente sind für uns die politische Stabilität, die Überwindung der Spaltung auf dem Kontinent, die Gewährleistung der Sicherheit unserer Bürger, die Förderung einer ausgewogenen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Wir müssen die Globalisierungsherausforderungen annehmen und angehen, die Vielfalt der Völker Europas wahren sowie die gemeinsamen Werte Europas verteidigen. Menschenrechte und soziale Marktwirtschaft, gesunde Umwelt und Lebensqualität können wir nur gemeinsam nachhaltig weiterentwickeln.

Die Bürgerinnen und Bürger fragen oft: Was habe ich denn von der Europäischen Union? Spürbar wird es durch die Reisemöglichkeiten, die Freizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit und das Aufenthaltsrecht innerhalb der Europäischen Union. Diese Rechte kann jeder Bürger in Anspruch nehmen.

Für mich ist aber am allerwichtigsten, dass wir seit über 60 Jahren Frieden haben, dass wir die bisher längste Friedensperiode in der Geschichte Mitteleuropas erleben dürfen, in dem Teil der Erde, von dem im vergangenen Jahrhundert die zwei furchtbarsten Kriege der Weltge

schichte ausgegangen sind. Welchen Wert über 60 Jahre Frieden darstellen, ist mir persönlich besonders bewusst geworden, als ich vor zehn Jahren die Plitvicer Wasserfälle in Kroatien besuchte und dabei durch Dörfer mit zerschossenen und ausgebrannten Häusern kam, in denen noch vor Kurzem Männer, Frauen und Kinder gelebt haben müssen. Das war mitten in Europa.

Allein dafür, dass wir das nicht mehr erleben müssen, lohnt sich der europäische Einigungsprozess – trotz aller Probleme und Widersprüche, mit denen wir es auch in Zukunft zu tun haben werden.

Frieden in Europa war das Hauptmotiv, das die Gründerväter der europäischen Einigung bewegte, sich über Gräben und Ruinen hinweg die Hände zu reichen. Gott sei Dank, dieser Friede ist heute Wirklichkeit in einem Europa der Regionen, einem Raum der Freiheit und des Rechts und nicht in einer sozialistischen Völkergemeinschaft der Panzer oder einem großdeutschen Reich der Konzentrationslager.

Ein entscheidender Aspekt für die Entwicklung des gemeinsamen Europas ist, dass nicht nur die Nationalstaaten, sondern auch immer mehr die Regionen in den Entscheidungsprozess eingebunden sind.

Meine Damen und Herren! Unter Regionen versteht man die einzelnen Territorien in den Staaten der Europäischen Union, deren Bevölkerung ethnische, sprachliche, kulturelle oder auch religiöse Gemeinsamkeiten hat. In der Bundesrepublik besitzen diese von der EU definierten Regionen sogar Staatsqualität. Wir haben die Bundesländer mit ihren Verfassungen und Regierungen, mit eigener

Gesetzgebung. Das ist in vielen Mitgliedsländern durchaus nicht der Fall.

Durch die europäische Integration sind auf dem Wege der Verlagerung von nationalstaatlichen Kompetenzen nach Brüssel eigene Entscheidungsbefugnisse geringer geworden. Dies verlangt, dass die Regionen ihre Interessen artikulieren und vertreten.

Es ist nichts Neues, das die Regionen in der Europäischen Union als eigenständige Akteure schon seit Jahrzehnten auftreten. Ich erinnere nur an die Pionierarbeit bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Mit Hilfe der 1987 gegründeten Versammlung der Regionen Europas versuchten die Regionen beispielsweise, ihre Interessen gegenüber ihren nationalen Regierungen, den internationalen Organisationen sowie gegenüber der damaligen Europäischen Gemeinschaft und dem Europarat durch transnationale Einrichtungen wahrzunehmen, und zwar durch Dialog, Kommunikation und Förderung der Kooperation zwischen den Regionen. Ziel war aber auch die Repräsentation der Regionen bei europäischen Institutionen sowie die Zusammenarbeit mit europäischen Vereinigungen lokaler Körperschaften.

Der Ausschuss der Regionen versteht sich als direkter Draht zwischen den Organen der EU und den Regionen. So wollten es die Staats- und Regierungschefs, als sie diese Institution im Maastrichter Vertrag beschlossen. Der Ausschuss der Regionen ist also ein Beratungsausschuss der Europäischen Union. Die Regionen und deren Bürger sollen stärker in den europäischen Einigungsprozess eingebunden werden.

Der Ausschuss der Regionen hat im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union zwar kein Mitentscheidungsrecht. Er wird aber in vielerlei Angelegenheiten, die die Regionen unmittelbar betreffen, angehört. Er ist ein beratendes Organ. Meine Damen und Herren, genau diese Mittlerfunktion des Ausschusses der Regionen zwischen Bürgern, Regionen und Institutionen der Europäischen Union interessiert uns.

Wie muss man sich den Einfluss der Stellungnahmen des AdR vorstellen? Wie gelingt es, die unterschiedlichen Interessen der Regionen in diesem Gremium zu bündeln? Welche Schwerpunkte der Arbeit liegen derzeit auf dem Tisch des Ausschusses der Regionen? Welche Rolle spielt dabei der Freistaat Sachsen, der einen der 24 Sitze Deutschlands von den insgesamt 344 Sitzen aller EUMitgliedsländer innehat?

Die CDU-Fraktion bezweckt mit diesem Antrag, die Arbeit des Ausschusses der Regionen innerhalb der Europäischen Union stärker zu beleuchten und seine Bedeutung herauszuarbeiten, damit der AdR kein eurotechnokratischer Begriff bleibt, mit dem nur sehr wenige etwas anzufangen wissen, sondern mit Leben erfüllt und für den Einzelnen vorstellbar wird.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Berichtsantrag der Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die SPD-Fraktion; Frau Abg. Weihnert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner, Peter Schowtka, hat schon einige wichtige Aufgaben benannt. Die wichtigste war der Erhalt des Friedens. Dem können wir uns nur anschließen, denn das ist wirklich ein ganz wichtiges Moment. Gleichzeitig hat er auch auf allgemeine Strukturen und Aufgaben des AdR verwiesen.

Lassen Sie mich mit einer Selbstkritik beginnen. Seitdem wir den Europaausschuss in dieser Legislatur aus guten Gründen neu geordnet und dem Ausschuss für Recht und Verfassung zugeordnet haben, sind die europapolitischen Themen sehr marginal behandelt worden. Das ist ein Stück, bei dem wir uns selbst an die Nase greifen und sagen müssen, das hätten wir besser machen können.

Eine wirkliche europapolitische Debatte hat also sehr selten in diesem Landtag in dieser Legislatur stattgefunden, obwohl wir die besondere Lage zu Polen und Tschechien haben. Natürlich haben wir Querschnittsthemen, wie die Strukturfonds oder die Energiepolitik, aufgegriffen. Dabei sind europapolitische Fragen im Querschnitt angesprochen worden.

Aber wie ist es mit der Berichterstattung der Staatsregierung zu europapolitischen Fragen, in denen sie das Land und den Landtag vertritt? Ich muss gestehen, die von mir gestellten Anfragen sind mir in der Art, wie Sie mir beantwortet wurden – ich würde eine Antwort daraus zitieren –, das erste Mal in diesem Landtag begegnet: „Die Sächsische Staatsregierung nimmt ihren verfassungsrechtlichen Auftrag wahr, den Sächsischen Landtag über ihre Tätigkeit insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.“

(Michael Weichert, GRÜNE: Hört, hört!)

Eine solche Antwort hatten wir, glaube ich, zu europapolitischen Fragen in diesem Landtag bisher noch nicht gehabt.

Auf eine zweite Frage zu dieser gleichen Anfrage wird mir geschrieben: „Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission, welches sowohl im Internet einsehbar ist, wird auch im Amtsblatt veröffentlicht.“ Schön, das weiß ich. Das habe ich auch nicht erfragt. „Dieses Arbeitsprogramm legt sie Parlament, Rat und beratenden Ausschüssen vor.“ Das ist völlig korrekt dargelegt. Allerdings im nächsten Satz kommt es dann: Die Sächsische Staatsregierung hat das vorgelegte Programm ausgewertet und sich insbesondere der aus sächsischer Sicht bedeutsamen Vorhaben angenommen, die dann in einigen Anstrichen benannt werden. Ich hätte wohl sehr starkes Interesse daran gehabt zu wissen – und nicht nur ich, soviel ich weiß –, was die Staatsregierung zu diesen einzelnen Punkten benannt hat.

(Beifall des Abg. Heiko Kosel, Linksfraktion)

Das ist aus meiner Sicht eine sehr eigene Informationspolitik gegenüber dem Sächsischen Landtag. Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt!

Ich schaue zu unseren Nachbarn nach Sachsen-Anhalt. Wie geht man dort mit europapolitischen Fragen um? Der zuständige Vertreter, auch wenn er aus der Staatskanzlei kommt, berichtet vierteljährlich ohne Aufforderung dem zuständigen Ausschuss. Es gibt dort ein Landesinformationsgesetz einschließlich einer Informationsvereinbarung, insbesondere zu europapolitischen Fragen. Dies sollte sich vielleicht der nächste Landtag in Sachsen näher anschauen und vornehmen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Die Stellungnahmen der Staatskanzlei, die sie im Namen des Landes gegenüber dem AdR abgibt, sind im Volltext durch die MdL einsehbar. Die Partei, die dort regiert, ist sehr nah der Mehrheitsfraktion bei uns. Darauf könnten wir einmal schauen.

Die Situation in Sachsen: Sachsen hat dieses Mal im AdR einen Sitz mit einem Stellvertreter. Nachdem Herrmann Winkler nicht mehr Chef der Staatskanzlei ist – sein Stellvertreter war der ehemalige Ministerpräsident –, haben wir zwei Parlamentarier, die dort vertreten sind; denn noch stehen sie im Internet und ich gehe davon aus, dass dies noch aktuell ist. Oder hat sich das geändert und wurde uns nur durch Zufall oder aus Versehen nicht mitgeteilt?

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Keine Ahnung; ich gehe davon aus, dass die Staatskanzlei heute dazu berichtet. Was wäre denn wichtig zu wissen? Wer hat denn wann teilgenommen? Wer hat zu welchen Themen Bericht erstattet? In welchen der sechs Fachkommissionen, die man ebenfalls im Internet findet, oder bei dem Monitoring war Sachsen zuständig? Wo sind wir selbst – als Freistaat Sachsen – zuständig gewesen? Auch hier, das muss ich deutlich sagen, genügt uns die Antwort, die dem Parlament und uns gegeben wird, nicht.

Auf meine zweite Kleine Anfrage wird gesagt: „Die Sächsische Staatsregierung bereitet die Einbeziehung des Sächsischen Landtages in das Subsidiaritätsfrühwarnsystem vor und wird dazu rechtzeitig Gespräche mit dem Landtag aufnehmen.“ Vielleicht kann uns heute die Staatsregierung verraten, wann aus ihrer Sicht rechtzeitig die Gespräche aufgenommen werden?

Wir freuen uns, dass dieses Thema in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit weiter behandelt werden soll. Wir würden allerdings gern wissen, wie sich aus Sicht der Staatskanzlei diese vertrauensvolle Zusammenarbeit gestalten wird. So, wie sie momentan gestaltet wird, kann es sicher nicht gehen.

(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Auf diese zwei Stellungnahmen – ich habe nur aus meinen beiden Kleinen Anfragen zitiert, die mir vorliegen –, muss ich sagen – und da komme ich wieder zum Anfang

zurück –: Wir als Parlament müssen selbstkritischer damit umgehen.

Ich kann vielleicht denjenigen empfehlen, die zukünftig wieder im Landtag sein werden, dass man sich in der 5. Landtagslegislatur mit dem Thema Europa offensiver auseinandersetzt, dieses Thema mehr auf die Agenda des Landtages gesetzt wird und dass sich der zukünftige Landtag darauf einigt, dass ein Vertreter des Sächsischen Landtages in diesen Ausschuss geht. Dieser sollte dann bei uns berichten, damit eine hautnahe und bessere Anbindung gegeben ist.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Die Linksfraktion; Herr Kosel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie kennen das sicher auch: Es gibt Momente, da grübelt man so vor sich hin und fragt sich: Was macht eigentlich – na, sagen wir mal – der Ausschuss der Regionen?

So zumindest schien mir beim ersten Lesen des vorliegenden Antrages der Koalitionsfraktionen die Gemütslage bei den Fraktionen von CDU und SPD gewesen zu sein, die sich plötzlich für Aufgaben, Strukturen, Einfluss, derzeitige inhaltliche Schwerpunkte des AdR sowie dessen Mittlerfunktion zwischen Bürgern, Regionen und Institutionen der EU interessierten. Dabei stellte sich mir schon die Frage, warum die Koalitionsfraktionen von der Staatsregierung einen Bericht zu eng begrenzten Themen einfordern, zu denen sich jede und jeder im Internet, zum Beispiel auf den Seiten der EU, des AdR selbst, bei Wikipedia und auch des Freistaates Sachsen informieren kann. Auch die Newsletter aus dem SachsenVerbindungsbüro Brüssel können sehr hilfreich sein oder einfach nur ein Gespräch mit den zwei sächsischen Vertretern im AdR, die übrigens beide laut Internetseite der CDU angehören, aber heute bisher zu diesem Thema nicht gesprochen haben.

Seinem eigentlichen Wortlaut nach macht der vorliegende Antrag daher nicht viel Sinn. Sinnvoll wäre es hingegen, hier im Hohen Hause einen Bericht über die Tätigkeit der sächsischen Vertreter im AdR abzugeben. Wir von der Linksfraktion haben gehofft, dass die Debatte zum vorliegenden Antrag von der CDU-Fraktion als Chance hierzu genutzt wird. Das ist leider – trotz vieler Worte, von denen manche auch gut gemeint waren – nicht geschehen und offenbart somit einen der zentralen Mängel der sächsischen Europapolitik, nämlich die unverantwortlichen Transparenzdefizite der Sächsischen Staatsregierung gegenüber dem Landtag.

Diese Transparenzdefizite haben sich unbestreitbar mit der 2004 erfolgten, seinerzeit allein von der Linken kritisierten Auflösung des eigenständigen Europaausschusses des Sächsischen Landtages verstärkt. Hier ist für