Protocol of the Session on January 21, 2009

Tagesordnungspunkt 14

Erfolgreiche Modellversuche zu Ganztagsschulen in Sachsen in reguläre Ganztagsschulen überführen

Drucksache 4/14362, Antrag der Linksfraktion

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die Linksfraktion und es folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Bitte, Frau Abg. Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erfolg verpflichtet zur Kürzung, das ist die Überschrift eines Briefes, den übrigens alle Fraktionen hier im Sächsischen Landtag von Lehrerinnen und Lehrern eines Gymnasiums in Markkleeberg erhalten haben, in dem die Lehrer sich über die Kürzung der Lehrerstunden im Ganztagsangebot beschweren. Ich möchte es etwas tiefgründiger benennen.

Auf Bundesebene wurde mit dem Schuljahresbeginn 2003/2004 ein Modellversuch von Ganztagsschulen gestartet und eingeführt. Sachsen, damals noch alleinregiert, beteiligte sich an diesem Projekt mit nur zehn Schulen. Wenn es nicht alleinregiert gewesen wäre, wären es sicher mehr Schulen gewesen. Davon sind sieben Mittelschulen und drei Gymnasien. Sie verteilten sich in ganz Sachsen folgendermaßen: je zwei Schulen in den regionalen Bereichen von Bautzen, Leipzig und Zwickau, eine Schule im Bereich Chemnitz und drei Schulen im Bereich Dresden.

Das Ergebnis aus dem Modellversuch zeigt, dass besonders schwächere Schülerinnen und Schüler von den sinnvollen Ganztagsangeboten profitieren. Das ist ja ein Thema, das wir in Sachsen unbedingt im Schulbereich bedienen müssen. Jedoch das Angebot lediglich von Arbeitsgemeinschaften führt nicht unbedingt zu einer Leistungssteigerung. Das sind Ergebnisse aus diesem Modellversuch.

Es kommt nicht darauf an, die Schüler nur zu beschäftigen, sondern es kommt darauf an, die Schüler zu fördern. Dieses Projekt wurde durch die TU Dresden wissenschaftlich begleitet. Das war übrigens eine Forderung vom Bund. Ich weiß nicht, ob der Freistaat Sachsen es sonst gemacht hätte.

Die Erwartungen der Eltern, wie zum Beispiel erweiterte Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten, Hausaufgabenhilfen und sinnvolle Freizeitbeschäftigungen, wurden in diesem Modellversuch erfüllt.

Die Mittel aus dem Bundesprogramm standen für investive Maßnahmen zur Verfügung. Die personelle Absiche

rung musste der Freistaat realisieren. Diese zehn Schulen erhielten zusätzliches Lehrerpersonal.

Das Bundesprojekt ist ausgelaufen. Seit diesem Schuljahr müssen sich die zehn Schulen in das Landesprojekt „Ganztagsangebote“ eingliedern. Die sehr guten Ergebnisse dieser Schulen werden nun wieder heruntergefahren, denn das Landesprojekt stellt weniger Personal zur Verfügung, als im Bundesprojekt gefordert.

Ich möchte Ihnen einige Beispiele der guten Ergebnisse an diesem Gymnasium in Markkleeberg nennen. An diesem Gymnasium in Markkleeberg haben durch das Ganztagsangebot „Ganztagsschule“ 29,1 % der Schülerinnen und Schüler die Note in Mathematik verbessert und sogar 81,9 % die Note in Deutsch. Das sind klare Ergebnisse für gute Ganztagsschulen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Auch an den Mittelschulen gibt es Erfolge. Die Schulen sagen, wir haben fast keine Hauptschüler mehr. Das ist doch einmal eine Aussage, die es sich lohnt auf der Zunge zergehen zu lassen und dafür etwas zu tun.

Vor allem das Lehrerpersonal wurde an diesen zehn Schulen gekürzt. Aber genau das sind doch die Personen, die für die individuelle Förderung an den Schulen zur Verfügung stehen müssen. In Markkleeberg sind es vier ganze Lehrerstellen. Das sind 104 Stunden, die für das Ganztagsprojekt fehlen. Zurzeit versucht diese und auch andere Schulen, über den Ergänzungsbereich die fehlenden Stunden für die Ganztagsangebote auszugleichen, was natürlich nicht funktioniert, denn der Ergänzungsbereich ist für andere Bereiche vorgesehen und nicht für die Ganztagsangebote.

Als einen ganz besonderen Hohn empfinde ich und auch die Kollegen an der Schule die Aussage des Kultusministeriums, die Schule habe ja einen hundertprozentigen Ergänzungsbereich bekommen. Demzufolge sollten sie doch zufrieden sein.

Ja, natürlich hat es eine positive Entwicklung in Sachsen, bezogen auf die Ganztagsangebote, gegeben. Das wollen wir als Linksfraktion gar nicht bestreiten. Auch sind endlich, seitdem die SPD mit in der Regierung ist, zusätzliche Mittel für die Ganztagsangebote eingestellt worden. Das ist positiv, aber es reicht für das, was wir an Problemen an sächsischen Schulen haben, nicht aus. Arbeitsgemeinschaften allein reichen nicht aus. Wir brauchen die

individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern, und das lässt sich im Ganztagsschulbereich sehr gut realisieren.

Die Streichung von Ganztagsangeboten ist zurzeit im Freistaat Sachsen gang und gäbe. Es werden die Hilfen für die Hausaufgaben gestrichen. Es werden Ganztagsstunden gestrichen. Es werden Fördergruppen zusammengelegt. Was dann noch eine individuelle Förderung soll, weiß ich nicht. Sie wissen – Sie kennen es aus den Medien und ich hoffe aus den Schulen vor Ort aus Ihren Wahlkreisen –, dass gerade der Unterrichtsausfall zurzeit wieder massiv gestiegen ist.

Die Ganztagsangebote und auch die individuelle Förderung zu streichen ist nicht die Lösung, wenn es um Unterrichtsausfall geht, im Gegenteil.

Ich frage Sie, Herr Prof. Wöller: Was machen Sie eigentlich mit dem pädagogischen Plus? An den Mittelschulen und Gymnasien soll es das doch geben. Nach den Statistiken, die wir im Schulausschuss vorgelegt bekommen haben, gibt es davon sogar massiv viele. Ich frage Sie: Was machen Sie? Oder stimmen Ihre Statistiken nicht, oder was ist los?

Ab dem zweiten Schulhalbjahr gehen zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer in die Ruhephase der Altersteilzeit. Das ist Ihnen bekannt, auch, dass es einen Krankenstand im Freistaat Sachsen gibt. Dieser ist natürlich hier und da unterschiedlich, aber es gibt ihn. Das ist Ihnen eindeutig bekannt.

Die Streichung der Ganztagsangebote können wir als Linksfraktion so nicht hinnehmen, weil gerade die Schüler mit Leistungsschwächen davon profitieren, wie dieses Ganztagsschulprojekt eindeutig nachgewiesen hat.

Die Linksfraktion hat in der Haushaltsdiskussion weitreichende Vorschläge gemacht, Ganztagsschulen einzurichten. Auch die Kollegen der FDP und die Kollegen der GRÜNEN haben in der Haushaltsdiskussion maßgebliche Anträge eingebracht. Diese haben Sie abgelehnt. Ich gehe davon aus, dass die Kollegen der SPD mit Ihrem bildungspolitischen Anspruch die Einführung von Ganztagsschulen nicht wirklich verhindern wollen. Ich gehe aber auch davon aus, dass Sie heute wieder artig sind. Wir fordern Sie trotzdem auf, unserem Antrag zuzustimmen, um gerade den schwächeren Schülern an unseren sächsischen Schulen eine weitere Chance zu geben. Das Niveau, das die zehn Schulen im Bundesganztagsprojekt erreicht haben, muss wiederhergestellt werden. Wir fordern Sie heute auf, umgehend dieses Lehrerpersonal zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war die einreichende Fraktion. Für die CDU spricht Herr Abg. Colditz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen hier wieder zu einer Diskussion, die wir schon an anderer Stelle sehr umfangreich

geführt haben, nämlich über die Organisationsform der Ganztagsschule und über schulische Lernformen.

Meine Damen und Herren! Frau Falken, wir haben uns dafür entschieden, in den letzten Jahren flächendeckend Angebotsstrukturen zu etablieren. Davon ist bedauerlicherweise in Ihrem Beitrag überhaupt nicht die Rede gewesen. Sie haben sich lediglich auf die Modellschulen mit ihrer gebundenen Form beschränkt. Das ist typisch für Ihre Argumentation. Die Modellschulen sind in diesem Konzept anders strukturiert worden.

Meine Damen und Herren, sie haben mit ihrer inhaltlichen Ausgestaltung unseren Ganztagsangeboten wichtige Impulse gegeben. Es war aber nie die Rede davon, Frau Falken, diese Organisationsform zu verallgemeinern. Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag der Linksfraktion ist – wieder einmal – ein neuerlicher Versuch, positive Entwicklungen innerhalb unseres Schulsystems zu leugnen und mit platten, ideologisch determinierten Vorstellungen oder aber mit Vorgaben aus irgendwelchen Personalratsrunden zu unterlaufen.

Meine Damen und Herren! Ihnen geht es nicht darum, vorhandene, qualitativ hochwertige und unterrichtsergänzende schulische Angebote in ihrer Wirksamkeit tatsächlich zu bewerten und anzuerkennen.

Sie lassen sich demgegenüber und völlig undifferenziert von der scheinbar besseren Wirkung gebundener Ganztagsbeschulung leiten. Dazu müssen sogar wissenschaftliche Bewertungen zu den bereits analysierten Ganztagsangeboten fleißig geleugnet werden. Bei solch einer engstirnigen Sicht auf die Entwicklungen muss Ihre Argumentation natürlich ins Leere laufen. Hauptargument für Ihre Forderung nach geschlossenen oder gebundenen Formen von Ganztagsschulen ist die Ihrer Meinung nach bessere Möglichkeit der Rhythmisierung des Unterrichts und der damit scheinbar besser zu realisierenden Wirksamkeit auf den Unterricht. Ganztagsangeboten sprechen Sie diese Wirksamkeit ganz einfach ab. Dies tun Sie offensichtlich, ohne einen Blick auf die Angebote zu werfen und sie zu analysieren, sonst kämen Sie nämlich zu einer anderen Bewertung, liebe Frau Falken.

Natürlich stehen unsere in breiter Form realisierten Angebote in engem Zusammenhang mit dem üblichen Unterrichtsangebot und ergänzen und bereichern es. Es geht doch um weit mehr als um unterrichtsergänzende Freizeitbeschäftigung und das Vorhalten von Arbeitsgemeinschaften. Schauen Sie sich doch einmal die Situation vor Ort an den Schulen an und was dort wirklich angeboten wird. Zu behaupten, dass sich Ganztagsangebote auf unterrichtsergänzende Freizeitbeschäftigungen beschränken, ist blanker Unsinn und zeugt letztlich nur von Unwissenheit darüber, was im Rahmen von Ganztagsangeboten landesweit tatsächlich stattfindet. Ich kann und will Ihnen eine gewissenhaftere Analyse nicht ersparen, zumindest aber stichpunktartig einen Blick in die Angebotspalette für Ganztagsangebote an unseren Schulen geben.

Dort sind Angebote für leistungsschwache und leistungsstarke Schüler, differenzierter Förderunterricht, Hausaufgabenbetreuung, Schulung von Methoden und Arbeitstechniken, musisch-kulturelle Angebote, mathematischnaturwissenschaftliche Angebote, sportliche und bewegungsorientierte Angebote, Gesundheits-, Umwelt- und Werteerziehung usw., usf. enthalten. Als wertvolle Kooperationspartner stehen außerschulische Einrichtungen zur Verfügung. Wir wollen daran festhalten, dass die Schulen in eigener Verantwortung diese Zusammenarbeit suchen und weiter inhaltlich ausgestalten.

Demgegenüber kann man Ihrem zentralistisch gesteuerten Ansatz von oben beim besten Willen nicht folgen, umso weniger dann, meine Damen und Herren, wenn damit Kreativität vor Ort eingeschränkt und positive Entwicklungen der Vergangenheit infrage gestellt werden. Noch deutlicher wird die inhaltliche Verflechtung von normalem Unterrichtsgeschehen und Ganztagsangeboten, wenn man sich die förderfähigen Module einmal anschaut. Das würde ich Ihnen einmal dringend empfehlen, Frau Falken. Sie haben doch noch nicht einmal die Förderrichtlinie für Ganztagsangebote gelesen.

(Widerspruch bei der Linksfraktion – Cornelia Falken, Linksfraktion: Aber selbstverständlich!)

Sie kennen nicht einmal die Module, die dort beschrieben sind. Es gibt dort ein Modul 3 als Angebot für den schulischen Freizeitbereich. Es gibt aber auch ein Modul 1 als Basismodul zur leistungsdifferenzierten Förderung und Forderung, in Ihren Augen sicherlich Teufelszeug mit Blick auf das differenzierte Schulsystem, aber dieses Modul ist sehr hoch wirksam. Es gibt weiterhin das Modul 2 mit unterrichtsergänzenden Angeboten und Projekten. Weil Sie es offensichtlich bislang nicht getan haben, will ich Ihnen die inhaltliche Ausrichtung zumindest dieser beiden Module noch einmal in Erinnerung bringen.

Dort heißt es nämlich: „Angebote zur leistungsdifferenzierten Förderung und Forderung. Vielfältige zusätzliche Lernangebote richten sich an leistungsschwache und leistungsstarke Schüler. Sie werden sowohl inhaltlich als auch didaktisch-methodisch entsprechend der unterschiedlichen Lern- und Leistungsvoraussetzungen der Schüler gestaltet. Die Angebote bauen Defizite ab und zeigen Möglichkeiten und Potenziale für weitere Entwicklungswege. Die Unterstützung beruht auf diagnostischer Grundlage und ist individuell, partnerorientiert, gruppenbezogen oder themenorientiert ausgerichtet. Die Angebote sollen über die Hausaufgabenbetreuung und den Förderunterricht hinausgehen. Sie dienen auch dem Ziel, Schüler beim eventuellen Wechsel des Bildungsganges zu unterstützen.“

Meine Damen und Herren! Was hat das mit dem Vorhalten von Arbeitsgemeinschaften zu tun, wie Sie das im Prinzip darstellen, Frau Falken? Das ist beim besten Willen nicht nachvollziehbar.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU)

Meine Damen und Herren! Die hier unter anderem zur Diskussion stehenden zehn Ganztagsschulen in gebundener Form wurden zusammen mit der Einführung von Ganztagsangeboten vor fünf Jahren als Modellschulen installiert, auch vor dem Hintergrund, dass zunächst der Bund die Möglichkeit ein Stück weit verschlossen hat, offene Angebote einzurichten und damit auf den Erfahrungen aufzubauen, die wir bereits im Rahmen der Schuljugendarbeit gemacht haben. Damit war die Grundlage gegeben, ganztagsschulische Angebote in ihrer Wirkung auf die Entwicklung unserer Schullandschaft zu überprüfen und zu verallgemeinern, und dies ist auch geschehen. Nicht zuletzt sind Erfahrungen dieser Modellschulen in die Richtlinie Ganztagsangebote eingeflossen und haben diese auch inhaltlich qualifiziert. Den zehn betroffenen Modellschulen war frühzeitig signalisiert worden, dass sich nach Abschluss der Modellphase die Regelförderung für diese Einrichtungen einstellt. Dies bedeutet aber keinen Abbruch dieses Angebots. Ob dies allerdings flächendeckend und zentral verordnet geschehen soll, will ich an dieser Stelle durchaus verneinen.

Wir halten daran fest, dass sowohl die äußere Organisationsform als auch die inhaltliche Ausgestaltung weiter in der Verantwortung vor Ort liegen. Zudem kann man wohl auch nicht außer Acht lassen, dass 80 %, meine Damen und Herren, 80 % der Betroffenen, nämlich Schüler, Lehrer und Eltern, mit den vorhandenen Angeboten sehr zufrieden sind. Was die Präferenz der Organisationsmodelle anbelangt, meine Damen und Herren, Frau Falken, gibt es lediglich eine Zustimmung von circa 12 %, die eine gebundene Form bevorzugen, demgegenüber aber 76 % Zustimmung für offene und teilweise gebundene Formen der Ganztagsangebote.

Meine Damen und Herren! Wir sehen also keinen Anlass und auch keinen Handlungsbedarf, dem Antrag der Linksfraktion zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Ich rufe die SPDFraktion auf, heute vertreten durch Herrn Prof. Weiss.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Tja, so ist das mit Modellversuchen, die nicht ganz ernst gemeint sind. Sie sind eben gerade nicht verallgemeinerungsfähig. Das ist natürlich bitter für alle die, die sich engagiert und hoffnungsfroh auf den Weg zur Ganztagsschule gemacht hatten.

Bevor ich zum Antragsbegehren der Linken direkt Stellung nehme, muss ich ein paar historisierende Bemerkungen zu diesen speziellen Modellversuchen machen, die ja in der vorigen Legislaturperiode gestartet wurden, und zwar in einem politischen Klima, in welchem nach Meinung der damals noch alleinregierenden CDU Ganz

tagsschulen doch eher des Teufels waren. Allerdings kam die CDU mit dieser Haltung langsam unter Druck,