Protocol of the Session on November 13, 2008

Eine vielleicht immer noch zu große Anzahl von Rechtsverordnungen, meine Damen und Herren, entscheidet nicht über die Qualität der Lehre und Forschung, denn die entscheidenden Voraussetzungen dafür regelt das Gesetz in der Einheit von Entwurf und Änderungsanträgen. Weil das so ist, sind für mich viele studentische Positionen schwer nachvollziehbar.

Ich habe von den hochschulpolitisch agierenden Studierenden viele Statements und entsprechende Appelle an ihre Kommilitonen gelesen und gehört. Aber noch nie habe ich davon gehört oder gelesen – und schon gar nicht im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf –, dass jede Studentenpersönlichkeit gut beraten ist, wenn sie in der Regelstudienzeit und mit der Absicht bestmöglicher Studienergebnisse studiert.

(Beifall bei der CDU)

So bleibt das Verhalten dieser Hochschulgruppe unverständlich, wenn man Folgendes bedenkt: Erstens hat der Regierungsentwurf sehr genau darauf geachtet, dass die Studierenden in allen Gremien ihre Mitwirkungsrechte wahrnehmen können, vor allem in den Fakultäten oder bei der Lehrevaluation. Andererseits hat die Koalition zahlreiche Wünsche der KSS, also der Konferenz Sächsischer Studenten, aufgegriffen, die sie mir Anfang August in einem Gespräch vorgetragen haben. Wir haben sie in die Änderungsanträge der Koalition aufgenommen, so zum Beispiel Regelungen zum Studentenwerk, zur Wahl des Gleichstellungsbeauftragten, bei der Wahl des Studiendekans oder dem vereinheitlichten Wahltermin für die Studentenräte in Sachsen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das hebt die Qualität!)

Von Ihrer Fraktion habe ich mal vernommen, wie Sie sich Wünschen der KSS angenommen hätten. Das war vor anderthalb Jahren. Das hat dieser Landtag abgelehnt, weil es uns nicht weiterhilft.

Verlautbarungen der KSS jedoch – und das geht letztlich über gestern bis heute; noch heute konnte ich in einer Zeitung lesen, dass dieses Gesetz die „geplante Entdemokratisierung der Hochschulen“ sei – lassen kein gutes Haar an dem Gesetz.

(Beifall der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Besonders abartig waren die Äußerungen des Leipziger Studentensprechers, wie sie im Februar dieses Jahres in der „LVZ“ nachzulesen waren. Dieses Gesetz sei seitenweiser Unsinn. Es sei die Aushöhlung der Hochschuldemokratie – jetzt dürfen Sie wieder klatschen, Herr Porsch – und der Senat verkommt zur Schreibstube.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist zu abartig!)

Vielleicht meinen die Protagonisten, dass sie cool sind. Ich finde das Verhalten eines Teils dieses landesweiten Gremiums im Hinblick auf die Hochschulgesetzesnovelle, nachdem ich auch noch einmal berichtet habe, dass der Gesetzentwurf ihre Mitwirkung in jeder Stelle und in jeder Facette berücksichtigt und dass die Koalition ihre Wünsche transportiert hat, eher peinlich.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen hat die KSS uns bei ihrer letzten Demo im Juni einen Forderungskatalog von vier Punkten übergeben. Ihre Forderungen waren: erstens gebührenfreies Studium, zweitens uneingeschränkter Hochschulzugang, drittens Sicherstellung von demokratischen Entscheidungsstrukturen.

Ich kann feststellen – und jeder gutwillige Abgeordnete kann sich dem eigentlich anschließen –, dass diese drei Grundforderungen prinzipiell erfüllt sind.

Der vierte Punkt, nämlich die Ablehnung einer Arbeitgeberfunktion für eine Universität, wird unerfüllt bleiben. Wenn man wirklich zukunftsfähige Modelle erproben will, dann ist das Pilotprojekt für die TU Dresden, bei dem für einen Teil der Beschäftigten die Arbeitgeberfunktion durch die Hochschule übernommen werden kann, ein erster bescheidener Versuch, in Sachsen eigene Erfahrungen für ein eigenständiges Personalmanagement zu sammeln.

(Beifall bei der CDU)

Damit ist der § 104 ein hoffnungsvolles Modellprojekt, dem durchaus hohe Hürden vorgeschaltet sind, um es umzusetzen. Deshalb hat das Projekt die harsche Kritik der Gewerkschaften nicht verdient.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns an dieser Stelle eine erste Bilanz ziehen. Der vorliegende Gesetzentwurf mit seinen Ergänzungen bringt den sächsischen Universitäten und Hochschulen im Vergleich zum gültigen Gesetz Gewinne an Autonomie und Flexibilität und damit Wettbewerbsfähigkeit. Besonders die vergrößerte Personal- und Organisationsautonomie ist zu betonen. Es werden neue Führungsstrukturen geschaffen, und zwar solche, welche raschere Handlungsentscheidungen ermöglichen, die aber auch den Wunsch nach breiter demokratischer Teilhabe aller Mitgliedergruppen berücksichtigen.

Insofern ist es ein guter Tag für die sächsischen Hochschulen, wenn wir morgen diesem Gesetz zustimmen und wenn es am 01.01.2009 in seinem ausgewogenen Instrumentarium an hochschulfreundlichen Regelungen endgültig in Kraft treten kann.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile das Wort der Linksfraktion; Frau Werner, bitte.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon vor über vier Jahren verständigte sich die CDU-/SPD-Koalition auf ein neues Hochschulgesetz für Sachsen.

Herr Mannsfeld, ich weiß, Sie wollen das Folgende nicht gern hören, sicher, weil Sie die etwas undankbare Aufgabe hatten, diese traurige Geschichte zum Abschluss zu führen. Doch bei den nebulösen Formulierungen im Koalitionsvertrag war die Erarbeitung – und das müssen Sie sich anhören – des gemeinsamen Gesetzes von Fehlleistungen, Unterstellungen, Forderungen, Machtgerangel, Kräftemessen usw. getragen. Die verschiedenen Arbeitsentwürfe fielen immer wieder durch, wurden vom Tisch geschoben, verwässert usw.

Nun legen Sie uns heute ein Gesetz vor, das handwerklich schlecht gearbeitet und verfassungsrechtlich bedenklich ist.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Herr Mannsfeld, Sie haben durchaus meinen Respekt, denn durch Ihr Agieren kam tatsächlich noch etwas Bewegung in diese Sache. Aber im letzten Moment lassen sich nur noch wenige Dinge wirklich heilen.

Nun haben wir Unzufriedenheit auf allen Seiten: bei einigen CDU-Abgeordneten, weil ihnen im Gesetz Studiengebühren fehlen oder die Autonomie nicht weit genug geht. Wir haben Unzufriedenheit bei der SPD, denn es findet sich aus meiner Sicht kaum sozialdemokratische Handschrift. Wir haben eine frustrierte SPD-Linke; denn wichtigste hochschulpolitische Forderungen, die vor dem Wahlkampf gestellt wurden, werden nicht erfüllt. Arbeitnehmerrechte finden sich auch nicht mehr vollständig wieder. Und für all das hat die SPD dann auch noch ihren Fraktionsvorsitzenden, einen Rektor a. D., geopfert.

Wir haben Hochschulen, die mit diesem Stückwerk leben sollen. Die Krönung ist dann der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Flath, dem dazu im Radio nichts anderes einfiel als zu sagen: Wenn alle unzufrieden sind, dann muss das Gesetz doch gut sein. – Wir verlangen da schon etwas mehr Ernsthaftigkeit.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das zeugt von hohem Niveau!)

Die Geschichte kann ich Ihnen nicht ganz ersparen, denn alles Übel lag natürlich am Anfang. Es war aus unserer

Sicht schon grotesk, dass sich die erste SPD-Wissenschaftsministerin den Sachverstand eben nicht bei ihren SPD-Hochschulaktivisten holte, sondern sich durch ihr CDU-regiertes Ministerium ein Gesetz schreiben ließ und sich vorher ausgerechnet beim CHE, ein von der Bertelsmann-Stiftung finanziertes Denkwerk, beraten ließ; ausgerechnet von Bertelsmann, einem Unternehmen, das selbst an der Privatisierung und Kommerzialisierung von Bildung verdient. Statt eines sozialdemokratischen Entwurfes gab es im Prinzip einen CDU-Entwurf, der von anderen zum Teil als trivial-ökonomisch und entdemokratisierend bezeichnet wurde.

Nach weiteren sogenannten Arbeitsentwürfen liegt nun der letzte Entwurf vor. Dieser wurde im Hauruckverfahren angehört und in Bereinigungssitzungen geändert und wir haben dieses unausgegorene Gesetz, dem man die Kompromissgeschichte ansieht.

Leider ist das Gesetz nicht weniger autoritär und technokratisch als am Anfang, und das verwundert nicht: Stammt es doch noch aus der Ära Milbradt, dem jedes Mittel recht und kein Bereich heilig genug war, um es nicht doch dem Markt zu unterwerfen. Nach dieser Logik müssen Hochschulen wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden, und die schnellstmögliche Rendite steht im Vordergrund. Diese Philosophie findet sich eben auch in den Grundstrukturen des Gesetzes – am Anfang auch noch so benannt, dass man Aufsichtsrats- und Managementstrukturen einführen sollte, und nun wird es durch andere Worte einfach nur verschleiert. Damit sind Sie doch nun aber schon auf die Nase gefallen. Kurzfristig mag das gewinnbringend sein, aber langfristig werden wir verlieren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dieser überkommene Zeitgeist äußert sich in einem technokratischen Verständnis von Hochschule. Wettbewerb und Konkurrenz werden zum zentralen Antriebsfaktor für die Organisation von Bildungs- und Forschungsprozessen beschworen, indem man zum Beispiel den Master als Zugang zu weiterer akademischer Bildung quotiert. Dies führt zu Wettbewerb unter Studierenden statt zum wissenschaftlichen Austausch miteinander. Aber Wissen entsteht durch Austausch, Erkenntnis nur durch gemeinsames Erkenntnisinteresse.

Auch die indikatorengestützte, leistungsorientierte Mittelvergabe birgt Gefahren, wenn sie sich an rein quantitativen Kriterien misst; denn Studienzeitverkürzung führt zu administrativer Wissensbeschränkung und kann unter Umständen viel größeren Schaden aus volkswirtschaftlicher Sicht haben, und wir können die Gefahren durch die Studienzeitverkürzung durch den Bachelor jetzt bereits sehen. Die verkürzte Bildung gibt Anlass zur Sorge.

Auch innovatives Querdenkertum kann für solche Hochschulen risikobelastet und unerwünscht sein, wenn sich die Mittelzuweisung zum Beispiel an Drittmitteln ausrichtet. Wir wissen, dass das dann heißt, sich auf die geldbringenden Großunternehmen auszurichten, und dies kann

entsprechende Konformität nach sich ziehen. Das hat auch Folgen für das wissenschaftliche Denken.

Gefährlich wird es auch, wenn Hochschulen nur noch als Standortfaktor betrachtet werden. Ich sage ja auch, dass sie eine entscheidende Ressource für unser Land sind, weil sie wirtschaftliche Effekte nach sich ziehen. Aber das darf nicht das alleinige Kriterium für Hochschule sein. Hochschulen haben eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, deshalb braucht es dort auch den Platz für kritische Bildung, also für Geistes- und Sozialwissenschaften. Wir brauchen Technologiefolgenabschätzung an den Hochschulen. Deshalb kann das Bildungsziel eben nicht „Schmalspurstudium“ heißen, sondern „wissenschaftliche Urteilsfähigkeit“.

Aber es muss auch gesellschaftliche und politische Mitwirkung gelebt und gelernt werden; denn soziale und ökologische Reformen werden vor allem von Akademikerinnen und Akademikern betrieben werden. Dazu bedarf es dieser kritischen Reflexion des Resonanzraumes Hochschule und gelebter Demokratie.

Doch statt tatsächliche Autonomie zu schaffen und somit Vertrauen in die Besten unseres Landes zu setzen, legen Sie die Hochschulen an das Gängelband eines Hochschulrates. Damit werden Sie den hervorragenden Leistungen der Hochschulen trotz ständiger Kürzungen, neuer Aufgabenübertragungen usw. einfach nicht gerecht. Diese Konstruktion kann das Wesen von Hochschulen auf Ausbildung für Wirtschaft und Wissensproduktion sowie schnellstmögliche Verfügung darüber reduzieren; denn die oben genannten Aufgaben haben in Ihrer Philosophie kaum einen Platz. Die Hochschulen würden zu gemanagten Wirtschaftsunternehmen verkommen. Dem könnte das mögliche Regulativ Hochschule etwas entgegensetzen. Durch die Zerstörung der kooperativen Selbstverwaltung kann man dem jedoch nur noch wenig entgegensetzen.

Meine Damen und Herren der Koalition! Sie betreiben Entdemokratisierung auf der einen Seite und Entscheidungskonzentration sowie Kompetenzballung auf Wenige, nämlich Rektorat und Hochschule, auf der anderen Seite. Der Hochschulrat wurde von den meisten Sachverständigen in der Anhörung heftig kritisiert; darauf werde ich später noch einmal eingehen. Auch die Studiengebührenfreiheit ist nur die halbe Wahrheit. Ich hatte bereits angeführt, dass es keinen Rechtsanspruch auf einen Masterstudiengang gibt. Durch den Numerus clausus werden Studierende systematisch von dieser Bildung ausgeschlossen. Wer es sich leisten kann, wird sich dann für zunehmend gebührenfinanziert angebotene Masterstudiengänge einschreiben, und auf eine Ungleichbehandlung der Diplomabsolventen der Fachhochschulen hat auch ein Mitglied der CDU-Fraktion hingewiesen.

Die Mehrfachselektion des sächsischen Bildungssystems setzt sich so fort. Für alle möglichen Leistungen kann nun die Hochschule Gebühren erheben. Das kann bei Gebühren für Hochschulzulassungsverfahren beginnen und wird bei der Benutzung von Laboratorien nicht aufhören. Wir haben heute bereits Gebühren für Sprachen und Biblio

theken. Schon heute gibt es in diesem Bereich Ausgründungen an den Universitäten. Diese wirtschaftlichen Unternehmen haben aber die Möglichkeit, für alle Leistungen Entgelte von ihren Nutzern zu verlangen, und diese Ausgründungen bzw. Unternehmensgründungen bedürfen mit dem neuen Gesetz nur der Zustimmung durch den externen Hochschulrat. Der Rechnungshof regte an, das Outsourcing von Hochschulaufgaben demokratisch legitimieren zu lassen. Warum spielte das in den Änderungsanträgen keine Rolle?

Und nun rüttelt die Koalition auch noch an den Tarifen der Mitarbeiter, indem sie zunächst als Modell die volle Personalhoheit an die TU Dresden geben wird. Aber wir wissen doch bereits von den Erfahrungen in den Studentenwerken, wie das dann ausgeht: In der finanziellen Not fangen die Hochschulen an, ihre Mitarbeiter untertariflich zu bezahlen, sie steigen dann womöglich aus dem Flächentarifvertrag aus und es besteht die große Gefahr der Aushebelung tarifrechtlicher Bestimmungen bei Übernahme der Arbeitgebereigenschaft an die Hochschulen. Langfristig ist die Tarifbindung aller Hochschulen gefährdet.

Nun muss ich doch ein Wort direkt an die SPD-Fraktion richten. Sie verstehen sich als gewerkschaftsnah und organisieren so Tarifflucht. Den Vorwurf der Aushebelung der Tarifautonomie werden Sie tragen müssen. Herr Brangs, da hilft es auch nicht, wenn Sie im Ausschuss gegen den einen Paragrafen stimmen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hochschulen wird das egal sein, wenn die Tarifverträge am Ende nicht mehr für sie gelten.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Elke Herrmann und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Stange, auch Ihnen gestehe ich zu, dass Sie erst spät zu diesem Gesetzesprozess hinzukamen. Aber Sie sind SPD-Ministerin, Sie waren früher Bundesvorsitzende der GEW, Sie arbeiteten selbst an der TU Dresden. Hätte Ihre Vorgängerin diesen Entwurf eingebracht, Frau Dr. Stange, dann hätten Sie doch vor zwei Jahren auch vor dem Landtag gestanden. Haben Sie das vergessen?

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Wir können es nur immer wieder betonen: Hochschule lebt von ordentlich entlohnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darum muss man am Flächentarif festhalten, und sie lebt von Studierenden, die unabhängig von ihrer Herkunft an unseren Hochschulen studieren können. Sie lebt aber vor allem von der Kreativität, von den Kompetenzen und der Einsatzbereitschaft der gesamten Wissenschaftsgemeinschaft. Ein modernes Hochschulgesetz muss dies befördern. Dazu braucht es entsprechende Formen der Mitbestimmung. Sie aber, Herr Prof. Mannsfeld, schließen die größte und politisch aktivste Gruppe, die Studierenden, von den wichtigsten Entscheidungen aus.